Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13

bei uns veröffentlicht am21.02.2014

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

Datum: 21.02.2014

5 Ca 677/13 (Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf -)

Rechtsvorschriften:

Leitsatz:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 08.10.2013, Az. 5 Ca 677/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des arbeitsgerichtlichen Tenors lautet wie folgt:

„Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei auf dem Urlaubskonto zwei Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2012 gutzuschreiben.“

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitnehmerin zwei Urlaubstage gutzuschreiben sind, weil die Anordnung der Arbeitgeberin, Urlaub einzubringen, unwirksam gewesen ist.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahr 2000 als Maschinenbedienerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen der IG Metall und dem Verein der Bayerischen Metallindustrie bzw. dem Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. für die Bayerische Metallindustrie abgeschlossenen und gültigen Tarifverträge aufgrund eines Anerkennungstarifvertrages in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung (Werktarifvertrag als Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 ff. d. A.).

Im Manteltarifvertrag vom 23.06.2008, gültig ab 01.07.2008, finden sich, soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen (TR 5/10 - 300 ab 145):

§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

Ziff. 1

Ziff. 2 (I) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen werden mit dem Betriebsrat unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse vereinbart.

Im Nichteinigungsfall ist gem. § 23 Abschn. D zu verfahren.

(II) Die Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember endet jeweils um 12 Uhr, es sei denn, dass bei Vorliegen besonderer betrieblicher Verhältnisse mit dem Betriebsrat eine andere Regelung vereinbart wird. Die ausfallende Arbeitszeit ist zu vergüten.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

Ziff. 3 (I) Nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat kann an Werktagen vor und nach gesetzlichen Feiertagen, sowie aus besonderen Anlässen der Betrieb geschlossen werden.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

(II) Die an einzelnen Tagen ausfallenden Arbeitsstunden können nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat innerhalb eines Zeitraumes von 10 Wochen vor- bzw. nachgearbeitet werden; Ausfallzeit im Zusammenhang mit einer Betriebsschließung in der Weihnachtszeit (24. Dezember bis 6. Januar) kann jedoch in der Zeit zwischen 1. Oktober bis 28. Februar des folgenden Jahres vor- bzw. nachgearbeitet werden. Die Vor- und Nacharbeit ist zuschlagsfrei.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

Einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat bedarf es nicht, wenn einzelne Arbeitnehmer ausgefallene Arbeitsstunden in der laufenden bzw. der folgenden Woche vor- bzw. nacharbeiten.

Ziff. 7 Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass erfolglos geltend gemacht wurde.

Anmerkung zu § 2 Ziff. 2 (II)

Grundsätzlich endet die Arbeit am 24. und 31. Dezember jeweils um 12 Uhr. Abweichende Regelungen sind nur durch Betriebsvereinbarung möglich. Die Abweichung kann sowohl einen früheren als auch einen späteren Arbeitsschluss beinhalten.

Im letzteren Fall sind aber die Zuschläge gem. § 6 Ziff. 2 Abs. (I) a) und b) zu berücksichtigen. Für eine Betriebsschließung vor 12 Uhr entsteht kein Anspruch auf Vergütung der Ausfallzeit. Die Ausfallzeit kann jedoch vor- bzw. nachgearbeitet werden.

Anmerkung zu § 2 Ziff. 3

Durch die tarifliche Bestimmung als solche entsteht für die Zeitdauer der Betriebsschließung kein Anspruch auf Vergütung.

Ob die ausfallende Zeit vor- bzw. nachgearbeitet wird, richtet sich nach den Bestimmungen des Abs. (II).

Sowohl die Betriebsschließung als auch die Vor- bzw. Nacharbeit bedarf einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat.

§ 18 Urlaubsregelung

A. Allgemeine Bestimmungen

Ziff. 3 (I) …

(II) Die Urlaubsliste wird vom Arbeitgeber gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgestellt.

Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

Es kann auch Betriebsurlaub vereinbart werden. Seine Festlegung soll grundsätzlich bei Aufstellung der Urlaubsliste erfolgen. Der Betriebsrat kann den Abschluss einer solchen Vereinbarung ablehnen oder fordern, wenn nach Abwägung mit den betrieblichen Belangen dringende Bedürfnisse der betroffenen Arbeitnehmer überwiegen.

Im Nichteinigungsfall ist gem. § 23 Abschn. D zu verfahren.

Ziff. 4

Der Urlaub wird nach Arbeitstagen bemessen. Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer in regelmäßiger Arbeitszeit zu arbeiten hat.

Gesetzliche Feiertage, die in den Urlaub fallen, werden nicht als Urlaubstage gerechnet. Gleiches gilt bezüglich freier Tage, die sich aus einer Regelung gem. § 2 Ziff. 1 Abs. (IV) oder bei Anwendung des § 2 Ziff. 1 Abs. (VI) ergeben.

Anmerkung zu § 18 Abschn. A Ziff. 4

Bei Betriebsschließung gem. § 2 Ziff. 3 Abs. (I) und damit zusammenhängender Vor- und Nacharbeit gem. § 2 Ziff. 3 Abs. (II) gilt folgendes:

Bei Vor- oder Nacharbeit an einem sonst arbeitsfreien Tag zählt dieser Tag als Urlaubstag. Dagegen werden die Tage der Betriebsschließung auf den Urlaub nicht angerechnet.

Fällt ein gesetzlicher Feiertag mit Anspruch auf Entgelt während des Urlaubs auf einen Arbeitstag, so kann dieser Tag nicht als Urlaubstag gerechnet werden. Für diesen gesetzlichen Feiertag ist der Verdienstausfall nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu vergüten.

Fallen freie Tage, die sich aus einer Regelung gem. § 2 Ziff. 1 Abs. (IV) oder bei Anwendung des § 2 Ziff. 1 Abs. (VI) ergeben, während des Urlaubs an, können sie ebenfalls nicht als Urlaubstage gerechnet werden.

Im Jahr 2009 informierte die Beklagte mittels eines von der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat unterzeichneten Aushang die Mitarbeiter folgendermaßen (S. 5 des Schriftsatzes der Beklagtenvertreter vom 25.06.2013, Bl. 25 d. A.):

Betr.: Urlaub

Wir exerzieren alle Wege (und Irrwege) des Manteltarifs mit, nämlich trotz beispielloser Krise:

EURO 500,-- EinmalzahlungDezember 2008

+ 2,1%1. Februar 2009

28,14% Einmalzahlung1. Mai 2009

+ 2,1%1. September 2009

EURO 122,-- EinmalzahlungOktober 2009

zusätzlich Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation

Wir möchten daher auch in bezug auf die Urlaubsregelungen auf den Tarifvertrag zurückgreifen. Demnach zählen der 24.12. und der 31.12. als zwei volle Urlaubstage. Wir bitten, dies einzuplanen.

9.12.2009 …

StW/ZeiGeschäftsleitung Betriebsrat

Zusatz auf Wunsch des Betriebsrats:

Die Feiertagsstunden an den Donnerstagen 24.12. und 31.12. werden gezahlt einschließlich Prämie, ohne sonstigen Aufschlag.

Mit Schreiben vom 02.02.2012 schlug der Betriebsrat den Abschluss einer Betriebsvereinbarung vor, die unter anderem vorsah, dass die am Montag, den 24.12.2012 und die am Montag, den 31.12.2012 tariflich anfallende Arbeitszeit vor- bzw. nachgearbeitet werden sollte. Dies lehnte die Beklagte ab. Die mit Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.12.2012 eingesetzte Einigungsstelle - die von der Beklagten hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 01.02.2013 zurückgewiesen - stellte mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2013 fest, dass der Regelungsgegenstand durch Zeitablauf erledigt sei.

Die Beklagte ordnete für den 24.12. und für den 31.12.2012 Urlaub an. Die Klägerin blieb der Arbeit fern. Sie machte den Anspruch auf Gewährung der beiden nach ihrer Ansicht noch offenen Urlaubstage innerhalb des ersten Kalendervierteljahres 2013 so rechtzeitig geltend, dass sie diese Tage bis 31.03.2013 als Urlaub hätte einbringen können. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab. Die Problematik betrifft etwa 40 der 65 im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Mit ihrer am 22.05.2013 beim Arbeitsgericht Weiden erhobenen Klage hat die Klägerin die Gutschrift der beiden Urlaubstage auf ihr Urlaubskonto geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihr zu Unrecht für die beiden Tage 24.12.2012 und 31.12.2012 Urlaub angerechnet. Sie habe nie Urlaub für diese beiden Tage beantragt. Sie sei mit der zwangsweise angeordneten Einbringung des Urlaubs nicht einverstanden gewesen. Die einseitige Anordnung der Beklagten sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 BetrVG rechtswidrig gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei auf dem Urlaubskonto für das Kalenderjahr 2013 zwei Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2012 gutzuschreiben.

Die Beklagte hat dagegen beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, sie sei sich mit dem Betriebsrat auch während der Verhandlungen, die der Einigungsstelleneinsetzung zugrunde gelegen hätten, stets einig gewesen, dass am 24.12. und am 31.12.2012 nicht gearbeitet werden solle. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Urlaubnahme der Mitarbeiter ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung vom 09.12.2009. Selbst wenn man der Auffassung sei, dass diese gekündigt worden sei, gälten ihre Regelungen zumindest über die Nachwirkung fort. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubsanspruchs in das Kalenderjahr 2013 seien von der Klägerin nicht geltend gemacht. Der Anspruch sei auch wegen Eingreifens der tariflichen Ausschlussfristen verfallen.

Die Klägerin hat eingewandt, ihrer Auffassung nach habe der von der Beklagten benannte Aushang nicht die Rechtsqualität einer Betriebsvereinbarung. Es handle sich schon nach dem Wortlaut um einen einseitigen Aushang der Beklagten, der vom Betriebsratsvorsitzenden lediglich unterzeichnet worden sei. Im Übrigen beziehe sich der Text des Aushangs allein auf das Kalenderjahr 2009, so dass eine Nachwirkung auf folgende Jahre nicht gegeben sei. Ein Urlaubsplan, der die Tage 24.12. und 31.12. auch für die Zukunft enthalten hätte sollen, sei schon deswegen ausgeschlossen, weil die beiden Tage beispielsweise im Jahr 2011 auf einen Samstag gefallen seien, der ohnehin mangels Arbeitspflicht als Urlaubstag ausscheide. Der Urlaub hätte nach § 18 Ziff. 7 des anwendbaren Manteltarifvertrages ohne gesonderte Geltendmachung noch im ersten Kalendervierteljahr 2013 genommen werden können, so dass eine gesonderte Geltendmachung im Jahr 2012 nicht erforderlich gewesen sei. Das Eingreifen tariflicher Ausschlussfristen sei nicht erkennbar.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der Verlautbarung vom 09.12.2009 handle es sich um eine Betriebsvereinbarung. Die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere Schriftlichkeit, seien gegeben. Die Betriebsvereinbarung entfalte Nachwirkung.

Das Arbeitsgericht Weiden - Kammer Schwandorf - hat mit Endurteil vom 08.10.2013 wie folgt entschieden:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei auf dem Urlaubskonto für das Kalenderjahr 2013 zwei Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2012 gutzuschreiben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 168,78.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf die korrekte Führung des Urlaubskontos. Insoweit gelte nichts anderes als für Arbeitszeitkonten; für letztere habe dies das Bundesarbeitsgericht am 17.11.2011 entschieden. Die Anordnung von Urlaub für den 24.12. und den 31.12.2012 sei unwirksam, da das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG verletzt worden sei. Danach habe der Betriebsrat bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze mitzubestimmen. Hierzu gehöre auch die Frage, ob im Betrieb für alle Arbeitnehmer oder für bestimmte Arbeitnehmergruppen Urlaub gewährt werde. Wenn der Arbeitgeber wie die Beklagte den Betrieb ganz oder teilweise vorübergehend schließe und den Arbeitnehmern in dieser Zeit Erholungsurlaub gewähre, liege Betriebsurlaub vor. Dies unterliege der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats. Diese Mitbestimmung sei nicht durch zwingende Regelungen des Tarifvertrags ausgeschlossen. Dieser enthalte keine Regelung über Urlaub an den Tagen 24.12. und 31.12., sondern regle lediglich die Möglichkeit der Vor- oder Nacharbeit. Zudem läge keine abschließende Regelung durch den Manteltarifvertrag vor, weil er ausdrücklich die Möglichkeit abweichender Regelungen vorsehe. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Festlegung von Urlaub für den 24.12. und 31.12.2012 liege nicht vor. Der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung sei nicht dargetan. Es könne dahinstehen, ob dem Schreiben vom 09.12.2009 angesichts des einseitig wirkenden Wortlauts überhaupt die Rechtsqualität einer Betriebsvereinbarung zukommen könne. Jedenfalls käme dieser keine Nachwirkung zu. Die Betriebsparteien hätten sich - wenn überhaupt - allenfalls auf die Modalitäten für das Jahr 2009 geeinigt. Hierfür spreche schon der Gesamtkontext des Aushangs, der auch auf die aktuelle Krisensituation des Jahres 2009 und die Darstellung der Gehaltsanpassungsstufen in diesem Zeitraum verweise. Dazu komme die zeitliche Nähe zwischen Erstellungsdatum und den betreffenden beiden Tagen. Schließlich beziehe sich die Zusatzformulierung „an den Donnerstagen“ erkennbar auf das Jahr 2009. Eine nicht zeitlich begrenzte Betriebsvereinbarung hätte zudem zu einem Regelungskonflikt geführt, da die relevanten Tage etwa im Jahr 2011 auf einen Samstag gefallen seien, für den keine regelmäßige Arbeit vorgesehen sei. Es könne nicht angenommen werden, dass die Betriebsparteien eine derart undifferenzierte und zeitnah unbrauchbar werdende Regelung hätten treffen wollen. Selbst wenn der Betriebsrat in den vergangenen Jahren jeweils einer Einzelfallregelung zugestimmt hätte, würde dies keine Bindungswirkung für die Folgejahre hervorrufen. Aus der Verletzung des zwingenden Mitbestimmungsrechtes folge nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung die Unwirksamkeit von Maßnahmen, die die Arbeitnehmer belasteten. Dies sei vorliegend der Fall. Nachdem der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht worden sei, stehe er der Klägerin zu.

Das Endurteil des Arbeitsgerichts vom 08.10.2013 ist den anwaltlichen Vertretern der Beklagten ausweislich deren Empfangsbekenntnisses am 04.11.2013 zugestellt worden. Diese haben namens und im Auftrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.11.2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 28.11.2013, Berufung gegen die Entscheidung eingelegt. Sie haben die Berufung mit am Dienstag, den 07.01.2014 eingegangenem Schriftsatz selben Datums begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das Arbeitsgericht habe nicht ausreichend beachtet, dass im Betrieb eine fortwirkende Betriebsvereinbarung vorliege, zumindest aber eine Regelungsabrede. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Betriebsrat eine Verlautbarung des Arbeitgebers unterzeichnet habe, wenn er mit der Regelung nicht einverstanden gewesen wäre. Daraus, dass der Zusatz am Ende des Aushangs auf das Jahr 2009 bezogen sei, lasse sich nicht schließen, dass die gesamte Vereinbarung nur das Jahr 2009 betreffe. Gerade hinsichtlich der Festlegung der Urlaubstage im Text sei nämlich eine Begrenzung auf das Jahr 2009 nicht enthalten. Insoweit gelte dasselbe wie bei der Regelung im Manteltarifvertrag, der bei der Regelung über die Tage 24.12. und 31.12. ebenfalls nicht unterscheide, ob an diesen Tagen regelmäßige Arbeit anfalle oder nicht. Entscheidend sei somit, ob die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2009 Nachwirkung entfalte. Dies sei der Fall. Für den Willen, eine zukunftsbezogene Vereinbarung abzuschließen, spreche zudem, dass in den Folgejahren ohne neue Betriebsvereinbarung entsprechend verfahren worden sei. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers sei auf Tage, nicht auf Stunden bezogen. Aus diesem Grund habe sie zutreffend zwei Urlaubstage angerechnet. Im Übrigen könne im Hinblick auf die gezahlte Urlaubsvergütung eine Verurteilung allenfalls „Zug um Zug“ gegen Rückgewährung dieser Vergütung erfolgen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin stellt im Berufungsverfahren folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 08.10.2013, Az: 5 Ca 677/13 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klagepartei trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreites.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt dagegen,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Benennung „für das Kalenderjahr 2013“ im Antrag entfallen solle.

Die Klägerin schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an. Sie bekräftigt zudem ihre Ansicht, dass der Aushang nicht die Rechtsqualität einer Betriebsvereinbarung besitze. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Betriebsparteien eine einvernehmliche Regelung hätten treffen wollen. Es handle sich vielmehr um ein Informationsschreiben der Beklagten mit einem vom Betriebsrat gewünschten Zusatz, welches vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden sei. Die Beklagte habe es abgelehnt, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Erstmals im Jahr 2009 habe die Beklagte für die beiden Tage jeweils volle Urlaubstage abgezogen. Zumindest sei Nachwirkung einer derartigen Betriebsvereinbarung nicht gegeben. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen eine „Zug-um-Zug-Verurteilung“ erforderlich sein solle. Im Übrigen werde hinsichtlich etwaiger Gegenansprüche der Beklagten auf das Eingreifen tariflicher Ausschlussfristen verwiesen.

In der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin Ablichtungen der Abrechnung Dezember 2012 und der Urlaubsliste 2012 vorgelegt und erklärt, hieraus ergebe sich, dass am 31.12. noch acht Urlaubstage vorhanden gewesen seien. Die Beklagte hat dies nicht mehr bestritten. Die Beklagte hat vorgetragen, mit Einverständnis des Betriebsrats hätten die Arbeitnehmer schon etwa zehn Jahre an Weihnachten und Silvester unter Anrechnung auf den Urlaub frei gehabt. Die Klägerinvertreterin hat erklärt, dies könne zutreffen, allerdings sei jeweils nur ein halber Urlaubstag angerechnet worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in Tatbestand und Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Endurteils, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 21.02.2014 und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat sie im Hinblick auf die Vielzahl der betroffenen Beschäftigten ausdrücklich zugelassen (§ 64 Abs. 2 a) ArbGG). Die Berufung ist form- und fristgerecht innerhalb der in § 66 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingereicht und begründet worden. Die Begründungsfrist lief im Hinblick auf das Wochenende 04./05.01.2014 und des gesetzlichen Feiertags am Montag, den 06.01.2014 gemäß § 222 Abs. 2 ZPO erst am 07.01.2014 ab. Die Begründung setzt sich mit den entscheidenden Gesichtspunkten der arbeitsgerichtlichen Entscheidung auseinander und genügt den Anforderungen der §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

II.

Die Berufung ist aber in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Aufnahme der zwei gestrichenen Urlaubstage in ihr Urlaubskonto zu. Die Kammer folgt den ausführlichen und in jeder Hinsicht überzeugenden Argumenten des Arbeitsgerichts im Urteil vom 08.10.2013, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann. Im Hinblick auf die von den Parteien im Berufungsverfahren neu vorgetragenen Umstände und vertieften Argumente ist folgendes hinzuzufügen:

1. Der Antrag ist nicht deswegen unzulässig, weil die Klägerin eine Gutschrift der beiden Urlaubstage auf dem „Urlaubskonto für das Kalenderjahr 2013“ verlangt hat. Die Bezeichnung „für das Jahr 2013“ war von vornherein überflüssig und hatte keine Bedeutung. Unstreitig wird ein Urlaubskonto für die Klägerin geführt, in das die noch offenen Urlaubstage einzutragen sind. Insoweit ist unerheblich, ob die Eintragung im Hinblick auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens im Jahr 2013 oder in späteren Jahren erfolgt. Die Berufungskammer hat diesen Umstand auf Antrag der Klägerin im Tenor lediglich klargestellt.

2. Die Klage, einem derart geführten Urlaubskonto eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen gutzuschreiben, ist zulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG vom 16.12.2008, 9 AZR 164/08; BAG vom 19.01.2010, 9 AZR 246/09; BAG vom 17.05.2011, 9 AZR 197/10; BAG vom 15.10.2013, 9 AZR 374/12, jeweils zitiert nach juris). Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubskonto richtig geführt wird (BAG vom 19.10.2010, a. a. O., Rn. 14). Der Anspruch richtet sich darauf, dem Urlaubskonto zwei Tage gutzuschreiben und damit letztendlich diese zwei Tage Urlaub nachzugewähren (BAG vom 17.05.2011, a. a. O., Rn. 9).

3. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin sind zu Unrecht für den 24.12. und den 31.12.2012 zwei Urlaubstage angerechnet und vom Urlaubskonto abgezogen worden. Diese sind daher dem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben.

a. Der Klägerin standen, wie sich aus dem von der Beklagten nicht mehr bestrittenen Inhalt der Monatsabrechnung für Dezember 2012 ergibt, im Dezember noch zwei Urlaubstage zu, die die Beklagte vom Urlaubskonto abgezogen hat.

b. Ein Verfall dieser Urlaubstage ist nicht eingetreten. Nach § 18 Ziff. 7 des anwendbaren Manteltarifvertrages kann der Jahresurlaub bis zum 31.03. des folgenden Kalenderjahres genommen werden, ohne dass es eines Übertragungsgrundes bedarf. Zwischen den Parteien besteht kein Streit mehr darüber, dass die Klägerin die Gewährung der beiden streitgegenständlichen Urlaubstage so rechtzeitig im ersten Quartal 2013 verlangt hat, dass sie bis zum 31.03.2013 noch hätten eingebracht werden können. Ein Verfall ist auch nicht mit dem 31.12.2013 eingetreten. Die Beklagte hat die Gewährung endgültig verweigert. Der Urlaubsanspruch als solcher ist hinsichtlich dieser beiden Tage verfallen. Der Anspruch auf die Gutschrift besteht allerdings wegen der unrechtmäßigen Verweigerung der Urlaubseinbringung als Schadensersatzanspruch fort.

c. Zwar hat die Klägerin nicht behauptet, der Festlegung des Urlaubs an den beiden Tagen durch die Beklagte vor dem 24.12. bzw. dem 31.12.2012 widersprochen zu haben. Dies wäre dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber - der den Urlaub gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG „festzusetzen“ bzw. „zu gewähren“ hat (vgl. z. B. BAG vom 19.09.2000, 9 AZR 504/99, Rn. 27; BAG vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07, Rn. 23, jeweils zitiert nach juris) - bei der Urlaubserteilung ohne vorherigen Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Belange des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Ohne einen solchen Widerspruch liegt normalerweise eine Akzeptanz des Urlaubs und damit Erfüllung des Urlaubsanspruchs vor (BAG vom 15.06.2004, 9 AZR 431/03, Rn. 23; BAG vom 14.03.2006, 9 AZR 11/05, Rn. 15; BAG vom 11.04.2006, 9 AZR 523/05, Rn. 32, jeweils zitiert nach juris; ausführlich Gallner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2014, § 7 BUrlG, Rn. 11 ff.; Schinz in Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2012, § 7 BUrlG, Rn. 2 ff.; Leinemann/Linck, BUrlG, 2. Aufl. 2001, § 7 Rn. 3 ff. und Rn. 52 ff.; Düwell in Hümmerich/Boecken/Düwell, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 7 BUrlG Rn. 66 und 77; Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Aufl. 2013, § 104 Rn. 82 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen).

d. Zu Recht geht das Arbeitsgericht aber davon aus, dass diese Grundsätze nicht eingreifen, wenn der Arbeitgeber die Festlegung ohne eine hierfür nötige Zustimmung des Betriebsrats vorgenommen hat. In diesem Fall fehlt es nach der „Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung“ an einer wirksamen Urlaubserteilung, einer wirksamen Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub. In einer solchen Konstellation kann aus dem widerspruchslosen Verhalten nicht auf das Einverständnis des Arbeitnehmers geschlossen werden, ist ein ausdrücklicher Widerspruch nicht erforderlich. Es kann ohne das Vorliegen weiterer Anhaltspunkte bei einer unwirksamen Festlegung des Urlaubs nicht unterstellt werden, dass die Klägerin sich allein dadurch, dass sie der Arbeit ferngeblieben ist, mit der Urlaubserteilung einverstanden erklärt hätte. Zudem würde es sich in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der aufgrund der Ablehnung der Beklagten, mit dem Betriebsrat über Vor- und Nacharbeit zu verhandeln, klar war, dass die Beklagte auf der Urlaubserteilung beharren würde, um überflüssige Förmelei handeln, wenn man den Arbeitnehmer dennoch zu einem ausdrücklichen Arbeitsangebot verpflichtet halten würde (für eine ähnliche Konstellation - Streichung der Wechselschicht - vgl. BAG vom 18.09.2002, 1 AZR 668/01, Rn. 24, zitiert nach juris).

e. Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, dass bei der Festlegung des Urlaubs für 40 der 65 Beschäftigten die Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zwingend erforderlich war. Es handelt sich um - von der Festlegung des Urlaubs einzelner Arbeitnehmer unabhängige und abweichende - allgemeine Urlaubsgrundsätze. Eine ohne solche Zustimmung des Betriebsrats festgelegte allgemeine Urlaubsgewährung ist unwirksam (vgl. z. B. Linck, a. a. O., § 104 Rn. 98 - 100).

f. Eine solche Zustimmung des Betriebsrats ist nicht ersichtlich. Sie kann nach dem Wortlaut des Aushangs vom 09.12.2009 insbesondere nicht aus der Unterzeichnung dieses Schreibens durch den Betriebsratsvorsitzenden geschlossen werden. Nach dem Wortlaut des Aushangs haben Arbeitgeber und Betriebsrat lediglich erklärt, der Arbeitgeber wolle „auch in Bezug auf die Urlaubsregelungen auf den Tarifvertrag zurückgreifen“. Der 24.12. und der 31.12. zählten hiernach als zwei volle Urlaubstage. Es handelt sich nach dem Wortlaut um einen Hinweis, eine Wissenserklärung. Möglicherweise war die Beklagte der Auffassung, der Tarifvertrag sehe eine solche Urlaubnahme vor. Möglicherweise war der Betriebsrat derselben Auffassung. Diese Auffassung bringt der Aushang zum Ausdruck. Eine Regelung in dem Sinn, dass durch die Erklärungen eine Festlegung des Urlaubs abweichend von den Regelungen des Tarifvertrages erfolgen sollte, enthält der Aushang seinem Wortlaut nach nicht. Irgendwelche anderen Umstände, aus denen man schließen könnte, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat eine solche Regelung, die sich im Wortlaut nicht wiederfindet, hätten treffen wollen, sind nicht ersichtlich.

g. Unabhängig davon folgt die Kammer der Auslegung des Arbeitsgerichts dahingehend, dass sich eine eventuelle Festlegung auf das Jahr 2009 beschränken würde. Gerade der Zusammenhang mit den für die Jahreswende 2008/2009 vereinbarten Tarifregelungen deutet darauf hin, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat allein Gedanken über die Gestaltung des 24.12. und 31.12.2009 gemacht haben dürften, dass eine weitergehende Festlegung auch für die Folgejahre damit nicht verbunden gewesen sein dürfte.

h. Letztlich kann aber auch dies dahinstehen. Selbst wenn man unterstellen würde, dass sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf eine allgemeine Regelung geeinigt hätten, wäre diese Regelung ausgelaufen. Das schon im Februar 2012 an den Arbeitgeber gerichtete Begehren des Betriebsrats, eine Betriebsvereinbarung zur Vor- und Nacharbeit der am 24.12. und 31.12.2012 ausfallenden Arbeitszeit zu schließen, lässt erkennen, dass der Betriebsrat mit einer Weitergeltung möglicher früher getroffener Absprachen nicht mehr einverstanden war. Das Begehren ist als Kündigung etwaiger solcher Absprachen anzusehen.

i. Damit ist eine einvernehmliche Regelung nicht mehr vorhanden. Die Beklagte durfte den Betriebsurlaub nach Wirksamwerden der Kündigung nicht weiter anordnen, bis eine anderweitige Regelung zwischen ihr und dem Betriebsrat getroffen würde. Entgegen der Ansicht der Beklagten findet nämlich vorliegend keine Nachwirkung im Sinne des § 77 Abs. 6 BetrVG statt mit der Folge, dass es zumindest ab dem Jahr 2012 einer erneuten Einigung mit dem Betriebsrat über die Festlegung von Betriebsurlaub für die beiden Tage bedurft hätte.

(1) Zunächst ist das Vorhandensein einer förmlichen Betriebsvereinbarung nicht erkennbar. Eine solche Betriebsvereinbarung müsste die Einigung auf eine bestimmte inhaltliche Regelung, also die übereinstimmenden Erklärungen von Arbeitgeber und Betriebsrat zur Festlegung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit enthalten. Beide müssten sich einig sein, dass die bisherige Rechtslage abgeändert werden und durch diese Vereinbarung eine neue Rechtslage geschaffen werden solle. Diese Regelung müsste schriftlich getroffen sein.

Ein solches einem Vertrag vergleichbares Schriftstück ist von der Beklagten nicht vorgelegt. Sie beruft sich allein auf den Text des „Aushangs“. Schon die Überschrift „Aushang“ deutet jedoch darauf hin, dass dies allenfalls die Bekanntgabe einer Einigung sein soll, nicht aber die in dieser Urkunde festgehaltene Vereinbarung selbst. Dazu kommt wie dargestellt der Wortlaut des Aushangs, der ebenfalls eine Einigung nicht enthält, sondern lediglich den Hinweis auf eine - angeblich - nach dem Tarifvertrag bestehende Rechtslage. Das Vorliegen weiterer Schriftstücke hat auch die Beklagte nicht behauptet. Aus diesem Grund liegt eine förmliche Betriebsvereinbarung nicht vor. Allenfalls könnte diesem Aushang eine formlose Absprache mit dem Betriebsrat, die dann mittels des Aushangs bekanntgegeben wurde, also eine sogenannte Regelungsabrede, zugrunde liegen.

(2) Auch eine solche Regelungsabrede wäre aber durch das Verlangen des Betriebsrats nach einer anderweitigen Regelung gekündigt. Nachwirkung scheidet ebenfalls aus. Dies ergibt sich ohne weiteres dann, wenn man davon ausgeht, dass die für Betriebsvereinbarungen geltende Nachwirkungsanordnung des § 77 Abs. 6 BetrVG für Regelungsabreden keine entsprechende Anwendung findet. Hiervon geht die herrschende Auffassung wegen des unterschiedlichen Regelungscharakters von Betriebsvereinbarung und Regelungsabrede aus (so z. B. Fitting, BetrVG, 27. Aufl. 2014, § 77 Rn. Richardi, BetrVG, 14. Aufl. 2014, § 77 Rn. 234; Kreutz in GK-BetrVG, 10. Aufl. 2014, § 77 Rn. 22; a.A. etwa Kania in Erfurter Kommentar, a. a. O., § 77 BetrVG Rn. 148; BAG vom 23.06.1992, 1 ABR 53/91, zitiert nach juris). Die Kammer folgt dieser Auffassung. § 77 Abs. 6 BetrVG bezieht sich erkennbar auf die Wirkung der Betriebsvereinbarung gegenüber den der normativen Wirkung ausgesetzten Arbeitsrechtsparteien. Die durch die Betriebsvereinbarung gesetzten Rechtspflichten sollen zunächst - bis zu einer anderweitigen Regelung - weiter angewendet werden. Bei einer Regelungsabrede, die keine normative Wirkung entfalten kann, beschränkt sich die Wirkung auf die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Mit dem Abschluss der Regelungsabrede ist die Mitbestimmung ausgeübt, ohne dass sich unmittelbare Rechtswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Dem Arbeitgeber ist die Ausübung seines Gestaltungsrechtes, soweit er es gegenüber den Arbeitnehmern individualrechtlich besitzt, gestattet. Es spricht mehr dafür, die Ausübung des Gestaltungsrechts ohne erneute Zustimmung des Betriebsrats nicht mehr zu gestatten, wenn die Zustimmung des Betriebsrats hierzu durch Wegfall der Regelungsabrede entfällt.

(3) Die Nachwirkung scheidet vorliegend jedoch auch dann aus, wenn man grundsätzlich von einer entsprechenden Anwendung des § 77 Abs. 6 BetrVG auf Regelungsabreden ausgehen würde. Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Durchführung von Betriebsurlaub geeinigt haben, hätten sie hierdurch eine vom „Normalzustand“ abweichende Sonderregelung getroffen. Die Situation stellt sich anders dar als bei einer Veränderung der Arbeitszeit, bei der nicht erkennbar ist, was die „normale“ Arbeitszeit bzw. die „ausnahmsweise geltende“ Arbeitszeit sein soll. In der vorliegenden Konstellation wäre selbst eine Einigung auf Betriebsurlaub dahingehend zu interpretieren, dass nach der Kündigung Regelungsabrede der „Normalzustand“, also Urlaubsgewährung entsprechend den Wünschen des einzelnen Arbeitnehmers, wieder eintreten soll.

(4) Der Sache nach findet eine solche Nachwirkung für Regelungsabreden, die Betriebsurlaub festlegen, also nicht statt, soweit die Nachwirkung nicht ausdrücklich oder konkludent vereinbart ist. Dies gilt vorliegend erst recht im Hinblick auf die Bestimmungen des anwendbaren Tarifvertrages. Dessen § 18 A. Ziff. 3 (II) legt fest, dass auch Betriebsurlaub vereinbart werden kann. Die Festlegung von Betriebsurlaub soll „bei Aufstellung der Urlaubsliste“ erfolgen. Die Tarifparteien gehen hiernach davon aus, dass die Festlegung des Betriebsurlaubs jährlich neu überdacht wird. Auch aus diesem Gesichtspunkt kann nicht unterstellt werden, dass einmal getroffene Regelungen über Betriebsurlaub selbst nach Kündigung dieser Regelungen nachwirken würden, bis sie durch andere Regelungen ersetzt wären - mit der Folge, dass ein einmal eingeführter Betriebsurlaub bei fehlender Einigung nur mit Hilfe der betrieblichen Schlichtungsstelle oder der Einigungsstelle wieder beseitigt werden könnte. Der Charakter als Ausnahmeregelung der Urlaubserteilung an den Tagen 24.12. und 31.12. zeigt sich schließlich auch daran, dass die Tarifparteien für diese beiden Tage konkrete Regelungen getroffen haben. Nach § 2 Ziff. 2 (II) des Manteltarifvertrages ist geregelt, dass die Arbeitszeit um 12.00 Uhr endet, „es sei denn, dass bei Vorliegen besonderer betrieblicher Verhältnisse mit dem Betriebsrat eine andere Regelung vereinbart wird“. Eine solche Vereinbarung stellt also einen von der tariflichen Regelung abweichenden Sonderfall dar - bei Kündigung der Vereinbarung mit dem Betriebsrat ist demzufolge wieder die tarifliche Regelung maßgeblich. Eine Nachwirkung scheidet, soweit sie nicht gesondert vereinbart worden wäre, nach alldem daher aus.

j. Zutreffend hat das Arbeitsgericht eine eventuell jahrelang geübte Praxis nicht als Zustimmung des Betriebsrats gewertet. Allenfalls für Zeiträume der Vergangenheit, in denen der Betriebsrat eine bestimmte Praxis bewusst hingenommen hat, kann man von einer Verwirkung des Mitbestimmungsrechts ausgehen. Für die Zukunft hat die bisherige Hinnahme einer bestimmten Vorgehensweise des Arbeitgebers keine Bedeutung. Dies gilt umso mehr, wenn der Betriebsrat wie vorliegend durch das Verlangen nach einer anderweitigen Regelung rechtzeitig deutlich macht, dass er nunmehr an einer wie auch immer gearteten Praxis nicht mehr festhalten will. Im Übrigen kann eine stillschweigende Hinnahme einer Praxis keinesfalls weitergehende Wirkungen haben als eine ausdrücklich abgeschlossene Regelungsabrede - wobei auch bei einem solchen Abschluss die Wirkungen wie dargelegt beendet wären.

k. Unabhängig von diesen dargestellten Grundsätzen geht die Kammer davon aus, dass eine wirksame Festlegung von Betriebsurlaub für den 24.12. und 31.12. nach den Bestimmungen des Tarifvertrages auch durch Betriebsvereinbarung nicht in Betracht kommt. § 2 Ziff. 3 MTV regelt, dass an Werktagen vor und nach gesetzlichen Feiertagen der Betrieb geschlossen werden kann. Um ebensolche Tage handelt es sich aber sowohl beim vor den Weihnachtsfeiertagen liegenden 24.12. als auch bei vor Neujahr liegenden 31.12. des Jahres. § 2 Ziff. 3 (II) regelt, welche Folgen sich aus den Betriebsschließungen an diesen Tagen ergeben. Danach können Arbeitsstunden, die an solchen Tagen ausfallen, nachgearbeitet werden, und zwar teilweise ohne gesonderte Zustimmung des Betriebsrats. Der Tarifvertrag sieht also Vor- bzw. Nacharbeit, nicht aber die zwingende Einbringung von Urlaub an solchen Tagen vor. Dies wiederholt Absatz 2 der entsprechenden Anmerkung zu § 2 Ziff. 2 (II) mit der Festlegung, dass die Ausfallzeit „vor- bzw. nachgearbeitet werden“ kann. Diese inhaltliche Festlegung wird in der Anmerkung zu § 18 Abschn. A Ziff. 4 des Manteltarifvertrages ausdrücklich wiederholt, wenn festgehalten ist, dass „die Tage der Betriebsschließung auf den Urlaub nicht angerechnet“ werden. Diese Bestimmungen schließen der Sache nach aus, dass für solche Zeiten Urlaubnahme ohne ausdrückliches Einverständnis des Arbeitnehmers vorgeschrieben werden kann.

4. Nach alldem ist eine wirksame Urlaubsgewährung am 24.12. und 31.12.2012 nicht erfolgt. Die beiden Urlaubstage sind der Klägerin noch zu gewähren. Die Beklagte hat sie in das für die Klägerin geführte Urlaubskonto einzustellen.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten war keine einschränkende Verurteilung „Zug-um-Zug“ gegen Rückgewährung der Urlaubsvergütung auszusprechen. Dies gilt schon deshalb, weil die Beklagte die ihr angeblich Zug um Zug zurückzugewährenden Ansprüche nicht im einzelnen bezeichnet hat. Auch diejenigen Leistungspflichten, die der Gläubiger „Zug-um-Zug“ anbieten oder erfüllen muss, bevor er seinen Anspruch durchsetzen kann, müssen so bestimmt sein, dass sich die exakten Pflichten aus dem Tenor der Entscheidung ergeben. Genaue überprüfbare Beträge hat die Beklagte aber nicht angeführt. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die Beklagte sich bei einer eventuellen Forderung der Klägerin nach zusätzlichem Urlaubsgeld auf Erfüllung berufen kann. Um dieses Urlaubsgeld geht es beim vorliegenden Rechtsstreit aber nicht. Ob die Beklagte von der Klägerin Nacharbeit für die an den Tagen 24.12. und 31.12.2012 bis 12.00 Uhr ausgefallenen Stunden verlangen kann, ist vorliegend ebenfalls nicht zu entscheiden.

6. Nach alldem ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

7. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13 zitiert 12 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 87 Mitbestimmungsrechte


(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;2. Beginn und Ende der täglichen A

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen


(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseit

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspu

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 21. Feb. 2014 - 6 Sa 588/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Okt. 2013 - 9 AZR 374/12

bei uns veröffentlicht am 15.10.2013

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. März 2012 - 11 Sa 647/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Jan. 2010 - 9 AZR 246/09

bei uns veröffentlicht am 19.01.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Januar 2009 - 4 Sa 778/08 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Januar 2009 - 4 Sa 778/08 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, wie die tariflichen Urlaubsansprüche zu berechnen sind.

2

Der 1974 geborene Kläger war für die Beklagte seit September 2002 als gewerbliche Sicherheitsfachkraft in der Münchner U-Bahn-Bewachung gegen einen Stundenlohn von 14,29 Euro tätig. Seine Arbeitszeit betrug idR 176 Stunden im Monat. Er arbeitete im Dreischichtbetrieb bei einem regelmäßigen Schichtrhythmus von vier Arbeitstagen und zwei anschließenden freien Tagen. Die Schichten dauerten idR acht Stunden täglich.

3

Auf das Arbeitsverhältnis war kraft Allgemeinverbindlichkeit und vertraglicher Verweisung der am 1. August 2006 in Kraft getretene Manteltarifvertrag Nr. 10 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 1. August 2006 anzuwenden (MTV Nr. 10). Er lautet auszugsweise:

          

„§ 7    

        

URLAUB

        

I.        

Allgemeine Urlaubsbestimmungen

        

1.   

Jeder Arbeitnehmer hat im Kalenderjahr Anspruch auf Urlaub unter Fortzahlung seiner Bezüge. Der Urlaub wird auf der Basis von vollen Kalendertagen (00:00 Uhr - 24:00 Uhr) gewährt. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

        

2.   

Der Anspruch auf Jahresurlaub entsteht erstmalig nach sechsmonatiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. …

                 

Ist die Wartezeit von sechs Monaten im Urlaubsjahr noch nicht erfüllt, so wird der Urlaub für das laufende Urlaubsjahr anteilmäßig gewährt. Als voller Kalendermonat gilt auch der Kalendermonat, in dem das Beschäftigungsverhältnis vor dem 16. beginnt oder nach dem 15. endet. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.

        

…       

        
        

4.   

Ein Urlaubsteil muss mindestens 14 aufeinander folgende Kalendertage umfassen.

                 

…       

        

II.      

Höhe des Urlaubs

        

1.   

Der Erholungsurlaub für Arbeitnehmer ab vollendetem 18. Lebensjahr beträgt 32 Kalendertage.

        

2.   

Darüber hinaus erhalten die Arbeitnehmer folgenden Zusatzurlaub:

                 

Nach

3-jähriger Betriebszugehörigkeit

4 Kalendertage

                 

Nach

5-jähriger Betriebszugehörigkeit

6 Kalendertage

                 

Nach

7-jähriger Betriebszugehörigkeit

8 Kalendertage

                 

Nach

9-jähriger Betriebszugehörigkeit

10 Kalendertage

                 

bis zu einer Höchstdauer von 42 Kalendertagen.

        

3.   

Bei der Berechnung des Anspruches auf Urlaub werden die in die Urlaubszeit fallenden Sonn- und Feiertage mitgerechnet.

        

4.   

Maßgebend bei der Urlaubsgewährung nach Betriebszugehörigkeit ist die Vollendung des betreffenden Beschäftigungsjahres während des Urlaubsjahres.

        

…       

        
        

IV.      

Urlaubsentgelt

        

1.   

Das Urlaubsentgelt errechnet sich nach dem Bruttoverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 12 Abrechnungsmonaten vor Beginn des Urlaubs erhalten hat. Einmalzahlungen, wie z. B. Jahressonderzahlung, Fahrtkostenzuschüsse, Spesen und Jubiläumszahlungen werden dem Bruttoarbeitsverdienst nicht zugerechnet. Das kalendertägliche Urlaubsentgelt errechnet sich aus 1/364, bei Arbeitnehmern in der Lohngruppe 7 c) und Lohngruppe 9 aus 1/338.

                 

…       

                 

War der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum vom Betrieb abwesend, ohne dass dafür ein Lohnanspruch bestand, z. B. unbezahlter Urlaub, Teilnahme an Lehrgängen usw., verkürzt sich der Divisor um die Zahl der Tage, an denen kein Lohnanspruch bestand.“

4

Der Kläger beantragte unter dem 5. Januar 2008, ihm für das Jahr 2008 36 Tage Urlaub zu gewähren. Der Urlaub sollte die Zeiträume vom 2. bis 5. März 2008, 24. bis 26. März 2008, 8. bis 11. Mai 2008, 24. bis 28. Mai 2008, 31. Mai bis 2. Juni 2008, 8. bis 10. September 2008 und 18. bis 31. Dezember 2008 umfassen. Die Beklagte lehnte die Urlaubsanträge unter dem 7. Januar 2008 mit dem Hinweis ab, sie seien nicht tarifkonform, weil sie die Freischichttage ausklammerten. Der Kläger erwirkte für die Zeiträume vom 2. bis 5. März 2008 und 24. bis 26. März 2008 eine einstweilige Verfügung. Die Beklagte stellte den Kläger unter dem 20. März 2008 für die beantragten Urlaubsperioden in der Zeit vom 8. Mai 2008 bis zum Ende des Jahres 2008 von der Arbeitspflicht frei.

5

Der Kläger meint, ihm hätten für das Jahr 2008 38 Urlaubstage zugestanden. Die in § 7 MTV Nr. 10 genannten Kalendertage seien nicht anhand realer 264 Tage mit Arbeitspflicht und eines Divisors von 364 in Urlaubstage umzurechnen. Eine solche Auslegung sei mit Wortlaut, wirklichem Willen der Tarifvertragsparteien, Sinn und Zweck sowie Bedeutungszusammenhang der Tarifvorschrift nicht zu vereinbaren. Die Tarifvertragsparteien hätten sich bewusst für den Begriff des „Kalendertags“ entschieden. Sie hätten nicht den gebräuchlichen Begriff des „Arbeitstags“ gewählt. Auf den in § 7 Abschn. IV Nr. 1 MTV Nr. 10 genannten Divisor von 364 könne nicht zurückgegriffen werden. § 7 Abschn. I MTV Nr. 10 gehe nicht von sieben - arbeitszeitrechtlich unzulässigen - Arbeitstagen aus. Bei höchstens sechs Arbeitstagen ergebe sich ein Divisor von 312 tatsächlichen Arbeitstagen im Kalenderjahr. In diesem Fall stünden dem Kläger nicht nur 28 Urlaubstage, sondern mindestens 32 Urlaubstage zu. Der Divisor von 364 sei jedenfalls um die Freischichttage auf 264 zu verringern. Selbst wenn die Kalendertage in 28 Urlaubstage umzurechnen seien, sei die Beklagte mit Blick auf die Freistellungszeiten von 38 Tagen im Jahr 2008 allenfalls berechtigt, den Kläger zu weiteren zehn - nicht zu zwölf - Schichten einzuteilen. Würden die höheren Urlaubsansprüche auf tariflicher Grundlage verneint, beruhten sie zumindest auf betrieblicher Übung. Vor den im Jahr 2007 erhobenen Klagen verschiedener Arbeitnehmer habe die Beklagte es stets vorbehaltlos geduldet, dass die Urlaubszeiten um sog. Freischichttage „herumgruppiert“ worden seien.

6

Der Kläger hat beantragt

        

1.   

festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, auch an den sich aus dem Dreischichtsystem ergebenden freien Tagen, die vor oder nach den beantragten Urlaubstagen liegen, Urlaubstage zu nehmen (1. März 2008, 6. März 2008, 22. und 23. März 2008, 27. und 28. März 2008, 6. und 7. Mai 2008, 23. Mai 2008, 29. und 30. Mai 2008, 6. und 7. September 2008, 11. und 12. September 2008, 16. und 17. Dezember 2008);

        

2.   

festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, ihm im Rahmen der Urlaubsgewährung entsprechend den Anträgen zu I und II aus der Klageschrift als Ausgleich für angeblich zu viel genommene Urlaubstage (zwölf Tage) weitere Schichten zu entsprechender Arbeitsleistung aufzuerlegen bzw. sein Arbeitszeitkonto zu belasten.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat in der Berufungsinstanz für den Fall einer stattgebenden Entscheidung über einen der Klageanträge durch Hilfswiderklage beantragt

        

festzustellen, dass der Kläger Anspruch auf Erholungsurlaub im Umfang der in § 7 Abschn. II Nr. 1 bis 4 und Abschn. III MTV Nr. 10 festgelegten Zahl von Kalendertagen im Jahr hat und sich hierunter dienstplanmäßig vorgesehene Arbeitstage des Klägers nach der Formel

        
        

tarifvertraglicher Gesamturlaubsanspruch in Kalendertagen/Jahr x 264 Arbeitstage

        

                                           364 Kalendertage = Urlaubstage

        

befinden müssen, diese ggf. aufgerundet nach § 7 Abschn. I Nr. 2 Abs. 2 Satz 3 MTV Nr. 10.

        
8

Die Beklagte ist der Ansicht, die tariflich vorgegebenen Kalendertage seien mithilfe eines Faktors von 264 realen Arbeitstagen und eines Divisors von 364 in Urlaubstage umzurechnen. Das ergebe nicht nur die Auslegung von § 7 MTV Nr. 10, sondern auch ein Vergleich mit den entsprechenden Regelungen des am 1. August 2006 in Kraft getretenen Manteltarifvertrags Nr. 6 für die Angestellten des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 7. Juni 2006. Dort werde zwischen Werktagen in der Sechstagewoche und Arbeitstagen in der Fünftagewoche unterschieden. Ansprüche aus betrieblicher Übung bestünden nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vor den im Jahr 2007 erhobenen Klagen bewusst von der Berechnungsmethodik des § 7 MTV Nr. 10 habe abweichen wollen. Sie habe Urlaub stets nur auf Antrag gewährt. Deshalb scheide schon eine freiwillige Leistung aus.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1. stattgegeben und den Antrag zu 2. abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat der in der Berufungsinstanz erhobenen Hilfswiderklage stattgegeben und die Berufung der Beklagten im Übrigen - hinsichtlich des Antrags zu 1. - zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag zu 2. weiter. Er hat sich auch gegen die stattgebende Entscheidung über die Hilfswiderklage gewandt. Die Beklagte hat die Hilfswiderklage in der Revisionsverhandlung mit Zustimmung des Klägers zurückgenommen. Sie hat im Übrigen beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Der Senat hat nur noch über den Klageantrag zu 2. zu entscheiden. Dieser Antrag ist in der Sache erfolglos. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht erkannt.

11

A. Der Antrag zu 2. ist zulässig.

12

I. Der Antrag zu 2. ist hinreichend bestimmt.

13

1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Antrag die Maßnahme, für die ein Recht bejaht oder verneint wird, so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Parteien mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann(st. Rspr., vgl. zB Senat 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 19, EzA GewO § 106 Nr. 4).

14

2. Diesem Erfordernis wird der Antrag zu 2. nach gebotener Auslegung gerecht. Der Kläger will festgestellt wissen, wie viele Schichten die Beklagte ihm nach den tariflichen Vorgaben, den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und aufgrund ihres Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) im Jahresschichtplan zuweisen darf. Er verlangt zudem die Feststellung, mit welchen Freischichten die Beklagte das Urlaubs- und Arbeitszeitkonto belasten darf. Ein solches Konto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit geleistet hat oder in welchem Umfang er noch arbeiten muss, um das vereinbarte Entgelt zu erzielen. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubs- und Arbeitszeitkonto richtig geführt wird (vgl. zu Leistungsanträgen bei Arbeitszeitkonten Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 16; BAG 19. März 2008 - 5 AZR 328/07 - Rn. 6 und 9 f., AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - zu I 1 der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4; zu einem Feststellungsantrag bei einem Urlaubskonto Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 164/08 - Rn. 13 ff., AP BUrlG § 7 Nr. 40 = EzA BUrlG § 7 Nr. 120).

15

II. Der Antrag zu 2. wahrt die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO.

16

1. Die Feststellungsklage ist nicht wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.

17

a) Der Vorrang der Leistungsklage gilt nicht uneingeschränkt. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. nur Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 38, AP ATG § 6 Nr. 5 = EzTöD 700 TV ATZ Nr. 16).

18

b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den alljährlich auftretenden Berechnungskonflikt endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden (vgl. Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu I der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6). Zwischen den Parteien sind lediglich die Dauer des Jahresurlaubs und - komplementär dazu - der Umfang der Kalendertage mit Arbeitspflicht umstritten. Über andere Berechnungsfaktoren besteht kein Streit.

19

2. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der verlangten Feststellung.

20

a) Eine allgemeine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das gesamte Rechtsverhältnis erstrecken. Sie kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (für die st. Rspr. Senat 15. September 2009 - 9 AZR 757/08 - Rn. 22, EzA GewO § 106 Nr. 4).

21

b) Die Parteien streiten nicht nur über die Zahl der Urlaubstage für das Jahr 2008, sondern auch über die Zahl der Kalendertage mit Arbeitspflicht. Ihr Streit kann Rechtswirkungen für die Zukunft haben, weil ggf. nicht geleistete Arbeit die Lohnansprüche des Klägers verringern kann. Diese möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen begründen noch in der Revisionsinstanz ein gegenwärtiges berechtigtes Feststellungsinteresse. Der Senat erstellt mit dem Übergang in die Sachprüfung kein abstraktes Rechtsgutachten.

22

B. Der Antrag zu 2. ist unbegründet.

23

I. Die erstrebten Feststellungen haben keine tarifliche Grundlage. Der Senat kann offenlassen, ob die Tarifvertragsparteien eine Umrechnung in Arbeitstage ausgeschlossen haben, indem sie in § 7 MTV Nr. 10 auf Kalendertage abgestellt haben. Die noch rechtshängige Klage ist auch in diesem Fall erfolglos. Das trifft in gleicher Weise bei einer Umrechnung der Kalendertage in Arbeitstage zu.

24

1. Der normative Teil eines Tarifvertrags ist grundsätzlich nach den für Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Auf dieser Grundlage ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Der tarifliche Zusammenhang kann Aufschluss über den von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck geben. Auch auf die Entstehungsgeschichte und die Tarifpraxis kann zurückgegriffen werden. Praktikabilität und Sinn des Auslegungsergebnisses sind im Auge zu behalten. Im Zweifel ist die Auslegung vorzugswürdig, die der tariflichen Regelung Geltung verschafft (für die st. Rspr. Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 34).

25

2. Die Tarifvertragsparteien haben einen weiten Spielraum bei der Gestaltung von Urlaubsfragen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Sofern der Mindesturlaub der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG unberührt bleibt, können sie für Arbeitnehmer in einer Schichtplanung, die alle Wochentage umfasst, ein „gemischtes“ System von Urlaubs- und Freischichttagen schaffen. Dabei kann als Zeiteinheit der Kalendertag herangezogen werden, um die Berechnung zu vereinfachen.

26

a) Knüpft ein Tarifvertrag - wie hier - nach gebotener Auslegung an Kalendertage an, verbindet er inzident Urlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitausgleich (vgl. zB Senat 15. Dezember 2009 - 9 AZR 795/08 - Rn. 47). Diese Ansprüche unterscheiden sich inhaltlich in mehrerer Hinsicht.

27

aa) Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (vgl. nur Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15). Gewährt der Arbeitgeber „Freischichttage“, erfüllt er - hier durch Tarifvertrag begründete - Ansprüche auf Zeitausgleich. Der Arbeitgeber ist aufgrund der Ausgleichsansprüche unabhängig vom Erholungszweck verpflichtet, den Arbeitnehmer zu bestimmten Zeiten von seiner Arbeitspflicht freizustellen (vgl. BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 341/08 - Rn. 13, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 44 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 17).

28

bb) Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer gewährten Erholungsurlaub abbricht oder unterbricht (vgl. für den gesetzlichen Mindesturlaub Senat 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 95, 104). Er kann Ansprüche auf Freizeitausgleich demgegenüber auch durch eine Freistellung erfüllen, die regelmäßig widerruflich ist. Gewährt der Arbeitgeber Zeitausgleich, um ein Arbeitszeitguthaben des Arbeitnehmers abzubauen, handelt es sich idR nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit iSv. § 106 Satz 1 GewO. Eine widerrufliche Freistellung von der Arbeitspflicht zum Abbau eines Zeitguthabens ist deshalb geeignet zu bewirken, dass der Anspruch auf Freizeitausgleich nach § 362 Abs. 1 BGB erlischt(vgl. Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 - Rn. 27, AP BUrlG § 7 Nr. 41 = EzA BUrlG § 7 Nr. 121; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 b bb (3) der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer widerruflich von der Arbeitspflicht frei, um einen Anspruch auf Zeitausgleich zu erfüllen, behält er sich vor, den Arbeitnehmer jederzeit wieder zur Arbeit heranzuziehen. Dieses Widerrufsrecht kann auf kollektiv- oder einzelvertraglicher Grundlage ausgeschlossen werden.

29

cc) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann der Arbeitgeber die zeitliche Festlegung eines Urlaubswunschs lediglich aus den im Gesetz genannten Gründen ablehnen. Bei der Festlegung eines Ausgleichszeitraums hat er dagegen nur billiges Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB zu üben, soweit sein Ermessen nicht durch Gesetz, Kollektivrecht oder Vertrag beschränkt ist.

30

dd) Der gesetzliche Mindestanspruch auf Erholungsurlaub kann nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur unter der Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden. Die Abgeltung von Ansprüchen auf Zeitausgleich unterliegt keiner derartigen Beschränkung.

31

b) Verbindet ein Tarifvertrag Ansprüche auf Erholungsurlaub und Zeitausgleich, indem er auf Kalendertage abstellt, ist keine Umrechnung in Werk- oder Arbeitstage erforderlich, wenn die Arbeit - wie im Streitfall - nicht in der Sechs- oder in der Fünftagewoche geleistet wird.

32

aa) Eine solche Verbindung von Urlaub und Freizeitausgleich enthält zB § 11 des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 3. Februar 2003 (WachSichHEMantelTV). § 11 Abschn. I Nr. 4 Abs. 1 WachSichHEMantelTV sieht vor, dass der Urlaubsanspruch mindestens 28 Kalendertage beträgt, wenn Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. § 11 Abschn. II Nr. 1 und 2 WachSichHEMantelTV erhöht den Grundurlaubsanspruch ab 2005 auf 35 Kalendertage und weist nach Betriebszugehörigkeit gestaffelten Zusatzurlaub in Kalendertagen aus. § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. a WachSichHEMantelTV bestimmt, dass die innerhalb des Urlaubszeitraums liegenden Samstage, Sonntage, Feiertage und Freischichttage bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mitgerechnet werden. Liegen vor und nach einem zusammenhängenden Urlaubszeitraum von mehr als fünf Tagen Freischichttage, wird nach § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. b WachSichHEMantelTV nur ein Freischichtzeitraum auf den Urlaubsanspruch angerechnet. Bei einzelnen Kurzurlauben von einem Tag bis zu fünf Tagen sieht § 11 Abschn. II Nr. 3 Buchst. c WachSichHEMantelTV vor, dass bei Erreichen von jeweils fünf Urlaubstagen zusätzlich zwei Urlaubstage auf den bestehenden Urlaubsanspruch angerechnet und vergütet werden, bis der Gesamturlaubsanspruch des laufenden Kalenderjahres verbraucht ist.

33

bb) Der hier anzuwendende § 7 Abschn. II Nr. 3 MTV Nr. 10 enthält keine so eindeutige Regelung. Nach dieser Tarifnorm werden bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs ausdrücklich nur die in die Urlaubszeit fallenden Sonn- und Feiertage mitgerechnet. Freischichttage sind nicht erwähnt. Wird unterstellt, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Bezug auf Kalendertage nicht verdeckt eine nötige Umrechnung in Werk- oder Arbeitstage ausdrücken wollten, kommt nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des § 7 MTV Nr. 10 jedoch nur ein gemischtes System von Urlaubs- und Zeitausgleichstagen in Betracht. Die Zusammenfassung von Urlaub und Zeitausgleich kommt vor allem in den langen sog. Urlaubszeiten von mindestens 32 und höchstens 42 Kalendertagen zum Ausdruck (vgl. § 7 Abschn. II Nr. 1 und 2 MTV Nr. 10). Auf eine von den Tarifvertragsparteien gewollte Anrechnung von Freischichttagen deutet ferner die Berechnung des Urlaubsentgelts mithilfe eines kalendertäglichen Divisors von 364 hin (vgl. § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. MTV Nr. 10). Der Kläger muss sich deswegen auch dann die gewährten Freischichttage auf seine sog. Urlaubszeiten anrechnen lassen, wenn auf Kalendertage abgestellt wird. Der Antrag zu 2. ist auf dieser Berechnungsgrundlage unbegründet.

34

3. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien in § 7 MTV Nr. 10 eine feste Zahl von Urlaubstagen - bemessen nach Kalendertagen - festlegen wollten oder ob die Kalendertage für die Arbeitnehmer, die nicht an allen Wochentagen arbeiten, in die entsprechende Zahl von Arbeitstagen umgerechnet werden müssen. Die Klage bleibt auch dann in der Sache erfolglos, wenn die in § 7 MTV Nr. 10 genannte Zahl der Kalendertage in Arbeitstage umgerechnet wird. Der Urlaubsanspruch des Klägers errechnet sich in diesem Fall nach der Formel

        

tarifvertraglicher Gesamturlaubsanspruch in Kalendertagen/Jahr x 264 Arbeitstage

= Urlaubstage.

364 Kalendertage

Dem Kläger standen unter dieser Prämisse nach § 7 Abschn. I Nr. 1 und 2, Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 2. Var. MTV Nr. 10 für 2008 nur 28 Freistellungstage anstelle beanspruchter 36 Freistellungstage zu. Die Beklagte war daher berechtigt, die Zahl der im Schichtrhythmus anfallenden Freischichttage im Schichtplan entsprechend zu verringern. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe ihn für zwölf weitere Schichten einteilen wollen, beruht das auf einem inzwischen überholten Verfahrensstand. Die Beklagte hat sich während des Rechtsstreits nicht länger auf ein solches Recht berufen.

35

a) Im Unterschied zu anderen Fällen im Bereich des Urlaubs bei vollkontinuierlicher Wechselschicht ohne regelmäßigen Wochenbezug, über die der Senat bereits entschieden hat, knüpft § 7 MTV Nr. 10 an Kalendertage, nicht an Arbeits- oder Werktage an. Die hier anzuwendende Tarifvorschrift trifft auch keine ausdrückliche Umrechnungsbestimmung für Arbeit in Wechselschicht (vgl. dagegen die tariflichen Umrechnungsregelungen, die zB den Entscheidungen des Senats vom 9. September 2003 [- 9 AZR 468/02 - zu II 2 und 3 der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6] und 5. November 2002 [- 9 AZR 470/01 - zu B I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4] zugrunde lagen).

36

b) Die von § 7 Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 2. Var. MTV Nr. 10 vorgesehenen 38 Kalendertage sind schon deshalb umzurechnen, weil der Kläger in Wechselschicht tätig war.

37

aa) Der Kläger arbeitete regelmäßig an vier Tagen, an die sich zwei Freischichttage anschlossen. Er war damit in manchen Wochen an vier Tagen tätig (zB mittwochs bis samstags), in anderen Wochen an fünf Tagen (bspw. montags bis donnerstags und sonntags).

38

bb) Aus dieser Wechselschichttätigkeit ergibt sich ein Umrechnungserfordernis, wenn unterstellt wird, dass die Tarifvertragsparteien mit „Urlaub“ allein Erholungsurlaub und nicht auch Zeitausgleich meinten. Urlaub kann nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit eigentlich hätte arbeiten müssen (für die st. Rspr. Senat 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 1 der Gründe). Urlaubsgewährung ist die Befreiung von der Arbeitspflicht für einen bestimmten künftigen Zeitraum (Senat 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 33, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).

39

(1) Freischichttage sind keine Arbeitstage, sondern Wochentage, an denen der Arbeitnehmer wegen der Verteilung der Arbeitszeit auf Arbeitsschichten nicht zur Arbeit verpflichtet ist. Sie verringern rechnerisch die Anzahl der in einem Jahr möglichen Tage mit Arbeitspflicht (Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6).

40

(2) Ist die Arbeitszeit innerhalb der Woche nicht gleichmäßig auf Arbeitstage verteilt, muss die Anzahl der Urlaubstage durch Umrechnung ermittelt werden (Senat 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 251). Die Umrechnungsnotwendigkeit ergibt sich aus dem in § 125 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB IX ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedanken und § 3 Abs. 1 BUrlG. Ist die Arbeitszeit eines schwerbehinderten Menschen auf weniger oder mehr als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, vermindert oder erhöht sich der Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB IX entsprechend. Dieser Grundsatz beruht auf einem allgemeinen Rechtsgedanken, der auf das gesamte Urlaubsrecht anwendbar ist (Senat 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a aa der Gründe, aaO; 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 2 der Gründe).

41

c) § 7 MTV Nr. 10 steht einer Umrechnung nicht entgegen. Die Tarifnorm knüpft einheitlich an Kalendertage an (vgl. § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 2, Nr. 4 Abs. 1, Abschn. II Nr. 1 und 2, Abschn. III, Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 und 2 MTV Nr. 10). Der in Wortlaut und Zusammenhang zum Ausdruck gebrachte Wille der Tarifvertragsparteien verlangt eine Umrechnung, wenn angenommen wird, die Tarifvertragsparteien hätten kein gemischtes System aus Urlaub und Zeitausgleich gewählt.

42

aa) Schon der vorrangig zu berücksichtigende Wortlaut von § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 2, Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 2. Var. MTV Nr. 10 macht den Zweck deutlich, für alle unterschiedlichen Arbeitszeitverteilungsmodelle eine gleichwertige, durch Urlaub ausfallende Arbeitszeit sicherzustellen (vgl. zu der Frage der Gleichwertigkeit zB Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a aa der Gründe, BAGE 102, 251). Dafür spricht die ungewöhnliche Anknüpfung an Kalendertage anstelle von Arbeits- oder Werktagen. Dieser Bezug auf Kalendertage ist bei einem reinen Urlaubssystem nur sinnvoll, wenn unterschiedliche Arbeitszeitverteilungsmodelle einheitlich im Sinne einer Rechengröße geregelt werden sollen. Die Tarifvertragsparteien können aus arbeitszeitrechtlichen Gründen nicht angenommen haben, dass an allen Kalendertagen Arbeit geleistet werden darf (vgl. § 3 Satz 1, § 6 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 2, § 11 Abs. 2, § 12 Satz 1 ArbZG). Im Zweifel ist eine Auslegung vorzunehmen, die der tariflichen Regelung gesetzeskonforme Geltung verschafft. Wird ein reines Urlaubssystem unterstellt, erklärt die vereinheitlichende Anknüpfung an Kalendertage zudem, weshalb die Tarifvertragsparteien in einem Gewerbe, das von Wechselschicht geprägt ist - dem Wach- und Sicherheitsgewerbe - keine ausdrückliche Umrechnungsregelung getroffen haben (vgl. im Unterschied dazu zB die tarifliche Umrechnungsregelung, die der Entscheidung des Senats vom 5. November 2002 [- 9 AZR 470/01 - zu B I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4] zugrunde lag).

43

bb) Der Zusammenhang der anspruchsbegründenden Tarifvorschriften mit § 7 Abschn. I Nr. 4 Abs. 1 MTV Nr. 10 stützt dieses Auslegungsergebnis. Danach muss ein Urlaubsteil mindestens 14 aufeinanderfolgende Kalendertage umfassen. Die Bestimmung zeigt das Bestreben der Tarifvertragsparteien, eine Umrechnung in Wochen zu ermöglichen (vgl. zum Wochenbezug etwa Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 e der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 30. Oktober 2001 - 9 AZR 315/00 - zu II 3 c aa der Gründe). Die 14 Kalendertage entsprechen den von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG in der Sechstagewoche vorgesehenen zwölf Werktagen. Der Arbeitnehmer soll Anspruch auf einen zusammenhängenden Urlaubsteil von zwei Wochen haben.

44

d) Die 38 Kalendertage, die sich für das Jahr 2008 aus § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 2, Abschn. II Nr. 1, Nr. 2 2. Var. MTV Nr. 10 ergeben, sind in 28 Urlaubstage umzurechnen.

45

aa) Für die Umrechnung ist grundsätzlich auf Arbeitstage, die hier rechnerisch Arbeitsschichten von acht Stunden entsprechen, abzustellen. Die Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht ist mit der Anzahl der Urlaubstage ins Verhältnis zu setzen.

46

bb) Für diese Berechnung ist der Zeitabschnitt heranzuziehen, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird (vgl. Senat 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4). Das ist nach § 7 Abschn. I Nr. 1 Satz 1 und 3 MTV Nr. 10 ein Kalenderjahr. Das Kalenderjahr ist abweichend von § 191 2. Alt. BGB nicht mit 365 Tagen zu berechnen, sondern mit 364 Tagen (vgl. zu § 191 BGB Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 3 a der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, aaO). Darauf deutet die Regelung in § 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. MTV Nr. 10 hin. Danach errechnet sich das kalendertägliche Urlaubsentgelt aus 1/364 des Bruttoverdienstes. Das tarifliche Urlaubsentgelt knüpft zwar an den Bruttoverdienst der letzten zwölf Abrechnungsmonate vor Beginn des Urlaubs an (§ 7 Abschn. IV Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV Nr. 10) und nicht an das vorausgehende Kalenderjahr. Die für das Urlaubsentgelt getroffene Regelung macht jedoch die von den Tarifvertragsparteien gewollte Berechnungsmethode für Jahreszeiträume deutlich.

47

cc) Die anzuwendende Umrechnungsformel lautet demnach:

        

tarifliche Urlaubstage in Kalendertagen/Jahr x tatsächliche Arbeitstage/Jahr

= Urlaubstage

364 Kalendertage

48

Da die tarifliche Regelung bei einem unterstellten reinen Urlaubssystem an Kalendertage und nicht an Arbeits- oder Werktage anknüpft, ist entgegen der Auffassung der Revision auf einen Divisor von 364 Kalendertagen und nicht auf einen Teiler von möglichen Arbeitstagen im Jahr abzustellen (vgl. zu einer tariflichen Regelung, die sich auf Arbeitstage bezog, dagegen Senat 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B I 3 b bb (1) der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4). Der von der Revision hilfsweise herangezogene Divisor von 312 Tagen bezieht sich auf die Senatsrechtsprechung zu Tarifbestimmungen, die die Urlaubsdauer anhand von Werktagen und nicht mithilfe von Kalendertagen berechnen (vgl. 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 102, 251).

49

dd) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2008 errechnet sich also aus folgenden Werten:

        

38 Urlaubstage in Kalendertagen/Jahr x 264 reale Arbeitstage/Jahr

= 27,56 Urlaubstage

364 Kalendertage

50

Die sich errechnenden 27,56 Urlaubstage sind nach § 7 Abschn. I Nr. 2 Abs. 2 Satz 3 MTV Nr. 10 auf 28 Urlaubstage aufzurunden.

51

II. Ein über 28 Tage hinausgehender Urlaubsanspruch für 2008 ergibt sich selbst dann nicht aus betrieblicher Übung, wenn die Beklagte dem Kläger vor den im Jahr 2007 erhobenen Klagen Urlaub von längerer Dauer gewährte.

52

1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Das als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern angenommen, indem sie die Leistung widerspruchslos entgegennehmen (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 281/08 - Rn. 13, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 83 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 9). Der Zugang der Annahmeerklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste (für die st. Rspr. Senat 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 23 f., EzA-SD 2010 Nr. 8 8 - 11).

53

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die für eine betriebliche Übung nötigen besonderen Umstände nicht vorgetragen. Sie seien auch nicht ersichtlich. Der Kläger berufe sich lediglich darauf, dass die Beklagte nicht kommuniziert habe, sich stets tariftreu verhalten zu wollen. Er meine, die Beklagte habe die übertarifliche Leistung freiwillig gewährt. Sie habe es geduldet, den Urlaub um Freischichttage „herumzugruppieren“. Aus diesem Vorbringen lasse sich über den bloßen Normvollzug hinaus kein Rechtsbindungswille ableiten.

54

3. Diese rechtlichen Erwägungen halten einer uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht stand. Daher kann offenbleiben, ob für die Frage einer betrieblichen Übung der eingeschränkte Prüfungsmaßstab für atypische Erklärungen anzuwenden ist oder sie einer uneingeschränkten revisionsrichterlichen Überprüfung unterliegt (offengelassen zB von Senat 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 28 mwN, EzA-SD 2010 Nr. 8 8 - 11).

55

4. Die für eine betriebliche Übung erforderlichen besonderen tatsächlichen Umstände sind hier nicht festgestellt. Die nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts sind für den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend.

56

a) Für die Annahme einer betrieblichen Übung genügt es nicht, dass der Arbeitgeber tatsächliche Leistungen erbringt. Für den Arbeitnehmer muss sich vielmehr aus den Gesamtumständen der Eindruck ergeben, der Arbeitgeber wolle sich über die bisher vereinbarten vertraglichen und tarifvertraglichen Pflichten hinaus zu einer weiteren Leistung verpflichten (vgl. nur Senat 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu II 5 der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6; vgl. zum vermeintlichen Normvollzug auch BAG 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 46 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 7). Sonst entstünde auch bei irrtümlichen Leistungen ein Anspruch. Geht der Arbeitnehmer davon aus, eine gewährte Leistung stehe ihm ohnehin aus einem anderen Rechtsgrund als betrieblicher Übung zu, darf er nicht auf ein darüber hinausgehendes Angebot des Arbeitgebers schließen (vgl. Senat 5. November 2002 - 9 AZR 470/01 - zu B II der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 15 = EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 4; 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 102, 251).

57

b) Der Kläger nimmt an, ihm stehe ein tariflicher Urlaubsanspruch von 38 Tagen zu. Schon deshalb durfte er nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihm übertariflichen Urlaub gewähren wollte, wenn sie ihm vor den im Jahr 2007 erhobenen Klagen Urlaub von längerer Dauer gewährte.

58

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Gallner    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Brossardt    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. März 2012 - 11 Sa 647/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Jahr 2011 arbeitsvertraglichen Mehrurlaub wegen krankheitsbedingter Fehltage des Klägers kürzen durfte.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 2007 - zunächst aufgrund des Arbeitsvertrags vom 19. März 2007 - als Polsterer beschäftigt. Nach § 5 des weiteren Arbeitsvertrags vom 29. April 2008 erhält der Kläger „einen kalenderjährlichen Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen (= 4 Wochen)“ sowie unter den „in der Rahmenvereinbarung zum Beschäftigungsverhältnis festgelegten Voraussetzungen einen zusätzlichen freiwilligen Urlaub von 7 Arbeitstagen (1,4 Wochen)“.

3

Die von den Parteien ebenfalls bereits am 19. März 2007 unterzeichnete „Rahmenvereinbarung zum Beschäftigungsverhältnis“ (Rahmenvereinbarung) enthält ua. die folgenden Regelungen:

        

VIII. Urlaub

        

1.    

Der Mitarbeiter erhält unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche (in Anlehnung an das BUrlG) einen kalenderjährlichen Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen (= 4 Wochen).

        

2.    

Zusätzlich wird ein freiwilliger betrieblicher Urlaub von 7 Arbeitstagen (= 1,4 Wochen) gewährt.

        

…       

        
        

4.    

Der Anspruch auf den über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden zusätzlichen Urlaub entfällt

                 

a)    

Für krankheitsbedingte Fehltage gilt folgende Staffel

        
                          

Vom 4. - 7.

Krankheitstag

1 Urlaubstag

        
                          

Vom 8. - 11.

Krankheitstag

2 Urlaubstage

        
                          

…       

                          
                          

Vom 24. - 27.

Krankheitstag

6 Urlaubstage

        
                          

Vom 28. - 31.

Krankheitstag

7 Urlaubstage

        
                 

…       

                                   
        

5.    

Die für den vorzeitig und zu viel gewährten Urlaub gewährte Urlaubsvergütung gilt als Entgeltvorschuss. Diesen kann die Firma zurückfordern und mit Zahlungsforderungen verrechnen.

        

…       

        
        

X. Zusätzliches Urlaubsgeld

        

1.    

Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt für jeden Tag Erholungsurlaub € 20,45. Es ist eine freiwillige Zahlung; auch eine wiederholte Gewährung begründet keinen Rechtsanspruch.

        

…       

        
        

XI. Sonderzahlungen

        

1.    

Die Gewährung einer Sonderzahlung wird vom Betriebsergebnis abhängig gemacht und jährlich neu geprüft. Sie ist eine einmalige freiwillige Zahlung; auch eine wiederholte Gewährung begründet keinen Rechtsanspruch.

                 

…       

        

3.    

Für den Fall der Erkrankung wird pro Tag ein Dreißigstel der Sonderzahlung abgezogen. Sofern die Sonderzahlung durch die Kürzung voll aufgezehrt wird, entfällt der Anspruch.

        

…“    

        
4

Der Kläger war ua. in der Zeit vom 1. bis zum 11. Februar 2011, am 20. Mai 2011 und vom 14. bis zum 24. Juni 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlte der Kläger im Jahr 2011 krankheitsbedingt an insgesamt 27 Arbeitstagen. Die Beklagte kürzte deshalb den Mehrurlaub des Klägers für das Jahr 2011 um insgesamt sechs Tage und zahlte ihm auch ein um 122,70 Euro brutto (= 6 Tage x 20,45 Euro/Tag) geringeres Urlaubsgeld.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, seinem Urlaubskonto vier Urlaubstage gutzuschreiben. Die weiteren zwei Urlaubstage für das Jahr 2011, um die die Beklagte den Mehrurlaubsanspruch gekürzt hat, sind Gegenstand eines anderen Rechtsstreits.

6

Das Kläger ist der Ansicht, dass die Regelungen der Rahmenvereinbarung gegen § 305 ff. BGB verstoßen. Sie seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen intransparent. Zudem läge eine unangemessene Benachteiligung vor, weil nicht nach den Ursachen der Arbeitsunfähigkeit (zB aufgrund eines Arbeitsunfalls) differenziert würde.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, seinem Urlaubskonto vier Tage Urlaub gutzuschreiben.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Regelung in Abschn. VIII Ziff. 4 der Rahmenvereinbarung für wirksam.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Urlaubskonto des Klägers vier Urlaubstage aus dem Jahr 2011 gutzuschreiben und damit nachträglich zu gewähren.

11

I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger verlangt in Form der Leistungsklage, dass die Beklagte seinem Urlaubskonto vier Urlaubstage gutschreibt. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubs- und Arbeitszeitkonto richtig geführt wird. Das Klageziel richtet sich darauf, dem Urlaubskonto vier Tage gutzuschreiben und damit diese Urlaubstage nachzugewähren (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 9, BAGE 138, 58).

12

II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch folgt aus § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte war nicht berechtigt, den Urlaubsanspruch des Klägers wegen der Regelung in § 5 des Arbeitsvertrags iVm. Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung zu kürzen. Die Kürzungsregelung hält einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. BGB nicht stand. Sie ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB unwirksam.

13

1. Die Kürzungsregelung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 iVm. Satz 2 BGB. Sowohl die Rahmenvereinbarung, die gemäß § 5 des Arbeitsvertrags vom 29. April 2008 bei der näheren Ausgestaltung des Anspruchs des Klägers auf Mehrurlaub zu berücksichtigen ist, als auch die Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags sind von der Beklagten vorformulierte Vertragsbedingungen, die sie nach dem äußeren Erscheinungsbild mehrfach verwendet hat und die sie als Verwenderin dem Kläger bei Vertragsschluss stellte. Der Text der Rahmenvereinbarung, die insgesamt acht Seiten umfasst, sowie der Arbeitsvertrag enthalten über die persönlichen Daten des Klägers zu Beginn des jeweiligen Textes hinaus keine individuellen Besonderheiten. Individuelle Vereinbarungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB, insbesondere im Hinblick auf die Kürzungsregelung in Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung, sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden.

14

2. Die Kürzungsregelung in § 5 des Arbeitsvertrags iVm. Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam.

15

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 867/06 - Rn. 29, BAGE 122, 64). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. In der Gefahr, dass er wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB(BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 96 mwN, BAGE 130, 119).

16

b) Hieran gemessen ist die Kürzungsregelung intransparent. Sie zeigt dem Arbeitnehmer nicht hinreichend klar auf, in welchem Umfang sein vertraglicher Mehrurlaubsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit gekürzt wird. Hierdurch kann er gehindert werden, seinen (ungekürzten) Mehrurlaubsanspruch geltend zu machen.

17

aa) Die Beklagte verwendet in Abschn. VIII Ziff. 4 Buchst. a der Rahmenvereinbarung die Begriffe „krankheitsbedingte Fehltage“ und „Krankheitstage“, ohne dass deutlich wird, ob beide Begriffe identisch angewandt werden sollen. Es ist damit nicht erkennbar, ob jeder „Krankheitstag“ zur Kürzung führen kann oder nur die „Krankheitstage“, an denen der Arbeitnehmer an sich seine Arbeitsleistung schuldet. Ausgehend davon, dass in ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen iSv. § 5 Abs. 1 EFZG die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzugeben ist, schließt der Begriff „Krankheitstage“ sämtliche Tage ein, an denen der betroffene Arbeitnehmer erkrankt ist. Begrifflich können somit auch Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage und „Krankheitstage“ während eines gewährten Urlaubs erfasst sein. Soweit die Beklagte mit dem Begriff „Krankheitstage“ beispielsweise Arbeitstage gemeint haben sollte, an denen eine durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesene Arbeitsunfähigkeit bestand und grundsätzlich eine Arbeitsleistung geschuldet war, kommt dies nicht einmal ansatzweise im Wortlaut der Klausel zum Ausdruck.

18

bb) Schließlich ist auch die Kürzungsstaffelung als solche intransparent. So ist unklar, ob für die Berechnung des Kürzungsumfangs sämtliche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit summiert werden (jährliche Gesamterkrankungsdauer) oder ob es ausschließlich auf die Dauer jeder einzelnen Erkrankung ankommt (Teilerkrankungsdauer). Im letztgenannten Fall würde eine Kürzung des Mehrurlaubs unterbleiben, wenn die einzelne Erkrankung eines Arbeitnehmers maximal drei Arbeitstage andauert, da die erste Kürzungsstaffel erst bei vier „Krankheitstagen“ beginnt. Somit wäre es möglich, dass ein Arbeitnehmer, der zB drei Mal jeweils drei Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt ist, keine Kürzung seines Mehrurlaubs hinnehmen müsste, während ein anderer Arbeitnehmer, der neun Arbeitstage (Gesamterkrankungsdauer) erkrankt war, eine Kürzung seines Mehrurlaubsanspruchs um zwei Tage hinnehmen müsste. Da zudem angesichts von Abschn. VIII Ziff. 5 der Rahmenvereinbarung etwaig zu viel gezahltes Urlaubsentgelt als Entgeltvorschuss behandelt wird, zeigt die Beklagte als Verwenderin der streitgegenständlichen Klausel den Arbeitnehmern im Ergebnis nicht hinreichend auf, in welchem Umfang ggf. der Mehrurlaub gekürzt wird und eine etwaige Überzahlung des Urlaubsentgelts nachträglich auszugleichen ist.

19

c) Da die Kürzung des Mehrurlaubs bereits wegen der Unwirksamkeit der Kürzungsregelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB unberechtigt erfolgte, kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht aufgeworfene Frage, ob und inwieweit eine Kürzung von arbeitsvertraglichen Mehrurlaubsansprüchen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit am Maßstab des § 4a EFZG zu messen ist, nicht mehr an.

20

3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug liegen vor. Der Urlaubsanspruch wandelt sich in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24).

21

a) Dieser Urlaubsanspruch für 2011 war nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31. März 2012 verfallen.

22

b) Zwar ist nicht festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten die Gewährung dieser vier Urlaubstage vor Verfall verlangte. Der Verzug ergibt sich hier schon daraus, dass die Beklagte mit der Kürzung im Urlaubsjahr 2011 zu erkennen gab, die gekürzten Urlaubstage nicht gewähren zu wollen. Darin lag ihre ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldnerin des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung des Klägers entbehrlich macht(BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, BAGE 138, 58). Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber aus dem Unionsrecht verpflichtet ist, auch ohne Aufforderung des Arbeitnehmers von sich aus den vollen Urlaubsanspruch im Urlaubsjahr zu erfüllen (vgl. LAG Hamm 14. Februar 2013 - 16 Sa 1511/12 - zu C II 4 der Gründe, anhängig beim EuGH unter - C-118/13 - [Bollacke]).

23

B. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Kranzusch    

        

    Martin Lücke    

                 

(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)