Landesarbeitsgericht Nürnberg Urteil, 15. Nov. 2016 - 6 Sa 184/16

bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.03.2016 - Az. 4 Ca 5054/15 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer von der Beklagten zu zahlenden Fahrtkostenentschädigung.

Die Klägerin, die in der S-Straße 9 in A-Stadt wohnt, ist Beamtin auf Lebenszeit in einem Dienstrechtsverhältnis zur deutschen T. AG. Das Beamtenverhältnis ist beurlaubt für eine Tätigkeit bei der Beklagten als Fernmeldehauptsekretärin zu einem Monatsentgelt in Höhe von zuletzt 4.067,12 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 7 des Entgelttarifvertrages der Beklagten eingruppiert.

Die Klägerin wurde aus betrieblichen Gründen mit Wirkung vom 29.06.2015 von ihrer alten Regelarbeitsstelle in B-Stadt, P-Platz 4, in die neue Regelarbeitsstelle C-Stadt, G-Straße 7, versetzt.

Für solche betriebliche Maßnahmen schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten und die Beklagte eine Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzeptes VSD-GK (vgl. Bl. 10 f. d.A.).

Diese lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 2 Beschreibung der Maßnahme

(2) Für tarifliche Mitarbeiter der Entgeltgruppen 1-10 (unabhängig von ihrer Betriebszugehörigkeit) und Beamte richten sich die Grundleistungen nach Anlage 5 zum TV Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio). Die Höhe der Fahrtkostenzuschüsse und Ausgleiche des zeitlichen Mehraufwands richten sich abweichend nach Anlage 5 dieser Vereinbarung.“

Anlage 5 des TV Ratio trifft unter anderem folgende Regelungen:

㤠4 Erstattungsbetrag zum Ausgleich von Fahrmehrkosten und eines zeitlichen Mehraufwandes

(1) […]

(2) Der Ausgleich der Mehraufwendungen erfolgt auf der Grundlage der Fahrmehrleistungen zwischen Wohnort und neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle und soweit mindestens 6 Entfernungskilometer (einfache Entfernung) zusätzlich zurückzulegen sind. Die Ermittlung der zusätzlich zurückzulegenden Entfernungskilometer erfolgt unter Zugrundelegung der kürzesten mit dem Pkw zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle.

(3) […]

(4) Der Erstattungsbetrag wird nach realisiertem anderweitigem Einsatz (Absatz 14) in einer neuen Regelarbeitsstelle/ständigen Dienststelle in 6 Teilbeträgen halbjährlich im Voraus mit dem Monatsentgelt gezahlt. […]

(5) Der Erstattungsbetrag wird angepasst, sofern sich die nach Absatz 2 zu ermittelnde Entfernung nicht nur vorübergehend verändert (zum Beispiel durch Umzug).“

Anlage 5 zur Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzeptes VSD-GK (vgl. Bl. 12 d.A.) legt unter anderem fest, dass bei einer einfachen Entfernung ab 91 Kilometern eine Fahrkostenentschädigung in Höhe von 13.509,00 € und bei einer einfachen Entfernung ab 101 km eine Fahrkostenentschädigung in Höhe von 14.286,00 € zu bezahlen ist.

Die Entfernung von der Wohnung der Klägerin bis zum Standort in B-Stadt beträgt gemäß dem von der Beklagten verwendeten Routenplaner 43,9 Kilometer. Zum Standort in C-Stadt beträgt die Entfernung von der Wohnung - je nachdem, ob man die Fahrtstrecke über die Bundesstraße B8 oder über die Autobahn A3 wählt - 144,4 Kilometer oder 151,8 Kilometer. Je nachdem, welche Strecke man bei der Berechnung heranzieht, kommt man damit auf eine Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Strecke von 100,5 Kilometern oder 107,9 Kilometern.

Mit Schreiben vom 16.06.2015 (vgl. Bl.13 f. d.A.) beantragte die Klägerin gemäß der oben genannten Betriebsvereinbarung die Abgeltung von Mehraufwendungen als Folge ihrer Versetzung. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 23.06.2015 mit, dass sie von 100,5 zusätzlich zurückzulegenden Kilometern ausgehe, so dass sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 13.509,00 € ergebe.

Die Beklagte verwendet für die Berechnung der Differenz von alter und neuer Strecke einen auf ihre Anforderungen abgestimmten Routenplaner („Telekom-Routenplaner“).

Die Klägerin ist erstinstanzlich der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 14.286,00 € habe. Sie trägt vor, dass die kürzeste verkehrsübliche Strecke von ihrer Wohnung nach C-Stadt über die Autobahn A3 führe. Die Strecke sei zwar 7,4 Kilometer länger, aber - auch nach dem eigenen Routenplaner der Beklagten - 32 Minuten schneller. Bei der Begriffsbestimmung müssten neben der Dauer weitere Faktoren wie Spritverbrauch, Fahrverhalten und Umweltfreundlichkeit berücksichtigt werden. Die Strecke über die A3 stelle den normalen, üblichen Weg dar. Jeder Autofahrer würde, noch dazu bei täglichem Hin- und Rückweg, die Strecke über die Autobahn wählen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 259,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 129,50 € brutto seit dem 16.06.2015 und aus 129,50 € brutto ab dem 16.12.2015 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Fahrkosten-entschädigung der Klägerin gemäß § 9 Absatz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzepts VSD-GK zwischen der TDG und dem GBR iVm § 4 der Anlage 5 des TV Ratio iVm Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung auf Basis einer Entfernungskilometeranzahl (einfache Entfernung) „ab 101 km bis 110 km“ (14.286,00 €) zu berechnen.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Die Beklagte ist erstinstanzlich der Auffassung, dass die kürzeste mit dem Pkw zurückzulegende verkehrsübliche Fahrtstrecke gleichbedeutend mit der „kürzesten Strecke“ gemäß ihrem eigenen Routenplaner sei. Würde man dem Wort „Verkehrs-üblichkeit“ eine Bedeutung zumessen, die über für die Benutzung von Pkws zugelassene Straßen hinausginge, müsste man empirische Erhebungen zu unterschiedlichen Tageszeiten, bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen und während bzw. außerhalb der Hauptferienzeiten durchführen. Eine solche individuelle Betrachtung würde der von dem Tarifvertrag verlangten pauschalierten Betrachtung entgegenstehen.

Es sei weiter zu beachten, dass unterschiedliche Routenplaner für die in Streit stehenden Strecken unterschiedliche Fahrzeiten berechneten. Die vom Telekom-Routenplaner be-rechneten Fahrzeiten könnten deshalb nicht zur Bestimmung der Verkehrsüblichkeit herangezogen werden.

Das Arbeitsgericht hat gemäß den Klageanträgen entschieden. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Fahrtkostenentschädigung der Klägerin müsse auf der Basis einer einfachen Mehrstrecke von 107,9 Kilometern berechnet werden, so dass die Beklagte der Klägerin eine Fahrtkostenentschädigung von insgesamt 14.286,00 € schulde. Die Klä-gerin erfülle unstreitig die Voraussetzungen für den Bezug einer Fahrtkostenerstattung. Sie wurde von ihrer alten Regelarbeitsstelle in B-Stadt in die neue Regelarbeitsstelle nach C-Stadt versetzt und muss nun angesichts ihres Wohnsitzes in A-Stadt einen deutlich weiteren Arbeitsweg zurücklegen. Da sie in Entgeltgruppe 7 eingruppiert ist, gehört sie gemäß § 9 Abs. 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung zu den Mitarbeitern, die Fahrtkostenerstattung nach den Vorgaben der Anlage 5 zum TV Ratio sowie - was die Höhe anbelangt - nach Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung erhalten.

Nach Auffassung des Erstgerichts ist bei dem Vergleich der Wegstrecken, der gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 5 des TV Ratio vorzunehmen ist, nicht auf die Route über die Bundesstraße B8, sondern auf die Route über die Autobahn A3 abzustellen.

Ausgangspunkt ist die Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 5 zum TV Ratio. Demnach richtet sich die Ermittlung der zusätzlich zurückzulegenden Entfernungskilometer nach der kürzesten mit dem Pkw zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle. Eine Definition, was unter der „kürzesten verkehrsüblichen Strecke“ zu verstehen ist, findet sich weder in Anlage 5 zum TV Ratio noch in der oben genannten Gesamtbetriebsvereinbarung. Dementsprechend muss von Amts wegen eine Auslegung der tarifvertraglichen Vorschrift vorgenommen werden. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Führen diese Grundsätze nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, ist letztendlich der Auslegung der Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird.

Vorliegend ist der Wortlaut der getroffenen Regelung nicht eindeutig, da die Bedeutung des Wortes „verkehrsüblich“ offen ist. Dies kann zum einen einfach nur bedeuten, dass es sich um eine öffentliche Straße handeln muss, die für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen geeignet und zulässigerweise zu befahren ist. Es kann zum anderen aber auch ausdrücken, dass es sich um die Strecke handeln muss, die ein verständiger Autofahrer in der Situation des Betroffenen wählen würde. Hinweise der gewollten Auslegung durch die Tarifvertragsparteien finden sich im Tarifvertrag nicht.

Nach Auffassung des Erstgerichts ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Verwendung des Wortes „verkehrsüblich“ nicht nur etwas Selbstverständliches festhalten wollten, sondern tatsächlich ein zusätzliches Kriterium für die Festlegung der maßgeblichen Strecke aufstellen wollten.

Dass es sich bei der gewählten Straße um eine geeignete und zulässigerweise befahrene Straße handeln muss, bedürfe keiner gesonderten Erwähnung. Es könne nicht davon ausgegangen werden, die Tarifvertragsparteien hätten auch nur in Erwägung gezogen, die betroffenen Mitarbeiter könnten sich auf anderen Straßen bewegen. Insbesondere gebe es keine Veranlassung, anzunehmen, die Tarifvertragsparteien hätten Selbstverständlichkeiten regeln wollen.

Hätten die Tarifvertragsparteien andererseits gewollt, dass es ausschließlich auf die kürzeste Entfernung ankommen soll, wäre das Wort „verkehrsüblich“ überflüssig gewesen. Der Begriff der „Verkehrsüblichkeit“ muss vielmehr eine eigene, über die Länge der benutzten Strecke hinausgehende Bedeutung haben. Das Erstgericht geht daher davon aus, dass eine Wegstrecke dann verkehrsüblich ist, wenn sie von einem verständigen Autofahrer in der Situation des Betroffenen gewählt wird. Auch ein durchschnittlicher Leser wird die tarifvertragliche Regelung typischerweise so verstehen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei es bei einem solchen Verständnis der Vorschrift nicht erforderlich, empirische Erhebungen zu unterschiedlichen Tageszeiten, bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen, und während bzw. außerhalb der Ferienzeiten durchzuführen. Bei der Feststellung der „verkehrsüblichen“ Strecke gehe es nicht darum, welche Strecke zum konkreten Zeitpunkt am schnellsten befahren werden könne, sondern darum, welche Strecke ein verständiger Fahrer - abstrakt - für seine Fahrten wählen würde. Bei dieser Entscheidung spielen nicht nur die Länge der Strecke und die Fahrdauer eine Rolle, sondern insbesondere auch die Sicherheit und das Fahrverhalten.

Vorliegend würde ein verständiger Autofahrer ohne jeden Zweifel die Strecke über die A3 wählen. Die Strecke sei zwar 7,4 Kilometer länger als die alternative Strecke über die B8, die Fahrzeit sei hingegen - unabhängig davon, welchen Routenplaner man heranziehe - deutlich kürzer. Zudem ist zu beachten, dass die Strecke über die Autobahn als wesentlich sicherer anzusehen sei - auf Autobahnen ereigneten sich erheblich weniger Unfälle als auf Bundesstraßen. Schließlich sei die Fahrt auf einer Autobahn für den Autofahrer auch angenehmer und stressfreier.

Gemäß § 4 Abs. 4 der Anlage 5 des TV Ratio iVm Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung erfolgt die Zahlung der Fahrtkostenerstattung in sechs Teilbeträgen jeweils halbjährlich im Voraus zusammen mit dem Monatsentgelt. Da die Versetzung mit Wirkung zum 29.06.2015 durchgeführt wurde, waren bislang zwei Teilbeträge - für das zweite Halbjahr 2015 und für das erste Halbjahr 2016 - zur Zahlung fällig. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte von einem Anspruch auf Fahrtkostenerstattung in Höhe von insgesamt 13.509,00 € brutto ausging, während die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Zahlung von 14.286,00 € brutto hat, ergibt sich eine Differenz von insgesamt 777,00 € brutto, von der 2/6 bislang zu bezahlen waren.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.03.2016 ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 06.04.2016 zugestellt worden. Die Berufungsschrift vom 27.04.2016 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg an diesem Tag eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 04.07.2016 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.07.2016 verlängert war.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, die Klägerin habe nur einen Erstattungsanspruch auf der Basis von insgesamt EUR 13.509,--. Entgegen dem Erstgericht sei auf die kürzere Route über die Bundesstraße B8 abzustellen. Bei der Auslegung habe das Arbeitsgericht fehlerhaft einen individuellen Maßstab der Bewertung zugrunde gelegt. Der Wortlaut sei zwar nicht eindeutig, es sei aber darunter die objektiv kürzeste üblicherweise befahrene Strecke zu verstehen, auch wenn es sich dabei nicht um die am häufigsten befahrene und/oder verkehrsgünstigste Strecke handele. Nicht entscheidend sei, welchen Weg der Arbeitnehmer bevorzuge und welcher subjektiv der günstigste Weg sei. Ob die so ermittelte kürzeste Verkehrsbindung tatsächlich genutzt werde, sei aus Gründen der Gleichbehandlung und der Praktikabilität unerheblich. Außer Betracht blieben daher nur Strecken, die - wie beispielsweise Feldwege und Wirtschaftswege - üblicherweise für den Personenverkehr nicht bestimmt sind oder nicht benutzt werden. Es mag im Einzelfall ferner in Betracht kommen, solche Strecken unberücksichtigt zu lassen, deren Benutzung nach allgemeinen Maßstäben offensichtlich unzumutbar ist, so dass es an der Befahrbarkeit fehle. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspräche es, bei Errechnung der zur Umgrenzung des Einzugsgebietes maßgeblichen Strecke an subjektive Gegebenheiten, wie z.B. an die von den Beamten/Arbeitnehmer zwischen der Wohnung und der jeweiligen Dienststelle üblicherweise tatsächlich benutzten oder aus subjektiven Gründen vorzuziehenden Strecke anzuknüpfen. Auf diese individuellen, je nach Fahrer divergierenden Vorstellungen und Vorlieben könne es aber für einen - pauschalierten - Anspruch auf Fahrkostenerstattung nicht ankommen. Vorliegend sei es deshalb geboten, allein auf die eindeutig feststellbare, kürzeste, benutzbare Verkehrsverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsort abzustellen. Nicht entscheidend könne hingegen sein, welcher Weg aus der Situation des Betroffenen heraus gewählt würde, da diese subjektive Betrachtungsweise keinen einheitlichen Maßstab vermitteln und darüber hinaus der zusätzlichen Voraussetzung des „kürzesten“ Weges keiner Bedeutung zumessen würde. Zu beachten sei auch Sinn und Zweck der Zahlung der Fahrkostenentschädigung. Bis zu einer Strecke von 70 Kilometern erfolge eine Differenzierung zwischen einer Entschädigung wegen Fahrmehrkosten und einem Ausgleich eines zeitlichen Mehraufwandes. Ab einer Strecke von 71 Kilometern werde hingegen nicht mehr unterschieden und werden Fahrmehrkosten und zeitlicher Aufwand durch einen Betrag abgegolten. Infolge dessen könne es ab einer Strecke von 71 Kilometer auch nicht mehr auf den zeitlichen Mehraufwand ankommen. Die von der Beklagten vorgenommene Erstattung aus der Stufe ab 91 Kilometer beinhalte ohnehin bereits auch den Ausgleich für den zeitlichen Mehraufwand.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.03.2016, Az.: 4 Ca 5054/15, wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin erachtet das Ersturteil als zutreffend. Das Erstgericht gehe richtigerweise davon aus, dass die Tarifvertragsparteien mit der Verwendung des Wortes „verkehrsüblich“ nicht nur die Selbstverständlichkeit festhalten wollten, dass es sich um eine tatsächlich zugelassene Straße handelt. Richtigerweise erkenne das Gericht, dass hier ein zusätzliches Kriterium für die Festlegung der maßgeblichen Strecke aufgestellt werden soll. Wenn die Vertragsparteien gewollt hätten, dass es ausschließlich auf die kürzeste Entfernung ankommt, wäre das Wort „verkehrsüblich“ überflüssig gewesen. Insoweit habe hier der Begriff der Verkehrsüblichkeit eine eigene, über die Länge der benutzten Strecke hinausgehende Bedeutung. Weiterhin gehe es bei der Frage der verkehrsüblichen Strecke nicht darum, welche Strecke zum konkreten Zeitpunkt am schnellsten befahren werden könne, sondern darum, welche Strecke ein verständiger Fahrer für seine Fahrten wählen würde. Genau dies sei mit der Formulierung der Verkehrsüblichkeit gemeint.

Verkehrsüblich sei die Strecke dann, wenn sie von einem verständigen Autofahrer in der Situation des Betroffenen gewählt wird. Im hier gegenständlichen Streit würde ein verständiger Autofahrer ohne jeden Zweifel immer die Strecke über die A3 wählen. Diese Strecke ist zwar objektiv 7,4 Kilometer länger als die alternative Strecke über die B8, die Fahrzeit hingegen sei deutlich kürzer. Darüber hinaus sei die Strecke über die Autobahn auch sicherer.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2a und 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung erweist sich als begründet.

Zunächst kann auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen zur Anwendbarkeit der fraglichen Vorschriften, den allgemeinen Auslegungsregeln und der Erforderlichkeit einer Auslegung verwiesen werden (Seiten 8 und 9 des Urteils) und von einer rein wiederholenden Darlegung abgesehen werden.

Die von den Tarifvertragsparteien gewählte Formulierung - oder ähnliche Formulierungen - wurden von der Rechtsprechung auch in verschiedenen Gerichtszweigen unterschiedlich ausgelegt und verstanden. Insoweit folgt die Auslegung des Arbeitsgerichts insbesondere der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.04.2015, Az.: 7 Sa 432/14, zu der Bestimmung des § 12 BayUKG. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in der Revision (Urteil vom 14.06.2016 - 9 AZR 409/15) insbesondere mit der Frage der „kürzesten verkehrsüblichen Straßenverbindung“ nicht zu befassen. Das Arbeitsgericht folgt ersichtlich mit seiner Entscheidung auch dem Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 06.07.1994, Az.: 6 A 2596/93.

Das erkennende Gericht schließt sich allerdings der Ansicht der Beklagten an. Das Gericht versteht unter „der kürzesten mit dem PKW zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle“ zunächst die entfernungsmäßig kürzeste Straßenverbindung. Vorrangig ist nach der gewählten Wortwahl auf die kürzeste mit dem PKW zurückzulegende Fahrstrecke abzustellen. Dies ist unstreitig die Strecke über die B8, die zu einer Entfernungsdifferenz von unstreitig 100,5 Kilometer einfach führt. Dabei soll die Einfügung der „verkehrsüblichen“ Fahrstrecke lediglich sicherstellen, dass mit der kürzesten Fahrstrecke nicht solche Fahrstrecken gemeint sind, die nicht öffentlich befahrbar sind oder aufgrund von Besonderheiten allgemein nicht genutzt werden. Die Fahrstrecke muss damit für Fahrzeuge geeignet und von diesen zulässigerweise zu befahren sein. Darüber hinaus muss deren Benutzung auch generell zumutbar sein. Insoweit soll das Wort „verkehrsüblich“ die genannten Kriterien sicherstellen und ist so verstanden nicht überflüssig. Man mag dies für Selbstverständlichkeiten halten, es sichert aber die zutreffende Anwendung der Vorschrift.

Mit dem Begriff „verkehrsüblich“ sollte im Hinblick auf die Pauschalierung von Entfernung und Zeit durch einen Zahlbetrag neben der kürzesten zumutbaren Fahrstrecke nicht auch noch eine zeitliche Komponente in die Beurteilung einfließen. Dies hätte im Bereich der hier vorliegenden Pauschalierung bezüglich Entfernung und Zeitaufwand einer ausdrücklichen Erwähnung bedurft.

Dieses Verständnis ist auch im Hinblick auf die Vielzahl von Anwendungsfällen eine klare Regelung im Vergleich zum Verständnis durch das Arbeitsgericht und die Klägerin. Die kürzeste Fahrstrecke mit dem PKW auf öffentlichen Straßen lässt sich relativ leicht objektiv feststellen. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung für eine Vielzahl von Fällen. Bei einem Verständnis im Sinne der Klägerin ist es nicht ohne weiteres möglich. Dabei geht es aber entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht um die Frage individueller subjektiver Wertungen. Vielmehr ergeben sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage, ab welcher Zeitersparnis welcher längere Weg zugrunde zu legen wäre und was geschehen soll, wenn die Zeitersparnis auf längere Zeit geringer ausfällt, ohne dass sich Wohnort oder Dienststelle ändern. Die so gefundene Auslegung erscheint daher näher am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiert und praktikabler zu sein. Darüber hinaus bleiben auch rein subjektive Fragen, die sich bei einer pauschalen abstrakten Regelung regelmäßig nicht stellen sollen, außen vor. So die Frage, welche Strecke jemand als stressfreier, angenehmer oder weniger gefährlich erachtet.

Die Klägerin hat demnach einen Erstattungsanspruch nur auf der Basis eines Jahresbetrages von EUR 13.509,00. Auf die Berufung ist das Urteil daher abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan


(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 111 Betriebsänderungen


In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben

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In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Der Betriebsrat kann in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend; im Übrigen bleibt § 80 Abs. 3 unberührt. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten

1.
Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2.
Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3.
Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4.
grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5.
Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

(1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben; § 77 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Das Gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. § 77 Abs. 3 ist auf den Sozialplan nicht anzuwenden.

(2) Kommt ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung oder eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen, der Vorstand kann die Aufgabe auf andere Bedienstete der Bundesagentur für Arbeit übertragen. Erfolgt kein Vermittlungsersuchen oder bleibt der Vermittlungsversuch ergebnislos, so können der Unternehmer oder der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Auf Ersuchen des Vorsitzenden der Einigungsstelle nimmt ein Mitglied des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit oder ein vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit benannter Bediensteter der Bundesagentur für Arbeit an der Verhandlung teil.

(3) Unternehmer und Betriebsrat sollen der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.

(4) Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(5) Die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung nach Absatz 4 sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:

1.
Sie soll beim Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, insbesondere durch Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten, Leistungen vorsehen, die in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung tragen.
2.
Sie hat die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Sie soll Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können und die Weiterbeschäftigung ablehnen; die mögliche Weiterbeschäftigung an einem anderen Ort begründet für sich allein nicht die Unzumutbarkeit.
2a.
Sie soll insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen.
3.
Sie hat bei der Bemessung des Gesamtbetrages der Sozialplanleistungen darauf zu achten, dass der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung der Betriebsänderung verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer von der Beklagten zu zahlenden Fahrtkostenentschädigung.

Die Klägerin, die in der A-Straße in A-Stadt wohnt, ist seit 01.09.1989 als Fernmeldehauptsekretärin bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden 4.067,12 €. Sie ist in Entgeltgruppe 7 eingruppiert.

Die Klägerin wurde aus betrieblichen Gründen mit Wirkung vom 29.06.2015 von ihrer alten Regelarbeitsstelle in W-Stadt, W-Straße, in die neue Regelarbeitsstelle B-Stadt, B-Straße, versetzt.

Für solche betriebliche Maßnahmen schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten und die Beklagte eine Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzeptes VSD-GK (vgl. Bl. 10 f. d.A.). Diese lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 2 Beschreibung der Maßnahme

(2) Für tarifliche Mitarbeiter der Entgeltgruppen 1-10 (unabhängig von ihrer Betriebszugehörigkeit) und Beamte richten sich die Grundleistungen nach Anlage 5 zum TV Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio). Die Höhe der Fahrtkostenzuschüsse und Ausgleiche des zeitlichen Mehraufwands richten sich abweichend nach Anlage 5 dieser Vereinbarung.“

Anlage 5 des TV Ratio trifft unter anderem folgende Regelungen:

㤠4 Erstattungsbetrag zum Ausgleich von Fahrmehrkosten und eines zeitlichen Mehraufwandes

(1) […]

(2) Der Ausgleich der Mehraufwendungen erfolgt auf der Grundlage der Fahrmehrleistungen zwischen Wohnort und neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle und soweit mindestens 6 Entfernungskilometer (einfache Entfernung) zusätzlich zurückzulegen sind. Die Ermittlung der zusätzlich zurückzulegenden Entfernungskilometer erfolgt unter Zugrundelegung der kürzesten mit dem Pkw zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle.

(3) […]

(4) Der Erstattungsbetrag wird nach realisiertem anderweitigem Einsatz (Absatz 14) in einer neuen Regelarbeitsstelle/ständigen Dienststelle in 6 Teilbeträgen halbjährlich im Voraus mit dem Monatsentgelt gezahlt. […]

(5) Der Erstattungsbetrag wird angepasst, sofern sich die nach Absatz 2 zu ermittelnde Entfernung nicht nur vorübergehend verändert (zum Beispiel durch Umzug).“

Anlage 5 zur Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzeptes VSD-GK (vgl. Bl. 12 d.A.) legt unter anderem fest, dass bei einer einfachen Entfernung ab 91 Kilometern eine Fahrtkostenentschädigung in Höhe von 13.509 € und bei einer einfachen Entfernung ab 101 km eine Fahrkostenentschädigung in Höhe von 14.286 € zu bezahlen ist.

Die Entfernung von der Wohnung der Klägerin bis zum Standort in W-Stadt beträgt gemäß dem von der Beklagten verwendeten Routenplaner 43,90 Kilometer. Zum Standort in B-Stadt beträgt die Entfernung von der Wohnung - je nachdem, ob man die Fahrtstrecke über die Bundesstraße B8 oder über die Autobahn A3 wählt - 144,40 Kilometer oder 151,80 Kilometer. Je nachdem, welche Strecke man bei der Berechnung heranzieht, kommt man somit auf eine Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Strecke von 100,50 Kilometern oder 107,90 Kilometern.

Mit Schreiben vom 16.06.2015 (vgl. Bl.13 f. d.A.) beantragte die Klägerin gemäß der oben genannten Gesamtbetriebsvereinbarung die Abgeltung von Mehraufwendungen als Folge ihrer Versetzung. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 23.06.2015 (vgl. Bl. 21 f. d.A.) mit, dass sie von 100,5 zusätzlich zurückzulegenden Kilometern ausgehe, so dass sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 13.509,00 € ergebe.

Die Beklagte verwendet für die Berechnung der Differenz von alter und neuer Strecke einen auf ihre Anforderungen abgestimmten Routenplaner („T-Routenplaner“).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 14.286,00 € habe. Sie trägt vor, dass die kürzeste verkehrsübliche Strecke von ihrer Wohnung nach B-Stadt über die Autobahn A3 führe. Die Strecke sei zwar 7,40 Kilometer länger, aber - auch nach dem eigenen Routenplaner der Beklagten - 32 Minuten schneller. Bei der Begriffsbestimmung müssten neben der Dauer weitere Faktoren wie Spritverbrauch, Fahrverhalten und Umweltfreundlichkeit berücksichtigt werden. Die Strecke über die A3 stelle den normalen, üblichen Weg dar. Jeder Autofahrer würde, noch dazu bei täglichem Hin- und Rückweg, die Strecke über die Autobahn wählen.

Die Klägerin hat zunächst die Zahlung von 777,00 € brutto beantragt. Nach Hinweis der Beklagten, dass noch nicht sämtliche Beträge zur Zahlung fällig seien, hat sie einen Hilfsantrag hinzugefügt, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine Fahrtkostenentschädigung in Höhe von insgesamt 14.286,00 € zu bezahlen. Nach weiteren Hinweisen des Gerichts - insbesondere im Hinblick auf den Eintritt der Bedingung - beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 259,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 129,50 € brutto seit dem 16.06.2015 und aus 129,50 € brutto ab dem 16.12.2015 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Fahrkostenentschädigung der Klägerin gemäß § 9 Absatz 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111,112 BetrVG zum Umsetzung des Standortkonzepts VSD GK zwischen der TDG und dem GBR iVm § 4 der Anlage 5 des TV Ratio iVm Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung auf Basis einer Entfernungskilometeranzahl (einfache Entfernung) „ab 101 km bis 110 km“ (14.286,00 €) zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die kürzeste mit dem Pkw zurückzulegende verkehrsübliche Fahrtstrecke gleichbedeutend mit der „kürzesten Strecke“ gemäß ihrem eigenen Routenplaner sei. Würde man dem Wort „Verkehrsüblichkeit“ eine Bedeutung zumessen, die über für die Benutzung von Pkws zugelassene Straßen hinausginge, müsste man empirische Erhebungen zu unterschiedlichen Tageszeiten, bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen und während bzw. außerhalb der Hauptferienzeiten durchführen. Eine solche individuelle Betrachtung würde der von dem Tarifvertrag verlangten pauschalierten Betrachtung entgegenstehen.

Es sei weiter zu beachten, dass unterschiedliche Routenplaner für die in Streit stehenden Strecken unterschiedliche Fahrzeiten berechneten. Die vom T-Routenplaner berechneten Fahrzeiten könnten deshalb nicht zur Bestimmung der Verkehrsüblichkeit herangezogen werden.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die erste Rate der Fahrtkostenentschädigung der Klägerin am 15.06.2015 und die zweite Rate am 15.12.2015 zu bezahlen war.

Im Hinblick auf das weitere Parteivorbringen wird auf die Sitzungsprotokolle vom 21.10.2015 und 23.02.2016 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG eröffnet.

2. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits gem. § 48 Abs. 1a ArbGG örtlich zuständig, da die Klägerin ihre Arbeit seit 29.06.2015 in der B-Straße in B-Stadt verrichtet.

3. Das für die Feststellungsklage gem. §§ 46 Abs. 2 Satz 1, 495 ZPO, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Ein Feststellungsinteresse liegt vor, wenn dem Recht oder der Rechtslage eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH v. 19.11.2014 - VIII ZR 79/14). Bei der positiven Feststellungsklage ist das Feststellungsinteresse in der Regel gegeben, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernsthaft bestreitet (vgl. BGH v. 07.02.1986 - V ZR 201/84). Dies ist vorliegend der Fall, da die Beklagte von anderen Ausgangsvoraussetzungen zur Berechnung des Erstattungsbetrags ausgeht. Nichts anderes folgt daraus, dass § 258 ZPO bei wiederkehrenden Leistungen eine Klage auf künftige Entrichtung auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen zulässt. Denn eine solche Klage könnte die Klägerin nicht mit Erfolg erheben. Wiederkehrend im Sinne des § 258 ZPO sind Ansprüche, die sich als einheitliche Folgen aus einem Rechtsverhältnis ergeben, so dass die einzelne Leistung in ihrer Entstehung nur noch vom Zeitablauf abhängig ist. Allerdings muss dazu die Leistungspflicht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach Grund und Höhe mit ausreichender Sicherheit feststehen. Dies ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die von der Beklagten zu zahlenden Abschläge gem. Anlage 5 des TV Ratio davon abhängen, dass sich die Entfernung zum Arbeitsort nicht - beispielsweise durch Umzug - verändert. Es kann dahinstehen, ob es der Klägerin möglich und zumutbar wäre, eine Klage auf künftige Leistung der Abschläge gem. § 259 ZPO zu erheben. Denn die Möglichkeit einer solchen Klage steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage und dem dafür nach § 256 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse nicht entgegen (vgl. BGH v. 19.11.2014, aaO).

II.

Die Klage ist begründet.

1. Die Klägerin hat gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen der TDG und dem GBR über den Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111,112 BetrVG zur Umsetzung des Standortkonzepts VSD GK in Verbindung mit Anlage 5 zum TV Ratio in Verbindung mit Anlage 5 zur genannten Gesamtbetriebsvereinbarung für die Vergangenheit einen Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Fahrtkostenentschädigung in Höhe von 259 € brutto.

a) Die Fahrtkostenentschädigung der Klägerin muss auf Basis einer einfachen Mehrstrecke von 107,90 Kilometern berechnet werden, so dass die Beklagte der Klägerin eine Fahrtkostenentschädigung von insgesamt 14.286,00 € schuldet.

aa) Die Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen für den Bezug einer Fahrtkostenerstattung. Sie wurde von ihrer alten Regelarbeitsstelle in W-Stadt in die neue Regelarbeitsstelle nach B-Stadt versetzt und muss nun angesichts ihres Wohnsitzes in A-Stadt einen deutlich weiteren Arbeitsweg zurücklegen. Da sie in Entgeltgruppe 7 eingruppiert ist, gehört sie gemäß § 9 Abs. 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung zu den Mitarbeitern, die Fahrtkostenerstattung nach den Vorgaben der Anlage 5 zum TV Ratio sowie - was die Höhe anbelangt - nach Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung erhalten.

bb) Nach Auffassung der Kammer ist bei dem Vergleich der Wegstrecken, der gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 5 des TV Ratio vorzunehmen ist, nicht auf die Route über die Bundesstraße B8, sondern auf die Route über die Autobahn A3 abzustellen.

(1) Ausgangspunkt ist die Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 5 zum TV Ratio. Demnach richtet sich die Ermittlung der zusätzlich zurückzulegenden Entfernungskilometer nach der kürzesten mit dem Pkw zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle/ständiger Dienststelle. Eine Definition, was unter der „kürzesten verkehrsüblichen Strecke“ zu verstehen ist, findet sich weder in Anlage 5 zum TV Ratio noch in der oben genannten Gesamtbetriebsvereinbarung. Dementsprechend muss von Amts wegen eine Auslegung der tarifvertraglichen Vorschrift vorgenommen werden.

(2) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Führen diese Grundsätze nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, ist letztlich der Auslegung der Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird (vgl. BAG v. 22.04.2010 - 6 AZR 962/08).

(3) Vorliegend ist der Wortlaut der getroffenen Regelung nicht eindeutig, da die Bedeutung des Wortes „verkehrsüblich“ offen ist. Dies kann zum einen einfach nur bedeuten, dass es sich um eine öffentliche Straße handeln muss, die für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen geeignet und zulässigerweise zu befahren ist (so die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Zusammenhang mit der Gewährung von Fahrtkostenerstattung nach Art. 12 Abs. 2 BayUKG; vgl. bspw. BayVGH v. 14.07.2011 - 14 B 09.2349; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz v. 13.09.2012 - 10 Sa 128/12). Es kann zum anderen aber auch ausdrücken, dass es sich um die Wegstrecke handeln muss, die ein verständiger Autofahrer in der Situation des Betroffenen wählen würde (vgl. LAG Nürnberg v. 14.04.2015 - 7 Sa 432/14; so auch VG Würzburg v. 04.04.2008 - W 1 K 07.1383). Hinweise zur gewollten Auslegung durch die Tarifvertragsparteien finden sich im Tarifvertrag nicht.

(a) Nach Auffassung der Kammer ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Verwendung des Wortes „verkehrsüblich“ nicht nur etwas Selbstverständliches festhalten wollten, sondern tatsächlich ein zusätzliches Kriterium für die Festlegung der maßgeblichen Strecke aufstellen wollten.

Dass es sich bei der gewählten Straße um eine geeignete und zulässigerweise befahrene Straße handeln muss, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, die Tarifvertragsparteien hätten auch nur in Erwägung gezogen, die betroffenen Mitarbeiter könnten sich auf anderen Straßen bewegen. Insbesondere gibt es keine Veranlassung, anzunehmen, die Tarifvertragsparteien hätten Selbstverständlichkeiten regeln wollen.

Hätte die Tarifvertragsparteien andererseits gewollt, dass es ausschließlich auf die kürzeste Entfernung ankommen soll, wäre das Wort „verkehrsüblich“ überflüssig gewesen. Der Begriff der „Verkehrsüblichkeit“ muss vielmehr eine eigene, über die Länge der benutzten Strecke hinausgehende Bedeutung haben. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass eine Wegstrecke dann verkehrsüblich ist, wenn sie von einem verständigen Autofahrer in der Situation des Betroffenen gewählt wird. Auch ein durchschnittlicher Leser wird die tarifvertragliche Regelung typischerweise so verstehen.

(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es bei einem solchen Verständnis der Vorschrift nicht erforderlich, empirische Erhebungen zu unterschiedlichen Tageszeiten, bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen, und während bzw. außerhalb der Ferienzeiten durchzuführen. Bei der Feststellung der „verkehrsüblichen“ Strecke geht es nicht darum, welche Strecke zum konkreten Zeitpunkt am schnellsten befahren werden kann, sondern darum, welche Strecke ein verständiger Fahrer - abstrakt - für seine Fahrten wählen würde. Bei dieser Entscheidung spielen nicht nur die Länge der Strecke und die Fahrdauer eine Rolle, sondern insbesondere auch die Sicherheit und das Fahrverhalten.

(4) Vorliegend würde ein verständiger Autofahrer ohne jeden Zweifel die Strecke über die A3 wählen. Die Strecke ist zwar 7,4 Kilometer länger als die alternative Strecke über die B8, die Fahrzeit ist hingegen - unabhängig davon, welchen Routenplaner man heranzieht - deutlich kürzer. Zudem ist zu beachten, dass die Strecke über die Autobahn als wesentlich sicherer anzusehen ist - auf Autobahnen ereignen sich erheblich weniger Unfälle als auf Bundesstraßen. Schließlich ist die Fahrt auf einer Autobahn für den Autofahrer auch angenehmer und stressfreier.

b) Gem. § 4 Abs. 4 der Anlage 5 des TV Ratio iVm Anlage 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung erfolgt die Zahlung der Fahrtkostenerstattung in sechs Teilbeträgen jeweils halbjährlich im Voraus zusammen mit dem Monatsentgelt. Da die Versetzung mit Wirkung zum 29.06.2015 durchgeführt wurde, waren bislang zwei Teilbeträge - für das zweite Halbjahr 2015 und für das erste Halbjahr 2016 - zur Zahlung fällig. Vor dem Hintergrund, dass die Beklagte von einem Anspruch auf Fahrtkostenerstattung in Höhe von insgesamt 13.509 € brutto ausging, während die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Zahlung von 14.286,00 € brutto hat, ergibt sich eine Differenz von insgesamt 777,00 € brutto, von der 2/6 bislang zu bezahlen waren.

c) Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass die erste Rate der Fahrtkostenentschädigung am 15.06.2016 und die zweite Rate am 15.12.2015 fällig waren. Vor diesem Hintergrund ergibt sich der Anspruch auf Zinszahlung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 129,50 € seit 16.06.2015 bzw. seit 16.12.2015 aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 BGB in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB.

2. Auch der Feststellungsantrag ist begründet. Wie bereits oben dargelegt, hat die Klägerin einen Anspruch auf Berechnung der neuen Fahrtstrecke unter Zugrundelegung der Strecke über die Autobahn A3. Dementsprechend liegt die Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Strecke bei 107,90 Kilometern und somit über den in der Gesamtbetriebsvereinbarung genannten 101 Kilometern.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO und begründet sich damit, dass die Klägerin zwar mit ihren zuletzt gestellten Anträgen obsiegt hat, der zunächst angekündigte Antrag aber mangels Fälligkeit sämtlicher Raten teilweise unbegründet war. Vor diesem Hintergrund war im Hinblick auf die Kosten eine anteilige Quotelung vorzunehmen.

2. Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 3 ff. ZPO auf insgesamt 777,00 € festzusetzen. Dies ist der Betrag, der zwischen den Parteien insgesamt im Streit steht. Ein Abschlag für den Feststellungsantrag war nach Auffassung der Kammer nicht vorzunehmen.

3. Die Berufung war gem. § 64 Abs. 3 Nr. 2b) ArbGG gesondert zuzulassen, da es entscheidungserheblich um die Auslegung eines Tarifvertrages geht, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14. April 2015 - 7 Sa 432/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Fahrtkostenerstattung im Zusammenhang mit der Verlegung einer Dienststelle.

2

Der Beklagte beschäftigt die Klägerin im Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz. Bis zum 31. Mai 2013 befand sich die Dienststelle in Regensburg. Die Klägerin, die ihren Wohnsitz in Amberg hat, unterhielt bis zum 31. Mai 2013 eine Zweitwohnung in Regensburg, von der aus sie zum Dienst fuhr. Die Entfernung von der Zweitwohnung bis zur Dienststelle in Regensburg betrug 4 km, die Entfernung von Amberg nach Regensburg beträgt 66 km.

3

Mit Wirkung zum 1. Juni 2013 verlegte der Beklagte das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz von Regensburg nach Tirschenreuth. Die Klägerin fährt seitdem von ihrem Wohnsitz in Amberg nach Tirschenreuth. Die kürzeste Strecke zwischen ihrem Wohnsitz und Tirschenreuth beträgt 71 km, die Strecke über das Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald 82 km.

4

Der Beklagte zahlte an die Klägerin, die auf eine Zusage der Umzugskostenvergütung verzichtete, eine Fahrtkostenerstattung nach den Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die Umzugskostenvergütung der Beamten und Richter (BayUKG). Auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 5 km (Differenz zwischen der Strecke Amberg - Regensburg [66 km] und der kürzesten Strecke Amberg - Tirschenreuth [71 km]) erstattete der Beklagte der Klägerin für den Monat Juni 2013 Fahrtkosten iHv. 33,00 Euro, für den Monat Juli 2013 iHv. 45,00 Euro und für den Monat August 2013 iHv. 27,00 Euro.

5

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, die Fahrtkostenerstattung auf der Grundlage einer Mehrstrecke von 82 km zu berechnen. Diese ergebe sich aus der Strecke von ihrer bisherigen Zweitwohnung in Regensburg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg im Vergleich zu der Strecke von ihrer Wohnung in Amberg zu der neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.617,00 Euro zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. September 2013 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ab September 2013 den Erstattungsbetrag für den Auslagenersatz nach Art. 12 Abs. 2 BayUKG auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke von 82 km abzurechnen und auszuzahlen.

7

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, bei der Berechnung der Fahrtkostenerstattung sei allein auf den aktuellen Wohnsitz der Klägerin in Amberg abzustellen. Die Mehrstrecke sei deshalb durch einen Vergleich zwischen der Strecke von Amberg nach Regensburg und der Strecke von Amberg nach Tirschenreuth zu ermitteln.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Monate Juni bis August 2013 weitere Fahrtkosten iHv. 231,00 Euro zu erstatten. Ferner hat es festgestellt, der Beklagte sei verpflichtet, den Erstattungsbetrag ab September 2013 auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke von 16 km zu bestimmen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin begehrt in der Revisionsinstanz von dem Beklagten die Zahlung eines weiteren Betrags iHv. 1.302,00 Euro und verfolgt im Übrigen den Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter, dass die tägliche einfache Mehrstrecke 78 km beträgt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Fahrtkosten über den vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrag hinaus zu erstatten. Die Berechnung der Fahrtkostenerstattung hat auf der Grundlage einer täglichen einfachen Mehrstrecke, die nicht mehr als 16 km beträgt, zu erfolgen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg und der Wegstrecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

10

I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG kein Anspruch auf zusätzliche Fahrtkostenerstattung zu.

11

1. Ändert sich der Dienstort infolge der Verlegung der bisherigen Dienststelle, ist unter den weiteren in Art. 12 Abs. 1 BayUKG genannten Voraussetzungen von der Zusage einer Umzugskostenvergütung iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BayUKG abzusehen. Stattdessen erhält der Berechtigte nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG für die durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zur neuen Dienststelle Fahrtkostenerstattung, soweit die Wegstrecke zur bisherigen Dienststelle überschritten wird, höchstens jedoch für eine Wegstrecke von 100 km. Gemäß § 23 Abs. 4 TV-L finden diese Vorschriften auch auf Tarifbeschäftigte wie die Klägerin entsprechende Anwendung.

12

2. Die Voraussetzungen, unter denen ein Beschäftigter nach § 23 Abs. 4 TV-L iVm. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung hat, liegen im Streitfall vor. Der Beklagte hat die Dienststelle, in der er die Klägerin einsetzt, mit Wirkung zum 1. Juni 2013 von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt. Die Klägerin verzichtete zugunsten einer Fahrtkostenerstattung auf die Zusage einer Umzugskostenvergütung.

13

3. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung der nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG maßgeblichen Mehrstrecke nicht auf die Wohnung der Klägerin in Regensburg, die sie mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, sondern auf die Wohnung in Amberg abzustellen ist.

14

a) Bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach richtet sich die Höhe der Fahrtkostenerstattung nach den aktuellen Wohnverhältnissen des Berechtigten. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG spricht von „Fahrten von ihrer Wohnung zur neuen Dienststelle“. Abzustellen ist danach allein auf die aktuelle, nicht aber auf die ehemalige Wohnung des Berechtigten.

15

b) Auch der systematische Zusammenhang, in den Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG eingebettet ist, stützt das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist. Die amtliche Überschrift der Vorschrift lautet „Gewährung eines Auslagenersatzes“. Auslagen bezeichnen einen „Geldbetrag, den jemand ausgelegt hat“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.), also insbesondere Auslagen (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Aufwendungen entstehen lediglich, wenn tatsächlich ein Geldbetrag aufgewandt wird, nicht aber, wenn er hypothetisch aufgewandt worden wäre.

16

c) Schließlich erfordern es Sinn und Zweck des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG, die Fahrtkostenerstattung von der Wohnung aus zu berechnen, von der aus der Berechtigte seine Fahrt, deren Kosten er erstattet verlangt, tatsächlich antritt.

17

aa) Mangels abweichender Vereinbarungen hat der Beschäftigte Aufwendungen, die durch die Fahrt von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück zu seiner Wohnung entstehen, selbst zu tragen (vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 518/10 - Rn. 12). Er kann sie als Werbungskosten steuermindernd geltend machen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG). Die Entscheidung, wo er seinen Wohnsitz nimmt, ob er mehrere Wohnsitze unterhält und mit welchem Verkehrsmittel er die Wegstrecken zurücklegt, ist Sache des Beschäftigten.

18

bb) Einen Ausnahmefall regelt Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG. Die Vorschrift bezweckt einen finanziellen Ausgleich für die Mehrkosten, die dem Berechtigten dadurch entstehen, dass er von seiner Wohnung aus nicht mehr zur alten, sondern zur neuen Dienststelle zu fahren hat. Dieser Regelungszweck kennzeichnet zugleich die Grenze des Erstattungsanspruchs. Das Anliegen des Gesetzgebers bei Schaffung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 BayUKG bestand nicht darin, den Beschäftigten besserzustellen, als er stände, wenn die Dienststelle nicht verlegt worden wäre(vgl. zu § 3 Abs. 1 BRKG BAG 19. Februar 2004 - 6 AZR 111/03 - Rn. 27).

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4. Im Streitfall ist die einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auslösende Mehrstrecke demnach durch einen Vergleich zwischen der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth zurücklegt, und der Strecke, die die Klägerin von ihrem Wohnsitz in Amberg zur bisherigen Dienststelle in Regensburg zurückzulegen hätte, zu ermitteln. Die Zweitwohnung in Regensburg, die die Klägerin mit Wirkung zum 31. Mai 2013 aufgegeben hat, bleibt für die Berechnung des Erstattungsanspruchs außer Betracht. Denn die Klägerin legt die Strecke zur neuen Dienststelle nicht von Regensburg, sondern von Amberg aus zurück. Wäre das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz nicht von Regensburg nach Tirschenreuth verlegt worden, hätte die Klägerin die Dienststelle in Regenburg ab dem 1. Juni 2013 von ihrem Wohnsitz in Amberg aufsuchen müssen. Diese Strecke ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts 16 km kürzer als die Strecke von der Wohnung der Klägerin in Amberg zur neuen Dienststelle in Tirschenreuth.

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II. Der Klageantrag zu 2., der dahin gehend auszulegen ist, dass die Klägerin für die Berechnung des Erstattungsanspruchs zuletzt die Feststellung einer 16 km übersteigenden Mehrstrecke begehrt, ist ebenfalls unbegründet. Die auf der Verlegung der Dienststelle beruhende Mehrstrecke beträgt nach dem oben Gesagten höchstens 16 km, nicht aber 78 km.

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III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    H. Anthonisen    

        

    Neumann-Redlin    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.