Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:1104.1SA208.16.0A
bei uns veröffentlicht am04.11.2016

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 17.03.2016, Az.: 6 Ca 560/14, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren wiederum darüber, ob der Beklagten ein im Wege der Widerklage geltend gemachter Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zusteht.

2

Wegen des unstreitigen Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Urteils der Berufungskammer vom 17.7.2015 sowie – auch wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz- auf den Tatbestand des Urteils Arbeitsgerichts Mainz- Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 17.3.2016 , Az. 6 Ca 560/14, Bezug genommen.

3

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 7.610,64 EUR wegen Beschädigung des LKW-Führerhauses gerichtete Widerklage abgewiesen.

4

Gegen dieses ihr am 6.5.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 19.5.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4.7.2016, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründet.

5

Nach Maßgabe dieses Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 2.11.2016, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 505 ff., 530 ff. d.A.), macht die Beklagte im Wesentlichen geltend:

6

Der Widerklage stehe die Rechtskraft des (ersten) erstinstanzlichen Urteils vom 19.2.2015 nicht entgegen. Der Lebenssachverhalt habe sich dadurch geändert, dass dem Kläger nach dem (ersten) Berufungsurteil eine Nachfrist zur Behebung der Schäden gesetzt wurde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Anspruch der Höhe nach nicht auf den merkantilen Minderwert beschränkt. Der Kläger sei an die von ihm selbstgegebene Zusage, bei Ausbau der von ihm im Führerhaus eingebauten Gegenstände den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen gebunden. Zur Beseitigung der Schäden sei der mit der Widerklage geltend gemachte Aufwand erforderlich. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist sei gewahrt.

7

Die Beklagte beantragt,

8

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 17.03.2016, Az. 6 ca 560/14, abzuändern und den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 7.610,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 05.09.2015 zu zahlen.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Mit seiner Berufungserwiderung gem. Schriftsatz vom 09.09.2016, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 516 ff. d.A.), vertritt der Kläger die Ansicht, dass der Zulässigkeit der Widerklage die Rechtskraft es (ersten) erstinstanzlichen Urteils zwischen den Parteien vom 19.02.2015 entgegenstehe. Der Streitgegenstand sei unverändert. Einem Anspruch stehe auch die Ausschlussfrist in § 13 des Arbeitsvertrages entgegen. Wenn die Beklagte es ihm gestatte, private Gegenstände in das Fahrzeug einzubringen, sei ihr bewusst gewesen, dass dies mit der Anbringung von Bohrlöchern einhergehe. Der Schaden sei auch nicht substantiiert dargelegt worden. Die vom Arbeitsgericht aus Rechtsgründen vorgenommene Begrenzung der Haftung sei nicht zu beanstanden.

12

Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Ihr steht gegen den Kläger kein Schadensersatzanspruch zu.

14

1. Der mit der Berufung weiter verfolgten Widerklage steht allerdings nicht die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz –Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 19.2.2015, Az. 6 Ca 560/14- entgegen. Der Streitgegenstand des genannten Verfahrens und des vorliegenden Verfahrens ist nicht identisch. Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. nur BAG 18.5.2016 -7 ABR 81/13-, juris, Rz. 14 mwN.). Vorliegend hat sich der Lebenssachverhalt dadurch geändert, dass dem Kläger nach Verkündung des Berufungsurteils vom 17.7.2015 (Az. 1 Sa 182/15) eine Nachfrist zur Beseitigung der Schäden im Führerhaus gesetzt wurde.

15

2. Ein Anspruch der Beklagten auf Schadensersatz nach § 280 iVm. § 281 Abs. 2 BGB scheidet aber in Anwendung der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist nach § 13 des Arbeitsvertrages aus.

16

a) Durch den Ausbau der von ihm in das Führerhaus eingebauten Gegenstände nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger -wie im Berufungsurteil vom 17.7.2015 näher ausgeführt- das ihm nach der Vereinbarung der Parteien zustehende Wahlrecht ausgeübt. Er schuldete damit die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, also eine zunächst nicht auf Geld gerichtete Leistung.

17

b) Diesen Anspruch hat die Beklagte nicht innerhalb der in § 13 des Arbeitsvertrages vorgesehenen Ausschlussfrist von 2 Monaten nach Anspruchsentstehung geltend gemacht.

18

Der Anspruch entstand mit Ausübung des Wahlrechts, d.h. mit Ausbau der eingebauten Gegenstände. Der genaue Zeitpunkt des Ausbaus wird von den Parteien nicht mitgeteilt. Die Beklagte hat sich allerdings zur Begründung der Höhe ihrer Forderung auf den Kostenvoranschlag der Fa. S vom 15.05.2014 berufen, so dass zu diesem Zeitpunkt die Gegenstände vom Kläger bereits ausgebaut gewesen sein müssen. Ausgehend von diesem Datum ist nicht vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die zweimonatige Ausschlussfrist gewahrt hätte. Ersichtlich ist lediglich die am 17.7.2014 erhobene Widerklage mit Zustellung an den Kläger am 21.7.2014, also nach Ablauf der Ausschlussfrist. Hinzu kommt, dass die Widerklage nicht auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, sondern unmittelbar auf Schadensersatz in Geld, mithin auf eine andere als die geschuldete Leistung gerichtet war.

19

c) Unerheblich ist, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist in der Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung einer Inhaltskontrolle wegen der Kürze der Ausschlussfrist (vgl. etwa BAG 14.6.2016 -9 AZR 181/15-, juris, Rz. 31) nicht standhält. Auf die hierin liegende unangemessene Benachteiligung kann sich die Beklagte als Klauselverwender nicht mit Erfolg berufen. Die Inhaltskontrolle dient nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen (z.B. BAG 27.10.2005 -8 AZR 3/05-, juris, Rz. 16 mwN.).

20

d) Unerheblich ist auch, dass dem Kläger durch die Beklagte nach Verkündung des Urteils im vorausgegangenen Berufungsverfahren eine Nachfrist zur Beseitigung der Schäden am Führerhaus des LKW gesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch auf Beseitigung der Schäden bereits nach § 13 Arbeitsvertrag verfallen und damit nicht mehr durchsetzbar. § 281 BGB erfordert aber einen zum Zeitpunkt der Nachfristsetzung bestehenden, durchsetzbaren Anspruch (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 281 BGB Rz. 8).

21

3. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe einen seinerzeitigen gerichtlichen Vergleichsvorschlag abgelehnt unter Hinweis darauf, dass er die Schäden beseitigen wolle, kann dies in tatsächlicher Hinsicht dahinstehen. Zu diesem Zeitpunkt war der Ausspruch bereits verfallen. Ein hiervon unabhängiger Schuldgrund in Form eines Schuldanerkenntnisses scheitert bereits an der nicht gewahrten Schriftform, § 781 Abs. 1 Satz 1 BGB.

22

4. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung


(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 781 Schuldanerkenntnis


Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in elektronischer Form ist

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Nov. 2016 - 1 Sa 208/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Juni 2016 - 9 AZR 181/15

bei uns veröffentlicht am 14.06.2016

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Februar 2015 - 11 Sa 1238/14 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13

bei uns veröffentlicht am 18.05.2016

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. bis 248. und 254. bis 256. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. September 2013 - 9 TaBV 225/12 - wird zurückgewi

Referenzen

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1. bis 248. und 254. bis 256. gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. September 2013 - 9 TaBV 225/12 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde und die Anschlussrechtsbeschwerde des zu 253. beteiligten Betriebsrats gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. September 2013 - 9 TaBV 225/12 - werden als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat.

2

Die Beteiligten zu 250. bis 252. und 257. betreiben einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens 844 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Der Beteiligte zu 253. ist der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat. Die Beteiligte zu 249. ist Mitglied dieses Betriebsrats. Die zu 1. bis 248. und 254. bis 256. beteiligten Antragsteller sind in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer.

3

Die Beteiligte zu 249. war die Vorsitzende des im Jahr 2010 gewählten Betriebsrats. Nachdem auf die Initiative der Beteiligten zu 8., 50., 66., 68. und 166., die der Minderheitsfraktion dieses Betriebsrats angehörten, in der Belegschaft um Unterstützung für einen Antrag auf Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem Betriebsrat geworben worden war, leiteten die Antragsteller am 20. Juni 2011 das vorliegende Ausschließungsverfahren ein mit der Begründung, die Beteiligte zu 249. habe ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten grob verletzt.

4

Die Antragsteller haben beantragt,

        

die Beteiligte zu 249. aus dem Betriebsrat auszuschließen.

5

Die Beteiligte zu 249. und der Betriebsrat haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Arbeitgeberinnen haben keine Anträge gestellt.

6

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren die Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens fand im Mai 2014 eine Betriebsratswahl statt. Die Beteiligte zu 249. wurde erneut zum Betriebsratsmitglied gewählt. Sie ist jedoch nicht mehr Vorsitzende des Betriebsrats. Nach der Neuwahl haben die Antragsteller erklärt, der Ausschließungsantrag beziehe sich auch auf den Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 neu gewählten Betriebsrat. Der Betriebsrat beantragt, den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerden gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen; er beantragt des Weiteren, die Beteiligte zu 249. aus dem Betriebsrat auszuschließen. Die Beteiligte zu 249. beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

7

B. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, mit der er die Zurückweisung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss erstrebt, ist unzulässig, ebenso dessen Anschlussrechtsbeschwerde, mit der er die Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem Betriebsrat begehrt.

8

I. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist unbegründet.

9

1. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist entgegen der im Schriftsatz vom 20. März 2014 vertretenen Ansicht des Betriebsrats nicht mangels ordnungsgemäßer Begründung unzulässig.

10

a) Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Dazu hat die Rechtsbeschwerde - wie die Revision im Urteilsverfahren gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO - den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Eine ordnungsgemäße Rechtsbeschwerdebegründung erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält (BAG 7. Oktober 2015 - 7 ABR 75/13 - Rn. 11; 11. September 2013 - 7 ABR 29/12 - Rn. 13 mwN).

11

b) Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung. Sie setzt sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ausreichend auseinander. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das für den Ausschließungsantrag erforderliche Quorum sei nicht erfüllt, da das Quorum nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur durch zum Teil massive Einflussnahme seitens des Leiters des Außendienstes der zu 250. bis 252. und 257. beteiligten Arbeitgeberinnen und einiger Business Coaches erreicht worden sei. Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts haben die Antragsteller mit der Rechtsbeschwerdebegründung angegriffen, indem sie die Auffassung vertreten haben, die Einflussnahme von Vertretern der Arbeitgeberinnen auf die Entscheidung der Arbeitnehmer, sich am Ausschließungsverfahren zu beteiligen, sei nicht geeignet, das Quorum als nicht erreicht anzusehen, wenn die Arbeitnehmer nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt worden seien. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Antragsteller haben ferner dargelegt, warum aus ihrer Sicht das Ergebnis der Beweisaufnahme die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es habe eine massive Einflussnahme auf die Arbeitnehmer stattgefunden, nicht trägt.

12

2. Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag, die Beteiligte zu 249. aus dem Betriebsrat auszuschließen, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der auf die Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat gerichtete Antrag ist unzulässig. Soweit die Antragsteller in der Rechtsbeschwerdeinstanz erklärt haben, ihr Antrag beziehe sich auch auf den Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat, liegt eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragserweiterung vor.

13

a) Die Antragsteller begehren die Ausschließung der Beteiligten zu 249. sowohl aus dem im Jahr 2010 als auch aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Ausschließungsantrag betrifft damit zwei Streitgegenstände.

14

aa) Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (vgl. etwa BAG 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 - Rn. 32; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16 mwN). Der Verfahrensgegenstand wird daher erweitert iSd. auch auf die nachträgliche Antragshäufung anzuwendenden § 263 ZPO(vgl. zur nachträglichen Klagehäufung BGH 15. Januar 2001 - II ZR 48/99 - zu B II 1 der Gründe), wenn zwar kein zusätzlicher Antrag gestellt, der Antrag aber zusätzlich auf einen weiteren Lebenssachverhalt gestützt wird (BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18).

15

bb) Danach betrifft das Begehren, die Beteiligte zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat auszuschließen, einen anderen Streitgegenstand als das Begehren, sie aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat auszuschließen. Der Antrag ist zwar jeweils auf die Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem Betriebsrat gerichtet. Es geht jedoch um den Ausschluss aus verschiedenen Betriebsräten und damit um unterschiedliche Lebenssachverhalte. Der neu gewählte Betriebsrat ist mit seinem Vorgänger nicht identisch. Der Betriebsrat besteht nur für die Dauer seiner Amtszeit. Er ist - anders als der Gesamtbetriebsrat und der Konzernbetriebsrat (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2014 - 7 ABR 53/12 - Rn. 33, BAGE 149, 261; 9. Februar 2011 - 7 ABR 11/10 - Rn. 42, BAGE 137, 123; 22. Juni 2005 - 7 ABR 30/04 - zu B II der Gründe) - keine Dauereinrichtung. Das Gesetz geht vielmehr von dem jeweils amtierenden Betriebsrat aus. Nach § 21 BetrVG beginnt die Amtszeit des Betriebsrats „mit der Wahl“ oder, wenn zu dieser Zeit noch ein Betriebsrat besteht, „mit Ablauf von dessen Amtszeit“. Das Gesetz stellt damit den bisherigen dem neu gewählten Betriebsrat gegenüber. In gleicher Weise unterscheidet das Gesetz in § 22 BetrVG für die Fälle der (vorzeitigen) Neuwahl des Betriebsrats zwischen dem alten und dem neuen Betriebsrat(BAG 29. April 1969 - 1 ABR 19/68 - zu II B 2 d der Gründe).

16

b) Der Antrag, die Beteiligte zu 249. aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat auszuschließen, ist unzulässig, weil das Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens entfallen ist.

17

aa) Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann (BAG 9. September 2015 - 7 ABR 47/13 - Rn. 12; 18. März 2015 - 7 ABR 6/13 - Rn. 16; 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - Rn. 13).

18

bb) Das ist bei dem Antrag auf Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat der Fall. Die Amtszeit des im Jahr 2010 gewählten Betriebsrats hat gemäß § 21 Satz 3 iVm. § 13 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BetrVG spätestens am 31. Mai 2014 geendet. Damit kann sich eine Entscheidung über den Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus diesem Betriebsrat für die Beteiligten nicht mehr auswirken, da der gestaltende Beschluss nach § 23 Abs. 1 BetrVG keine Rückwirkung entfaltet, sondern nur für die Zukunft wirkt(BAG 29. April 1969 - 1 ABR 19/68 - zu II B 2 b, 4 der Gründe; 8. Dezember 1961 - 1 ABR 8/60 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 12, 107). Insoweit gilt nichts anderes als für einen Wahlanfechtungsantrag. Dieser wird mit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats wegen des Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig (vgl. BAG 9. September 2015 - 7 ABR 47/13 - Rn. 11 ff.).

19

c) Soweit die Antragsteller nunmehr beantragen, die Beteiligte zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat auszuschließen, handelt es sich um eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässige Antragserweiterung.

20

aa) Die Antragsteller haben mit ihrer Erklärung, sie verfolgten mit ihrem Antrag auch den Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat, ihren Antrag erweitert. Der Antrag war in den Vorinstanzen nur auf die Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat gerichtet. Das ergibt die gebotene Antragsauslegung.

21

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat die gestellten Anträge als prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgeblich sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht des Verfahrensbeteiligten nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Die schutzwürdigen Belange der übrigen Verfahrensbeteiligten sind zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 27. Mai 2015 - 7 ABR 20/13 - Rn. 18 mwN).

22

(2) Danach war der Antrag, die Beteiligte zu 249. aus dem Betriebsrat auszuschließen, in den Vorinstanzen nur auf die Ausschließung aus dem im Jahr 2010 gewählten Betriebsrat gerichtet und nicht auch als Antrag auf Ausschließung der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat zu verstehen. Im Zeitpunkt des Schlusses der Anhörung der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht am 19. September 2013 war dieser Betriebsrat noch nicht im Amt. Damit wäre ein Antrag auf Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 zu wählenden Betriebsrat unzulässig gewesen. Ein Antrag auf Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat kann erst nach der Wahl des Betriebsrats gestellt werden. Vor der Wahl ist ein solcher Antrag unzulässig. Das ergibt sich schon daraus, dass sich der Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat richtet. Das setzt eine Mitgliedschaft in dem bereits amtierenden Betriebsrat voraus. Dieses Verständnis wird durch systematische Erwägungen bestätigt. Ein Ausschluss eines Wahlbewerbers aus einem noch zu wählenden Betriebsrat führte im Ergebnis zu einer mit § 8 BetrVG nicht zu vereinbarenden Beschränkung der Wählbarkeit. Im Übrigen besteht für einen Ausschließungsantrag vor der Wahl des Betriebsrats auch kein Rechtsschutzinteresse, da nicht feststeht, ob der Wahlbewerber überhaupt zum Betriebsratsmitglied gewählt wird.

23

bb) Die Erweiterung des Antrags auf den Ausschluss der Beteiligten zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat ist unzulässig.

24

(1) Antragserweiterungen und sonstige Antragsänderungen sind im Rechtsbeschwerdeverfahren wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich(vgl. etwa BAG 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 37, BAGE 134, 62). Der Schluss der Anhörung vor dem Beschwerdegericht bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch bezüglich der Anträge der Beteiligten die Entscheidungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO - aus prozessökonomischen Gründen Ausnahmen zugelassen, wenn sich der neue Sachantrag auf einen in der Beschwerdeinstanz festgestellten oder von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Beteiligten durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden(vgl. etwa BAG 29. April 2015 - 7 ABR 102/12 - Rn. 59, BAGE 151, 286; 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 37, aaO). Unschädlich ist es außerdem, wenn eine Änderung des Lebenssachverhalts allein in einer für Inhalt und Umfang des Streitstoffs folgenlosen Rechts- oder Funktionsnachfolge besteht (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 61/13 - Rn. 20).

25

(2) Danach ist die Antragserweiterung unzulässig.

26

(a) Die Antragsteller haben ihren Antrag nicht iSv. § 264 Nr. 2 ZPO erweitert, sondern mit dem Antrag, die Beteiligte zu 249. aus dem im Jahr 2014 gewählten Betriebsrat auszuschließen, einen anderen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Der im Jahr 2014 gewählte Betriebsrat ist zwar Funktionsnachfolger des im Jahr 2010 gewählten Betriebsrats. Die Funktionsnachfolge ist jedoch vorliegend für den Inhalt und Umfang des Streitstoffs nicht folgenlos. Die mit der Neuwahl des Betriebsrats verbundene Änderung des Lebenssachverhalts führt vielmehr zu einer Veränderung des rechtlichen Prüfprogramms. Die Entscheidung über den Antrag auf Ausschließung aus dem neu gewählten Betriebsrat hängt von den bisher nicht entscheidungserheblichen Rechtsfragen ab, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Pflichtverletzungen aus vorangegangenen Amtszeiten den Ausschluss aus dem Betriebsrat begründen können und ob im Zeitpunkt dieser Antragsänderung das für einen Ausschließungsantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG erforderliche Quorum vorliegen muss. Dies könnte ggf. neue Tatsachenfeststellungen erfordern.

27

(b) Die Antragserweiterung ist nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil die Antragsteller im vorliegenden Verfahren aufgrund des Zeitablaufs seit der Einleitung des Verfahrens und der zwischenzeitlich erfolgten Neuwahl des Betriebsrats keine rechtskräftige Sachentscheidung über ihren Ausschließungsantrag erwirken können. Dadurch wird der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht verletzt.

28

(aa) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes ist Ausfluss des staatlichen Justizgewährleistungsanspruchs (vgl. BVerfG 9. Mai 1989 - 1 BvL 35/86 - zu IV 1 a der Gründe, BVerfGE 80, 103). Dieser garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG 20. Mai 2014 - 2 BvR 2512/13 - Rn. 13; 28. Februar 2013 - 2 BvR 612/12 - Rn. 19, BVerfGK 20, 207; 17. September 2012 - 1 BvR 2254/11 - Rn. 25, BVerfGK 20, 43). Art. 19 Abs. 4 GG gebietet den Gerichten, das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird(BVerfG 20. Mai 2014 - 2 BvR 2512/13 - Rn. 13).

29

(bb) Der Zugang zu den Gerichten ist den Antragstellern nicht dadurch unzumutbar erschwert, dass sie ihren Ausschließungsantrag nach einer Neuwahl des Betriebsrats nicht in der Rechtsbeschwerdeinstanz ändern und den Ausschluss des Mitglieds aus dem neu gewählten Betriebsrats beantragen können. Sie haben vielmehr die Möglichkeit, ein neues Ausschließungsverfahren beim Arbeitsgericht einzuleiten. Damit ist ein effektiver Rechtsschutz auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Dauer des Ausschließungsverfahrens gewährleistet. Wird der Antrag alsbald nach der Betriebsratswahl gestellt, ist mit einer rechtskräftigen Entscheidung vor Ablauf der Amtszeit zu rechnen.

30

II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unzulässig.

31

1. Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz vom 20. April 2016 Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts eingelegt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats hat in der Anhörung vor dem Senat auf Nachfrage erklärt, der Antrag, den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Beschwerden gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen, sei als Rechtsbeschwerde zu verstehen.

32

2. Die Rechtsbeschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der einmonatigen Rechtsbeschwerdefrist (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 ArbGG) eingelegt worden ist. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist dem Amtsvorgänger des Betriebsrats am 13. November 2013 zugestellt worden. Der Betriebsrat ist mit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2014 nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretungen als Funktionsnachfolger seines Vorgängers im vorliegenden Verfahren in dessen Beteiligtenstellung eingetreten (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 7 ABR 24/13 - Rn. 14; 13. Mai 2014 - 1 ABR 9/12 - Rn. 14; 24. August 2011 - 7 ABR 8/10 - Rn. 15, BAGE 139, 127). Er hat die verfahrensrechtliche Stellung des bisherigen Betriebsrats eingenommen (vgl. BAG 13. Mai 2014 - 1 ABR 9/12 - Rn. 14; 13. Februar 2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 16). Bei Eingang der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats beim Bundesarbeitsgericht am 20. April 2016 war die Rechtsbeschwerdefrist abgelaufen.

33

III. Die Anschlussrechtsbeschwerde des Betriebsrats ist ebenfalls unzulässig.

34

1. Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz vom 20. April 2016 neben der Rechtsbeschwerde auch eine Anschlussrechtsbeschwerde eingelegt. Nachdem er in den Vorinstanzen stets die Abweisung des Ausschließungsantrags der zu 1. bis 248. und zu 254. bis 256. beteiligten Arbeitnehmer beantragt hatte, hat er erstmals mit Schriftsatz vom 20. April 2016 selbst beantragt, die Beteiligte zu 249. aus dem Betriebsrat auszuschließen. Damit hat er einen eigenen Ausschließungsantrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG gestellt. Ein neuer Sachantrag in der Rechtsbeschwerdeinstanz erfordert, dass der Antragsteller Rechtsmittelführer ist und sein Rechtsmittel zulässig ist (vgl. BAG 28. Mai 2014 - 5 AZR 794/12 - Rn. 12; für die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz BGH 30. November 2005 - XII ZR 112/03 - Rn. 15) oder dass er sich dem Rechtsmittel eines anderen Verfahrensbeteiligten anschließt. Da der Betriebsrat keine zulässige Rechtsbeschwerde eingelegt hat, ist der Antrag als Anschlussrechtsbeschwerde auszulegen. Dieses Antragsverständnis hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats in der Anhörung vor dem Senat auf Nachfrage bestätigt.

35

2. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist.

36

Eine Anschlussrechtsbeschwerde muss nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG innerhalb eines Monats nach Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung eingelegt werden. Diese Frist hat der Betriebsrat mit der am 20. April 2016 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Anschlussrechtsbeschwerde nicht gewahrt. Die Rechtsbeschwerdebegründung der Antragsteller war dem Betriebsrat am 20. Januar 2014 zugestellt worden. Bei Eingang der Anschlussrechtsbeschwerde des Betriebsrats beim Bundesarbeitsgericht am 20. April 2016 war die Frist zur Einlegung der Anschlussrechtsbeschwerde abgelaufen. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats gebietet sein Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes es nicht, die Vorschrift über die Frist zur Einlegung der Anschlussrechtsbeschwerde unangewendet zu lassen, um ihm die Stellung eines eigenen Ausschließungsantrags zu ermöglichen. Der Betriebsrat kann zwar im vorliegenden Verfahren wegen des Ablaufs der Rechtsmittelfristen keinen eigenen Ausschließungsantrag mehr anbringen. Es ist ihm jedoch unbenommen, ein Ausschließungsverfahren beim Arbeitsgericht einzuleiten.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Krollmann    

        

    Holzhausen     

                 

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Februar 2015 - 11 Sa 1238/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, die Kosten für die Reinigung der ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Hygienekleidung zu tragen.

2

Die Beklagte betreibt einen Schlachtbetrieb. Der Kläger ist bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 1. April 1985 als Arbeitnehmer im Bereich Schlachtung tätig. In dem zwischen den Parteien für die Zeit ab dem 4. Dezember 1998 geschlossenen schriftlichen Formulararbeitsvertrag heißt es ua.:

        

§ 12 Verfallklausel          

        

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen mit Ablauf von 2 Monaten ab Fälligkeit, sofern sie nicht innerhalb dieser Frist schriftlich geltend gemacht worden sind.

        

Unter die Verfallklausel fallen nicht solche Ansprüche eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers gegen einen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, die auf eine strafbare Handlung oder eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften.“

3

Die Beklagte stellt dem Kläger für die Schlachtung weiße Hygienekleidung zur Verfügung. Sie verbleibt nach der Arbeitszeit bei der Beklagten und wird dort gereinigt. Die Beklagte zieht dafür seit mehreren Jahren monatlich 10,23 Euro von der Nettovergütung des Klägers ab. Mit der der Beklagten am 27. März 2014 zugestellten Klage verlangt der Kläger unter anderem die Zahlung der für die Monate Januar 2011 bis Februar 2014 einbehaltenen monatlichen Beträge.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für den Einbehalt der Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung bestehe keine Rechtsgrundlage. Eine konkludente Vereinbarung über seine Kostentragungspflicht sei nicht dadurch zustande gekommen, dass er über Jahre dem Einbehalt nicht widersprochen habe.

5

Der Kläger hat, soweit für die Revision maßgeblich, beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 388,74 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz für die Zeit ab dem 1. Februar 2014 zu zahlen;

        

2.      

festzustellen, dass die Beklagte nicht dazu berechtigt ist, von der ihm zustehenden monatlichen Vergütung einen Nettobetrag in Höhe von 10,23 Euro für Arbeitskleidung in Abzug zu bringen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, es sei dem Kläger bereits bei der Einstellung mitgeteilt worden, dass er das „Kleidergeld“ für die tägliche Reinigung der Arbeitskleidung zu tragen habe. Seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses sei das „Kleidergeld“ monatlich in der Verdienstabrechnung ausgewiesen und in Abzug gebracht worden. Hiergegen habe sich der Kläger niemals gewandt. Deshalb sei zumindest konkludent eine entsprechende Vereinbarung über die Kostentragungspflicht zustande gekommen. Die Vereinbarung sei auch nicht gemäß § 619 BGB unwirksam. Es handele sich nicht um Schutzkleidung iSv. § 618 BGB, da sie nicht den Zweck habe, den Kläger zu schützen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten - soweit für die Revision von Bedeutung - zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger hat in der Revision seine Klage hinsichtlich des Zinsanspruchs mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen und Zinsen erst seit dem 28. März 2014 verlangt.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Beklagte war und ist nicht berechtigt, von der monatlichen Vergütung des Klägers die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung in Abzug zu bringen. Deshalb hat der Kläger Anspruch auf Nachzahlung seiner Vergütung für die Monate Januar 2011 bis Februar 2014 in einer Gesamthöhe von 388,74 Euro.

9

I. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, von der monatlichen Vergütung des Klägers die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung in Höhe von monatlich 10,23 Euro abzuziehen. Der Beklagten steht kein Anspruch auf Erstattung der Reinigungskosten gegenüber dem Kläger zu.

10

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Parteien nicht konkludent vereinbart, dass der Kläger die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung zu tragen hat. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine solche Vereinbarung wirksam wäre.

11

a) Die Beklagte beruft sich allein darauf, der Kläger habe über Jahre den Abzug der Reinigungskosten von seiner Vergütung nicht beanstandet. Damit sei eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen.

12

b) Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

13

Anhaltspunkte für eine konkludente Vereinbarung sind ebenfalls nicht gegeben. Allein die Hinnahme der Abzüge von der Vergütung lässt nicht auf einen vertraglichen Erklärungswillen des Klägers schließen.

14

aa) Ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden kann, ist danach zu beurteilen, wie der Erklärungsempfänger dies nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (vgl. BAG 24. Juni 2010 - 6 AZR 75/09 - Rn. 23; BGH 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83 - zu I 1 a der Gründe, BGHZ 91, 324).

15

bb) Hierzu müsste sich aus den gesamten erkennbaren Umständen ergeben, dass dem Kläger überhaupt bewusst gewesen sein musste, für den Abzug der Reinigungskosten bedürfe es einer vertraglichen Grundlage. Hierzu sind keine Tatsachen festgestellt. Im Übrigen vereinbarten die Parteien während des schon laufenden Arbeitsverhältnisses in § 11 des schriftlichen Arbeitsvertrags für die Zeit ab dem 4. Dezember 1998, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen. Damit wird deutlich, dass beide Parteien erkennbar nicht das Bewusstsein hatten, mit den Abzügen würden konkludent rechtsgeschäftliche Abreden getroffen.

16

2. Ebenso kann die Kostentragungspflicht des Klägers nicht aus betrieblicher Übung folgen. Eine Betriebsübung zuungunsten der Arbeitnehmer scheidet aus (ErfK/Preis 16. Aufl. § 611 BGB Rn. 225a).

17

3. Der Anspruch der Beklagten folgt nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 670 BGB.

18

a) Gemäß § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. § 670 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im Arbeitsverhältnis gilt. Wer im Interesse eines anderen Aufwendungen macht, für die er keine Vergütung erhält, kann Ersatz der Aufwendungen von demjenigen verlangen, für den er tätig geworden ist (vgl. BAG GS 10. November 1961 - GS 1/60 - zu B VII der Gründe, BAGE 12, 15). § 670 BGB kann auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden. Voraussetzung ist, dass es sich um Aufwendungen zum Zwecke der Ausführung des Auftrags handelt, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Macht etwa der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen, die nicht durch die Vergütung abgegolten sind, ist der Arbeitgeber deshalb zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet (BAG 12. März 2013 - 9 AZR 455/11 - Rn. 7 f.).

19

b) Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 670 BGB liegen nicht vor. Die Kosten für die Reinigung der Hygienekleidung sind keine Aufwendungen, die die Beklagte im Interesse des Klägers tätigt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Beklagte ist rechtlich verpflichtet, Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen. Deren Reinigung erfolgt deshalb im eigenen und nicht im Fremdinteresse.

20

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, jede Schutzkleidung, die aus hygienischen Gründen getragen werden müsse, sei Vorrichtung iSd. § 618 Abs. 1 BGB, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellen müsse.

21

(1) § 618 BGB bezweckt den Schutz des Dienstleistenden vor den mit der Dienstleistung verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit, die von den technischen Einrichtungen des Betriebs her drohen(MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 618 Rn. 1). § 618 BGB ist Teilregelung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers(vgl. BAG 10. März 1976 - 5 AZR 34/75 - zu 1 der Gründe). Hygienekleidung unterfällt deshalb nur dem Anwendungsbereich des § 618 BGB, wenn sie dem Schutz des Arbeitnehmers dienen soll. Ob dies vorliegend der Fall ist, lässt sich wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen.

22

(2) Schutzkleidung nach der Biostoffverordnung (BioStoffV) dient dem Schutz der Beschäftigten. Das Landesarbeitsgericht hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger mit biologischen Arbeitsstoffen iSv. § 2 Abs. 1 BioStoffV Kontakt hat. Biologische Arbeitsstoffe sind Mikroorganismen und andere Krankheitserreger, die beim Menschen Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können (Broschüre „Biostoffverordnung - Ratgeber für Arbeitgeber und Beschäftigte“ des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). So wurde der Beschluss 602 des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe „Spezielle Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch BSE/TSE-Erreger“ aufgehoben, da in den Jahren 2010 und 2011 keine BSE-Fälle in Deutschland registriert wurden und aufgrund der getroffenen Vorsorgemaßnahmen eine Gefährdung der Beschäftigten durch BSE/TSE-Erreger im Bereich Schlachtbetriebe und Tierkörperbeseitigungsanstalten nicht weiter zu erkennen war (GMBl. 2012 S. 382).

23

bb) Die Pflicht der Beklagten, den Beschäftigten saubere und geeignete Hygienekleidung zur Verfügung zu stellen, folgt vielmehr aus den einschlägigen Vorschriften zur Lebensmittelhygiene.

24

(1) Die Pflicht zum Tragen der Hygienekleidung ergibt sich aus Anhang II Kap. VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene, die seit 2006 in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt (vgl. Wiemers/Ghaedi AuA 2016, 154, 156). Diese Anforderung wird durch Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) bestätigt. Nach beiden Regelungen müssen Personen, die mit Primärerzeugnissen umgehen (Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 LMHV) oder die in einem Bereich arbeiten, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird (Anhang II Kap. VIII Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004), geeignete und saubere Arbeitskleidung tragen. Nach Nr. 5.1 der Anlage 1.1 „Allgemeine Anforderungen an die Zulassung von Betrieben“ der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis (AVV Lebensmittelhygiene - AVV LmH) ist die Arbeitskleidung geeignet, wenn sie zum Beispiel hell, leicht waschbar und sauber ist und die persönliche Kleidung vollständig bedeckt.

25

(2) Die Vorschriften sind für den Schlachtbetrieb der Beklagten einschlägig.

26

Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer, die nicht in der Primärproduktion, sondern auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen tätig sind, die allgemeinen Anforderungen gemäß Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 zu erfüllen. Schlachtbetriebe sind nicht in der Primärproduktion tätig, da sie keine Primärerzeugnisse iSv. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 herstellen. Sie betreiben keine Tierhaltung. Nr. 3 Buchst. b der Anlage 2 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 LMHV gilt für Personen, die mit Primärerzeugnissen umgehen. Diese Voraussetzung ist bei einem Schlachtbetrieb erfüllt, da dort mit den Tieren als Primärerzeugnissen umgegangen wird.

27

(3) Die Pflicht, Hygienekleidung zu tragen, hat der Lebensmittelunternehmer zu gewährleisten. Dies gehört zu seinem Verantwortungsbereich. Nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 haben die Lebensmittelunternehmer sicherzustellen, dass auf allen ihrer Kontrolle unterstehenden Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln die einschlägigen Hygienevorschriften dieser Verordnung erfüllt sind. Deren Erfüllung ist nach § 2 Abs. 4 AVV LmH Voraussetzung für die behördliche Zulassung des Betriebs. Damit gehört das Tragen von sauberer Hygienekleidung zum Pflichtenkreis der Beklagten.

28

II. Der Kläger hat nach § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung der von Januar 2011 bis Februar 2014 zu Unrecht einbehaltenen 10,23 Euro monatlich und damit auf insgesamt 388,74 Euro.

29

III. Die Vergütungsansprüche des Klägers sind nicht gemäß § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags verfallen. Danach verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, sofern sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden sind. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

30

1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei den Regelungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Hierfür spricht auch das formalisierte Erscheinungsbild des Vertragstextes. Der Arbeitsvertrag der Parteien unterliegt deshalb der Inhaltskontrolle des § 307 BGB.

31

2.Eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von weniger als drei Monaten ist unangemessen kurz und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Regelung benachteiligt den Kläger unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Eine einzelvertragliche Verfallfrist von zwei Monaten ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Erfasst sie alle Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, schränkt sie wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine Frist für die erstmalige Geltendmachung von weniger als drei Monaten ist unangemessen kurz (ausf. BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn28 ff., BAGE 116, 66).

32

IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 iVm. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

33

B. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    H. Anthonisen    

        

    Neumann-Redlin    

                 

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Ist für die Begründung des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.