Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Okt. 2017 - 5 Sa 256/16

bei uns veröffentlicht am17.10.2017

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 30.11.2016 - 3 Ca 276/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftlichen Angestellten weiter zu beschäftigen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrages.

2

Der 1969 geborene Kläger war im Anschluss an sein Studium zum Diplom-Physiker drei Jahre lang, d. h. von September 1995 bis August 1998, bei dem Beklagten als Doktorand in B. beschäftigt. Nach einer Unterbrechung von einem Jahr stellte ihn der Beklagte erneut ein und beschäftigte ihn rund viereinhalb Jahre bis zum Februar 2004 als wissenschaftlichen Mitarbeiter in B-Stadt bzw. in G..

3

Nachdem der Kläger etwa zehn Jahre bei anderen Arbeitgebern tätig war, schlossen die Parteien am 03.07./14.07.2014 einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren für den Zeitraum 21.07.2014 bis zum 20.07.2016 über eine Vollzeitbeschäftigung am Teilinstitut B-Stadt. Der Beklagte entschied sich für eine sachgrundlose Befristung, da die maximale Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 12 Jahren aufgrund der anzurechnenden Beschäftigungszeiten von insgesamt 11 Jahren in etwa ausgeschöpft war. Gemäß Arbeitsvertrag richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie weiteren näher bezeichneten Tarifverträgen. Die Vergütung ergibt sich aus der Entgeltgruppe 14 TVöD. Der Kläger übernahm den Arbeitsplatz eines altersbedingt ausgeschiedenen Arbeitnehmers.

4

Mit Schriftsatz vom 21.07.2016, beim Arbeitsgericht eingegangen am 25.07.2016, hat der Kläger die Befristung gerichtlich angegriffen.

5

Der Beklagte schrieb die bislang vom Kläger besetzte Stelle unter dem 02.09.2016 erneut aus. Der Beklagte hatte dem Kläger zuvor eine befristete Weiterbeschäftigung für ein weiteres Jahr angeboten, das Angebot aber zurückgezogen, nachdem der Kläger seine Annahme unter den Vorbehalt eines nicht bereits unbefristet entstandenen Arbeitsverhältnisses gestellt hatte.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Befristung sei unwirksam, weil er die Arbeit in Kenntnis des Beklagten schon vor dem offiziellen Arbeitsbeginn aufgenommen, nämlich bereits ab dem 07.07.2014 gearbeitet habe. Insbesondere habe er Langmuir-Sonden geprüft. Am 08.07.2014 sei sein früherer Systemzugang reaktiviert worden. Am 09. und 10.07.2014 habe er wiederum Sonden im Diagnostikbereich geprüft. Er habe in den darauffolgenden Tagen an verschiedenen Besprechungen teilgenommen sowie Schaltschrankkomponenten getestet. Der Bereichsleiter, Herr Prof. Dr. S. P., habe von den Tätigkeiten gewusst und die Arbeitsergebnisse verwertet. Dessen Stellvertreter, Herr Dr. K., sei ebenfalls vollständig informiert gewesen. Auch Prof. Dr. K., der Mitglied des Direktoriums sei, habe den Kläger vor Vertragsbeginn mehrfach im Institut angetroffen und mit ihm über seine Tätigkeit gesprochen, ohne einen Widerspruch hiergegen zu erheben. Den Arbeitsvertrag und das dazugehörige Anschreiben habe der Kläger erst am 14.07.2014 erhalten und sogleich unterzeichnet.

7

Darüber hinaus sei die sachgrundlose Befristung unzulässig, weil mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Soweit das Bundesarbeitsgericht entgegen seiner früheren Rechtsprechung das Vorbeschäftigungsverbot nunmehr auf drei Jahre begrenzt habe, sei das weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem gesetzgeberischen Willen vereinbar. Der Gesetzgeber habe eine solche Grenze trotz entsprechender Anregungen gerade nicht eingeführt. Ein evtl. Vertrauen der Beklagten in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht schutzwürdig, da die Rechtsprechungsänderung im arbeitsrechtlichen Schrifttum nachhaltig und massiv kritisiert worden sei, sodass sie nicht als gesichert habe angesehen werden können.

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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt

9

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 03.07./14.07.2014 vereinbarten Befristungsabrede mit Ablauf des 20.07.2016 geendet hat.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Der Kläger habe nicht vor dem vereinbarten Vertragsbeginn gearbeitet. Mit dem Anschreiben vom 03.07.2014 zum Arbeitsvertrag habe der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Arbeitsvertrages unter dem Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses stehe. Nachdem der Beklagte erfahren habe, dass sich der Kläger bereits im Institut aufhalte, habe er mehrfach erklärt, keine Arbeitsleistung vor dem Vertragsbeginn anzunehmen. So habe Herr Prof. Dr. S. P. den Kläger am 08.07.2014 in der Cafeteria angetroffen und ihn darauf hingewiesen, dass er evtl. Tätigkeiten vor Vertragsbeginn umgehend einstellen müsse. Es habe überhaupt keine Eile bei der Einarbeitung des Klägers bestanden, da der Vorgänger einen so genannten Rentnervertrag erhalten sollte. Der Kläger habe gegenüber Herrn Prof. Dr. S. P. versichert nicht vorzuhaben, sich auf eine unbefristete Stelle einklagen zu wollen. Im Anschluss daran sei der Kläger in der Personalabteilung erschienen, woraufhin die Leiterin der Personalstelle in B-Stadt, Frau C., ihm nochmals ein Tätigwerden vor dem vereinbarten Vertragsbeginn untersagt habe. Abgesehen davon seien weder Herr Prof. Dr. S. P. noch sein Vertreter Herr Dr. K. berechtigt, Arbeitsverträge abzuschließen oder zu kündigen; hierüber entscheide allein das Direktorium des Beklagten. Der Beklagte müsse sich das Wissen des Bereichsleiters und seines Stellvertreters nicht zurechnen lassen. Es gelte dasselbe wie im Fall einer Weiterarbeit über das vereinbarte Befristungsende hinaus (vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG).

11

Die erneute Einstellung des Klägers verstoße nicht gegen das Vorbeschäftigungsverbot, da der letzte Arbeitsvertrag deutlich länger als drei Jahre zurückliege. Der Beklagte betreibe etwa 80 Wissenschafts- und Forschungsinstitute, die bei aufstrebenden Wissenschaftlern sehr beliebt seien. Ein absolutes, zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot würde eine spätere Rückkehr von Mitarbeitern praktisch unmöglich machen. Der Beklagte habe auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertrauen dürfen, erst recht, weil das letzte Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zehn Jahre zurückgelegen habe.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam sei, weil der Kläger bereits zuvor bei dem Beklagten beschäftigt gewesen sei. Der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht zu folgen. Nach dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte sei eine zeitliche Begrenzung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht hat sich den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 11.06.2016 - 3 Sa 8/16 - angeschlossen und auf diese verwiesen.

13

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Berufung. Er bezieht sich ausdrücklich auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot. Die abweichenden Auffassungen des Arbeitsgerichts Stralsund und verschiedener Landesarbeitsgerichte seien unzutreffend. Der Gesetzgeber habe Befristungsketten verhindern wollen. Bei einer lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigung könne davon aber nicht die Rede sein, erst recht nicht bei einer zeitlichen Unterbrechung von zehn Jahren wie im Falle des Klägers. Der Gesetzeswortlaut lasse eine solche Auslegung zu. "Zuvor" heiße eben nicht "jemals zuvor". Ein anderes Verständnis der Vorschrift führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Einstellungshindernis und damit zu einer Einschränkung der Berufsfreiheit. Der Kläger hätte bei dem Beklagten gar nicht mehr die Chance, über eine sachgrundlos befristete Beschäftigung später doch noch in ein Dauerarbeitsverhältnis zu gelangen. Davon abgesehen habe der Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertrauen dürfen, da ihr die Instanzgerichte und die Fachliteratur überwiegend gefolgt seien.

14

Das Arbeitsverhältnis habe nicht vor dem vereinbarten Vertragszeitpunkt begonnen. Der Kläger habe einen vom Wissen und Wollen des Beklagten getragenen früheren Dienstantritt nicht substantiiert dargelegt. Herr Prof. Dr. K. habe zum Kläger keine fachlichen oder persönlichen Berührungspunkte und deshalb naturgemäß keinerlei Kenntnis von seiner angeblichen Tätigkeit vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages gehabt.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 30.11.2016 - 3 Ca 276/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

18

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und

19

den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftlichen Angestellten weiter zu beschäftigen.

20

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und verweist auf die erstinstanzlich vorgebrachte Argumentation, insbesondere den Gesetzeswortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die spätere Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts sei nicht nachvollziehbar. Diese Form der richterlichen Rechtsfortbildung verletze die verfassungsrechtlichen Grenzen.

21

Der Beklagte beantragt, den weitergehenden Klageantrag abzuweisen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts zur zeitlichen Reichweite des Vorbeschäftigungsverbots an.

24

Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 03.07./14.07.2014 ist rechtsunwirksam; der befristete Arbeitsvertrag gilt gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die sachgrundlose Befristung ist unzulässig, da der Kläger bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten gestanden hat.

25

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG); eine Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist hingegen nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).

26

Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zeitlich nicht begrenzt (BAG, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 - Rn. 2, juris = ZTR 2009, 544; BAG, Urteil vom 13. Mai 2004 - 2 AZR 426/03 - Rn. 28, juris = EzBAT SR 2y BAT Teilzeit- und Befristungsgesetz Nr. 10; BAG, Urteil vom 06. November 2003 - 2 AZR 690/02 - Rn. 19 ff., juris = NZA 2005, 218; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Juli 2017 - 4 Sa 221/16 - Rn. 15, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 20. Juli 2017 - 6 Sa 1125/16 - Rn. 32, juris, Revision eingelegt; LAG Hessen, Urteil vom 11. Juli 2017 - 8 Sa 1578/16 - Rn. 29, juris, Revision eingelegt; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. Mai 2017 - 6 Sa 405/15 - Rn. 30, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 23. Mai 2017 - 9 Sa 1154/16 - Rn. 24, juris, Revision eingelegt; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. August 2016 - 3 Sa 8/16 - Rn. 40, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 16. Februar 2016 - 9 Sa 376/15 - Rn. 22, juris, Revision eingelegt; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 - Rn. 23, juris, Revision eingelegt; anderer Ansicht: BAG, Urteil vom 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 23, juris = NZA 2012, 255; BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 13, juris = NZA 2011, 905; LAG Hamm, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 11 Sa 735/16 - Rn. 59, juris; LAG Köln, Urteil vom 28. April 2016 - 8 Sa 1015/15 - Rn. 14, juris; LAG Sachsen, Urteil vom 24. März 2015 - 1 Sa 639/14 - Rn. 23, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2014 - 1 Sa 490/13 - Rn. 20, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. August 2012 - 2 Sa 239/12 - Rn. 38, juris, Revision eingelegt).

27

Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 - Rn. 66, juris = NJW 2013, 1058; BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 20 = NZA 2017, 378).

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Wortlaut enthält keine zeitliche Begrenzung. Ebenso wenig unterscheidet der Wortlaut nach dem Inhalt, der Wochenstundenzahl oder der Dauer des vorherigen Arbeitsverhältnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Tätigkeit in dem früheren Arbeitsverhältnis auszuüben war, ob es sich um eine Teilzeit- oder eine Vollzeitbeschäftigung handelte und ob das Arbeitsverhältnis mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte oder nur einige Monate bestanden hat. Es genügt, dass es bereits ein Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitgeber gab. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es ebenso unerheblich, wie lange das frühere Arbeitsverhältnis zurückliegt. Der Begriff "zuvor" erfasst sprachlich alles, was zeitlich vorher gewesen ist. "Zuvor" bedeutet: "zeitlich vorhergehend", "davor", "vorher" (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010). Um den davor liegenden Zeitraum zu beschränken, ist ein entsprechender Zusatz erforderlich, der die Zeitspanne begrenzt. Ein solcher Zusatz fehlt im Gesetzestext. Der Begriff "zuvor" bedarf, um die zeitliche Reichweite klarzustellen, keiner Verstärkung, beispielsweise durch Zusätze wie "jemals" oder "irgendwann".

29

Die Gesetzesgeschichte des TzBfG spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen, was auch das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit seiner Rechtsprechungsänderung einräumt (BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, juris = NZA 2011, 905). § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht modifiziert. Entsprechenden Anregungen im Gesetzgebungsverfahren ist er nicht nachgegangen. So hatte der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht u. a. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag des angehörten Sachverständigen Preis wiedergegeben, nach welchem das legitime Ziel, Kettenbefristungen zu verhindern, auch mit einer Zwei-Jahres-Karenzregelung verhindert werden könne (BT-Drucks. 14/4625 S. 18).

30

Sinn und Zweck der Regelung gebieten es nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht, den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in zeitlicher Hinsicht einzuschränken.

31

Die §§ 14 ff. TzBfG beruhen auf der Richtlinie 1999/70/EG. Die gesetzlichen Vorschriften sollen befristet beschäftigte Arbeitnehmer vor Diskriminierung schützen, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung verbessern. Erleichterte Befristungsmöglichkeiten wollte der Gesetzgeber allerdings im Interesse der Flexibilität der Beschäftigung und als Brücke zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen weiterhin erhalten (BT-Drucks. 14/4374 S. 1). Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf grundsätzlich eines sachlich rechtfertigenden Grundes. Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die Befristung nur bei einer Neueinstellung zulässig (BT-Drucks. 14/4374 S. 2). Normalfall der Beschäftigung soll weiterhin das unbefristete Arbeitsverhältnis sein (BT-Drucks. 14/4374 S. 12).

32

Die befristete Beschäftigung ist für viele Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Insbesondere Jugendlichen nach der Ausbildung erleichtern befristete Arbeitsverträge den Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine spätere dauerhafte Beschäftigung (BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages soll künftig nur noch bei einer Neueinstellung zulässig sein, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen (BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig (BT-Drucks. 14/4374 S. 14).

33

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich unbefristet sein. Wenn es schon befristet ist, dann grundsätzlich mit sachlichem Grund. Die sachgrundlose Befristung ist demgegenüber der Ausnahmefall. Damit der sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag seiner Funktion, eine Brücke zur Dauerbeschäftigung zu bilden, gerecht werden kann, muss sich der Arbeitgeber nach der erstmaligen Beschäftigung entscheiden. Entweder übernimmt er den befristet eingestellten Mitarbeiter in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis oder aber er gibt einem anderen, neu eingestellten Mitarbeiter die Chance, aus einer zunächst befristeten in eine unbefristete Beschäftigung zu gelangen. Diesem Zweck widerspricht es, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Arbeitnehmer nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums nochmals sachgrundlos befristet einstellen kann.

34

Zwar sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen trotz einer Vorbeschäftigung ein späterer sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag eine Brücke zur Dauerbeschäftigung darstellen kann und damit letztlich dem Ziel des Gesetzes entspricht. Das mag beispielsweise für eine viele Jahre zurückliegende geringfügige Beschäftigung mit einer ganz anderen Arbeitsaufgabe gelten (vgl. Sachverhalt der Entscheidung BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, juris = NZA 2011, 905). Ebenso gibt es aber auch den umgekehrten Fall, in dem der Arbeitgeber letztlich nicht daran interessiert ist, einen Mitarbeiter für eine Dauerbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz zu gewinnen, sondern ein höchstmögliches Maß an Flexibilität anstrebt. Der Gesetzgeber hat im Interesse der sachgrundlos befristet Beschäftigten und aus arbeitsmarktpolitischen Gründen bewusst auf eine Differenzierung nach der Art des vorherigen Arbeitsverhältnisses, dessen Dauer, der Dauer der Unterbrechung usw. verzichtet. Die Regelung ist bewusst eng gefasst, um einerseits Klarheit für die Rechtsanwender zu schaffen und andererseits mit Nachdruck auf eine Dauerbeschäftigung hinzuwirken. Das entspricht ihrem Charakter als Ausnahmeregelung zum Normalfall der unbefristeten Beschäftigung.

35

Die Regelung stellt kein Einstellungshemmnis, sondern ein - gewolltes - Befristungshemmnis dar. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, den sachgrundlos befristet Beschäftigten nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen und stattdessen jemand anderes neu einzustellen, bewegt er sich noch im Rahmen des Gesetzeszwecks. Die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung orientiert sich nicht nur an den Interessen des Beschäftigten, der ohnehin eher ein unbefristetes als ein befristetes Arbeitsverhältnis anstrebt, sondern auch an arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten. Wenn schon der Arbeitgeber den bisherigen Mitarbeiter nicht unbefristet weiterbeschäftigen möchte, so soll er wenigstens einem anderen, insbesondere arbeitslosen, Arbeitnehmer die Möglichkeit auf eine Beschäftigung geben. Die Chancen auf eine unbefristete Beschäftigung sind ohnehin gering, wenn dem Arbeitgeber vorrangig an Flexibilität gelegen ist und er bereit ist, das Personal regelmäßig auszutauschen. Die befristete Beschäftigung ohne Sachgrund wird dann nur ausnahmsweise eine Brücke zu einer Dauerbeschäftigung sein. Sinn und Zweck der Regelung ist es nicht, dem Arbeitgeber immer wieder eine befristete Beschäftigung zu ermöglichen. Unabhängig davon bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, ein Arbeitsverhältnis mit Sachgrund zu befristen (§ 14 Abs. 1 TzBfG).

36

Soweit bei Arbeitgebern mit vielen Beschäftigten und zahlreichen Betrieben oder Dienststellen die Gefahr besteht, dass eine lange zurückliegende Vorbeschäftigung in Vergessenheit geraten ist, obliegt es dem Arbeitgeber, sich bei Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages hierüber Gewissheit zu verschaffen. Ein Bedürfnis für eine zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots lässt sich daraus nicht herleiten.

37

Das Berufungsgericht ist nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an die (geänderte) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebunden. Zwar hat der Beklagte die Befristungsabrede vom 03.07./14.07.2014 vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - und vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - abgeschlossen. Er konnte jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte diese Rechtsprechungsänderung nachvollziehen werden. Für das Vertrauen in die geänderte Rechtsprechung gilt nichts anderes als für das Vertrauen in die vorherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

38

Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 - 1 BvR 1667/15 - Rn. 12, juris = ZIP 2015, 2371; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, juris = NJW 2009, 1469). Kein Prozessbeteiligter kann darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten oder ihr folgen. Soweit durch eine gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 - 1 BvR 1667/15 - Rn. 12, juris = ZIP 2015, 2371; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, juris = NJW 2009, 1469).

39

Der Beklagte konnte die geänderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots auf drei Jahre bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht als gefestigt betrachten. Zwar waren ihr bereits einige Landesarbeitsgerichte gefolgt, andere Landesarbeitsgerichte hatten sich ihr jedoch ausdrücklich entgegengestellt. In der Fachliteratur ist die Rechtsprechungsänderung auf ein sehr geteiltes Echo gestoßen. Es gab weder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger eine langjährige und gesicherte Rechtsprechung noch gibt es diese zum jetzigen Zeitpunkt. Es liegen keine Umstände vor, die ein Vertrauen des Beklagten hätte begründen können.

40

Der Kläger war vor Abschluss des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages bei dem Beklagten bereits mehrfach und mehrere Jahre als Arbeitnehmer beschäftigt. Eine sachgrundlose Befristung schied damit aus. Sie diente auch nicht dazu, eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung zu bilden, sondern erschien als Variante, den Kläger trotz der im Wesentlichen ausgeschöpften Befristungsmöglichkeiten nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz nochmals zumindest zwei Jahre lang wiederum befristet beschäftigen zu können. Derartige Befristungsketten, ob mit oder ohne Unterbrechungen, wollte der Gesetzgeber durch eine strikte Regelung zur sachgrundlosen Befristung gerade verhindern. Das gilt auch für große und bedeutende Arbeitgeber der jeweiligen Branche. Es besteht kein Anlass, diese zu privilegieren.

41

Der Kläger hat einen Anspruch auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung, weil die Befristung seines Arbeitsvertrages unwirksam ist. Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zum Weiterbeschäftigungsanspruch bei unwirksamen Kündigungen gelten auch für die Entfristungsklage (BAG, Urteil vom 15. März 1989 - 7 AZR 264/88 - Rn. 59, juris = ZTR 1989, 446; BAG, Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - Rn. 75, juris = NZA 1986, 562).

42

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 24. Jan. 2014 - 1 Sa 490/13

bei uns veröffentlicht am 24.01.2014

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.08.2013, AZ: 4 Ca 582/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nic

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Sept. 2011 - 7 AZR 375/10

bei uns veröffentlicht am 21.09.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2009 - 8 Sa 1783/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 06. Apr. 2011 - 7 AZR 716/09

bei uns veröffentlicht am 06.04.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. September 2009 - 7 Sa 13/09 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit.

(2) Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.

(3) Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

(4) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

(5) Ist das Arbeitsverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.

(6) Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitteilt.

Ist die Befristung rechtsunwirksam, so gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen; er kann vom Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, sofern nicht nach § 15 Absatz 4 die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.06.2016 – 1 Ca 358 b/16 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 01.10.2014 / 03.06.2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30.06.2016 geendet hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Verfahren).

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristungsabrede zum 30. Juni 2016.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 als vollbeschäftigte Angestellte tätig.

3

Unter dem 01. Oktober 2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag für eine Vollzeitbeschäftigung, und zwar beginnend ab 15. Oktober 2014 bis zum 30. Juni 2015. In § 8 dieses Arbeitsvertrages versicherte die Klägerin, zuvor bei der Bundesagentur für Arbeit in keinem Arbeitsverhältnis gestanden zu haben, dessen Ende drei Jahre oder weniger zurückliegt.

4

Mit Änderungsvereinbarung vom 03. Juni 2015 wurde die Klägerin als Vollzeitbeschäftigte bis zum 30. Juni 2016 weiterbeschäftigt.

5

Die Beklagte hat gemeint, die Befristung sei sachgrundlos gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG stehe dem nicht entgegen, denn die Klägerin habe mit ihr – Beklagte – in den letzten drei Jahren zuvor kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis gehabt.

6

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts und hat gemeint, das Anschlussverbot gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestehe zeitlich uneingeschränkt.

7

Wegen der Argumentation in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und folgt der Rechtsprechung des 7. Senats.

9

Die Klägerin hat gegen das ihr am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil am 09. August 2016 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis 13. Oktober 2016 am 12. Oktober 2016 begründet.

10

Die Parteien wiederholen und vertiefen ihre Rechtsauffassungen zum Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

11

Die Klägerin beantragt,

12

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.06.2016 – 1 Ca 358 b/16 – abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 01.10.2014 / 03.06.2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30.06.2016 geendet hat.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie auch Erfolg. Der Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung steht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Die erkennende Kammer vermag dem Auslegungsergebnis des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 06. April 2011 – 7 AZR 716/09 –; BAG, Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 –) zum Verständnis des „bereits – zuvor Arbeitsverhältnisses“ nicht zu folgen. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dahin zu verstehen, dass eine sachgrundlose Beschäftigung auch dann ausscheidet, wenn – wie hier – das Ende eines zwischen den Parteien vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliegt. Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den Entscheidungen das Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 2016 (9 Sa 376/15) und des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2016 (17 a Sa 14/16) und der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur an (z. B. Schaub / Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Auflage, § 39 Rn 13; Backhaus in APS Kündigungsrecht, 5. Auflage, § 14 TzBfG, Rn 381 d ff.; KR-Lipke, 11. Auflage, § 14 TzBfG, Rn 570 ff.; Meinel / Heyn / Herms, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 5. Auflage, § 14 Rn 258 ff.). Wortlaut, der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers und Sinn und Zweck des Gesetzes verbieten ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, wonach das Tatbestandsmerkmal „bereits zuvor“ zeitlich begrenzbar sein soll. Insbesondere Verfassungsrecht (Art. 12 GG, Art. 3 GG) zwingt nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Anschlussverbots.

1.

16

Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nach Auffassung der erkennenden Kammer bereits eindeutig. Er spricht für ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot. Mit dem Begriff „bereits zuvor“ hat sich der Gesetzgeber eines sprachlichen Ausdrucks bedient, welchem keine zeitliche Begrenzung innewohnt. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 06. November 2003 (2 AZR 690/02) ausgeführt, der Wortlaut sei eindeutig. Das Anschlussverbot enthalte keine zeitliche Begrenzung. Dies hat der 2. Senat mit Urteil vom 13. Mai 2004 – 2 AZR 426/03 – erneut bestätigt. Der 7. Senat wiederum beschied im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 29. Juli 2009 – 7 AZN 368/09 –, der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei eindeutig.

17

Backhaus (APS Kündigungsrecht, § 14 TzBfG, Rn 381 f.) führt zutreffend aus, dass die adverbiale Bestimmung „zuvor“ zwar durch einen ausdrücklichen Zusatz oder durch den Kontext beschränkt werden kann. Fehle aber ein solcher Zusatz oder ein solcher Kontext, dann sei das Wort „zuvor“ zeitlich unbestimmt. Hätte der Gesetzgeber also eine zeitliche Beschränkung gewollt, dann hätte es dazu einer entsprechenden sprachlichen Präzisierung bedurft, welche im Wortlaut der Regelung keinen Niederschlag fand. Das Wort „zuvor“ spricht ohne sprachliche Einschränkung sämtliche Fälle an, in denen bereits irgendwann einmal zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16 –, zitiert nach juris, Rn 29). Der Wortlaut ist auch nicht deshalb auslegungsfähig, weil er nicht die Worte „irgendein“ und „irgendwann“ oder „jemals zuvor“ enthält. Allein der Umstand, dass eine noch präzisere sprachliche Fassung denkbar gewesen wäre, ist als Auslegungsmittel nicht tauglich. Die Voraussetzung des „bereits zuvor“ vorhandenen Arbeitsverhältnisses gibt hinreichend deutlich und zweifelsfrei zu verstehen, dass es auf einen „engen sachlichen Zusammenhang“ wie unter der Geltung des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1996 nicht mehr ankommen soll (Arbeitsgericht Braunschweig, Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 463/13 –, zitiert nach juris, Rn 41).

2.

18

Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 TzBfG verbietet jegliche einschränkende Auslegung.

19

Dazu hat das Arbeitsgericht Braunschweig (Beschluss vom 03.04.2014 – 5 Ca 462/13 –, zitiert nach juris, Rn 44 ff) zutreffend Folgendes ausgeführt:

20

„Nach der Vorgängerregelung zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, nämlich § 1 Abs. 2 BeschFG, war eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn zu einem früheren Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang bestand, der insbesondere anzunehmen war, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als vier Jahren lag. Diese Beschränkungen sind in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht erneut und auch keine anderen Beschränkungen aufgenommen worden. Die erleichterte Befristung eines Arbeitsverhältnisses sollte mit Einführung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nur noch bei einer Neueinstellung, das heißt bei erstmaliger Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber zulässig sein (BT – Drucksache 14/4374, Seite 14). Der Gesetzentwurf, eine zweijährige Karenzregelung einzufügen (BT – Drucksache 15/5556, Seite 7, 12), hat in der schließlich verabschiedeten Gesetzesfassung keine Aufnahme gefunden. § 14 TzBfG ist seit dem Inkrafttreten am 01. Januar 2001 in der Fassung vom 21. Dezember 2000 insgesamt viermal geändert worden, nämlich mit seinen Fassungen vom 23. Dezember 2002, 24. Dezember 2003, 19. April 2007 und zuletzt mit der Fassung vom 20. Dezember 2011. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist dabei auch in Kenntnis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2004 (2 AZR 426/03) und vom 06. November 2003 (2 AZR 690/02) sowie der hiervon abweichenden neuen Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts gemäß den Urteilen vom 06. April 2011 und 21. September 2011 nicht angetastet und auch nicht der neueren Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts angepasst worden.

21

Insbesondere hat der Gesetzgeber auch die im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009, Seite 22) vorgesehene Grenze des Vorbeschäftigungsverbots nicht beschlossen (HaKo-Mestwerdt, § 14 TzBfG, Rn 198, 4. Auflage). Die „lebenslängliche“ Wirkung des Wortes „zuvor“ wurde während des Gesetzgebungsverfahrens betont und kritisiert, ohne dass der deutsche Bundestag dieser Kritik nachgekommen ist (APS-Backhaus, § 14 TzBfG, Rn 381, 4. Auflage).

22

Demnach hat sich der Gesetzgeber für eine nur einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden (Höpfner NZA 2011, 897 – Arbeitsgericht Gelsenkirchen vom 26.02.2013 – 5 Ca 2133/12). Ihm kann kein Wille zur Einführung einer Zeitgrenze unterstellt werden, den er erkennbar bewusst nicht geäußert hat (LAG Baden-Württemberg vom 26.09.2013). Es hat zwar das politische Ziel gegeben, das Vorbeschäftigungsverbot in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen, dieses ist jedoch in keiner Gesetzesfassung tatsächlich umgesetzt worden, weil eine Einigung auf eine bestimmte Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots gerade nicht zustande gekommen ist. Damit hat der Gesetzgeber eine Änderung dieser Vorschrift nicht gewollt. Eine einschränkende Auslegung dieser Norm führt dazu, dass das gesetzgeberische Ziel, nämlich die sachgrundlose Befristung nur noch bei Neueinstellungen zuzulassen, verfälscht wird.“

23

Diesen Ausführungen schließt sich die erkennende Kammer an. Gesetzesgeschichte und Gesetzesmaterialien belegen den dokumentierten und offenkundigen Willen des Gesetzgebers, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Zwar ist es richtig, dass maßgebend für die Auslegung von Gesetzen der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ist, die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe daher nicht entscheidet. Entgegen der Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 –, zitiert nach juris, Rn 19) ist nach Auffassung der erkennenden Kammer aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG aber deutlich der objektivierte Wille des Gesetzgebers erkennbar, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Der Begriff „bereits zuvor“ lässt sich sprachlich nur umfassend verstehen. Im Übrigen wäre selbst bei einer Interpretationsfähigkeit des Wortlautes „bereits zuvor“ die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu berücksichtigen, die im Gegenteil entscheidende Hinweise zu dem gewollten Ausschluss einer wiederholten sachgrundlosen Befristung enthält (KR-Lipke, a. a. O., § 14 TzBfG, Rn 575).

3.

24

Auch der gesetzessystematische Wortlaut bekräftigt, dass in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der objektivierte Wille des Gesetzgebers erkennbar ist, das Anschlussverbot nicht zeitlich zu beschränken. Hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt, dann hätte er ohne weiteres dem Rechnung tragen und eine entsprechende Formulierung wählen können. So hat er die zeitliche Komponente etwa in der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG oder in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG sprachlich präzisiert. Im Umkehrschluss spricht das Fehlen jeglicher einschränkender Begrifflichkeiten in der Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG deshalb dafür, dass das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vom Gesetzgeber zeitlich unbeschränkt gewollt war und dies entsprechend auch objektiv im gesetzessystematischen Wortlaut zum Ausdruck gekommen ist (LAG Baden-Württemberg, 16.11.2016 – 17 a Sa 14/16 –, zitiert nach juris, Rn 30).

4.

25

Auch die Regelungssystematik des Gesetzes spricht für ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. § 14 Abs. 1 TzBfG – so führt es das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 16.11.2016 (17 a Sa 14/16) zutreffend aus - stellt im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses den Grundsatz auf, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages nur dann zulässig ist, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ist keiner der im Gesetz genannten Gründe und auch kein gleichwertiger Sachgrund gegeben, ist die Befristung unzulässig. Abweichend von diesem Grundsatz gestattet der Gesetzgeber enumerativ in § 14 Abs. 2 bis 3 TzBfG in bestimmten Konstellationen privilegierte Ausnahmen. Ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot entspricht damit eher der Regelungssystematik (Regel-Ausnahme) des Rechts der Befristung als Begrenzung der Gestattung einer sachgrundlosen Befristung.

5.

26

Auch Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten keine zeitliche Begrenzung des Anschlussverbots. Dies führt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zutreffend aus. Zweck dieser Vorschrift ist danach nicht allein die Verhinderung von Kettenbefristungen. Mit den §§ 14 ff. TzBfG sollte die Möglichkeit von sachgrundlosen Befristungen wieder eingeschränkt werden. Nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz gab es seinerzeit mit dem dort geregelten relativ kurzen Unterbrechungszeitraum von vier Monaten die Möglichkeit, zahlreiche Arbeitsverträge ohne Sachgrund befristet hintereinander abzuschließen. Mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sollte die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich weiterhin ermöglicht werden. Allerdings sollte nach der gesetzlichen Konstruktion der Abschluss von unbefristeten Arbeitsverträgen immer noch der „Normalfall“ sein. Die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung wollte der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gegenüber der früheren Rechtslage nach § 1 Abs. 3 BeschFG wieder zurückführen. Dabei ging es nicht nur darum, den Abschluss von Kettenverträgen zu begrenzen, sondern eine sachgrundlose Befristung künftig nur bei einer Neueinstellung, also bei der erstmaligen Befristung eines Arbeitnehmers durch denselben Arbeitgeber zuzulassen.

27

Die erkennende Kammer schließt sich insoweit den oben dargelegten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachen im Urteil vom 16. Februar 2016 (9 Sa 376/15 –, zitiert nach juris, Rn 25) an.

28

Auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat im Urteil vom 16. November 2016 (17 a Sa 14/16, zitiert nach juris, Rn 35) zu Recht darauf hingewiesen, dem Sinn und Zweck der Vermeidung von Kettenbefristungen durch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG werde auch dann Rechnung getragen, wenn von einem umfassenden und zeitlich unbeschränkten Anschlussverbot ausgegangen werde. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zur Vermeidung ansonsten bestehender Auslegungsschwierigkeiten eine in jeder Hinsicht klare, weil durchgängig restriktive Regelungsvariante wähle. Im Lichte dieser gesetzgeberischen Intention, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eindeutig zum Ausdruck gekommen sei, verbiete es sich umso mehr, das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens durch eine vom wirklichen Willen des Gesetzgebers abweichende gegenteilige Auslegung der Gerichte letztlich in sein Gegenteil zu verkehren. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

6.

29

Entgegen der Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 –, zitiert nach juris, Rn 31) ist ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot auch nicht verfassungswidrig.

30

Das vom 7. Senat angenommene angebliche Einstellungshemmnis kann dahingestellt bleiben, weil selbst bei Grundrechtsrelevanz des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in Bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG die Beeinträchtigung der Berufsausübung gerechtfertigt ist. Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr an sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen. Der relativ geringe und nur im Zusammenhang mit einer bestimmten vertraglichen Konstruktion vorkommende Eingriff in die Berufsausübung ist jedoch – das führt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 16.02.2016 – 9 Sa 376/15 –, zitiert nach juris, Rn 28) zutreffend aus - durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber ist frei, sachgrundlose Befristungen zuzulassen, eingeschränkt zuzulassen oder überhaupt nicht zuzulassen. Er ist frei darin, die potenziell oder tatsächlich einstellungshemmende Wirkung des Vorhaltens von Möglichkeiten zur sachgrundlosen Befristung um anderer sozialpolitischer Ziele willen in Kauf nehmen (Meinel und andere, TzBfG, 5. Auflage, § 14, Rn 269). Ein rigoroses Anschlussverbot würde sich im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bewegen. Zutreffend führt Lipke aus, dass das Bundesarbeitsgericht keine gesetzliche Regelungslücke beschreiben könne, die zu füllen sei. Vielmehr schaffe der 7. Senat selbst eine solche Lücke. Dessen Auslegungsergebnis verleihe dem „Recht auf Befristung“ des Arbeitnehmers einen höheren Stellenwert als dem „Schutz vor ausufernder Befristung“.

31

Schließlich weist Koch (Schaub-Koch, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Auflage, § 39, Rn 13) nach Auffassung der erkennenden Kammer zu Recht darauf hin, mit einer zeitlichen Begrenzung des Anschlussverbotes werde verkannt, dass der Abschluss eines nur sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach dem nationalen sozialpolitischen Verständnis keine für den Arbeitnehmer günstige Position vermittle. Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer geht es bei § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht um eine grundrechtlich abzusichernde Chance von vor länger als drei Jahren beschäftigen Arbeitnehmer bei denselben Arbeitgebern, sondern um eine erkennbar vom Gesetzgeber gewollte Begrenzung der sachgrundlosen Befristung auf ein einmaliges Ereignis. Die insoweit vom Gesetzgeber gewollte Begrenzung der sachgrundlosen Befristung unterliegt seiner beschäftigungspolitischen Einschätzungsprärogative (Schaub-Koch, a. a. O., § 39, Rn 13). Es steht deshalb den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu, diese Einschätzung durch eine eigene zu ersetzen. Zwar mag eine zeitliche Begrenzung des Anschlussverbotes aus unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. Diese Entscheidung steht aber dem Gesetzgeber zu und nicht der Rechtsprechung, die den eindeutigen und im Gesetz objektiv erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu beachten hat.

32

Nach alledem ist auf die Berufung der Klägerin die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und der Berufung mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO stattzugeben. Die Revision ist zuzulassen.

33

Anlass zur Aussetzung des Verfahrens bestand für die erkennende Kammer nicht. Zwar hat die Beklagte eine solche Aussetzung beantragt. Diese ist gemäß § 148 ZPO aber nur im Rahmen der gebotenen Ermessensprüfung vorzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit handelt und das Arbeitsgerichtsgesetz insoweit ein Beschleunigungsgebot normiert, war gegen den Willen der Klägerin der Rechtsstreit nicht auszusetzen.


Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.10.2015 – 4 Ca 1353/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des 31.08.2015 geendet hat.

2

Der 1968 geborene Kläger war bereits im Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2009 befristet als vollbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.09.2013 schlossen die Parteien einen erneuten befristeten Arbeitsvertrag ab, nachdem der Kläger als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer – er wurde bei der Beklagten in deren Außenstelle M  zuletzt als Pförtner eingesetzt – bis zum 28.02.2015 beschäftigt werden sollte. Mit Änderungsvertrag vom 03.11.2014 wurde die Befristungsvereinbarung bis zum 31.08.2015 verlängert. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich zuletzt auf 2.278,00 EUR.

3

Mit seiner am 19.05.2015 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingereichten Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2015 geltend gemacht.

4

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund seiner Vorbeschäftigung  im Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2009 habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht mehr sachgrundlos nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristen können, denn es habe bereits mit demselben Arbeitgeber zuvor ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden. Das Vorbeschäftigungsverbot gelte entgegen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 – zeitlich unbeschränkt. Die Problematik sei im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich diskutiert worden. Gleichwohl habe es der Gesetzgeber bei der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG belassen. Auch der Wortlaut der Norm stehe der durch das Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung im Sinne eines zeitlich lediglich auf drei Jahre befristeten Vorbeschäftigungsverbotes entgegen. Das Bundesarbeitsgericht sei in seiner Rechtsprechung über seine Befugnisse als Gericht hinausgegangen und habe damit gegen die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Gesetzesbindung der Justiz verstoßen (Art. 20 Abs. 3 GG).

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

6

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 19.08.2013, in der Fassung des Änderungsvertrages vom 03.11.2014, am 31.08.2015 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Die Zukunft des B sei ungewiss, die Struktur der Außenstellen bis heute nicht absehbar. Deshalb habe die Beklagte die Stelle des Klägers nur befristet ausschreiben können. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – mit dem es nach verfassungsgemäßer Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu dem Ergebnis gekommen sei, das Vorbeschäftigungsverbot auf 3 Jahre begrenzt auszulegen, habe die Beklagte den Kläger beginnend ab September 2013 abermals 2 Jahre sachgrundlos befristet einstellen können. Diese Grenze sei mit der ersten Befristung für die Dauer von 18 Monaten und der Verlängerung bis zum 31.08.2015 eingehalten worden.

10

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.10.2015 – 4 Ca 1353/15 – (Urteil Seite 2 bis 3, Bl. 85 – 86 d.A.) Bezug genommen.

11

Mit vorbezeichnetem Urteil hat das Arbeitsgerichts Magdeburg festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht zum 31.08.2015 geendet hat, weil diese Befristung gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verstoße. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelte das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich uneingeschränkt und sei hinsichtlich seines eindeutigen Wortlautes weder auslegungsfähig noch verfassungskonform auslegungsbedürftig.

12

Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf die in ihm aufgeführten Entscheidungsgründe Bezug genommen (Urteil Seite 3, Bl. 86 d.A.). Gegen das der Beklagten am 27.10.2015 zugestellte Urteil hat diese am 19.11.2015 Berufung eingelegt und die Berufung mit am 22.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

13

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor,

14

die Entscheidung des Arbeitsgerichts basiere auf einer unzutreffenden Auslegung des in

15

§ 14 Abs. 2 TzBfG normierten Vorbeschäftigungsverbotes und weiche von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und eines Großteils der Instanzgerichte ab. Eine theologische Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebiete vielmehr die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass das Verbot der Vorbeschäftigung nicht zeitlich unbefristet geltend könne. Dies folge schon aus der gesetzgeberischen Motivation und den Vorgaben der entsprechenden EG-Richtlinie RL 1999/70/EG, welche darauf abziele, Kettenbefristungen zu vermeiden. Eine zeitlich einschränkende Auslegung des Begriffs der „Zuvor-Beschäftigung“ sei dabei auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes und der nach Art. 2 und Art. 12 des Grundgesetzes zu wahrenden Privatautonomie sowie der Freiheit der Berufswahl geboten. Dies werde insbesondere auch an dem vorliegenden Fall besonders deutlich, da die vom Kläger begehrte einschränkungslose Auslegung des Begriffs der „Zuvor-Beschäftigung“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG faktisch insbesondere für die bei den Behörden des Bundes sachgrundlos befristeten Arbeitnehmern massive und durch den Gesetzeszweck nicht mehr zu rechtfertigende Einschränkungen dergestalt bedeuten würde, dass ihnen nach einer nur einmaligen sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrages mit einer Bundesbehörde bundesweit und lebenslänglich jegliche weitere sachgrundlos befristete Beschäftigung verwehrt wäre.

16

Die Beklagte beantragt,

17

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg, Az. 4 Ca 1353/15 vom 01.10.2015 abzuändern und die Beklagte abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt zuletzt,

19

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen das Urteil des

20

Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.10.2015, Az: 4 Ca 1353/15 kostenpflichtig zurückzuweisen.

21

Der Kläger trägt vor,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg sei nicht zu beanstanden. Es sei in Übereinstimmung mit der klägerischen Auffassung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegengetreten und habe sich der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg angeschlossen, wonach das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich uneingeschränkt gelte und hinsichtlich des eindeutigen Wortlautes weder auslegungsfähig noch verfassungskonform auslegungsbedürftig sei.

23

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 b und c ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

II.

25

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Magdeburg hat zutreffend entschieden, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31.08.2015 geendet hat.

1.

26

Die Klage ist begründet. Die zuletzt für die Dauer vom 01.03.2015 bis 31.08.2015 vereinbarte sachgrundlose Befristung des klägerischen Arbeitsverhältnisses ist rechtsunwirksam, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht daher über die vereinbarte Befristung hinaus fort. Die Kammer schließt sich hierbei sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16.11.2016 an (17a Sa 14/16).

a)

27

Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG i.V.m. § 7 HS 1 KSchG als rechtswirksam, denn der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages geltend gemacht. Unschädlich ist, dass seine Klage bereits vor Fristablauf beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangen ist. Die Klagefrist dient dazu, die Vertragsparteien nicht zu lange über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses im Unklaren zu lassen. Vielmehr soll alsbald abschließend Klarheit über die Wirksamkeit der Befristung geschaffen werden. Dieser Zwecksetzung kommt es entgegen, wenn die Klage schon vor dem vereinbarten Ende erhoben wird. Demzufolge hält es die Rechtsprechung für zulässig, eine Klage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG bereits vor Ablauf der vereinbarten Befristung zu erheben (LAG Berlin-Brandenburg 16.04.2008 – 23 Sa 2356/07, Rnr. 24 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

b)

28

Der Rechtswirksamkeit der mit Wirkung vom 01.03.2015 bis 31.08.2015 vereinbarten sachgrundlosen Befristung steht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Das Gericht vermag dem Auslegungsergebnis des Bundesarbeitsgerichts in Bezug auf die Norm des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zu folgen. Nach der hier vertretenen Rechtsauffassung (so u.a. LAG Baden-Württemberg 16.11.2016 – 17a Sa 14/16 Rnr. 25 ff.) ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG dahingehend auszulegen, dass eine sachgrundlose Befristung auch dann ausscheidet, wenn das Ende eines zwischen den Parteien vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bereits mehr als 3 Jahre zurückliegt.

aa)

29

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1, 1. HS TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1, 2. HS TzBfG ist bis zu dieser Gesamtdauer von 2 Jahren auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

bb)

30

Im vorliegenden Fall hat bereits auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 13.07.2007 in der Zeit vom 01.08.2007 bis zum 31.07.2009 – also für volle 2 Jahre – ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden, eine weitere sachgrundlose Befristung war daher zwischen den Parteien nicht mehr möglich. Nach der vorgenannten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16.11.2016, der sich die erkennende Kammer in vollem Umfang anschließt, ist für die Auslegung von Gesetzes der in der Norm zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, maßgebend. Unter Anwendung der Methoden der Gesetzesauslegung ist § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes, mithin absolutes Anschlussverbot zu interpretieren (LAG Baden-Württemberg, aaO, Rnr. 28ff unter Hinweis auf BAG 06.11.2003 – 2 AZR 690/02 Rnr. 18 und Rnr. 25). Gegen dieses Anschlussverbot hat die Beklagte sowohl mit dem weiteren befristeten Arbeitsvertrag vom 19.08.2013 für die Zeit vom 01.09.2013 bis zum 28.02.2015 verstoßen, wie auch mit dem zuletzt abgeschlossenen hier streitgegenständlichen Änderungsvertrag vom 03.11.2014 für die Zeit vom 01.03.2015 bis zum 31.08.2015.

cc)

31

Als Folge der sich damit ergebenden Rechtsunwirksamkeit der Befristung gilt der zwischen den Parteien befristete Arbeitsvertrag gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

dd)

32

Die Beklagte kann sich im vorliegenden Fall nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht kein schutzwürdiges Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte. Danach konnte die Beklagte bei Abschluss des streitgegenständlichen Arbeitsvertrages nicht mehr auf den Fortbestand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertrauen. Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06.11.2014 entsprach es in Rechtsprechung und Literatur herrschender Meinung, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich unbeschränktes Anschlussverbot beinhaltet. Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stieß auf deutliche Kritik im Schrifttum und in der Rechtsprechung (nähere Ausführungen hierzu siehe LAG Baden-Württemberg, aaO, Rnr. 39). Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass auch Landesarbeitsgerichte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts teilweise nicht gefolgt sind (so LAG Baden-Württemberg 26.09.2013 – 6 Sa 28/13). Auch diese abweichende Entscheidung liegt zeitlich ebenso wie die Vorlageentscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG durch dessen Beschluss vom 03. April 2014 (5 Ca 463/13) zeitlich vor der hier angegriffenen Befristung für die Zeit bis zum 31.08.2015 durch Änderungsvertrag vom 03.11.2014.

III.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

34

Gegen diese Entscheidung wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs. 2 Ziffer 2 ArbGG.


Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2009 - 8 Sa 1783/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsvertrag wirksam bis 31. März 2009 befristet wurde.

2

Der Kläger absolvierte vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 ein Ausbildungsverhältnis für den Beruf des Starkstromelektrikers bei der W GmbH. Die Parteien schlossen am 18. Februar 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag. Dessen Nr. 1 lautet im ersten Absatz:

        

„Sie werden als Elektriker für die B GmbH - nachfolgend Gesellschaft genannt - in S für die Dauer vom 01. April 2008 bis zum 31. März 2009 tätig. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Befristung erfolgt entsprechend dem Beschäftigungsförderungsgesetz.“

3

Der Kläger hat mit seiner am 27. Februar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Befristung seines Arbeitsverhältnisses angegriffen. Die Parteien hätten eine sachgrundlose Befristung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz mit dem Bezug auf das Beschäftigungsförderungsgesetz ausgeschlossen. Sonst sei die als Allgemeine Geschäftsbedingung ausgestaltete Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 18. Februar 2008 unklar und intransparent. Einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG stehe nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG jedenfalls seine Vorbeschäftigung bei der W GmbH entgegen. Diese sei identisch mit der Beklagten und habe lediglich umfirmiert.

4

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung vom 18. Februar 2008 zum 31. März 2009 geendet hat.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG wirksam. Der Kläger sei während des Berufsausbildungsverhältnisses nicht von „demselben Arbeitgeber“ iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG beschäftigt worden. Die Befristungsabrede sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung und zudem klar und transparent. Jedenfalls sei ein Berufsausbildungsverhältnis keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Befristungskontrollantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, dass die Befristungskontrollklage unbegründet ist. Die Befristung war nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Sachgrund wirksam. Die Parteien haben die Anwendung dieser Vorschrift nicht vertraglich ausgeschlossen. Die vertragliche Vereinbarung ist weder unklar noch intransparent. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers mit der W GmbH keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist. Diese Bestimmung ist auch deshalb nicht anzuwenden, weil das Berufsausbildungsverhältnis im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses am 1. April 2008 weit über drei Jahre zurücklag.

8

I. Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 18. Februar 2008 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klage konnte vor dem Ende der vereinbarten kalendermäßigen Befristung am 31. März 2009 (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 TzBfG) erhoben werden. An der raschen Klärung der Frage, ob eine Befristung wirksam ist, besteht in der Regel bereits vor dem vereinbarten Vertragsende ein rechtliches Interesse der Parteien. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber - wie hier - auf die Wirksamkeit der Befristung beruft. Die materiellrechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch dann gewahrt, wenn die Klage vor dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben wird(vgl. nur BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 15 mwN).

9

II. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Parteien eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht vertraglich ausgeschlossen haben. Ein Ausschluss von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG folgt insbesondere nicht aus Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags, wonach die Befristung entsprechend dem Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgt. Die Befristungsabrede hält einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand. Der Senat kann unterstellen, dass der Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. Februar 2008 ein von der Beklagten vorformulierter Vertrag ist, den sie mehrfach verwendet hat. Dafür spricht das Erscheinungsbild des Vertrags. Der Text der Vereinbarung enthält über die persönlichen Daten des Klägers, die Anrede und die Zusätze der Unterschriften hinaus keine individuellen Besonderheiten. Die Frage der Rechtsnatur des Vertrags kann im Ergebnis offenbleiben. Selbst wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln sollte, die die Beklagte dem Kläger gestellt hat, ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auf die Befristungsabrede in Nr. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht anzuwenden. Die Vereinbarung genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

10

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ausdrücklich oder konkludent abbedungen werden. Ein konkludenter Ausschluss der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeit kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers nach dem Empfängerhorizont so verstehen darf, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt wird und sie davon abhängen soll, dass er besteht. Die Angabe eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag kann auf einen solchen Ausschluss hindeuten. Es müssen jedoch zusätzliche Umstände hinzutreten (vgl. zB BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 20 mwN, NZA 2011, 1151).

11

2. Die Parteien haben § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hier nicht vertraglich abbedungen. Der Kläger durfte die Verweisung in Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht so verstehen, dass dadurch eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen werden sollte. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient(BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 42 mwN, EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Das ist hier nicht der Fall. Das Beschäftigungsförderungsgesetz war bei Vertragsschluss am 18. Februar 2008 in seiner Fassung vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) bereits seit 1. Januar 2001 - dh. über sieben Jahre - außer Kraft. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag war daher ersichtlich inhaltsleer. Im Übrigen kannte auch § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren. Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass ein sachlicher Grund für die Befristung im Arbeitsvertrag nicht genannt ist. Damit fehlt schon ein erstes wesentliches Indiz für einen konkludenten Ausschluss der sachgrundlosen Befristung. Weitere Umstände, die auf einen Ausschluss hindeuten, sind erst recht nicht ersichtlich.

12

3. Die Befristung in Nr. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist nicht deswegen unwirksam, weil sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Die Befristungsdauer - bis 31. März 2009 - ist unmissverständlich genannt (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 17 mwN, NZA 2011, 1151 ).

13

III. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG für eine sachgrundlose Befristung sind erfüllt. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht dem nicht entgegen. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers mit der W GmbH keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist. Diese Bestimmung ist auch deshalb nicht anzuwenden, weil das Berufsausbildungsverhältnis, das vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 bestand, im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses weit über drei Jahre zurücklag. Daher kann auf sich beruhen, ob die Beklagte „dieselbe Arbeitgeberin“ wie die W GmbH ist (vgl. zu den praktischen Schwierigkeiten festzustellen, ob eine für § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unbeachtliche Umfirmierung oder eine beachtliche Rechtsnachfolge vorliegt, BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 26, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

14

1. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass ein früheres Berufsausbildungsverhältnis dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht unterfällt. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Norm (ebenso zB LAG Baden-Württemberg 9. Oktober 2008 - 10 Sa 35/08 - zu III 2 a der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 44; LAG Niedersachsen 4. Juli 2003 - 16 Sa 103/03 - zu 1 der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 11; APS/Backhaus 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 385 f.; Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 119; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 437 f.; Arnold/Gräfl/Gräfl TzBfG 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 262; KR/Lipke 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 421; HaKo/Mestwerdt 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 176; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 94; Sievers TzBfG 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 391; aA etwa Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 160; Laux/Schlachter/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 113 f.). Das ergibt die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck. Der Zusammenhang der Bestimmung mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG steht dem nicht entgegen. Das Auslegungsergebnis wird von der Gesetzesbegründung gestützt.

15

a) Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Berufsausbildungsvertrag begründete Berufsausbildungsverhältnisse und durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen (vgl. BAG 20. August 2003 - 5 AZR 436/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 107, 172). § 10 Abs. 2 BBiG bestimmt vielmehr, dass auf den Berufsausbildungsvertrag, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind. Wäre das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis, wäre diese Regelung überflüssig (APS/Backhaus § 14 TzBfG Rn. 385; aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler § 14 TzBfG Rn. 160; Laux/Schlachter/Schlachter § 14 TzBfG Rn. 113 f.). Ohne besondere gesetzliche Regelung sind Berufsausbildungsverhältnisse keine Arbeitsverhältnisse. Die Anwendung der für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften beruht auf § 10 Abs. 2 BBiG(vgl. ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 94).

16

b) Es kommt deshalb für die Frage, ob ein Berufsausbildungsverhältnis mit einem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist, auf den jeweiligen Gesetzeszweck an. Die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze sind auf den Berufsausbildungsvertrag und das durch ihn begründete Berufsausbildungsverhältnis nicht ohne Weiteres anzuwenden, sondern nur, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags sowie aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt (vgl. noch zu der Vorgängerregelung des § 10 Abs. 2 BBiG in § 3 Abs. 2 BBiG aF BAG 20. August 2003 - 5 AZR 436/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 107, 172). Der Gesetzeszweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfordert nicht, Berufsausbildungsverhältnisse mit Arbeitsverhältnissen im Sinne dieser Vorschrift gleichzusetzen.

17

aa) Der Zweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht darin zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu sog. Befristungsketten oder Kettenverträgen missbraucht werden kann, nicht aber darin, befristete Arbeitsverträge oder sachgrundlos befristete Arbeitsverträge zu verhindern (vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 23 f., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77 mit Bezug auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 14/4374 S. 14, 19). Der Zweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht in Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung, ABl. EG L 175 vom 10. Juli 1999 S. 43), die mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz umgesetzt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1). Die Rahmenvereinbarung verlangt nicht, dass bereits der erste oder einzige befristete Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (vgl. nur EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071). Ziel der Rahmenvereinbarung ist es vielmehr, den Missbrauch von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu verhindern (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 94, aaO; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057).

18

bb) Dieser Zweck erfordert es nicht, Berufsausbildungsverhältnisse in das Vorbeschäftigungsverbot einzubeziehen. Die nur befristete Übernahme in ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Berufsausbildung begründet wegen des Ausbildungszwecks des Berufsausbildungsverhältnisses keine Gefahr einer „Kettenbefristung“, sondern trägt dazu bei, den früheren Auszubildenden - wenn auch nur zeitweilig - in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern und ggf. eine sog. Beschäftigungsbrücke in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu schaffen (vgl. zu der sog. Brücke zur Dauerbeschäftigung insbesondere bei Jugendlichen nach der Ausbildung die Gesetzesbegründung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes in BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Es gilt Entsprechendes wie für eine berufsvorbereitende Beschäftigung als Praktikant, die nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags erfolgt und daher nicht dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterliegt(vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 31/05 - Rn. 17 f., AP TzBfG § 14 Nr. 19 = EzA TzBfG § 14 Nr. 23).

19

c) Der systematische Zusammenhang des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit dem besonderen Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.

20

aa) Wegen der fehlenden Gefahr von Befristungsketten spricht nichts dagegen, die beiden Rechtsinstitute der Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG und der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nebeneinander bestehen zu lassen. Für die Sachgrundbefristung bleibt auch dann ein Anwendungsbereich, wenn Berufsausbildungsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber nicht in das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einbezogen werden und damit eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ermöglicht wird(vgl. ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 94). Der besondere Sachgrund ist insbesondere nicht an die Zweijahresfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gebunden.

21

bb) Ferner ist keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Absolventengruppen der Auszubildenden und Studierenden zu besorgen (aA Laux/Schlachter/Schlachter § 14 TzBfG Rn. 114). Auch mit einem früheren Studierenden kann nach Abschluss des Studiums regelmäßig eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vereinbart werden. Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat im Wesentlichen nur für sog. Werkstudenten Bedeutung, die während des Studiums bereits in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber standen (vgl. LAG Baden-Württemberg 9. Oktober 2008 - 10 Sa 35/08 - zu III 2 a der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 44).

22

d) Das gefundene Auslegungsergebnis wird durch den Willen des historischen Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung gestützt. Danach ist ein Berufsausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG(vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 20).

23

2. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sind auch deshalb nicht erfüllt, weil das Berufsausbildungsverhältnis, das vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 bestand, im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses am 1. April 2008 weit über drei Jahre zurücklag. Wie der Senat mit Urteil vom 6. April 2011 entschieden hat, ist eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt(- 7 AZR 716/09 - Rn. 13, 16 ff. mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Die Entscheidung hat im Schrifttum - teils noch vor Veröffentlichung der Gründe - sowohl Ablehnung als auch Zustimmung erfahren (im Ergebnis ablehnend zB Buntenbach AiB 2011, 345; Höpfner NZA 2011, 893; Lakies ArbRAktuell 2011, 447; derselbe AuR 2011, 190; Kittner AiBplus 5/2011, 9; jedenfalls im Ergebnis zustimmend etwa Bauer NZA 2011, Heft 9, Editorial; derselbe SAE 2011, Heft 4, Editorial; Persch ZTR 2011, 404; Reinsch BB 2011, 1011; Schiefer DB 2011, 1220; Steinkühler BB 2011, 2099). Die differenzierteste Kritik, die bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorlag, übt die Entscheidungsbesprechung von Höpfner (NZA 2011, 893). Er lehnt die Entscheidung aus verfassungsrechtlichen und methodischen Gründen ab. Im Ausgangspunkt teilt Höpfner die Beurteilung des Senats, der mit einem absoluten Vorbeschäftigungsverbot verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Er meint jedoch, für eine verfassungsorientierte oder verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei kein Raum. Der Senat habe vielmehr nach Art. 100 Abs. 1 GG das Bundesverfassungsgericht anrufen müssen(vgl. Höpfner NZA 2011, 893, 896 ff.). Der Senat hat mit Urteil vom 6. April 2011 (- 7 AZR 716/09 - aaO) im Einzelnen die Auslegungsgesichtspunkte dargestellt, die für und gegen ein zeitlich unbegrenztes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sprechen. Er hat sich vor allem wegen des Zwecks der Vorschrift und aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für ein zeitlich einschränkendes Verständnis der Vorschrift entschieden. Daran hält der Senat nach erneuter Prüfung und unter Berücksichtigung der im Schrifttum erhobenen Bedenken fest.

24

a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Er gebietet nicht zwingend das Auslegungsergebnis eines lebenslangen oder auch absoluten Vorbeschäftigungsverbots immer dann, wenn „jemals zuvor“ ein Arbeitsverhältnis der Parteien bestand (vgl. detailliert BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 17, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77; für nicht eindeutig halten den Wortlaut ua. auch: ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 98 und Bauer NZA 2011, 241, 243; siehe auch Dörner Rn. 431, der annimmt, ein solcher Bedeutungsgehalt sei im Wortlaut jedenfalls nur unvollständig zum Ausdruck gekommen).

25

b) Auch der Gesetzeszusammenhang verlangt kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Der Umstand, dass sich in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der seit 1. Mai 2007 geltenden Fassung die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG iSv. „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Er gebietet jedoch nicht das Verständnis, dass „bereits zuvor“ gleichbedeutend mit „jemals zuvor“ ist. Die beiden früheren Fassungen des § 14 Abs. 3 TzBfG, die vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 und vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2007 galten, zwingen ebenfalls nicht zu dem Auslegungsergebnis eines absoluten Vorbeschäftigungsverbots. Sie beschränkten die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG für ältere Arbeitnehmer mögliche sachgrundlose Befristung in der Weise, dass zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Zeitraums von weniger als sechs Monaten liegen durfte. Das könnte darauf hindeuten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Der systematische Kontext könnte aber auch nur bedeuten, dass eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch bei einer Unterbrechung von deutlich mehr als sechs Monaten anzunehmen ist(vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 18, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

26

c) Die Gesetzesgeschichte des Teilzeit- und Befristungsgesetzes spricht demgegenüber dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. § 1 Abs. 3 des bis 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht verändert und entsprechende Anregungen im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgenommen. Das könnte es nahelegen, das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine bestimmte zeitliche Grenze. Auch dieser Schluss ist mit Blick auf den nicht eindeutigen Gesetzeswortlaut und -zusammenhang jedoch nicht zwingend (vgl. ausführlich BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

27

d) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbots spricht der Zweck der Regelung. Er besteht darin zu verhindern, dass die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu Befristungsketten missbraucht wird. Dieser Zweck kann auch ohne lebenslanges Vorbeschäftigungsverbot verwirklicht werden. Das damit verbundene absolute Einstellungshindernis ist nicht mehr vom Gesetzeszweck gedeckt (vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 21 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

28

e) Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen(vgl. näher BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Der Senat hat im Urteil vom 6. April 2011 letztlich offengelassen, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Verständnis noch verfassungskonform wäre. Jedenfalls gebiete eine an der Wertordnung des Grundgesetzes ausgerichtete „verfassungsorientierte Auslegung“ ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG(vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27, aaO). Nach erneuter Prüfung kommt der Senat zu der Beurteilung, dass ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot verfassungswidrig wäre und ein eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch nach dem Grundsatz der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten ist.

29

aa) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerfG 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 - Rn. 86, NJW 2011, 3428; 19. April 2005 - 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 112, 332; aA Höpfner NZA 2011, 893, 898, der die sog. verfassungsorientierte Auslegung nur für die Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen, Ermessensspielräumen und Generalklauseln des einfachen Rechts anerkennt). Die Deutung darf aber nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16 mwN, GRUR 2011, 223). Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf nicht im Weg der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387).

30

bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich eingeschränkt auszulegen. Ein unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lange zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Das würde der objektiven Wertentscheidung, die in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, nicht hinreichend gerecht (vgl. ausführlich BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 29 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, das die Privatautonomie beschränkt, legitime Ziele, mit denen er seine Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG erfüllt. Es geht ihm darum, arbeitsvertraglichen Bestandsschutz für die strukturell unterlegenen Arbeitnehmer zu verwirklichen. Dem dient es, wenn der Gesetzgeber dafür sorgt, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zu Befristungsketten missbraucht werden können. Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert jedoch kein zeitlich völlig uneingeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung. Die Beschränkung der Privatautonomie und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, die mit einem lebenslangen Vorbeschäftigungsverbot verbunden ist, ist unverhältnismäßig. Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist im Interesse des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt nicht, soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen ist. Bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbot ist das der Fall. Ein absolutes Vorbeschäftigungsverbot ist schon weder geeignet noch erforderlich, um Befristungsketten zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewährleisten. Jedenfalls ist die faktische Benachteiligung, die sich für Arbeitsplatzbewerber aus dem Vorbeschäftigungsverbot ergibt, unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen(verhältnismäßig im engeren Sinn; vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 35 ff., aaO).

31

cc) Ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist auch wegen des Grundsatzes der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot wäre mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Dadurch würde die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. In diesem Zusammenhang ist es nicht geboten, dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsgemäß ist. Die Vorschrift lässt sich verfassungskonform auslegen.

32

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die Fachgerichte vorrangig vor einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zu versuchen, die betroffene gesetzliche Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt erst in Betracht, wenn eine verfassungskonforme Auslegung nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist. Kann das Fachgericht im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387; siehe auch 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 39, HFR 2011, 812; vgl. ferner BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 15/10 - Rn. 22; aA wohl Höpfner NZA 2011, 893, 898 mwN aus dem Schrifttum, der für seine Auffassung ua. Voßkuhle AöR 125 [2000], 177 zitiert, aber kenntlich macht, dass diese Ansicht der bisherigen st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts widerspricht ). Dadurch setzt ein Fachgericht seine materielle Gerechtigkeitsvorstellung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers (aA Höpfner NZA 2011, 893, 896 mit Bezug auf BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - Rn. 52, NJW 2011, 836). Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) sind gewahrt, solange sich das Fachgericht bei der Gesetzesanwendung in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegt (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - Rn. 50 ff., aaO).

33

(2) Ein zeitlich völlig uneingeschränktes Vorbeschäftigungsverbot verstieße gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der damit verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig (so auch Höpfner NZA 2011, 893, 899; Persch ZTR 2010, 1). Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, das die Möglichkeit sachgrundloser Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG beschränkt, ist zwar gerechtfertigt, um Befristungsketten zu vermeiden. Es ist wegen der Schutzpflicht des Staats und der Vorgabe in § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sogar geboten. Ein lebenslanges Vorbeschäftigungsverbot ist aber nicht erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.

34

(3) Die Verfassungswidrigkeit von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG lässt sich durch eine verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung werden dadurch nicht überschritten. Im Übrigen wird durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein bislang nicht erörtertes sehr viel weiter reichendes Problem vermieden. Wäre § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungswidrig, wäre § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht mehr unionsrechtskonform und auch nicht mehr mit der Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil das Untermaßverbot unterschritten würde. Die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit sachgrundloser Befristungen muss schon wegen § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung notwendig beschränkt werden. Die einzige Beschränkung geht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hervor. Ohne diese Vorschrift könnten beliebig viele sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG aneinandergereiht werden. Solche Befristungsketten wären unionsrechtswidrig. Im Fall einer Vorlage des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG könnte auch § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bis zu dessen Entscheidung nicht mehr angewandt werden. Damit würde der Wille des deutschen Gesetzgebers ersichtlich in sein Gegenteil verkehrt. Ein zeitlich eingeschränktes und damit verfassungskonformes geltungserhaltendes Verständnis von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entspricht damit auch dem unionsrechtlichen Gebot der Kohärenz einer nationalen Regelung, die Richtlinienrecht umsetzt(vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs] Rn. 85, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Sie beachtet zugleich den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Normerhaltung (vgl. dazu BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 29 und 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387).

35

f) Die danach gebotene Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeitlich einschränkenden Sinn erfordert eine im Weg der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung. Eine solche Konkretisierung ist bisweilen unumgänglich und in der Rechtsprechung nicht selten (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 39, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77 unter Hinweis auf 22. April 2009 - 5 AZR 436/08  - Rn. 13 ff., BAGE 130, 338 [Konkretisierung des Lohnwuchers]; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07  - Rn. 19, BAGE 128, 351 [Konkretisierung des Umfangs einer Arbeitszeitverlängerung, der zu einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG führt]). Der Senat wählt aus Gründen der Rechtssicherheit eine zeitliche und keine inhaltliche Anknüpfung. Maßgeblich für den zeitlichen Abstand zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem vereinbarten Beginn des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses ist in erster Linie der Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, Befristungsketten zu verhindern. Ein Zeitraum von drei Jahren ist geeignet, erforderlich und angemessen, um diesen Zweck zu erreichen. Mit ihm wird eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit vermieden. Die Zeitspanne entspricht der gesetzgeberischen Wertung, die in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt (vgl. näher BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 39 , aaO; ablehnend Höpfner NZA 2011, 893, 895). Diese durch rechtsfortbildende zeitliche Konkretisierung gefundene Dreijahresfrist schließt missbräuchliche Befristungsketten sicher aus.

36

3. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ist damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG wirksam, obwohl kein sachlicher Grund besteht. Sie überschreitet mit einem Jahr nicht die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgegebene Dauer von zwei Jahren. Die Vorbeschäftigung liegt weit über drei Jahre zurück.

37

B. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. September 2009 - 7 Sa 13/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Juli 2008 geendet hat.

2

Die Klägerin ist Lehrerin. Während ihres Studiums war sie aufgrund zweier mit dem beklagten Freistaat geschlossener Arbeitsverträge an der Universität C/P Fakultät als studentische Hilfskraft vom 1. November bis zum 31. Dezember 1999 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und vom 1. bis zum 31. Januar 2000 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt. Sie war mit Textkorrekturen sowie Kopierarbeiten befasst. Von August 2004 bis Juli 2006 absolvierte sie ihren Vorbereitungsdienst am Beruflichen Schulzentrum für T in O. Im Juli 2006 erwarb sie die Lehrbefähigung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen in den Unterrichtsfächern Wirtschaft/Verwaltung und Ethik/Philosophie.

3

Am 29. Mai 2006 schloss die Klägerin mit dem beklagten Freistaat - vorbehaltlich des Nachweises über den Abschluss der Zweiten Staatsprüfung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen - einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008. Unter § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags heißt es, dass sich das Arbeitsverhältnis „für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung“ bestimmt. Das im Vertrag vorgesehene Textfeld „Grund der Befristung“ ist nicht ausgefüllt. In zwei von der Klägerin ausgefüllten formularmäßigen Personalbogen vom 1. August 2004 und vom 13. Juni 2006 gab sie ihre Beschäftigungen als studentische Hilfskraft beim beklagten Freistaat nicht an.

4

Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Der Beklagte habe sich arbeitsvertraglich auf eine sachgrundlose Befristung festgelegt, die aber wegen ihrer Vorbeschäftigung als studentische Hilfskraft nicht zulässig sei. Auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG könne sich der Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung nicht berufen, weil dieser Sachgrund nicht vorliege, im Arbeitsvertrag nicht genannt und außerdem dem Personalrat nicht mitgeteilt worden sei. Die Befristung sei rechtsmissbräuchlich, weil der beklagte Freistaat seinen Pflichten zur Information über zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze nach § 18 Satz 1 TzBfG und zur bevorzugten Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit befristet Beschäftigten nach § 30 Abs. 2 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder(TV-L) nicht nachgekommen sei.

5

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2008 beendet worden ist, sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht;

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf des 31. Juli 2008 hinaus als vollbeschäftigte Lehrkraft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Entfristungsverfahrens weiterzubeschäftigen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat den Standpunkt vertreten, der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG rechtfertige die Befristung des Arbeitsvertrags. Außerdem habe die Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohnehin keines Sachgrundes bedurft. Auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie ihre Vorbeschäftigung an der Universität C rechtsmissbräuchlich verschwiegen habe.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin den Feststellungs- und den Weiterbeschäftigungsantrag. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

9

A. Der zulässige Klageantrag zu 1. ist unbegründet.

10

I. Mit ihm verfolgt die Klägerin ausschließlich eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Dem Antragswortlaut „… sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht“ kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Hinzuziehung der Klagebegründung. Streitgegenstand ist (allein) die Kontrolle der im Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2006 vereinbarten fristbestimmten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

11

II. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Die Klage genügt den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Klageerhebung gemäß § 17 Satz 1 TzBfG zu stellen sind(vgl. hierzu zB BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72).

12

III. Die für die Dauer vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Die dreimonatige Beschäftigung der Klägerin beim beklagten Freistaat als studentische Hilfskraft in einem zeitlichen Gesamtumfang von 50 Stunden steht der sachgrundlosen Befristung des über sechs Jahre später geschlossenen Arbeitsvertrags als Lehrkraft nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Es kommt nicht darauf an, ob ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG besteht.

13

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

14

a) Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 6. November 2003 ausgeführt, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte - anders als noch § 1 Abs. 3 des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung idF vom 1. Oktober 1996 - keine zeitliche Begrenzung; auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis komme es damit grundsätzlich nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 108, 269). Hieran hat der erkennende Senat im Juli 2009 in einem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluss angeknüpft und ausgeführt, das Bundesarbeitsgericht habe bereits entschieden, dass es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis ebenso wenig ankomme wie auf die Art der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb oder für den Betriebsinhaber. Der Senat halte den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12).

15

b) Auch das arbeitsrechtliche Schrifttum interpretiert § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG überwiegend als zeitlich uneingeschränktes, „absolutes“ oder „lebenslanges“ sog. Anschlussverbot (AnwK-ArbR/Studt 2. Aufl. Bd. 2 § 14 TzBfG Rn. 91; APS/Backhaus 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 381; Arnold/Gräfl Gräfl TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 256; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 431 f.; Gräfl FS Bauer S. 375, 379 f.; HaKo/Mestwerdt 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 168; Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 119; Holwe/Kossens/Pielenz/Räder TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 118; HWK/Schmalenberg 4. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 109; Kliemt NZA 2001, 296, 300; KR/Lipke 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 420; LS/Schlachter 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 112; Meinel/Heyn/Herms 3. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 154; MünchArbR/Wank 3. Aufl. § 95 Rn. 116; Rolfs TzBfG § 14 Rn. 75; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 39 Rn. 12; Schmalenberg NZA 2001, 938; Sievers TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 390; kritisch zB Annuß/Thüsing/Maschmann TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 78; Hromadka BB 2001, 627; Preis NZA 2005, 714, 715 f.; Preis/Gotthardt DB 2000, 2065, 2072; vgl. auch dies. DB 2001, 145, 152; Richardi/Annuß BB 2000, 2201, 2204; Schiefer DB 2000, 2118, 2122; aA insbesondere mit näherer Begründung ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 98 f.; Löwisch BB 2001, 254; ebenso Bauer BB 2001, 2473, 2475; Osnabrügge NZA 2003, 639, 642; Straub NZA 2001, 919, 926; Persch ZTR 2010, 2 mit vor allem verfassungsrechtlichen, auch Art. 33 Abs. 2 GG einbeziehenden Erwägungen).

16

c) Nach erneuter Prüfung hält der Senat an dem zeitlich völlig uneingeschränkten Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht fest. Unter Berücksichtigung aller Auslegungskriterien ist ein Verständnis der Vorschrift in dem Sinne geboten, dass das Zuvorbeschäftigungsverbot zeitlich eingeschränkt ist. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik zwingen zu keiner bestimmten Auslegung. Die Gesetzesgeschichte deutet eher auf ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Zuvorbeschäftigung. Dagegen sprechen der Normzweck, Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit sowie insbesondere verfassungsrechtliche Erwägungen für eine zeitliche Beschränkung des Verbots.

17

aa) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebietet zwingend kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Er ist im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Die Normaussage steht zwar in einem unmissverständlichen situativen Zusammenhang zu einem Arbeitsverhältnis, das mit demselben Arbeitgeber bereits bestand. In seiner zeitlich-inhaltlichen Dimension ist das Adverb „bereits zuvor“ aber mehreren Deutungen zugänglich. Der Aussagegehalt erschließt sich, wie auch bei anderen temporalen adverbialen Bestimmungen, regelmäßig erst aus dem satzinternen oder -externen Bedeutungszusammenhang. „Bereits zuvor“ kann etwa ausdrücken „jemals zuvor“ bzw. „irgendwann zuvor“, „unmittelbar zuvor“ oder „mit dem Bezugsereignis oder der Bezugssituation in einem zeitlichen und/oder sachlichen Zusammenhang stehend“. Ginge man davon aus, der Gesetzgeber habe eine sachgrundlose Befristung generell nicht mehr zulassen wollen, wenn der Arbeitnehmer bereits irgendwann zuvor einmal in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden habe, ist dies im Gesetzestext jedenfalls nur unvollständig zum Ausdruck gekommen (Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 431; nicht für eindeutig halten den Wortlaut insbesondere auch: ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 98 und Bauer NZA 2011, 241, 243). Dass die Verwendung der Worte „bereits zuvor“ nicht zwingend „jemals zuvor“ bedeutet, mag ein fiktives Beispiel belegen: Würde eine Regelung dahin lauten, dass die Anordnung von Nachtschicht unzulässig sei, wenn der Arbeitnehmer „bereits zuvor“ in einer Tagschicht gearbeitet habe, wäre ein Verständnis, Nachtschicht könne nicht mehr zulässig angeordnet werden, wenn der Arbeitnehmer „jemals zuvor“ eine Tagschicht absolviert habe, ersichtlich fernliegend. Als Adverbialkonstruktion ist der Normausdruck „bereits zuvor“ also kontextabhängig.

18

bb) Eine gesetzessystematische Textvergleichung gebietet ebenfalls kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Die derzeitige Fassung des § 14 TzBfG lässt ohnehin keine Rückschlüsse auf die Bedeutung der Worte „bereits zuvor“ zu. Der Umstand, dass sich zu § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG - in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung - die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne von „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Er gebietet jedoch kein Verständnis, wonach „bereits zuvor“ gleichbedeutend mit „jemals zuvor“ sei. Die ursprüngliche - vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 geltende - und die darauf folgende - vom 1. Januar 2002 bis 30. April 2007 geltende - Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG, die in den Sätzen 2 und 3 eine Beschränkung der nach Satz 1 für ältere Arbeitnehmer möglichen sachgrundlosen Befristung dahin vorsah, dass zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Zeitraums von weniger als sechs Monaten liegen durfte, könnte zwar dafür sprechen, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Zwingend ist dies aber nicht. Der systematische Kontext bedeutet eher nur, eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch bei einer Unterbrechung von deutlich mehr als sechs Monaten anzunehmen.

19

cc) Die Gesetzesgeschichte des TzBfG spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht modifiziert. Entsprechenden Anregungen im Gesetzgebungsverfahren ist er nicht nachgegangen. So hatte der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht ua. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag des angehörten Sachverständigen Preis wiedergegeben, nach welchem das legitime Ziel, Kettenbefristungen zu verhindern, auch mit einer Zwei-Jahres-Karenzregelung verhindert werden könne (BT-Drucks. 14/4625 S. 18). Dies mag den Umkehrschluss nahelegen, das Verbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine durch einen Zeitraum bestimmte Grenze(die historische Auslegung als entscheidend gegen ein eingeschränktes Verständnis des Vorbeschäftigungsverbots sehen zB an: APS/Backhaus § 14 TzBfG Rn. 381; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 432). Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Die Gesetzesmaterialien sind bei der Auslegung nur unterstützend und nur insofern heranzuziehen, als sich aus ihnen auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lässt (vgl. BVerfG 16. Februar 1983 - 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 - zu C II 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 62, 1). Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ist nicht entscheidend. Das Gewicht der historischen Auslegung darf nicht überschätzt werden. Es ist nicht maßgeblich, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (so explizit [mit Bezug auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung] BVerfG 16. August 2001 - 1 BvL 6/01 - zu II 2 der Gründe, NVwZ-RR 2002, 117). Desgleichen lässt das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 verlautbarte Vorhaben, die Möglichkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen so umzugestalten, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr auch dann möglich werde, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe (vgl. Auszug AuR 2009, 403, 404), keinen Rückschluss auf die richtige Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung nach der geltenden Rechtslage zu.

20

dd) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbots spricht der Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ missbraucht wird. Zur Verwirklichung dieses Zwecks bedarf es keines lebenslangen Anschlussverbots. Ein solches wäre vielmehr nach dem Normzweck überschießend.

21

(1) Der Zweck des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots der Vorbeschäftigung erschließt sich erst im Verhältnis zu § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG schränkt den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ein. Sein Normzweck kann demzufolge zutreffend nur ermittelt werden, wenn zugleich der vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgte Zweck berücksichtigt wird.

22

(a) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen soll zum einen dem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren; zum anderen soll die befristete Beschäftigung für den Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/06 - Rn. 22, BAGE 120, 34). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 13 f.) heißt es hierzu:

        

„– Befristungen ohne Sachgrund

        

Wie bisher wird es auch weiterhin zulässig sein, einen Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zu befristen und einen zunächst kürzer befristeten Arbeitsvertrag innerhalb der zweijährigen Höchstbefristungsdauer höchstens drei Mal zu verlängern (erleichterte Befristung). Die bisher zeitlich begrenzte Regelung wird als Dauerregelung ausgestaltet.

        

Die Erleichterung der Befristung von Arbeitsverträgen hat nicht zu einer Inflation befristeter Beschäftigung geführt. Der Anteil der Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz an allen Befristungen betrug im Jahre 1992 rund 10 % (Untersuchung Infratest Sozialforschung München). Die durch das Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Artikel 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985) eingeführte erleichterte Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht es Unternehmern, insbesondere auch Existenzgründern und Klein- und Mittelunternehmen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen, also in Fällen, die von der Rechtsprechung nicht als sachliche Befristungsgründe anerkannt sind, durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das ist zugleich eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative zur Überstundenarbeit und zum sog. Outsourcing (Übertragung von Tätigkeitsbereichen des Unternehmens auf andere Unternehmen, z. T. auch im Ausland).

        

Für viele Arbeitnehmer ist die befristete Beschäftigung eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Insbesondere Jugendlichen nach der Ausbildung erleichtern befristete Arbeitsverträge den Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine spätere dauerhafte Beschäftigung. Nach den übereinstimmenden Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen in den Jahren 1988 und 1992 mündete rund die Hälfte der befristeten Arbeitsverträge nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz in unbefristete Arbeitsverhältnisse.“

23

(b) Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ bzw. „Kettenverträgen“ missbraucht werden kann. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 14, 19) ist hierzu ausgeführt:

        

„– Einschränkung von Kettenverträgen

        

Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages ist künftig nur bei einer Neueinstellung zulässig, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen. Solche Befristungsketten sind bisher möglich, weil ein Arbeitsvertrag ohne Sachgrund auch nach einer Befristung mit Sachgrund zulässig ist und nach einer mindestens viermonatigen Unterbrechung wiederholt abgeschlossen werden kann. Ebenso kann sich ein Vertrag mit Sachgrund unmittelbar an einen Vertrag ohne Sachgrund anschließen. Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig.

        

…       

        

Ebenso ist eine erneute erleichterte Befristung auch nach mindestens viermonatiger Unterbrechung unzulässig. Befristungsketten, die durch einen mehrfachen Wechsel zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund entstehen, werden damit verhindert.“

24

Erklärter Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist also nicht etwa die Verhinderung befristeter Arbeitsverträge und auch nicht die Verhinderung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern die Verhinderung von „Befristungsketten“. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. EG L 175 vom 10. Juli 1999 S. 43), deren Umsetzung das TzBfG dient (BT-Drucks. 14/4374 S. 1; vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 19, BAGE 130, 146). Die Rahmenvereinbarung gebietet - wie der Gerichtshof der Europäischen Union wiederholt entschieden hat - nicht, dass bereits der erste oder einzige befristete Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 41 f., Slg. 2005, I-9981). Ziel der Rahmenvereinbarung ist vielmehr die Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen (vgl. EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 94, aaO; BAG 17. November 2010 - 7 AZR 443/09 (A) - Rn. 28, NZA 2011, 34).

25

(2) Hiernach rechtfertigt der mit § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG verfolgte Normzweck kein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung. Ein solches wäre überschießend. Ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung ist zur Verhinderung von „Befristungsketten“ nicht erforderlich. Wenn zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, kann von „Kettenverträgen“, „Befristungsketten“ oder „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ nicht mehr gesprochen werden. Zugleich liefe ein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung dem mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgten Normzweck zuwider. Durch ein solches Verständnis würde nämlich arbeitssuchenden Arbeitnehmern, die vor längerer Zeit schon einmal bei dem Arbeitgeber beschäftigt waren, die Chance genommen, über ein zunächst nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu gelangen. Die „Brücke zur Dauerbeschäftigung“, welche die sachgrundlose Befristung des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sein soll, bliebe solchen Arbeitnehmern versperrt, ohne dass dies nach dem mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck geboten wäre.

26

ee) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinn eines zeitlich unbeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen das Interesse an einer praktikablen Regelung sowie Erfordernisse der Rechtssicherheit. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung bedeutete häufig für beide Arbeitsvertragsparteien erhebliche praktische Schwierigkeiten beim Vertragsschluss und eine nicht zu vernachlässigende Rechtsunsicherheit. Jedenfalls dann, wenn eine Vorbeschäftigung lange Zeit zurückliegt, dürfte deren zuverlässige Feststellung mit beträchtlichen Komplikationen verbunden sein. Die Beantwortung der Frage, ob ein früheres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand und ob etwa eine unbeachtliche Umfirmierung oder eine beachtliche Rechtsnachfolge vorlag, gestaltet sich mit zunehmender Zeitdauer schwieriger. Unterlagen über längere Zeit zurückliegende, beendete Arbeitsverträge sind bei Abschluss des neuen Vertrags möglicherweise weder beim Arbeitgeber noch beim Arbeitnehmer vorhanden oder aktuell zugänglich. Der Kreis und das Erinnerungsvermögen der Personen, die unmittelbar Kenntnis von der früheren Beschäftigung des Arbeitnehmers haben, nehmen ab. Ein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Vorbeschäftigung und ein im Falle der vorsätzlichen Falschbeantwortung etwa gegebenes Anfechtungsrecht nach § 123 BGB erscheinen jedenfalls bei lange zurückliegenden Beschäftigungsverhältnissen wenig praktikabel(vgl. Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 453 bis 459). Sie sind vielmehr geeignet, zu erheblicher Rechtsunsicherheit zu führen. Bei Unklarheiten über eine etwaige Vorbeschäftigung wird der Arbeitgeber im Zweifel von der Einstellung Abstand nehmen. Bei späteren Streitigkeiten über die Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung und/oder über eine vom Arbeitgeber - ggf. vorsorglich - erklärte Anfechtung werden die Gerichte häufig vor der schwierigen Aufgabe stehen, sich eine Überzeugung davon zu bilden, ob der Arbeitnehmer vor Jahren bei „demselben“ Arbeitgeber beschäftigt war und ob er die diesbezügliche Frage wahrheitswidrig beantwortet hat. Mit den beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien an der Gewissheit über die Wirksamkeit ihrer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vereinbarten Befristung ist dies kaum vereinbar.

27

ff) Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob eine solche Auslegung noch verfassungskonform wäre (verneinend Persch ZTR 2010, 1; vgl. auch Löwisch BB 2001, 254). Jedenfalls gebietet eine die Wertordnung des Grundgesetzes berücksichtigende „verfassungsorientierte Auslegung“ (vgl. zu diesem Begriff BSG 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R - Rn. 14, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3; Voßkuhle AöR 125, 177, 180; vgl. zum Begriff der „verfassungsfreundlichen Auslegung“ BFH 16. November 2004 - VII R 16/04 - zu II der Gründe, BFHE 207, 376) ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung.

28

(1) Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Die Deutung darf aber nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16 mwN, GRUR 2011, 223). Die Fachgerichte haben daher das einfache Recht so auszulegen und anzuwenden, dass unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermieden werden (vgl. BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 17, aaO).

29

(2) Hiernach ist eine Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt geboten. Ein uneingeschränktes Anschlussverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lang zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Dies würde der in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden objektiven Wertentscheidung nicht hinreichend gerecht.

30

(a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen. Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus. Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286). Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird der Einzelne in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen(BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169). Staatliche Maßnahmen, die den Arbeitnehmer in seiner Freiheit beschränken, mit einem einstellungswilligen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis einzugehen und dieses privatautonom auszugestalten, bedürfen daher grundsätzlich einer Rechtfertigung.

31

(b) Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Da die Gesetze die Ausübung der Vertragsfreiheit in der speziellen Ausprägung der Berufsbetätigungsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz regeln, sondern auch, um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren, wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt. Er wird vielmehr traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286).

32

(c) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den staatlichen Eingriff in die Privatautonomie kann und wird sich häufig aus der Schutzpflichtfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG ergeben. Diese verpflichtet die staatlichen Grundrechtsadressaten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 419/05 - Rn. 18 mwN, BAGE 120, 42). Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie tragen der aus dem Grundrecht folgenden Schutzpflicht Rechnung (vgl. zum Kündigungsschutzgesetz: BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169).

33

(d) Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum(vgl. BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169; 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Dieser ist jedoch nicht unbeschränkt. Eingriffe in die Privatautonomie müssen zur Verwirklichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele geeignet, erforderlich und angemessen sein (vgl. BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - aaO). Auch hat der Gesetzgeber grundsätzlich die faktischen grundrechtsbeschränkenden Wirkungen, die mit seinen Schutzvorschriften verbunden sind, im Blick zu behalten (vgl. dazu BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 3 b bb und dd der Gründe, aaO). Beschränkungen der Privatautonomie, die zur Durchsetzung des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweckes nicht geeignet und erforderlich und damit überschießend sind, sind daher im Lichte der Verfassung in der Regel bedenklich und bei der Anwendung und Auslegung der Schutzvorschriften durch die Fachgerichte nach Möglichkeit zu vermeiden.

34

(e) Hiernach gebietet eine verfassungsorientierte Betrachtung eine Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im zeitlich eingeschränkten Sinn.

35

(aa) Der Gesetzgeber verfolgt mit der die Privatautonomie beschränkenden Bestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in Ausfüllung seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht legitime Ziele. Es geht ihm - ebenso wie bei den übrigen, die Befristung von Arbeitsverträgen betreffenden Regelungen des TzBfG - um die Verwirklichung eines arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes für die strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Diesen dient es, wenn der Gesetzgeber dafür Sorge trägt, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zu „Befristungsketten“ missbraucht werden können.

36

(bb) Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert jedoch kein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung. Vielmehr erscheint die mit einem lebenslangen Anschlussverbot verbundene Beschränkung der Privatautonomie und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig.

37

(aaa) Das Verbot der Vorbeschäftigung stellt für die darunter fallenden Arbeitnehmer neben dem Schutz vor Befristungsketten typischerweise ein Einstellungshemmnis dar. Arbeitgeber, die sich aus unternehmerischen oder betrieblichen Erwägungen entschließen, eine freie Stelle - jedenfalls zunächst - befristet ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zu besetzen, werden sich im Zweifel nicht für den Arbeitnehmer entscheiden, bei dem eine Vorbeschäftigung die Zulässigkeit der befristeten Einstellung ausschließt, sondern für denjenigen, bei dem einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrags kein Hindernis entgegensteht. Der Arbeitgeber wird - typischerweise - in einem solchen Falle die unbefristete Einstellung eines Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung anstelle der befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers ohne Vorbeschäftigung allenfalls dann in Erwägung ziehen, wenn es ihm auf das „Know-how“ gerade des Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung ankommt. Davon wird besonders dann auszugehen sein, wenn der Arbeitnehmer in jüngerer Vergangenheit bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Der Arbeitgeber wird sich in solchen Konstellationen möglicherweise wegen der rechtlichen Unmöglichkeit einer sachgrundlosen Befristung für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entscheiden. Bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen wird ein solcher Anreiz dagegen typischerweise nicht gegeben sein. Für Arbeitsplatzbewerber kann daher eine Vorbeschäftigung zu einem Einstellungshindernis werden (vgl. Hanau FS Wißmann S. 27, 35). Dies wird umso gravierender, je weniger Arbeitgeber für den Arbeitnehmer - etwa aufgrund seines Ausbildungsprofils - in Betracht kommen und je häufiger der Arbeitnehmer „vorbeschäftigt“ war.

38

(bbb) Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist - wie bei anderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften auch - im Interesse des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes hinzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn oder soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels als ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen erscheint. Das ist bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Verbot der Vorbeschäftigung der Fall. Ein Verbot in diesem Verständnis erscheint schon weder als geeignet noch erforderlich, um „Befristungsketten“ zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewähren. Jedenfalls ist die aus dem Verbot der Vorbeschäftigung für Arbeitsplatzbewerber sich ergebende faktische Benachteiligung bei der Arbeitsplatzsuche bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen(verhältnismäßig im engeren Sinn).

39

d) Die hiernach gebotene Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeiteinschränkenden Sinn erfordert eine im Wege der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung. Eine solche ist, soweit der Gesetzgeber die erforderliche Konkretisierung unterlassen hat, bisweilen unumgänglich und in der Rechtsprechung nicht selten (vgl. etwa zur Konkretisierung des Lohnwuchers BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 13 ff., BAGE 130, 338; zur Frage, von welchem Umfang an eine Arbeitszeiterhöhung eine mitbestimmungspflichtige Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt, BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 19, BAGE 128, 351). Der Senat hat sich dabei insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit statt der ebenso in Betracht kommenden Anknüpfung an die Art und Dauer der Vorbeschäftigung für eine zeitliche Grenze entschieden, nach deren Überschreitung eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht mehr anzunehmen ist. Für die genaue Festlegung des zeitlichen Abstands zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem Beginn des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses war in erster Linie der Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, „Befristungsketten“ und den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern, maßgeblich. Ein Zeitraum von drei Jahren erscheint geeignet, erforderlich und angemessen, der Missbrauchsverhinderung Rechnung zu tragen. Eine schutzzwecküberschießende, die Berufsfreiheit unverhältnismäßig beschränkende Folge wird damit vermieden. Die Zeitspanne entspricht außerdem der gesetzgeberischen Wertung, die in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt. Diese dient dem Interesse der Rechtssicherheit und dem Vertrauen eines - etwaigen - Schuldners darauf, aus einem länger zurückliegenden Lebenssachverhalt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierzu weist die erforderliche zeitliche Beschränkung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wertungsmäßig Parallelen auf. Auch hier ist es sachgerecht, die Beteiligten nicht mehr mit Schwierigkeiten zu belasten, die mit der Aufklärung eines lange Zeit zurückliegenden abgeschlossenen Lebenssachverhalts verbunden sind. Die Grenze von drei Jahren erscheint gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes angemessen. Das Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien darauf, dass einem Arbeitsvertrag, dessen Ende mehr als drei Jahre zurückliegt und der demzufolge regelmäßig für den Abschluss des neuen Vertrags keine wesentliche praktische Bedeutung mehr hat, keine Folgen mehr für die Gestaltung des neuen Vertrags zukommen, erscheint jedenfalls bei typisierender Betrachtung schützenswert.

40

e) Der Streitfall erfordert keine Einleitung eines Verfahrens nach § 45 Abs. 2 und Abs. 3 ArbGG. Der erkennende Senat weicht in keiner entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats ab. Insbesondere liegt keine Divergenz zu der Entscheidung des Zweiten Senats vom 6. November 2003 (- 2 AZR 690/02 - BAGE 108, 269) vor. Nach dieser kommt es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis „grundsätzlich“ nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Durch die Verwendung des Worts „grundsätzlich“ wird ausgedrückt, dass eine getroffene Aussage nicht absolut gilt, sondern Einschränkungen zulässt, möglicherweise sogar gebietet. Eine solche Einschränkung nimmt der - nach dem derzeitigen Geschäftsverteilungsplan für Rechtsstreitigkeiten über die Befristung von Arbeitsverhältnissen ausschließlich zuständige - erkennende Senat mit der vorliegenden Entscheidung vor. Im Übrigen wäre in dem vom Zweiten Senat entschiedenen Fall auch nach jetzigem Rechtsverständnis nicht anders zu erkennen, betrug doch dort die zeitliche Unterbrechung zwischen dem Ende des vorangegangenen Vertrags und dem Abschluss des neuen sachgrundlos befristeten Vertrags weniger als zwölf Monate. Der Senat weicht auch nicht deshalb von der Entscheidung des Zweiten Senats ab, weil er davon ausgeht, der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nicht eindeutig. Die Entscheidung des Zweiten Senats verhält sich jedenfalls insoweit zur Eindeutigkeit des Wortlauts des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht. Soweit der erkennende Senat im Beschluss vom 29. Juli 2009 (- 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12) ausgeführt hat, er halte „ebenso wie der Zweite Senat“ den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig, ist der Verweis missverständlich. Mit der Wortlauteindeutigkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat der Zweite Senat bei der Frage der Anwendung der Norm bei einer Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einer beabsichtigten Dauer von bis zu sechs Monaten argumentiert(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 b aa der Gründe, aaO).

41

2. Die streitgegenständliche Befristung ist damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Sie überschreitet nicht die Dauer von zwei Jahren. Die Vorbeschäftigung der Klägerin liegt über drei Jahre zurück und hindert die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht. Auf die weiteren von der Klägerin - gegen das Vorliegen und die Berücksichtigungsfähigkeit eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes - vorgebrachten Argumente kommt es nicht an.

42

IV. Die Befristung ist nicht wegen einer - zugunsten der Klägerin unterstellten - Verletzung der Pflichten nach § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L durch den beklagten Freistaat unwirksam.

43

1. § 18 Satz 1 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, befristet beschäftigte Arbeitnehmer über entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren. Bei einer Pflichtverletzung kommen nach allgemeinem Schuldrecht Schadensersatzansprüche in Betracht, etwa nach § 280 BGB wegen einer Vertragspflichtverletzung. Solche macht die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr geltend.

44

2. § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L räumt befristet Beschäftigten einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen ein. Unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Norm fallen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TV-L nur Beschäftigte, auf welche die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Ungeachtet der Frage einer Vereinbarkeit dieser Tarifbestimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung der Sache nach ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Arbeitgebers bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen. Bei einem Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen seine Verpflichtung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L kommt ein - im vorliegenden Revisionsverfahren nicht streitgegenständlicher - Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags oder auf Schadensersatz in Betracht(hierzu zB Braun ZTR 2009, 517).

45

3. Mit ihrem Argument, der Beklagte berufe sich wegen der Verletzung seiner Pflichten aus § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L rechtsmissbräuchlich auf die Beendigung des Arbeitsvertrags, verkennt die Klägerin, dass die Wirksamkeit einer Befristungsabrede grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist(zB BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 11, BAGE 127, 239). Es spielt für die Wirksamkeit der Befristung keine Rolle, ob der Beklagte ggf. verpflichtet war, mit der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Dies könnte lediglich einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags begründen. Die Wirksamkeit der Befristung hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Befristung des Arbeitsverhältnisses zulässig war. Dies ist hier der Fall.

46

B. Über den Klageantrag zu 2. hatte der Senat nicht zu entscheiden. Der Antrag steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

47

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Für den durch Ablauf der Amtszeit
verhinderten ehrenamtlichen Richter Güner
Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.08.2013, AZ: 4 Ca 582/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 28.02.2013 geendet hat.

2

Der Kläger war ab dem 09.08.1993 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.02.2008 zum 30.06.2009 aus betriebsbedingten Gründen. Aufgrund eines dreiseitigen Vertrages (Bl. 7 ff. d. A.) wechselte der Kläger zum 01. Mai 2009 für die Dauer von 12 Monaten in eine Transfergesellschaft. Nach Maßgabe des genannten Vertrages endete das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. April 2009.

3

Im Zeitraum vom 01.03. - 31.03.2010 war der Kläger aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen der Transfergesellschaft und der Beklagten bei dieser als Helfer in der Produktion beschäftigt. Ab dem 01.05.2010 war der Kläger zunächst arbeitslos; ab September 2010 arbeitete er für ein Drittunternehmen.

4

Unter dem 14.05.2010 schlossen die Parteien einen für den Zeitraum vom 15.05.2012 bis 30.06.2012 befristeten Arbeitsvertrag. Mit Vertrag vom 15.06.2012 wurde das befristete Beschäftigungsverhältnis bis zum 31. August 2012 verlängert. Unter dem 09.08.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit Beendigung der Einarbeitungszeit der Zeitgrad-Durchschnitt ab 01.08.2012 von 10% auf 30% angehoben worden sei.

5

Hinsichtlich des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23.08.2013.

6

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit den Anträgen,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 16.08.2012 am 28.02.2013 geendet hat und
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 28.02.2013 hinaus zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen im Bereich Operations weiter zu beschäftigen
abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt:

7

Die Befristung zum 28.02.2013 sei nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG gerechtfertigt. Bei der Befristungsabrede vom 16.08.2012 handele es sich um eine nach § 14 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. TzBfG statthafte Verlängerung und nicht um den Neuabschluss eines weiteren sachgrundlos befristeten Vertrages. Dies ergebe sich daraus, dass die Befristung zum 31.08.2012 noch während der Laufzeit mit Vereinbarung vom 16.08.2012 bis zum 28.02.2013 verlängert worden sei und durch diese Vereinbarung die Arbeitsbedingungen mit Ausnahme der Vertragslaufzeit nicht geändert worden seien. Ohne Bedeutung sei dem gegenüber die zuvor auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 09.08.2012 erfolgte Vergütungserhöhung. Diese Änderung sei zeitlich vor der Verlängerung vereinbart worden.

8

Die am 16.08.2012 vereinbarte Befristung verletze auch nicht das sogenannte Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehe ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dann nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege. Auch der Einsatz des Klägers vom 01.03. - 31.03.2010 bei der Beklagten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung rechtfertige keine andere Beurteilung. Während dieser Zeit sei die Beklagte nicht der Vertragsarbeitgeber gewesen.

9

Der Beklagten sei eine Berufung auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Vertragsgestaltung verwehrt. Sie habe das Zuvor-Beschäftigungsverbot nicht in einer mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbaren Weise umgangen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte gerade nicht durchgängig die Arbeitskraft des Klägers mit seiner sechzehnjährigen Berufserfahrung genutzt habe, sondern dies nur innerhalb der maßgeblichen 3-Jahres-Frist im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung für einen Monat der Fall gewesen sei.

10

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 16.10.2013 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 15.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 03.12.2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 04.12.2013, begründet.

11

Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 83 ff. d. A.), macht der Kläger zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

12

Die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung lägen nicht vor, da ein Verstoß gegen das Verbot der Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vorliege. Die vom Bundesarbeitsgericht zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zuvor" in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG angenommene 3-Jahres-Frist stelle eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers dar. Selbst wenn man von einer Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots auf einen Zeitraum von drei Jahren vor Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrages abstelle, müsse hiervon wieder eine Ausnahme für den Fall gemacht werden, dass der betroffene Arbeitnehmer innerhalb dieser 3-Jahres-Frist von einer vom Arbeitgeber selbst ins Leben gerufenen Transfergesellschaft als Leiharbeitnehmer beschäftigt werde. Wenn in Anlehnung an die gesetzliche Verjährungsfrist des § 195 BGB von einer 3-Jahres-Frist ausgegangen werde, müsse auf die gesetzliche Verjährungsfrist insgesamt und damit auch § 199 Abs. 1 BGB abgestellt werden. Schließlich handele es sich bei der zweiten Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages ab dem 01.09.2012 auch nicht um eine Verlängerung zu unveränderten Arbeitsbedingungen, weil im Zusammenhang mit dieser Verlängerung durch das vergütungserhöhende Schreiben der Beklagten vom 09.08.2012 eine Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen erfolgt sei.

13

Der Kläger beantragt,

14

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23.08.2013, Az.: 4 Ca 582/13, abzuändern und
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 16.08.2012 am 28.02.2013 geendet hat;
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen im Bereich Operations weiter zu beschäftigen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 16.01.2014, auf den Bezug genommen wird (Bl. 106 ff. d. A.), als zutreffend.

Entscheidungsgründe

I.

18

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und - auch inhaltlich ausreichend - begründet.

II.

19

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG folgt die Berufungskammer vollumfänglich der angefochtenen Entscheidung und stellt dies hiermit fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst folgende ergänzende Ausführungen:

20

1. Die Berufungskammer folgt ebenso wie das Arbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den Urteilen vom 06.04.2011 und 21.09.2011 (7 AZR 716/09, 7 AZR 375/10, EZA § 14 TzBfG Nr. 77 und Nr. 81). Insbesondere hat sich das Bundesarbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen im genannten Urteil vom 21.09.2011 mit wesentlichen Punkten der vom Kläger angeführten Kritik auseinandergesetzt und nach erneuter Prüfung sowie unter Berücksichtigung der im Schrifttum erhobenen Bedenken an der vorgenommenen Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG festgehalten. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen.

21

2. Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Wortlaut der gesetzlichen Regelung der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung nicht zwingend entgegen. Insbesondere sind die Worte "bereits zuvor" nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit "je zuvor" oder "irgendwann zuvor" (vgl. auch Erfurter Kommentar/Müller-Glöger, 14. Auflage, § 14 TzBfG, Randziffer 99). Vielmehr spricht der Zweck der Regelung gegen die Annahme eines zeitlich uneingeschränkten Verbots. Durch das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG sollen sogenannte Befristungsketten durch Missbrauch der in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG vorgesehenen Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung verhindert werden. Das Verbot der Zuvor-Beschäftigung kann allerdings zu einem Einstellungshindernis werden. Der Gesetzeszweck rechtfertigt die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien nicht in zeitlich unbeschränkter Hinsicht. Ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen führt zu einem nicht mehr vom Gesetzzweck gedeckten Einstellungshindernis, so dass die gesetzliche Regelung gemäß den verfassungsrechtlichen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts einer zeitlichen Einschränkung bedarf, um eine unverhältnismäßige Einschränkung der von Art. 12 Abs. 1 geschützten Berufungsfreiheit zu verhindern. Die vom Bundesarbeitsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit vorgenommene zeitliche Konkretisierung auf einen Zeitraum von drei Jahren führt zu einem sachgerechten und verhältnismäßigen Ausgleich. Sofern der Kläger die Auffassung vertritt, die in Anlehnung an die Verjährungsvorschriften vom Bundesarbeitsgericht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung statuierte 3-Jahres-Frist müsse hinsichtlich ihres Beginns insoweit ebenfalls in Entsprechung zu den gesetzlichen Verjährungsbestimmungen mit Schluss des jeweiligen Kalenderjahres beginnen (§ 199 Abs. 1 BGB), folgt dem die Berufungskammer nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Rahmen der Rechtsfortbildung lediglich an der Dauer der regelmäßigen Verjährungsfrist orientiert. Unter Berücksichtigung des oben dargestellten Schutzzweckes einerseits und der Notwendigkeit der Verhinderung einer unverhältnismäßigen Grundrechtsbeschränkung andererseits würde die Anwendung des § 199 Abs. 1 BGB zu eher zufälligen, sachlich nicht zu rechtfertigenden Unterschieden in der Dauer der maßgeblichen Frist führen.

22

3. Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass der Einsatz des Klägers im Zeitraum 01.03. - 31.03.2010 bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung der sachgrundlosen Befristung des später geschlossenen Arbeitsvertrages nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegen steht. Arbeitgeber im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist der jeweilige Vertragsarbeitgeber. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut hat der Gesetzgeber für die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht auf die vorherige Beschäftigung in einem Betrieb oder für einen Betriebsinhaber, sondern nur auf den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abgestellt (BAG, 09.03.2011 - 7 AZR 657/09 - EZA § 14 TzBfG Nr. 75).

23

4. Ebenso ist das Arbeitsgericht zutreffend in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (18.01.2006 - 7 AZR 178/05 - EZA § 14 TzBfG Nr. 26) davon ausgegangen, dass es sich bei der unter dem 16.08.2012 zwischen den Parteien vereinbarten Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses um eine Verlängerung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. TzBfG, und nicht um den Neuabschluss eines befristeten Vertrages handelt. Die Vereinbarung wurde noch während der Laufzeit der zuvor vereinbarten Befristung bis zum 31.08.2012 vereinbart, ohne dass bis auf die Vertragslaufzeit weitere Arbeitsbedingungen verändert wurden. Die einvernehmliche Änderung von Arbeitsbedingungen während der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Vertrages ist befristungsrechtlich nicht von Bedeutung. Eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässige Vertragsverlängerung setzt nicht voraus, dass die Bedingungen des Ausgangsvertrages während der gesamten Vertragslaufzeit unverändert beibehalten werden. Durch die Beschränkung mehrfacher sachgrundloser Befristungen auf Vertragsverlängerungen soll der Arbeitnehmer davor geschützt werden, dass der Arbeitgeber die zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer geänderte Arbeitsbedingungen akzeptiert oder dass der Arbeitnehmer durch das Angebot anderer - ggf. für ihn günstigerer - Arbeitsbedingungen zum Abschluss eines weiteren sachgrundlosen befristeten Arbeitsvertrages veranlasst wird. Keiner dieser beiden Schutzzwecke ist vorliegend berührt. Die mit Schreiben vom 09.08.2012 mit Wirkung ab dem 01.08.2012 mitgeteilte Erhöhung des Durchschnitts des Zeitgrads mit einer damit einhergehenden Vergütungserhöhung erfolgte zeitlich vor dem Abschluss der Verlängerungsvereinbarung. Es ist weder dargelegt, noch ersichtlich, dass der Kläger hierdurch zum Abschluss eines weiteren sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages veranlasst werden sollte. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte vor Abschluss der Verlängerungsvereinbarung in irgendeiner Weise zuvor einen Zusammenhang zwischen der erfolgten Vergütungserhöhung und dem Abschluss des Verlängerungsvertrages hergestellt hat.

24

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten in rechtsmissbräuchlicher Weise in Anspruch genommen hat, bestehen nicht. Ihr ist daher eine Berufung auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht verwehrt.

25

Der Grundsatz von Treu und Glauben stellt eine allgemeine Schranke der Rechtsausübung dar und beschränkt sowohl subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen. Die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm an sich ergebenden Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen, was u. a. der Fall ist, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtliche mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind (BAG, 09.03.2011 - 7 AZR 657/09, a. a. O.; 18.07.2012 - 7 AZR 443/09 - EZA § 14 TzBfG Nr. 86).

26

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger über die Transfergesellschaft lediglich für den Zeitraum von einem Monat eingesetzt war. Den restlichen Teil des 3-Jahres-Zeitraums war der Kläger nicht im Betrieb der Beklagten eingesetzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bewusst eine Vertragsgestaltung gewählt hat, um über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen mit dem Kläger vereinbaren zu können.

III.

27

Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht. Die sich zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26.09.2013 (6 Sa 28/13) ergebende Abweichung ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG unbeachtlich, da zu den vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg aufgeworfenen Rechtsfragen die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2011 und 06.04.2011 (a. a. O.) vorliegen.

A. 

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre strafgerichtliche Verurteilung im Anschluss an eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten. Mittelbar richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. zudem gegen die Vorschrift des § 257c StPO, die durch das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) - im Folgenden: Verständigungsgesetz - in die Strafprozessordnung eingefügt wurde und seither die rechtliche Grundlage für die Verständigung bildet. 

I. 

1. Die Praxis urteilsbezogener Verständigungen hat sich - feststellbar jedenfalls seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - als Instrument zur Bewältigung von Strafverfahren herausgebildet, ohne dass es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gegeben hätte. Es handelt sich hierbei um Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft sowie der Verteidigung und dem Angeklagten, nach denen das Gericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine bestimmte Strafe oder jedenfalls eine Strafobergrenze zusagt. Solche Verständigungen wurden häufig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen. Bei Abgabe des Geständnisses wurde sodann in der Regel auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet, so dass die Verständigung zu einer wesentlichen Verfahrensabkürzung führte. In den meisten Fällen wurde gegen ein Urteil, das auf einer solchen Verständigung beruhte, kein Rechtsmittel eingelegt, oftmals wurde sogar ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet (vgl. zur Entwicklung der Verständigungspraxis Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, Einl. Rn. 119 ff.). 

2. Eine wesentliche Ursache für die hohe praktische Bedeutung von Verständigungen wird in der stetig wachsenden Arbeitsbelastung der Strafjustiz gesehen, die bereits an die Grenze der Überlastung heranreiche (vgl. eingehend Krey/Windgätter, in: Festschrift für Hans Achenbach, 2011, S. 233 ff.). Neben der zunehmenden Komplexität der Fallgestaltungen infolge des wirtschaftlichen und technischen Fortschritts sowie der Globalisierung, die auch in neuen Formen grenzüberschreitender Kriminalität in Erscheinung tritt, trägt der Bundesgesetzgeber durch eine immer stärkere strafrechtliche Durchdringung vieler Lebensbereiche zu dieser Entwicklung bei. Die Regelungsdichte des materiellen Strafrechts ist in den vergangenen Jahrzehnten beständig gestiegen; dies gilt besonders für das Wirtschafts- und das Nebenstrafrecht (vgl. etwa Braun, AnwBl 2000, S. 222 <225>; Theile, MSchrKrim 2010, S. 147 <149 f.>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 249). Gleichzeitig bringt die zunehmende Differenzierung und Komplizierung des Strafprozessrechts immer höhere Anforderungen mit sich. So ist etwa die Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten für die tatrichterliche Praxis mittlerweile kaum noch überschaubar (vgl. Gössel, in: Festschrift für Reinhard Böttcher, 2007, S. 79 <80>; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 242 ff.). Zudem bieten extensiv einsetzbare Verfahrensrechte der Verteidigung zahlreiche Möglichkeiten, den Fortgang des Verfahrens zu erschweren; vor allem Ablehnungsgesuche und Beweisanträge sowie das Fragerecht können zu diesem Zweck missbraucht werden (vgl. Gössel, a.a.O., S. 81; Krey/Windgätter, a.a.O., S. 238 ff.). Unterdessen sehen sich die Tatgerichte durch das Beschleunigungsgebot in Haftsachen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt, die Verfahrensdauer trotz aller prozessualen Schwierigkeiten zu verkürzen. Dass die Bewertung richterlicher Arbeit und die Festsetzung der Arbeitspensen nicht unwesentlich nach quantitativen Gesichtspunkten erfolgt, schafft zusätzliche Anreize für eine möglichst rasche Verfahrenserledigung auch unter Inkaufnahme inhaltlicher Defizite. Der steigenden Belastung der Strafjustiz haben die Länder nicht durch eine entsprechende personelle und sachliche Ausstattung Rechnung getragen; vielmehr ist auch die Justiz immer wieder von Sparmaßnahmen betroffen (vgl. Krey/Windgätter, a.a.O., S. 235). 
 
3. Das Bundesverfassungsgericht prüfte 1987 in einer Kammerentscheidung (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 f.) die Zulässigkeit von Verständigungen im Strafprozess unter den Gesichtspunkten eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und des Schuldprinzips. Diese Grundsätze verböten nicht, außerhalb der Hauptverhandlung eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Verhandlung herbeizuführen, der schon das Strafrecht Grenzen setze. Sie schlössen es aber aus, die Handhabung der richterlichen Aufklärungspflicht, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in einer Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen solle, ins Belieben oder zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht und der Staatsanwaltschaft sei es deshalb untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen. Das Gericht dürfe sich also beispielsweise nicht mit einem Geständnis des Angeklagten begnügen, das dieser gegen die Zusage oder das In-Aussicht-Stellen einer Strafmilderung abgelegt habe, obwohl es sich beim gegebenen Verfahrensstand mit Blick auf das Ziel der Wahrheitserforschung und der schuldangemessenen, gerechten Ahndung der Tat zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen. Das Gericht müsse es sich auch versagen, den Angeklagten auf eine in Betracht kommende geständnisbedingte Strafmilderung hinzuweisen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Darüber hinaus sei die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Angeklagten vor beachtenswerter Beeinträchtigung geschützt, was seinen Ausdruck auch in der Bestimmung des § 136a StPO finde. Der Angeklagte dürfe infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen oder durch Täuschung zu einem Geständnis gedrängt werden. Das schließe jedoch eine Belehrung oder einen konkreten Hinweis auf die Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses nicht aus, wenn dies im Stand der Hauptverhandlung eine sachliche Grundlage finde. Nach diesen Maßstäben gelangte die Kammer im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass die Verständigung bei der im damaligen Ausgangsverfahren gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung - der anwaltlich verteidigte Angeklagte hatte von sich aus eine Verständigung angeregt, als die Beweisaufnahme bereits vor ihrem Abschluss stand - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 

4. Nachdem der Bundesgerichtshof gegenüber Verständigungen (in dessen früherer Terminologie: „Absprachen“) außerhalb der Hauptverhandlung anfänglich eine ablehnende Haltung eingenommen hatte (vgl. etwa BGHSt 37, 298 <304 f.>; BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 1993 - 1 StR 662/93 -, NJW 1994, S. 1293 f., und vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 529/95 -, wistra 1996, S. 68; BGHSt 42, 46 <48>), wurden Verständigungen innerhalb der Hauptverhandlung zunächst durch den 4. Strafsenat und sodann durch den Großen Senat für Strafsachen grundsätzlich gebilligt. 

a) In seiner Leitentscheidung vom 28. August 1997 (BGHSt 43, 195 ff.) erklärte der 4. Strafsenat - trotz ausdrücklicher Anerkennung der Vergleichsfeindlichkeit des Strafverfahrens und des Verbots einer Disposition über den staatlichen Strafanspruch - in der Hauptverhandlung getroffene Verständigungen für grundsätzlich zulässig und sprach zudem aus, dass sie - sofern nach den von ihm aufgestellten Vorgaben zustande gekommen - für das Gericht verbindlich seien. Unter folgenden Voraussetzungen könne eine Verständigung getroffen werden: Der Schuldspruch dürfe nicht Gegenstand der Verständigung sein. Ein verständigungsbasiertes Geständnis müsse auf seine Glaubhaftigkeit überprüft werden; sich hierzu aufdrängende Beweiserhebungen dürften nicht unterbleiben. Die freie Willensentschließung des Angeklagten müsse gewahrt bleiben; insbesondere dürfe er nicht durch Drohung mit einer höheren Strafe oder durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils zu einem Geständnis gedrängt werden. Die Vereinbarung eines Rechtsmittelverzichts sei unzulässig. Die Verständigung selbst müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgen; Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung seien aber möglich. In die Verständigung seien alle Verfahrensbeteiligten einzubeziehen. Das Ergebnis der Verständigung sei im Protokoll niederzulegen. Eine bestimmte Strafe dürfe das Gericht nicht zusagen; unbedenklich sei aber die Zusage einer Strafobergrenze. Von dieser dürfe nur abgewichen werden, wenn sich neue schwerwiegende Umstände zu Lasten des Angeklagten ergäben; auf eine beabsichtigte Abweichung sei in der Hauptverhandlung hinzuweisen. Der Strafausspruch dürfe den Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen. 
 
b) Der Große Senat für Strafsachen hielt in seinem Beschluss vom 3. März 2005 (BGHSt 50, 40 ff.) an den vom 4. Strafsenat aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Verständigungen fest und präzisierte diese dahingehend, dass die Differenz zwischen der verständigungsgemäßen und der bei einem „streitigen Verfahren“ zu erwartenden Sanktion nicht unangemessen groß sein („Sanktionsschere“) und das Gericht nicht nur wegen neuer Erkenntnisse von seiner Zusage abweichen dürfe, sondern - nach entsprechendem Hinweis - auch dann, wenn schon bei der Verständigung vorhandene relevante tatsächliche oder rechtliche Aspekte übersehen worden seien. Der nach einer Verständigung erklärte Rechtsmittelverzicht sei grundsätzlich unwirksam; die Unwirksamkeit entfalle jedoch, wenn der Rechtsmittelberechtigte darüber belehrt worden sei, dass er ungeachtet der Verständigung in seiner Entscheidung frei sei, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Die grundsätzliche Billigung der Verständigung begründete der Große Strafsenat mit der Notwendigkeit, trotz knapper Ressourcen die Funktionstüchtigkeit der Strafjustiz zu gewährleisten, und mit Hinweisen auf den Beschleunigungsgrundsatz, die Prozessökonomie sowie den Zeugen- und Opferschutz. Allerdings sei die Strafprozessordnung in ihrer geltenden Form am Leitbild der materiellen Wahrheit orientiert, die vom Gericht in der Hauptverhandlung von Amts wegen zu ermitteln und der Disposition der Verfahrensbeteiligten weitgehend entzogen sei. Die Praxis der Verständigungen sei daher kaum ohne Bruch in das gegenwärtige System einzupassen. Aus diesem Grund appellierte der Große Senat für Strafsachen an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und, bejahendenfalls, die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Verständigungen im Strafprozess gesetzlich zu regeln. 

5. Dieser Forderung nach einer gesetzlichen Regelung hat der Gesetzgeber mit dem Verständigungsgesetz Rechnung getragen. Das darin enthaltene Regelungskonzept geht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8) in seinem Grundansatz davon aus, dass für die Verständigung im Strafverfahren keine neue - dem deutschen Strafprozess bislang unbekannte - Form einer konsensualen Verfahrenserledigung eingeführt werden sollte, die die Rolle des Gerichts, insbesondere seine Verpflichtung zur Ermittlung der materiellen Wahrheit, zurückdrängen würde. Die Grundsätze des Strafverfahrens sollten vielmehr weiterhin Geltung behalten, namentlich, dass eine Verständigung unter Beachtung aller maßgeblichen Verfahrensregeln einschließlich der Überzeugung des Gerichts vom festgestellten Sachverhalt und der Glaubhaftigkeit eines Geständnisses stattfinden müsse, die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs, nicht zuletzt auch die Transparenz der Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gewahrt sein müssten, und dass insbesondere der Boden schuldangemessenen Strafens nicht verlassen werden dürfe. 

Die zentrale Bestimmung des gesetzgeberischen Regelungskonzepts in § 257c StPO hat folgenden Wortlaut:

§ 257c
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. 
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. 
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen. 
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. 

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren. 

Die Vorschrift erlaubt dem Gericht ausdrücklich eine Verständigung über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nach den darin genannten Maßgaben; sie stellt außerdem klar, dass die Pflicht des Gerichts zur Sachverhaltsaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) unberührt bleibt. Hierdurch soll in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs die Beachtung der rechtsstaatlichen Anforderungen an das Strafverfahren gewährleistet und insbesondere die Schuldangemessenheit der Strafe sichergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9). 

Außerdem wurden Vorschriften eingeführt, die es der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren sowie dem Gericht vor und nach Eröffnung des Hauptverfahrens sowie in der Hauptverhandlung ausdrücklich erlauben, „den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern“ (§§ 160b, 202a, 212, 257b StPO). Der wesentliche Inhalt einer solchen Erörterung ist jeweils aktenkundig zu machen; der Inhalt einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Erörterung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 Satz 2 StPO). 

§ 160b
Die Staatsanwaltschaft kann den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 202a
Erwägt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, kann es den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. Der wesentliche Inhalt dieser Erörterung ist aktenkundig zu machen. 

§ 212
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens gilt § 202a entsprechend. 

§ 257b
Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern. 

§ 273
(1) […] In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden. […] 
Flankiert werden diese Regelungen durch weitere neue Vorschriften, die die Transparenz der Verständigung und die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht gewährleisten sollen. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist in der Hauptverhandlung mitzuteilen, ob - und falls ja mit welchem Inhalt - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen des Verfahrensstandes zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben, in denen die Möglichkeit einer Verständigung nach § 257c StPO thematisiert wurde:

§ 243
[…] (4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, muss dies in den schriftlichen Urteilsgründen angegeben werden (§ 267 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 2 StPO). 

Die in § 273 StPO enthaltenen Vorschriften über die Protokollierung der Hauptverhandlung wurden wie folgt erweitert:

§ 273
[…] (1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken. […] 
Ist dem Urteil eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen, ist ein Rechtsmittelverzicht ausgeschlossen (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO). In diesem Fall ist der Angeklagte darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen (§ 35a Satz 3 StPO). 

6. Das Regelungskonzept des Gesetzgebers ist teils auf Zustimmung (vgl. etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 ff.) gestoßen, teils aber auch auf scharfe Kritik (vgl. etwa Meyer-Goßner, ZRP 2009, S. 107 ff.; Bittmann, wistra 2009, S. 414 ff.; Fezer, NStZ 2010, S. 177 ff.). Nach verbreiteter Ansicht entsprechen die gesetzlichen Vorschriften über die Verständigung nicht den Bedürfnissen der Praxis. So werden die Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie der generelle Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts als Erschwerung der richterlichen Tätigkeit und damit als Rückschritt gegenüber der früheren Rechtslage empfunden; der mit der Verständigung angestrebte Entlastungseffekt werde dadurch jedenfalls teilweise wieder zunichte gemacht (vgl. Polomski, DRiZ 2011, S. 315 f.). Ferner wird die Auffassung vertreten, § 257c StPO regele nur die „förmliche“ Verständigung, weshalb für „informelle“ Absprachen oder „Gentlemen‘s Agreements“ außerhalb der Hauptverhandlung weder die gesetzlichen Protokollierungs- und Belehrungspflichten noch der Ausschluss eines Rechtsmittelverzichts gälten (vgl. Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, a.a.O., S. 416 Fn. 25). 

II. 

1. a) Der Beschwerdeführer zu I. wurde als einer von vier Angeklagten durch das Landgericht München II mit Urteil vom 9. März 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 259 tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit vier Fällen der Beihilfe zum vorsätzlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Unmittelbar nach Anklageverlesung und Belehrung der Angeklagten war die Hauptverhandlung für ein Rechtsgespräch unterbrochen worden. Anschließend gaben die Verteidiger für ihre Mandanten jeweils eine Erklärung ab, und die Angeklagten erklärten sich zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Der Vorsitzende schlug die Erteilung eines Hinweises vor, wonach das Gericht in voller Besetzung das Verfahren gemäß § 257b StPO mit den Verteidigern und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ausführlich erörtert habe. Unter Berücksichtigung der vorläufigen rechtlichen Bewer- tung, der Vorstrafen und eines angekündigten Geständnisses der Angeklagten rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu I. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Jahren und die drei Mitangeklagten zu Gesamtfreiheitsstrafen von nicht mehr als fünf Jahren und sechs Monaten, zwei Jahren und vier Jahren verurteilt würden. Für den Fall einer Verurteilung in dieser Größenordnung habe die Staatsanwaltschaft angekündigt, ein dort noch anhängiges Ermittlungsverfahren zu einem weiteren Tatkomplex im Wesentlichen nach § 154 Abs. 1 StPOeinzustellen. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Die Angeklagten, die Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten sich mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden. Im Anschluss machten die Angeklagten jeweils Angaben zur Sache, wobei der Beschwerdeführer zu I. auch Fragen beantwortete. Sämtliche polizeilichen Zeugenvernehmungsprotokolle wurden gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1 Satz 1 StPO im Selbstleseverfahren eingeführt und die entsprechenden Zeugen abgeladen. In der Folge vernahm die Kammer noch mehrere Polizeibeamte und Behördenmitarbeiter als Zeugen. Unterlagen wurden teils in Augenschein genommen oder verlesen, teils im Selbstleseverfahren eingeführt. 

b) Mit seiner Revision beanstandete der Beschwerdeführer zu I. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhob die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. In Bezug auf den Belehrungsfehler verwies der Bundesgerichtshof auf eine frühere Entscheidung (Beschluss vom 17. August 2010 - 4 StR 228/10 -), in der er die Rüge eines Verstoßes gegen § 257c Abs. 5 StPO mit der Erwägung zurückgewiesen hatte, das Urteil beruhe nicht auf dem Fehler, weil die Strafkammer die im Rahmen der Verständigung angekündigte Strafobergrenze eingehalten habe. 

2. a) Die Beschwerdeführer zu II. wurden durch das Landgericht München II mit Urteil vom 27. April 2010 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges in 27 tatmehrheitlichen Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Beschwerdeführer zu II. 1)) und drei Jahren und vier Monaten (Beschwerdeführer zu II. 2)) verurteilt. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Zu Beginn der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Beschwerdeführers zu II. 2) ein Rechtsgespräch angeregt, für das die Verhandlung unterbrochen wurde. In der Pause führten die Verteidiger, das Gericht und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Verständigungsgespräche. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung stellte das Gericht fest, das Verfahren gemäß § 257b StPO mit allen Verfahrensbeteiligten ausführlich erörtert zu haben. Die Kammer habe darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage und vorbehaltlich des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der Beweisaufnahme ein Schuldspruch wegen 27 Fällen des Betruges in besonders schwerem Fall jeweils in Tateinheit mit dem vorsätzlichen gemeinschaftlichen unerlaubten Betreiben eines Bankgeschäfts in Betracht komme. Unter Berücksichtigung dieser Bewertung sowie eines angekündigten Geständnisses rege die Kammer an, dass sich die Verfahrensbeteiligten dahingehend verständigten, dass der Beschwerdeführer zu II. 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und sechs Monaten verurteilt werde und der Beschwerdeführer zu II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und vier Monaten. Eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erfolgte nicht. Dem Vorschlag stimmten die Beschwerdeführer zu II., ihre Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich zu. Auf die Einvernahme von Zeugen - mit Ausnahme des ermittelnden Polizeibeamten - wurde allseits verzichtet. Die Verteidiger gaben Erklärungen zur Sache ab, die sich die Beschwerdeführer zu II. jeweils zu eigen machten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf diesen Erklärungen und auf den Angaben des ermittelnden Polizeibeamten sowie den im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Ergebnissen einer von der Polizei in Form von Fragebögen durchgeführten schriftlichen Zeugenbefragung. 

b) Mit ihrer Revision beanstandeten die Beschwerdeführer zu II. den Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO und erhoben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 2. November 2010 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Zu dem Belehrungsmangel führte er aus, dass eine der von § 257c Abs. 4 StPO erfassten Fallgestaltungen, über deren Rechtsfolgen vorab zu belehren sei, nicht vorliege. Die verhängten Strafen überstiegen auch nicht die vom Gericht jeweils zugesicherte Höhe. Konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, so dass letztlich ein für sie günstigeres Urteil nicht auszuschließen wäre, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. 

3. a) Der Beschwerdeführer zu III. wurde als einer von zwei Angeklagten durch das Landgericht Berlin mit Urteil vom 15. März 2011 wegen zweier Fälle des schweren Raubes und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung ging eine Verständigung voraus. Der Vorsitzende hatte die Angeklagten nach Verlesung der Anklageschrift darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Raubtaten im Wesentlichen drei Möglichkeiten gebe. Die erste sei ein Freispruch, die zweite eine Verurteilung wegen eines oder zweier Fälle des schweren Raubes mit jeweils einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nach streitiger Beweisaufnahme. In der zweitgenannten Konstellation - so die Urteilsgründe - „verspüre“ die Kammer angesichts dessen, dass es sich um Taten handele, die die Angeklagten als Polizeibeamte im Dienst begangen hätten, „wenig Neigung“ zur Annahme von minder schweren Fällen. Die dritte Möglichkeit schließlich sei hinsichtlich der Konsequenzen ein Mittelweg: Falls die Angeklagten sich zu Geständnissen, die eine Beweisaufnahme überflüssig machen, entschlössen, könne dieser Umstand bei der Gesamtabwägung, ob minder schwere Fälle vorliegen, eine entscheidende Rolle spielen und letztlich den Ausschlag zugunsten der Angeklagten geben. In diesem Fall seien Gesamtfreiheitsstrafen zu erwarten, deren Vollstreckung die Kammer zur Bewährung aussetzen könne. Während einer 85-minütigen Verhandlungspause hatten die Angeklagten Gelegenheit, über den Vorschlag des Gerichts nachzudenken und ihn mit ihren Verteidigern zu beraten. Der Vorsitzende mahnte derweil zur Eile. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu III. warnte ihn sein Verteidiger zudem vor der Möglichkeit einer „Saalverhaftung“, wenn er der vorgeschlagenen Verständigung nicht nähertrete. Nach der Verhandlungspause erklärten die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Gerichts, was entsprechend zu Protokoll genommen wurde. Nach allgemeiner und besonderer Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO legten die Angeklagten Geständnisse in Form einer schlichten Bestätigung des Anklagesatzes ab. Anschließend erklärten die Verteidiger jeweils, dass Fragen zur Sache nicht beantwortet würden. Auf die Vernehmung von Zeugen wurde allseits verzichtet. Nach den Plädoyers und dem letzten Wort der Angeklagten zog sich die Kammer zur Beratung zurück, trat sodann aber noch einmal in die Beweisaufnahme ein, um die Angeklagten zu fragen, ob sie bei den Taten ihre Dienstwaffen bei sich geführt hätten und ob diese geladen gewesen seien, was die Angeklagten bejahten. Die Feststellungen im Urteil beruhen ausschließlich auf den Erklärungen der Angeklagten und entsprechen weitgehend dem Anklagesatz. 

b) Mit seiner Revision machte der Beschwerdeführer zu III. im Wege der Verfahrensrüge Verstöße gegen § 244 Abs. 2 StPO und gegen § 136a StPO geltend und erhob daneben die Sachrüge. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPOals unbegründet und bemerkte lediglich ergänzend, dass er der Revision jenseits der vom Generalbundesanwalt zutreffend als unzulässig bewerteten Verfahrensrügen eine noch zulässig erhobene Beanstandung der Anwendung von § 257c StPO entnehme. Diese greife in der Sache aber nicht durch. Das Landgericht habe den Angeklagten vor Augen halten dürfen, dass im Verurteilungsfall nur unter der Voraussetzung eines Geständnisses der Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB (minder schwerer Fall) eröffnet sein könne. Eine Drohung mit einer willkürlich bemessenen „Sanktionsschere“ liege deshalb nicht vor. Zu allen darüber hinausgehenden Behauptungen unzulässigen Drucks fehle es schon an ausreichendem Revisionsvortrag. Abgesehen davon sei insoweit ersichtlich nichts erwiesen. 

III. 

1. Die Beschwerdeführer zu I. und zu II. rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Selbstbelastungsfreiheit und des fairen Verfahrens sowie dem Schuldprinzip, ferner Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG, Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 101 Abs. 1 GG durch das Unterlassen der von § 257c Abs. 5 StPO verlangten Belehrung vor Zustandekommen der Verständigung. Hilfsweise rügen sie die Verfassungswidrigkeit des § 257c StPOwegen Verstoßes insbesondere gegen das Schuldprinzip und das Rechtsstaatsgebot. 

a) Die Möglichkeit einer Beeinflussung des Verfahrensausgangs durch eine Verständigung übe mittelbar Druck auf den Angeklagten aus, ein Geständnis abzulegen. Eine freiverantwortliche, auf autonomer Einschätzung des damit verbundenen Risikos beruhende Entscheidung über die Abgabe eines Geständnisses setze voraus, dass der Angeklagte wisse, dass sich das Gericht über § 257c Abs. 4 StPOwieder von der Verständigung lösen könne. Die Gerichte hätten diese Aufgabe, die der Gesetzgeber der Belehrungspflicht zugewiesen habe, übersehen und § 257c Abs. 5 StPO unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG zu einer reinen Ordnungsvorschrift entwertet. Käme nämlich - worauf die Revisionsentscheidung hinauslaufe - ein Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO nur bei einer Abweichung des Gerichts von der Verständigung zum Tragen, so bliebe ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht letztlich in allen Fällen ohne Konsequenz, da bei einer Abweichung von der Verständigung das Geständnis schon wegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht verwertbar sei. Auch aus tatsächlicher Sicht überzeuge die Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht, da niemand wissen könne, ob bei ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung überhaupt zustande gekommen wäre. 

b) Die Vorschrift des § 257c StPO verstoße gegen das Schuldprinzip und das aus Rechtsstaatsgebot und Gleichheitssatz folgende Legalitätsprinzip, die beide die Ermittlung des wahren Sachverhalts verlangten. Das Bemühen um Gewährleistung einer - trotz der Verständigung - schuldangemessenen Strafe sei mit dem zugleich verfolgten Anliegen einer Verfahrensverkürzung unvereinbar. Dieser innere Widerspruch präge die gesamte Diskussion zu § 257c StPO. Die gesetzliche Regelung sei nicht geeignet, die Realität der Verständigungspraxis zu beeinflussen. Eine wirksame revisionsgerichtliche Kontrolle von Verständigungen sei nicht möglich. Die Verständigung laufe darauf hinaus, der gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zugrundezulegen; dieses sei aber gerade nicht zur Findung der materiellen Wahrheit, sondern lediglich zu einer Verdachtsklärung bestimmt. Die Schöffen, die den Akteninhalt nicht kennten, seien für ihre Überzeugungsbildung auf den Inbegriff der Hauptverhandlung angewiesen. Im Falle eines Scheiterns der Verständigung sei die Neutralität des Richters im weiteren Verlauf des Verfahrens gefährdet. Dass dem unverteidigten Angeklagten faktisch die Möglichkeit einer Verständigung verschlossen bleibe, verstoße gegen den Gleichheitssatz. 

2. Der Beschwerdeführer zu III. rügt eine Verletzung seiner Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgerichtshof habe die Anforderungen an die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Revision überspannt. Ferner verstoße die vom Landgericht angedrohte „Sanktionsschere“ gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Schließlich habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es das Geständnis nicht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft habe. 

IV. 

1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Durch die Verständigung werde nicht ermöglicht, dass sich die Verfahrensbeteiligten ohne Ermittlung des wahren Sachverhalts auf ein bestimmtes Ergebnis einigten. § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO stelle vielmehr klar, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch im Falle einer Verständigung unberührt bleibe. Entsprechendes gelte für die Strafzumessung, die sich weiterhin nach § 46 StGB bestimme. Der Angeklagte könne unabhängig vom Vorliegen einer Verständigung frei entscheiden, ob er sich geständig einlassen wolle oder nicht. § 257c StPO lasse daher die Selbstbelastungsfreiheit unberührt. Auch die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege werde durch die gesetzliche Regelung nicht beeinträchtigt. Vielmehr könne eine geständige Einlassung zu einer weniger umfangreichen Beweisaufnahme führen. Auch könnten Verständigungen eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, wenn ein Geständnis die Vernehmung von Opferzeugen in der Hauptverhandlung entbehrlich mache. 

2. Die Bayerische Staatsregierung, die sich zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. geäußert hat, hält diese für unbegründet. Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege nicht vor. Zum einen habe sich das Gericht an die zugesagten Strafobergrenzen gehalten, zum anderen mache die bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Belehrung von der Verständigung insgesamt Abstand genommen hätten, das Verfahren nicht unfair. § 257c StPO verletze weder das Schuldprinzip noch den Legalitätsgrundsatz. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, ein Ermittlungs- oder Strafverfahren durch Einräumung von inneren und äußeren Umständen im Rahmen einer Verständigung abzukürzen, werde der Tatsache gerecht, dass dem Angeklagten aufgrund seiner Subjektqualität auch zugetraut werden müsse, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Außerdem lasse § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Amtsaufklärungspflicht unberührt. 

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3., 4. und 5. Strafsenats vorgelegt. 

a) Der Vorsitzende des 1. Strafsenats führt aus, eine frühe Einbeziehung des Angeklagten und seines Verteidigers in die Überlegungen zur Strafzumessung bis hin zu einer Verständigung stärke die Stellung des Angeklagten als Subjekt. An der Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung habe sich durch § 257c StPO nichts geändert. Seien die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Tatsachen nach Überzeugung des Gerichts durch ein Geständnis umfassend erwiesen, komme einer weiteren Beweisaufnahme keine Bedeutung mehr zu. Sie werde von § 244 Abs. 2 StPO nicht gefordert und sei zur Vermeidung unnötiger Belastung des Angeklagten, der Tatopfer sowie zum effektiven Einsatz der Ressource Recht zu vermeiden. Eine überdurchschnittliche Fehlerquote könne der Senat bei dem Verständigungsverfahren gemäß § 257c StPO nicht konstatieren. Von den im Jahr 2011 beim 1. Strafsenat anhängig gewordenen 650 Revisionsverfahren habe dem Urteil nur in 34 Fällen (ca. 5 %) eine Verständigung zugrunde gelegen. Nur in drei Fällen habe es Anlass zu Kritik gegeben: In zwei Fällen habe eine unzulässige Vereinbarung über den Schuldspruch vorgelegen, im dritten Fall eine unvertretbare Nichtberücksichtigung eines besonders schweren Falles. 

b) Die Vorsitzenden des 3. und 4. Strafsenats verweisen auf Entscheidungen ihrer Senate. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats verweist ebenfalls auf Entscheidungen seines Senats und teilt mit, die von seinem Strafsenat bislang entschiedenen Fälle ließen aus seiner Sicht noch keine generelle Beurteilung der Normanwendung durch die Tatgerichte aus der in diesem Bereich ohnehin eingeschränkten Sicht des Revisionsgerichts zu. Der Senat hege bislang keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 257c StPO.
 
4. Der Generalbundesanwalt hält § 257c StPO für grundsätzlich verfassungskonform. Die Norm ersetze nicht die bisherige Struktur des Strafprozesses durch ein adversatorisches Verfahren, sondern füge sich entsprechend dem Willen des Gesetzgebers in das bestehende System ein. Sie verletze weder das Schuldprinzip noch das Recht auf ein faires Verfahren. Die Unschuldsvermutung und die Selbstbelastungsfreiheit blieben ebenso unangetastet wie der Gleichheitssatz. Zwar führe die gesetzliche Zulassung von Verständigungen zu Spannungen mit zahlreichen Verfahrensmaximen des Strafprozesses. In Anbetracht des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers folge hieraus aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Erheblich für die Verfassungsmäßigkeit der Verständigung spreche, dass sie besonders geeignet sei, den - in seiner Bedeutung im Verhältnis zum Ideal der Wahrheitsfindung zuletzt deutlich aufgewerteten - Zweck der Herstellung von Rechtsfrieden zu erreichen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Verständigung auch auf einer angemessenen Einbeziehung und Interessenwahrung des Opfers beruhe. Eine Legitimation der Verständigung lasse sich teilweise auch aus dem Prinzip der Disponibilität von Rechten ableiten. Die Rechtsordnung gewähre dem Angeklagten in weitem Umfang die Möglichkeit, auf Verfahrensrechte zu verzichten und die Art seines Verteidigungsverhaltens autonom zu bestimmen. Anführen lasse sich für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Verständigungen ferner, dass diese Erledigungsart auf dem durchweg als modern und zeitgemäß empfundenen Gebot eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils aufbaue. 

Ungeachtet dessen entfalte die gesetzliche Verankerung der Verständigung eine erhebliche Sogwirkung in Richtung auf strukturelle Veränderungen des Strafprozesses. Die Anerkennung und Ausbreitung quasi-vertraglicher Erledigungsformen habe sich in mehreren Stufen mit bislang ungebrochen expansiver Tendenz vollzogen. Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten die normative Kraft des Faktischen nur nachholend bestätigen können, wobei gegenläufige, auf eine Kanalisierung der Verständigungspraxis gerichtete Bestrebungen bislang nicht in der Lage gewesen seien, die Dynamik der Entwicklung aufzuhalten. Ein wesentliches Motiv für die gewachsene Zahl von Verständigungen sei die in den vergangenen Jahrzehnten gestiegene Arbeitsbelastung der Justiz, mit der deren sachliche und personelle Ausstattung nicht Schritt gehalten habe. Angesichts dessen beziehe die Verständigung als Gegenmodell zur Durchführung einer aufwendigen streitigen Hauptverhandlung einen wesentlichen Teil ihrer Attraktivität aus der Möglichkeit für alle Beteiligten, das Verfahren drastisch abzukürzen, es möglichst weiterer rechtlicher Kontrolle zu entziehen und so über die Einsparung von Arbeitsaufwand im konkreten Fall die jeweiligen Erledigungsquoten - beim Verteidiger zudem mit positiven ökonomischen Folgen - zu erhöhen. 

Zur Sicherung der Verfassungskonformität sei daher einer weiteren Expansion von Formen der Verständigung im Strafprozess Einhalt zu gebieten. Dieser Erledigungsart könne im strafprozessualen System nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine ergänzende Funktion zukommen. Sie dürfe nicht zum Regelfall des Strafverfahrens werden. Um den mit ihr verbundenen mittelbaren Gefährdungen verfassungsrechtlich geschützter Verfahrensprinzipien auf Dauer entgegenzuwirken, bedürften Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 257c StPO in Fortführung bereits vorhandener Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung einer einschränkenden Auslegung. Ferner seien die im Gesetz angelegten Restriktionspotenziale über die bisherige Rechtsanwendung hinaus weiter auszuschöpfen und weitere flankierende Maßnahmen geboten. 

Vor diesem Hintergrund hält der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Beruhensprüfung hinsichtlich des Belehrungsmangels sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. erachtet der Generalbundesanwalt dagegen auf der Grundlage der von ihm als notwendig erachteten verfassungskonformen Auslegung des § 257c StPOals nicht aussichtslos. Es fehle bereits an der plausiblen Darlegung der Eignung des Falles für eine Verständigung, auf die die Strafkammer vorschnell ausgewichen sei. Zudem habe das Landgericht das erkennbar auf eine reine Bestätigung der Anklage beschränkte Geständnis keiner weiteren Überprüfung unterzogen. Schließlich gehe die Verständigung auf ein verfassungsrechtlich bedenkliches Aufzeigen von Alternativstrafen zurück. 

5. Der Senat hat ferner Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer eingeholt. 
a) Der Deutsche Richterbund vertritt die Auffassung, das Verständigungsgesetz habe zwar einen erheblichen Gewinn an Rechtssicherheit gebracht; gleichwohl habe sich die gesetzliche Regelung aus Sicht der Praxis nicht uneingeschränkt bewährt. Das Risiko, dass eine Verständigung auch und gerade wegen des erwünschten Beschleunigungseffekts einen Verzicht auf gründliche und umfassende Sachaufklärung zur Folge haben könne, sei unübersehbar. Die Verkürzung der Hauptverhandlung führe außerdem dazu, dass der - in der Praxis in aller Regel von der Polizei erstellte - schriftliche Inhalt der Akten an Bedeutung gewinne. Die Justiz drohe die gebotene Kontrolle über die polizeilichen Ermittlungsergebnisse zu verlieren. Hinzu komme, dass es für alle Verfahrensbeteiligten verführerisch sei, sich die oft notwendige Erfassung, Auswertung und Beurteilung umfangreicher elektronisch gespeicherter Beweismittel durch eine Verständigung zu ersparen unter Inkaufnahme und im Bewusstsein des Umstandes, dadurch nur einen kleinen Teil des Beweisstoffes zur Kenntnis zu nehmen. Nicht von der Hand zu weisen sei die Gefahr, dass gerade bei Verfahren großen Umfangs das zu einem frühen Zeitpunkt aus echter Reue abgegebene Geständnis im Vergleich zu dem im Hinblick auf eine mögliche Verständigung taktisch zurückgehaltenen Geständnis entwertet werde. Damit verbunden sei die bedenkliche Tendenz, „kleine“, häufig unverteidigte Straftäter härter zu bestrafen, während die Justiz in Großverfahren aus Mangel an Mitteln immer nachgiebiger werde. Die in vielen Ländern unzureichende Personalausstattung der Justiz führe in der Kombination mit weiteren ungünstigen Rahmenbedingungen des deutschen Strafprozesses, deren Verbesserung bislang nicht gelungen sei, immer wieder zu Hauptverhandlungen, die der Öffentlichkeit nicht als dem hohen Gerechtigkeitsanspruch der deutschen Justiz entsprechend vermittelt werden könnten. Dadurch leide das Ansehen der Rechtspflege insgesamt. Hinzu komme, dass das Verständigungsverfahren zahlreiche noch offene Probleme aufweise. So würden die Öffentlichkeits- und Protokollierungspflichten teilweise als Belastung empfunden; zugleich würden vielfältige Hinweis- und Fürsorgepflichten des Tatrichters die Handhabung des § 257c StPO erschweren. Auch die umfangreichen Belehrungspflichten des § 257c Abs. 5 StPO hätten sich als wenig praxistauglich erwiesen. Der Ausschluss des Verzichts auf Rechtsmittel stehe im Widerspruch zu der Erwartung der Praxis, mit der ausgehandelten Verständigung eine rasche Rechtskraft des Ergebnisses zu erreichen. Die Verlockung, „es so zu machen wie früher“ und eine unzulässige „informelle“ Absprache außerhalb des § 257c StPO zu treffen, erscheine daher evident. Nicht zu unterschätzen sei zudem die Gefahr, dass sich Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidiger dergestalt an Absprachen gewöhnten, dass die Beendigung des Verfahrens auf diese Weise zum Regelfall werde. Die Warnungen vor einem „schleichend eingeläuteten Systemwechsel“ seien ernst zu nehmen. Dem Zeitgeist folgend versuche der Gesetzgeber, unter dem Deckmantel der Förderung eines offenen und kommunikativen Verhandlungsstils Versäumnisse bei der Ausgestaltung und Praktikabilität des formellen und materiellen Rechts zu kompensieren. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die prozessualen Rahmenbedingungen so auszugestalten, dass die Justiz ihrem gesetzlichen Strafverfolgungsauftrag gerecht werden könne, ohne sich auf Verhandlungen mit dem Angeklagten zulasten der materiellen Wahrheit und der Gerechtigkeit einlassen zu müssen. Um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot Genüge zu tun und die Handlungsfähigkeit der Justiz zu gewährleisten, kämen etwa eine Neuordnung des Ablehnungsrechts, die Befristung von Beweisanträgen, eine Neufassung des § 265 Abs. 3 StPO, Erleichterungen bei Beweistransfers aus dem Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung (etwa bei der Einführung von Urkunden) und eine Änderung des § 273 Abs. 3 StPO in Betracht. 

b) Der Deutsche Anwaltverein hält die Anwendung des § 257c StPO durch die Gerichte in den Ausgangsverfahren für verfassungswidrig und die Verfassungsbeschwerden daher für begründet. Insbesondere verstoße die Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren, da bei fehlender Belehrung die Willensfreiheit des Angeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung über den Abschluss der Verständigung nicht gegeben sei. Zudem bestünden an der Verfassungsmäßigkeit des § 257c StPO erhebliche Zweifel. Der Aufklärungsgrundsatz und das Schuldprinzip stünden dem mit § 257c StPO verfolgten Ziel einer Verfahrensverkürzung und -vereinfachung strukturell entgegen. Eine „Bändigung der Verständigung“ sei durch die gesetzliche Regelung nicht geglückt. Dieser Befund werde durch Erfahrungsberichte von Mitgliedern des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins bestätigt. In einem Fall habe etwa der Vorsitzende einer Strafkammer im Gespräch mit dem Verteidiger geäußert, dass das Urteil, das aufgrund der Verständigung zustande kommen sollte, einer revisionsgerichtlichen Überprüfung vermutlich nicht standhalten würde. Dieses Risiko würde er aber eingehen, weil er davon ausgehe, dass sich alle Beteiligten an die Verständigung halten und daher keine Revision eingelegt werde. In einem anderen Fall habe die Kammer für die Abgabe umfassender Geständnisse im Sinne der Anklage eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich in Aussicht gestellt, obwohl sich der Sachverhalt in der Hauptverhandlung anders dargestellt habe. Da für die Angeklagten die Freiheit wichtiger gewesen sei als die Wahrheit, seien entsprechende, die Anklage bestätigende Geständnisse abgegeben worden. Die Gefahr falscher Geständnisse habe durch das Verständigungsgesetz eher zugenommen. Benachteiligt werde der Angeklagte, der schon früh im Ermittlungsverfahren gestanden habe, da er für eine Verständigung nichts mehr anzubieten habe. Die Förmlichkeiten und Beschränkungen des gesetzlich vorgesehenen Verständigungsverfahrens würden in der Praxis überwiegend umgangen. Die Revisionsgerichte ließen die Möglichkeiten zur „Domestizierung“ der Verständigung ungenutzt. 

c) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält § 257c StPO für verfassungsgemäß. Die Vorschrift stehe im Spannungsverhältnis zwischen den Verpflichtungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts und zur Bestimmung der schuldangemessenen Strafe als Elementen des Schuldprinzips, dem Grundsatz des fairen Verfahrens und dem Gebot wirksamer Strafrechtspflege. Die gesetzliche Regelung sei ausgerichtet auf einen praktisch konkordanten Ausgleich zwischen diesen Grundsätzen. Sie schaffe im Vergleich zur früheren Rechtslage ein beträchtliches Maß an Rechtssicherheit. Tragende Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens seien nicht verletzt. Dies gelte insbesondere für den Amtsermittlungsgrundsatz, die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit und das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung. Das generell mit der Verurteilung auf der Grundlage eines Geständnisses verbundene Risiko eines Fehlurteils werde durch die gesetzlichen Verständigungsregelungen nicht signifikant erhöht. Dass der Bundesgerichtshof dazu neige, bei Verstößen gegen die formellen Voraussetzungen einer Verständigung, namentlich die Dokumentations-, Mitteilungs- und Belehrungspflichten, ein Beruhen des Urteils auszuschließen, sei der vom Gesetzgeber angestrebten Transparenz des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens allerdings nicht förderlich. Die Eindämmung „informeller“ Absprachen werde dadurch erschwert. Im Ergebnis sei ein struktureller Mangel des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren derzeit nicht erkennbar. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. für unbegründet. Die unterbliebene Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO habe das Verfahren nicht insgesamt unfair gemacht, da das Gericht letztlich von der Verständigung nicht abgewichen sei. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. hält die Bundesrechtsanwaltskammer dagegen für begründet. Insbesondere habe das Landgericht seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es sich mit einem Formalgeständnis begnügt habe. Zudem sei dem Geständnis ein Aufzeigen von Alternativstrafen vorausgegangen. Dies stelle einen Verstoß gegen das Schuldprinzip dar. 

V. 

Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Altenhain, Universitätsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, mit der Durchführung einer repräsentativen empirischen Untersuchung zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren beauftragt. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige im Zeitraum zwischen dem 17. April und 24. August 2012 insgesamt 190 mit Strafsachen befasste Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen befragt, von denen 117 als Strafrichter oder Vorsitzende eines Schöffengerichts und 73 als Vorsitzende einer Strafkammer tätig waren. Als Kontrollgruppe wurden daneben 68 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie 76 Fachanwältinnen und Fachanwälte für Strafrecht befragt. 

Nach Einschätzung der befragten Richter wurden im Kalenderjahr 2011 17,9 % der Strafverfahren an Amtsgerichten und 23 % der Strafverfahren an Landgerichten durch Absprachen erledigt. Auf die Frage, in wieviel Prozent der Fälle nach ihrer Einschätzung in der gerichtlichen Praxis die gesetzlichen Vorschriften zur Verständigung verletzt würde, gaben etwas mehr als die Hälfte der Richter an, dass dies in mehr als der Hälfte aller Verfahren mit Absprachen der Fall sein dürfte. So gaben 58,9 % der befragten Richter an, mehr als die Hälfte ihrer Absprachen „informell“, also ohne Anwendung des § 257c StPOdurchgeführt zu haben, 26,7 % gaben an, immer so vorgegangen zu sein. 33 % der befragten Richter gaben an, außerhalb der Hauptverhandlung Absprachen geführt zu haben, ohne dass dies in der Hauptverhandlung offengelegt wurde, während 41,8 % der Staatsanwälte und 74,7 % der Verteidiger angaben, dies schon erlebt zu haben. Die Offenlegungspflicht wird von einem nicht unbeachtlichen Teil der Richter als überflüssiger Formalismus empfunden. Die Regelung zum sogenannten Negativattest (§ 273 Abs. 1a Satz 3 StPO) bleibt in der Praxis oft unbeachtet. 54,4 % der befragten Richter gaben an, eine nicht erfolgte Verständigung für im Protokoll nicht erwähnenswert zu halten. 46,7 % der befragten Richter weisen entgegen § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO nicht in den Urteilsgründen auf eine dem Urteil vorausgegangene Verständigung hin. Sehr häufiger Inhalt von Absprachen ist die Einstellung beziehungsweise Beschränkung des Verfahrens nach §§ 154, 154a StPO; in diesem Zusammenhang wird auch die Einstellung anderer, nicht in die Anklage einbezogener Verfahren im Rahmen sogenannter „Gesamtlösungen“ immer wieder thematisiert. (Im Rahmen einer von G. Schöch durchgeführten anonymisierten empirischen Erhebung zur Absprachepraxis in München sind sogar „Familienlösungen“ bekanntgeworden, bei denen etwa der Mann eine höhere Freiheitsstrafe erhält und im Gegenzug die Frau eine Bewährungsstrafe, um zu Hause die Kinder versorgen zu können, oder die zukünftigen Strafen von Familienangehörigen in anderen Verfahren gleich mit abgesprochen werden [vgl. G. Schöch, Urteilsabsprachen in der Strafrechtspraxis, 2007, S. 147]). Teilweise werden ausweislich der Studie von Prof. Dr. Altenhain durch § 257c Abs. 2 StPO ausdrücklich ausgeschlossene Inhalte wie etwa der Schuldspruch in die Absprache aufgenommen. Während 61,7 % der Richter angaben, die Glaubhaftigkeit von im Anschluss an eine Absprache abgelegten Geständnissen immer zu überprüfen, räumten 38,3 % der Richter ein, die Glaubhaftigkeit des Geständnisses nicht immer, sondern nur häufig, manchmal, selten oder nie zu überprüfen. 35,3 % der befragten Richter haben nach eigenem Bekunden dem Angeklagten oder seinem Verteidiger in Verständigungsgesprächen neben der Strafobergrenze beziehungsweise dem bestimmten Strafmaß für den Fall einer Kooperation schon einmal eine zweite Strafe für den Fall einer „streitigen“ Hauptverhandlung genannt, 16 % gaben an, typischerweise so vorzugehen. Die Einlegung eines Rechtsmittels nach einer Absprache ist sehr selten. Nach Auskunft von 27,4 % der Richter wurde sogar bei Verständigungen gemäß § 257c StPO - entgegen § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO - ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet. Von den Richtern gaben 14,7 % an, dass bei ihnen nach einer Absprache „immer“ auf Rechtsmittel verzichtet werde; bei 56,6 % geschah dies „häufig“ (Staatsanwälte: 5,6 % bzw. 64,8 %; Verteidiger: 5,6 % bzw. 76,1 %). Nicht weniger als 16,4 % der Richter und 30,9 % der Staatsanwälte erklärten, sich im Rahmen einer Absprache schon auf eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe eingelassen zu haben.

Demgegenüber haben sich von den Verteidigern 30,3 % nach eigener Auskunft schon auf eine ihrer Ansicht nach zu hohe Strafe im Wege der Absprache eingelassen. Der „Strafrabatt“ im Anschluss an ein absprachegemäß abgelegtes Geständnis liegt nach Angaben der Befragten zumeist zwischen 25 % und 33,3 % der wahrscheinlich zu erwartenden Strafe nach „streitiger“ Verhandlung. 

VI. 

Mit Beschlüssen vom 22. Mai 2012 und vom 21. Juni 2012 hat die 1. Kammer des Zweiten Senats auf Antrag der sich zu dieser Zeit in Strafhaft befindenden Beschwerdeführer zu I. und II. die Vollstreckung aus den angegriffenen Urteilen des Landgerichts München II bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für sechs Monate, einstweilen ausgesetzt. Mit Beschlüssen vom 22. Oktober 2012 und vom 5. Dezember 2012 hat der Senat auf Antrag der Beschwerdeführer zu I. und II. die einstweiligen Anordnungen wiederholt. 

VII. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat Prof. Dr. Altenhain zu dessen im Auftrag des Senats angefertigter empirischer Studie über die Praxis der Verständigung im Strafverfahren gehört, zu den Erfahrungen und Einschätzungen bei den Tat- und Revisionsgerichten den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, Generalbundesanwalt Range, Vorsitzenden Richter am Landgericht Marburg Dr. Paul, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hildesheim Pohl, Vorsitzenden Richter am Landgericht Hamburg Dr. Tully und Vorsitzenden Richter am Landgericht Freiburg im Breisgau i.R. Royen. Prof. Dr. Frisch, Direktor der Abteilung 1 des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, hat sich zum Schuldprinzip und dessen Bedeutung für die Legitimation staatlichen Strafens im Rechtsstaat und die Erfüllung der freiheitssichernden Funktion des Strafrechts sowie zur Vereinbarkeit der Verständigungspraxis und des § 257c StPO mit dem Schuldprinzip geäußert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter der Bundesregierung, des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer haben ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Zur Verfassungsmäßigkeit von Verständigungen im Strafprozess hat ferner ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung Stellung genommen. 

B. 

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, soweit sie sich gegen die angegriffenen Entscheidungen richten; im Übrigen haben sie keinen Erfolg. 

I. 

1. Das Strafrecht beruht auf dem Schuldgrundsatz (BVerfGE 123, 267 <413>), der den gesamten Bereich staatlichen Strafens beherrscht. Der Schuldgrundsatz hat Verfassungsrang; er ist in der Garantie der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip verankert (vgl. BVerfGE 45, 187 <259 f.>; 86, 288 <313>; 95, 96 <140>; 120, 224 <253 f.>; 130, 1 <26>). 
a) Der Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa) setzt die Eigenverantwortung des Menschen voraus, der sein Handeln selbst bestimmt und sich kraft seiner Willensfreiheit zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann. Dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 123, 267 <413>). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege bestimmt Art. 1 Abs. 1 GG die Auffassung vom Wesen der Strafe und das Verhältnis von Schuld und Sühne (vgl. BVerfGE 95, 96 <140>) sowie den Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 90, 145 <173>; 123, 267 <413>). Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>; 110, 1 <13>). Eine solche strafrechtliche Reaktion wäre ohne Feststellung der individuellen Vorwerfbarkeit mit der Garantie der Menschenwürde und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 95, 96 <140>). 

b) Das Rechtsstaatsprinzip ist eines der elementaren Prinzipien des Grundgesetzes (BVerfGE 20, 323 <331>). Es sichert den Gebrauch der Freiheitsrechte, indem es Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 <130>). Das Rechtsstaatsprinzip umfasst als eine der Leitideen des Grundgesetzes auch die Forderung nach materieller Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 7, 194 <196>; 45, 187 <246>; 74, 129 <152>; 122, 248 <272>) und schließt den Grundsatz der Rechtsgleichheit als eines der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate ein (vgl. BVerfGE 84, 90 <121>). Für den Bereich des Strafrechts werden diese rechtsstaatlichen Anliegen auch im Schuldgrundsatz aufgenommen (BVerfGE 95, 96 <130 f.>). Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Straftatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 25, 269 <286>; 27, 18 <29>; 50, 205 <214 f.>; 120, 224 <241>; stRspr). Die Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen (vgl. BVerfGE 20, 323 <331>; 45, 187 <228>; 50, 5 <12>; 73, 206 <253>; 86, 288 <313>; 96, 245 <249>; 109, 133 <171>; 110, 1 <13>; 120, 224 <254>). In diesem Sinne hat die Strafe die Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BVerfGE 45, 187 <253 f.>; 109, 133 <173>; 120, 224 <253 f.>). 

2. Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>). 

a) Der Staat ist von Verfassungs wegen gehalten, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272>; 130, 1 <26>). Der Schutz elementarer Rechtsgüter durch Strafrecht und seine Durchsetzung im Verfahren sind Verfassungsaufgaben (vgl. BVerfGE 107, 104 <118 f.>; 113, 29 <54>). Das erfordert, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten, also schuldangemessenen Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; 129, 208 <260>). Die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, umfasst auch die Pflicht, die Durchführung eingeleiteter Strafverfahren und die Vollstreckung rechtskräftig erkannter (Freiheits-)Strafen sicherzustellen. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die Pflicht des Staates, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen, und der Anspruch aller in Strafverfahren Beschuldigten auf Gleichbehandlung erfordern grundsätzlich, dass der Strafanspruch durchgesetzt, also auch eingeleitete Verfahren fortgesetzt und rechtskräftig verhängte Strafen vollstreckt werden (BVerfGE 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>). 

b) Bei alledem darf der Beschuldigte im Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 65, 171 <174 f.>; 66, 313 <318>). 

aa) Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Strafverfahren - unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ (vgl. BVerfGE 110, 226 <253>) - in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssten (vgl. BVerfGE 63, 45 <67>; 63, 380 <392 f.>; 122, 248 <272>); vielmehr sind angesichts der besonderen, zur Objektivität verpflichtenden Stellung der Staatsanwaltschaft Differenzierungen möglich. Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>). Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>; 122, 248 <272>). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den grundrechtlichen Anspruch auf ein faires Strafverfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Angeklagten oder Beschuldigten dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksameren Strafrechtspflege erfahren (BVerfGE 122, 248 <273>). Das Beschleunigungsgebot ist bei der Konkretisierung des Rechts auf ein faires Verfahren ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 41, 246 <250>; 63, 45 <68 f.>; 122, 248 <273>), denn unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>; 88, 118 <124>; 93, 1 <13>) und die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage, sondern beeinträchtigen, da die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann, auch die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. BVerfGE 57, 250 <280>; 122, 248 <273>; 130, 1 <27>). 

bb) Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>). Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105 <113 f.>; 55, 144 <150 f.>; 56, 37 <43>; 110, 1 <31>). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37 <49>; 109, 279 <324>). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>; 56, 37 <43>). Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. 

cc) Die Unschuldsvermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ebenfalls Verfassungsrang (BVerfGE 74, 358 <371>). Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne prozessordnungsgemäßen - nicht notwendiger Weise rechtskräftigen - Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen, und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor diese dem Verurteilten im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <371>). Als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips enthält die Unschuldsvermutung - wie auch das Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren - allerdings keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- und Verbote; ihre Auswirkungen auf das Verfahrensrecht bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dies ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers (BVerfGE 74, 358 <371 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 89 <92 f.>; 57, 250 <275 f.>; 65, 283 <291>). 

3. Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bietet (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 21, 139 <145 f.>; 23, 321 <325>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Neben der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (Art. 97 Abs.1 und 2 GG) ist es wesentliches Kennzeichen der Rechtsprechung im Sinne des Grundgesetzes, dass die richterliche Tätigkeit von einem „nicht beteiligten Dritten“ ausgeübt wird (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145>; 27, 312 <322>; 48, 300 <316>; 87, 68 <85>; 103, 111 <140>). Diese Vorstellung von neutraler Amtsführung ist mit den Begriffen „Richter“ und „Gericht“ untrennbar verknüpft (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>; 60, 175 <214>; 103, 111 <140>). Die richterliche Tätigkeit erfordert daher unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten (BVerfGE 21, 139 <146>; 103, 111 <140>). Das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt deshalb nicht nur einen Anspruch auf den sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergebenden Richter (vgl. BVerfGE 89, 28 <36>), sondern garantiert auch, dass der Betroffene nicht vor einem Richter steht, der aufgrund persönlicher oder sachlicher Beziehungen zu den Verfahrensbeteiligten oder zum Streitgegenstand die gebotene Neutralität vermissen lässt (BVerfGE 21, 139 <146>; 89, 28 <36>). Dieses Verlangen nach Unvoreingenommenheit und Neutralität des Richters ist zugleich ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfGE 3, 377 <381>; 37, 57 <65>). 

4. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfGE 66, 313 <318 f.>; 110, 226 <253>). Wenngleich das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote enthält, sondern der Konkretisierung durch den Gesetzgeber je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, untersagt es jedenfalls eine Ausgestaltung des Strafverfahrens, bei der rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind (BVerfGE 57, 250 <276>; 122, 248 <272>). Angesichts der besonderen Bedeutung, die dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zukommt (vgl. BVerfGE 110, 226 <254>), verbietet es sich, im Strafprozess Verfahrensweisen vorzusehen, die - etwa aufgrund der Schaffung sachwidriger Anreize - erwarten lassen, dass dieses Vertrauen unterlaufen und damit das Recht auf eine effektive Verteidigung entwertet wird. 

II. 

Nach diesen Maßstäben kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung der Verständigung im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat Verständigungen im Strafprozess lediglich in einem begrenzten Rahmen zugelassen und sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die bei der gebotenen präzisierenden Auslegung und Anwendung erwarten lassen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Strafprozesses erfüllt werden (1. und 2.). Eine das Verständigungsgesetz in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigende Praxis belegt derzeit noch kein verfassungsrechtlich relevantes Regelungsdefizit (3.). Der Gesetzgeber ist allerdings gehalten, die Wirksamkeit der zur Wahrung eines verfassungskonformen Strafverfahrens vorgesehenen Vorkehrungen zu beobachten und erforderlichenfalls erneut über die Zulässigkeit sowie die Bedingungen von Verständigungen zu entscheiden (4.). 

1. Das Verständigungsgesetz statuiert nach dem in seinem Wortlaut und Normgefüge zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (a) kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell. Vielmehr integriert es die von ihm zugelassene Verständigung mit dem Ziel in das geltende Strafprozessrechtssystem, weiterhin ein der Erforschung der materiellen Wahrheit und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Verständigung als solche niemals alleinige Urteilsgrundlage sein kann, sondern das Gericht weiterhin an die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Amtsaufklärungspflicht gebunden ist und die rechtliche Würdigung nicht der Disposition der Beteiligten an einer Verständigung unterliegt (b). Das Verständigungsgesetz regelt die Zulässigkeit einer Verständigung im Strafverfahren abschließend; es untersagt damit die beschönigend als „informell“ bezeichneten Vorgehensweisen bei einer Verständigung (c). Der Gesetzgeber hat sein Regelungskonzept mit spezifischen Schutzmechanismen versehen, die eine vollständige Transparenz und Dokumentation des zu einer Verständigung führenden Geschehens sicherstellen und so die vom Gesetzgeber als erforderlich bewertete vollumfängliche Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht ermöglichen sollen (d). Schließlich gewährleistet das Gesetz über eine Einschränkung der Bindungswirkung einer Verständigung die Neutralität des Gerichts und sieht mit der Pflicht zur Belehrung des Angeklagten über diese Einschränkung eine dessen Belangen dienende Sicherung vor (e). 

a) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299 <312>; 11, 126 <130 f.>; 105, 135 <157>; stRspr). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen (vgl. BVerfGE 11, 126 <130>; 105, 135 <157>). Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich der Richter nicht entgegenstellen darf (vgl. BVerfGE 122, 248 <283> - abw. M.). Dessen Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen - möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>). In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (vgl. BVerfGE 78, 20 <24> m.w.N.). Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Eindeutigkeit der im Wege der Auslegung gewonnenen gesetzgeberischen Grundentscheidung wird nicht notwendig dadurch relativiert, dass der Wortlaut der einschlägigen Norm auch andere Deutungsmöglichkeiten eröffnet, soweit diese Deutungen offensichtlich eher fern liegen. Anderenfalls wäre es für den Gesetzgeber angesichts der Schwierigkeit, textlich Eindeutigkeit herzustellen, nahezu unmöglich, sein Regelungsanliegen gegenüber der Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum durchzusetzen (vgl. BVerfGE 122, 248 <284> - abw. M.).  

b) Der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Regelung der Verständigung im Strafverfahren als notwendig erachtet, weil das in der Praxis entstandene und dort bedeutsame, aber stets umstritten gebliebene Institut der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung dringend klarer gesetzlicher Vorgaben bedürfe. Dabei war dem Gesetzgeber bewusst, dass sich auf das Urteil bezogene Verständigungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten nicht ohne Weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für das Strafverfahren, insbesondere hinsichtlich der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Schuldangemessenheit der Strafe und der Verfahrensfairness, würden in Einklang bringen lassen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1). Dementsprechend war es ausdrücklich sein zentrales Ziel, die Verständigung in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Weise in das geltende Strafverfahrensrecht zu integrieren, ohne die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung anzutasten. Die Auslegung und Anwendung des Verständigungsgesetzes hat sich zuvörderst an diesem gesetzgeberischen Konzept zu orientieren. Das gilt auch für das Bundesverfassungsgericht, das dann, wenn eine präzisierende Auslegung eines Gesetzes möglich ist, diese seiner Prüfung zugrunde zu legen hat (vgl. zur Bestimmtheit von Strafnormen BVerfGE 126, 170 <196 f.>; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 - 1 BvR 1509/10 -). Der Gesetzgeber wollte zwar eine offene, kommunikative Verhandlungsführung des Gerichts stärken, aber gerade kein neues, „konsensuales“ Verfahrensmodell einführen. Vielmehr war es sein erklärtes Regelungsziel, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. dazu Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.), weshalb auch in der Verständigungssituation das Maß der Schuldangemessenheit weder über- noch unterschritten werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <594>, und vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23; Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 44). Um diese Aufgabenstellung zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber nicht nur den zulässigen Inhalt von Verständigungen und das Verständigungsverfahren „umfassend“ normieren wollen, sondern einen Schwerpunkt seines Regelungskonzepts in der Herstellung von Transparenz, Öffentlichkeit und einer vollständigen Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens gesehen, die wiederum die von ihm als erforderlich bewertete „vollumfängliche“ Rechtsmittelkontrolle ermöglichen und wirksam ausgestalten soll (vgl. nur Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f., 12, 15, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Das Verlangen nach umfassender Transparenz des Verständigungsgeschehens kennzeichnet die gesetzliche Regelung insgesamt (ebenso BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11 -, NStZ 2012, S. 347 <348>, und Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 StR 349/11 -, StV 2012, S. 649 <652>). Hiernach muss sich eine Verständigung unter allen Umständen „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (BTDrucks 16/12310, S. 12). 

aa) Als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Möglichkeiten einer Verständigung in das geltende Strafprozessrechtssystem zu integrieren, ist vor allem die Klarstellung des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zu verstehen, die in § 244 Abs. 2 StPO niedergelegte Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen bleibe „unberührt“. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig; die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13). Dem Gesetzgeber waren die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt. Dementsprechend bleibt das nach § 244 Abs. 2 StPO erforderliche Maß an Beweiserhebung stets insoweit unberührt, als ein wirksamer Verzicht auf (weitere) Beweisanträge und Beweiserhebungen sich nicht außerhalb dessen bewegen kann, was durch die unverändert geltende Sachaufklärungspflicht des Gerichtes bestimmt ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11 -, StV 2012, S. 653 <654>; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11 -, juris, Rn. 5). 

Die Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, nach der die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist, baut auf der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO auf und bestätigt die dargelegte Grundentscheidung des Gesetzgebers. Entsprechendes gilt für das die Zulässigkeit von Verständigungen nach § 257c Abs. 1 Satz 1 StPObeschränkende Kriterium der „geeigneten Fälle“, mit dem der Gesetzgeber nicht nur die Anwendung der Verständigung im Jugendstrafverfahren mit Blick auf den dieses beherrschenden Erziehungsgedanken einschränken, sondern vor allem auch sicherstellen wollte, dass das Gericht nicht vorschnell auf eine Verständigung ausweicht, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich und rechtlich überprüft zu haben (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 10, 13; siehe auch BGHSt 50, 40 <49>, sowie BGH, Beschlüsse vom 20. April 2004 - 5 StR 11/04 -, juris, Rn. 14 ff., und vom 9. Juni 2004 - 5 StR 579/03 -, juris, Rn. 13 ff.). 

Aufgrund des klarstellenden Hinweises auf § 244 Abs. 2 StPO durch § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO bedurfte es auch keiner zusätzlichen ausdrücklichen Festlegung der an ein Geständnis zu stellenden „Qualitätsanforderungen“. Vielmehr genügt dieser Hinweis, um einerseits zu verdeutlichen, dass auch in der Verständigungssituation ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis - vor allem, wenn die Beantwortung von Fragen zum Sachverhalt verweigert wird - oder gar die nicht einmal ein Geständnis darstellende schlichte Erklärung, der Anklage nicht entgegenzutreten, allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein können. Andererseits hat es der Gesetzgeber damit den Gerichten ermöglicht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. 

Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, kann § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO zudem nur so verstanden werden, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Freilich kann dies nicht bedeuten, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; so bleiben etwa Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen (anders noch BGHSt 50, 40 <49>, in diese Richtung auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387 f.>), da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden könnte. 

Dieses Verständnis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass hiernach der Raum für Verständigungen - insbesondere mit Blick auf das Ausmaß der ermöglichten Verfahrensabkürzung - spürbar eingeengt wird. Diese Wirkung ist nicht etwa Ausdruck einer unauflösbaren inneren Widersprüchlichkeit der Norm, sondern achtet das ausdrückliche Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung mit den Grundsätzen der Amtsaufklärung nach § 244 Abs. 2 StPO und der richterlichen Überzeugungsbildung in Einklang zu bringen. Die Beschränkung des praktischen Anwendungsbereichs von Verständigungen ist die zwangsläufige Konsequenz der Einfügung von Verständigungsmöglichkeiten in das System des geltenden Strafprozessrechts. 

bb) Nach dem Regelungsziel des Gesetzgebers, weiterhin ein der Wahrheitserforschung und der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtetes Strafverfahren sicherzustellen, bleiben nicht nur die tatsächlichen Feststellungen, sondern auch deren rechtliche Würdigung der Disposition der an einer Verständigung Beteiligten entzogen (ebenso BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 - 4 StR 623/11 -, juris, Rn. 16). Unmittelbaren Ausdruck findet das gesetzliche Regelungsanliegen in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO, der den zulässigen Gegenstand von Verständigungen ausdrücklich auf die „Rechtsfolgen“ beschränkt, ferner in dem von § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO ausgesprochenen Verbot einer Verständigung über den Schuldspruch und dem Wegfall der Bindungswirkung einer Verständigung unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO

Aus § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO folgt unter Berücksichtigung der Systematik und von Sinn und Zweck des gesetzlichen Regelungskonzepts insbesondere, dass eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf, und zwar auch dann nicht, wenn sie sich auf Sonderstrafrahmen für besonders schwere oder minder schwere Fälle im Vergleich zum Regelstrafrahmen bezieht. Zwar handelt es sich bei diesen Sonderstrafrahmen nach herrschender Meinung (vgl. BGHSt 23, 254 <256>; 26, 104 <105>; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 38 ff., Rn. 47; Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor §§ 46 ff. Rn. 18) um gesetzliche Strafzumessungsregeln, die mit Ausnahme von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht in den Urteilstenor aufzunehmen sind. Allerdings weist die Regelungstechnik der besonders schweren und minder schweren Fälle eine spezifische Nähe zu Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen auf. Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Regelungsbereichen sind im Hinblick auf die Schuldangemessenheit des Strafens nicht zu erkennen. So werden die Regelbeispiele besonders schwerer Fälle als „tatbestandsähnlich“ angesehen (vgl. BGHSt 33, 370 <374>; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1997 - 5 StR 328/97 -, NStZ 1998, S. 91 <92>; Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 -, NStZ 2001, S. 642 <643>; Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 -, NStZ 2011, S. 167). Die Regelungstechnik unterfällt auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>) sowie dem Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04-, NStZ-RR 2004, S. 262, und vom 20. Juli 2004 - 3 StR 231/04 -, NStZ-RR 2005, S. 373 <374>). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Fall besonders schwer, wenn er sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. BGHSt 28, 318, <319 f.>; BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - 3 StR 145/91 -, NStZ 1991, S. 529 <530>); für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. August 2000 - 5 StR 349/00 -, NJW 2000, S. 3580; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02 -, NJW 2003, S. 1679 <1680>; Beschluss vom 26. August 2008 - 3 StR 316/08 -, NStZ 2009, S. 37). Auch die Sonderstrafrahmen sind daher - wie jeder Strafrahmen - Ausdruck des Unwert- und Schuldgehalts, den der Gesetzgeber einem unter Strafe gestellten Verhalten beigemessen hat. Mit der Normierung von Sonderstrafrahmen bringt der Gesetzgeber - nicht anders als bei Qualifikationen und Privilegierungen - zum Ausdruck, innerhalb eines Deliktstypus eine Differenzierung schon auf der Ebene der Strafrahmenwahl für geboten zu erachten. Bei umfassender Würdigung des dem Verständigungsgesetz zugrundeliegenden Regelungskonzepts kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe diese Bewertung für den Fall einer Verständigung aufgeben und den Begriff der „Rechtsfolge“ in § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf Strafrahmenverschiebungen ausdehnen wollen. 
c) Mit den Vorschriften des Verständigungsgesetzes hat die Zulassung von Verständigungen im Strafverfahren eine abschließende Regelung erfahren. Außerhalb des gesetzlichen Regelungskonzepts erfolgende sogenannte informelle Absprachen sind unzulässig. 

aa) Bereits aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 1 StPO, der Verständigungen nur „nach Maßgabe der folgenden Absätze“ zulässt, folgt, dass jegliche sonstigen „informellen“ Absprachen, Vereinbarungen und „Gentlemen‘s Agreements“ untersagt sind. Damit wird das Ziel der gesetzlichen Regelung, der Verständigung zur Herstellung von Rechtssicherheit und der Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtsanwendung durch ein „umfassendes und differenziertes Regelungskonzept“ (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 7 f., 9) klare Vorgaben zu setzen, verwirklicht. Hätte die Regelung keinen abschließenden Charakter, könnten die vom Gesetzgeber als erforderlich erachteten flankierenden Vorschriften, die Transparenz und Öffentlichkeit des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens sichern, die ihnen zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle von Verständigungen zugedachte Funktion von vornherein nicht wirksam erfüllen. Hierin liegt aber gerade ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers. So ist im Gesetzgebungsverfahren die in der Stellungnahme des Bundesrats kritisierte Regelung des sogenannten „Negativattests“ in § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO mit dem Argument verteidigt worden, dass mit ihrer Streichung „eine wichtige Regelung entfiele, die dazu dienen soll, mit höchst möglicher Gewissheit und in der Revision überprüfbar das Geschehen in der Hauptverhandlung zu dokumentieren und auszuschließen, dass ‚stillschweigend‘ und ohne Beachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten eine Verständigung stattgefunden hat“ (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BTDrucks 16/12310, S. 22). Schließlich findet sich in dem Anliegen, eine „vollumfängliche“ Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht zu gewährleisten, eine Bestätigung des abschließenden Charakters des gesetzlichen Regelungskonzepts. Diese Kontrolle soll nämlich gerade „einen unterstützenden Beitrag dazu leisten, dass Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). 

In Anbetracht der strikten Bindung jeglicher Ausübung hoheitlicher Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) bedurfte die Absicht des Gesetzgebers, nur solche Verständigungen zuzulassen, die sich innerhalb des vom Gesetz gezogenen Rahmens bewegen, keiner weiteren ausdrücklichen Hervorhebung. 

bb) Aus dem gesetzlichen Regelungskonzept zum Inhalt, zum Zustandekommen und zu den Folgen einer Verständigung folgt unter anderem, dass ein wirksamer Rechtsmittelverzicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich die Beteiligten unter Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften verständigt haben (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 5. März 2012 - 2 BvR 1464/11 -, juris, Rn. 21 ff.; ebenso etwa Jahn/Müller, NJW 2009, S. 2625 <2630>; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <393>). Eine solche Verständigung unterliegt zudem der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO. Sollte in letzterem Fall ein Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO erteilt werden, wäre dieses falsch und könnte den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) erfüllen. 

cc) Ebenso wenig können etwaige Zusagen der Staatsanwaltschaft, andere bei ihr anhängige Ermittlungsverfahren - etwa nach § 154 Abs. 1 StPO - einzustellen, eine Bindungswirkung oder ein schutzwürdiges Vertrauen auslösen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 13; anders noch zur Rechtslage vor dem Verständigungsgesetz BGHSt 37, 10 <13 f.>). Aus dem Wortlaut von § 257c Abs. 1 und 2 StPO folgt, dass sich Verständigungen ausschließlich auf das „zugrundeliegende Erkenntnisverfahren“ beziehen dürfen, also sogenannte „Gesamtlösungen“ unter Einbeziehung anderer Verfahren und nicht in der Kompetenz des Gerichts liegende Zusagen unzulässig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 2 StR 354/10 -, wistra 2011, S. 28; siehe auch Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 34; Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <387>). Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen. Bei Einbeziehung anderer, nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildender Verfahren ist insoweit eine wirksame Kontrolle der Verständigung - insbesondere durch die Öffentlichkeit - nicht gewährleistet. 

d) Einen Schwerpunkt des Regelungskonzeptes des Verständigungsgesetzes bildet die Gewährleistung der vom Gesetzgeber ausdrücklich als „erforderlich“ bewerteten Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens als Voraussetzung einer effektiven Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die Staatsanwaltschaft und das Rechtsmittelgericht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1, 8 f.). Zur Erreichung dieses Ziels hat der Gesetzgeber spezifische, das Regelungskonzept prägende Schutzmechanismen vorgesehen. 

aa) In der Konzeption des Gesetzgebers kommt der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Gebot, die mit einer Verständigung verbundenen Vorgänge umfassend in die Hauptverhandlung einzubeziehen, gewährleistet der Gesetzgeber nicht nur vollständige Transparenz; er legt zugleich besonderes Gewicht auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung und bekräftigt damit, dass auch im Fall der Verständigung der Inbegriff der Hauptverhandlung die Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung bleibt (§ 261 StPO). 
(1) (a) Dem Gesetzgeber kam es maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung gerade im Falle einer Verständigung zu bewahren; die Verständigung müsse sich „im Lichte der öffentlichen Hauptverhandlung offenbaren“ (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 12). Dementsprechend hat das Verständigungsgesetz umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten mit Bezug auf die Hauptverhandlung statuiert. Sie zielen darauf, nicht nur die Verständigung selbst, also den formalen Verständigungsakt des § 257c Abs. 3 StPO, sondern darüber hinausgehend auch die zu einer Verständigung führenden Vorgespräche in die Hauptverhandlung einzuführen. Zwar ist nach der Begründung des Regierungsentwurfs die „Vorbereitung“ einer Verständigung auch außerhalb der Hauptverhandlung möglich. Gegenstand einer Erörterung im Vorfeld der Hauptverhandlung kann es danach auch sein, Möglichkeit und Umstände einer Verständigung zu besprechen (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 9, 12). Für alle Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung verlangt § 243 Abs. 4 StPO eine Mitteilung deren „wesentlichen Inhalts“. Diese Mitteilung ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO zu protokollieren. Demgegenüber sind hinsichtlich der Verständigung selbst gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO der wesentliche Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis wiederzugeben. Die Protokollierungspflicht hinsichtlich der Verständigung geht also über die Protokollierung der nach § 243 Abs. 4 StPO vorgeschriebenen Mitteilung hinaus. Dem liegt zugrunde, dass die Verständigung als solche nach § 257c Abs. 1 StPO nur in der Hauptverhandlung erfolgen kann. Die im Vergleich zur Verständigung selbst reduzierte Pflicht zur Dokumentation der Gespräche zur Vorbereitung einer Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2, § 243 Abs. 4 StPO fügt sich in das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Stärkung der Transparenz und Dokumentation ein, weil die Verständigung selbst erst in der Hauptverhandlung stattfinden kann und § 273 Abs. 1a Satz 1 StPOdie Dokumentation der wesentlichen Abläufe, des Inhalts und des Ergebnisses dieser Verständigung gebietet. Alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Konzepts auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen, sind zum Gegenstand der Erörterung in der Hauptverhandlung zu machen und unterliegen der Protokollierungspflicht nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO

(b) Hinsichtlich des Inhalts möglicher Erörterungen des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten und der dabei bestehenden Transparenz- und Dokumentationspflichten ist zu unterscheiden: 

(aa) Möglich sind Gespräche, die ausschließlich der Organisation sowie der verfahrenstechnischen Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung dienen, etwa die Abstimmung der Verhandlungstermine. Mangels eines Bezugs auf das Verfahrensergebnis sind diese Gespräche dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgelagert und von ihm nicht betroffen. Sie unterliegen deshalb nicht der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO

(bb) In Betracht kommen weiterhin Gespräche, die als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können und über deren wesentlichen Inhalt deshalb nach § 243 Abs. 4 StPO in der Hauptverhandlung zu informieren ist. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 12) einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt. Im Zweifel wird in der Hauptverhandlung zu informieren sein. Zum mitzuteilenden Inhalt solcher Erörterungen gehört, welche Standpunkte von den einzelnen Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, juris; siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a; Altenhain/Haimerl, JZ 2010, S. 327 <336>; Schlothauer/Weider, StV 2009, S. 600 <603>). Fehlt im Hauptverhandlungsprotokoll der nach § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO vorgeschriebene Hinweis auf eine Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO, ergibt sich daraus lediglich, dass eine solche Mitteilung in der Hauptverhandlung unterblieben ist, nicht aber, dass es keine Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung gegeben hat, weil diese Tatsache nicht von der negativen Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) umfasst ist (a.A. ohne nähere Begründung Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl. 2012, § 243 Rn. 18a a.E.). 

(cc) Die Verständigung selbst hat zwingend in der Hauptverhandlung stattzufinden, wo die vom Gesetzgeber verlangte Protokollierung nach § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO und damit eine Voraussetzung vollumfänglicher Kontrolle gewährleistet ist. Zum „wesentlichen Ablauf und Inhalt“ im Sinne dieser Norm gehört nach Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht insbesondere, wer die Anregung zu den Gesprächen gab und welchen Inhalt die einzelnen „Diskussionsbeiträge“ aller Verfahrensbeteiligten sowie der Richter hatten, insbesondere von welchem Sachverhalt sie hierbei ausgingen und welche Ergebnisvorstellungen sie äußerten (vgl. Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2013, § 257c Rn. 71). 

(2) Darüber hinaus folgt aus dem Ziel des Gesetzgebers, die Verständigung in das Licht der öffentlichen Hauptverhandlung zu stellen, dass er der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit besondere Bedeutung beigemessen hat. 

Der in § 169 GVG niedergelegte Öffentlichkeitsgrundsatz soll eine Kontrolle der Justiz durch die am Verfahren nicht beteiligte Öffentlichkeit ermöglichen und ist Ausdruck der demokratischen Idee. Die mit der Möglichkeit einer Beobachtung der Hauptverhandlung durch die Allgemeinheit verbundene öffentliche Kontrolle der Justiz, die historisch als unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür eingeführt wurde (vgl. zum Ganzen Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff. m.w.N.), erhält als demokratisches Gebot durch die gesetzliche Zulassung der in eine vertrauliche Atmosphäre drängenden Verständigungen zusätzliches Gewicht. Dem hat der Gesetzgeber durch die Mitteilungspflicht in § 243 Abs. 4 StPO Rechnung getragen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 12). 
Die Öffentlichkeit kann ihre Kontrollfunktion nur ausüben, wenn sie die Informationen erhält, die zur Beurteilung der Angemessenheit einer etwaigen Verständigung erforderlich sind. Nur so bleibt der gerichtliche Entscheidungsprozess transparent und die Rechtsprechung auch in Verständigungsfällen für die Allgemeinheit durchschaubar. Dies ist notwendig, damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit des Staates, mittels einer wirksamen Strafverfolgung öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten (vgl. zu dieser Aufgabe des Öffentlichkeitsgrundsatzes Wickern, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, Vor § 169 GVG Rn. 2 ff.) und Gerechtigkeit im Einzelfall sowie eine gleichmäßige Behandlung aller zu garantieren, uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. 

(3) Die Einbeziehung des zu einer Verständigung führenden Geschehens in die öffentliche Hauptverhandlung hat auch die Aufgabe, deren Funktion als alleinige Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll diese Funktion der öffentlichen Hauptverhandlung unberührt bleiben. In den Materialien wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Überzeugung des Gerichts von dem festzustellenden Sachverhalt stets erforderlich bleibt und eine Verständigung als solche niemals die Grundlage eines Urteils bilden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 8, 13). Das Gericht bildet sich seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO). Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt im Hinblick auf die während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter ausübenden Schöffen (§§ 30, 77 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. Da aus § 257c Abs. 4 StPO folgt, dass der Gesetzgeber der Verständigung eine - wenn auch nur eingeschränkte - Bindungswirkung für das Gericht beigemessen hat, musste er zugleich gewährleisten, dass die Schöffen in das zu einer Verständigung führende Geschehen, soweit es in der Hauptverhandlung stattfindet, unmittelbar eingebunden und im Übrigen nach § 243 Abs. 4 StPO umfassend über dieses unterrichtet sind. Anderenfalls wäre ihnen eine verantwortbare Entscheidung über die Verständigung - insbesondere die damit verbundene Zusage einer Strafobergrenze und Ankündigung einer Strafuntergrenze - und über den Inhalt des nach einer Verständigung oder nach dem Scheitern von Verständigungsbemühungen ergehenden Urteils nicht möglich. Dementsprechend ermöglicht § 257c StPO es ausschließlich „dem Gericht“ - nicht nur dem Vorsitzenden oder nur den Berufsrichtern -, eine Verständigung mit den Verfahrensbeteiligten herbeizuführen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ohne eine Beteiligung der Schöffen Strafgrenzen mit der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 StPO in Aussicht gestellt werden. 

bb) Mit dem Erfordernis ihrer Zustimmung zu einer Verständigung weist der Gesetzgeber der Staatsanwaltschaft eine aktive Rolle bei der Verwirklichung seines Ziels zu, eine wirksame Kontrolle von Verständigungen zu gewährleisten. 

Ihr ist die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe; als Vertreterin der Anklage gewährleistet sie eine effektive Strafrechtspflege (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einl. J Rn. 42). Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren fort (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO). Ihren Niederschlag hat diese Stellung der Staatsanwaltschaft in den Bestimmungen der Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 und Nr. 147 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gefunden. 

In der Verständigungssituation kommt der Kontrolle durch die Staatsanwaltschaft herausgehobene Bedeutung zu, weil sich Angeklagter und Gericht hinsichtlich des möglichen Verfahrensergebnisses einer - wenngleich eingeschränkten - Bindung unterwerfen. Die Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Verständigung hat damit vor allem den Zweck, deren Gesetzmäßigkeit zu sichern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11 -, juris, Rn. 23 f.; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 274/11 -, StV 2011, S. 645 f.; BGH, Urteil vom 9. November 2011 - 1 StR 302/11 -, juris, Rn. 45). Dem Verständigungsgesetz liegt die Erwartung zugrunde, dass die Staatsanwaltschaft - entsprechend ihrer Rolle als „Wächter des Gesetzes“ (vgl. hierzu Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einführung der Staats-Anwaltschaft im Kriminal-Prozesse vom 23. März 1846, abgedruckt bei Otto, Die Preußische Staatsanwaltschaft, 1899, S. 40 ff.) - sich gesetzwidrigen Vorgehensweisen im Zusammenhang mit Verständigungen verweigert. Weisungsgebundenheit und Berichtspflichten ermöglichen es, einheitliche Standards für die Erteilung der Zustimmung zu Verständigungen sowie für die Ausübung der Rechtsmittelbefugnis aufzustellen und durchzusetzen. Die Staatsanwaltschaft ist nicht nur gehalten, ihre Zustimmung zu einer gesetzwidrigen Verständigung zu versagen. Sie hat darüber hinaus gegen Urteile, die - beispielsweise von der Staatsanwaltschaft zunächst unerkannt - auf solchen Verständigungen beruhen, Rechtsmittel einzulegen. In Anbetracht der hohen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess auch in Verständigungsfällen beigemessen hat, werden Verstöße gegen die Vorgaben des Verständigungsgesetzes in der Regel von wesentlicher Bedeutung (vgl. auch Nr. 147 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) und deshalb durch die Staatsanwaltschaft einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen sein. Auch kann es angezeigt sein, dass sich die Generalstaatsanwaltschaften dieser Aufgabe in besonderer Weise annehmen. 

cc) Schließlich verfolgen die in dem Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes vorgesehenen Schutzmechanismen das Ziel, eine wirksame „vollumfängliche“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen. 

(1) Diese Kontrolle soll dazu beitragen, dass „Verständigungen in erster Instanz wirklich so ablaufen, wie es den Vorgaben des Gesetzgebers entspricht“ (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 9). Hiernach verzichtete der Gesetzgeber darauf, nach vorangegangener Verständigung Rechtsmittel auszuschließen oder einzuschränken, um die Verständigung in einer insbesondere mit dem Gebot schuldangemessenen Strafens und der daraus folgenden Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit in Einklang stehenden Weise in das geltende Strafverfahren integrieren zu können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 1 f., 8 f.; siehe auch Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 12). Mit dieser Zielsetzung grenzt sich das Regelungskonzept des Verständigungsgesetzes ausdrücklich von dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren (BTDrucks 16/4197) ab, der die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen ein verständigungsbasiertes Urteil durch einen Ausschluss der Berufung sowie eine Beschränkung der Revision auf im Zusammenhang mit der Verständigung stehende Verfahrensfehler und die Revisionsgründe des § 338 StPO wesentlich einschränken wollte (vgl. Gesetzentwurf und Begründung des Bundesrats, BTDrucks 16/4197, S. 5 f., 7, 11 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 16/4197, S. 12). Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Möglichkeit eines Rechtsmittelverzichts nach gesonderter qualifizierter Belehrung hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verworfen, um sicherzustellen, dass sich die Berechtigten in Ruhe und ohne Druck überlegen können, ob sie Rechtsmittel einlegen wollen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 6, 15 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 16/13095, S. 7, 10). In bewusster Abkehr von den Entwürfen schränkt das Verständigungsgesetz die Rechtsmittelmöglichkeiten gegen verständigungsbasierte Urteile nicht ein, sondern schließt - über die dem Regelungskonzept weitgehend zugrundeliegende Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 50, 40 ff.) hinausgehend - einen Rechtsmittelverzicht nach einer Verständigung generell aus (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) und sichert die Ermöglichung einer Rechtsmittelkontrolle durch das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung noch zusätzlich ab. 

(2) Die Wirksamkeit der Kontrolle soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten sichergestellt werden. Diese Schutzmechanismen können nicht als bloße Ordnungsvorschriften verstanden werden. Die Gewährleistung einer „vollumfänglichen“ Kontrolle verständigungsbasierter Urteile setzt umfassende Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung sowie eine vollständige Dokumentation im Verhandlungsprotokoll voraus. Dementsprechend kommt im Wortlaut der Normen, in der Systematik des Regelungskonzepts und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig hält. Das gesetzliche Regelungskonzept ist damit als eine untrennbare Einheit aus Zulassung und inhaltlicher Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten zu begreifen. Dabei dienen die Verfahrensnormen in gleicher Weise wie die den zulässigen Inhalt von Verständigungen beschränkenden Vorschriften und der Verweis des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO dem Ziel, die mit einer urteilsbezogenen Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten verbundenen Risiken für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess zu minimieren. Die Vorschriften zur Transparenz des Verständigungsgeschehens in der öffentlichen Hauptverhandlung, zu dessen Dokumentation und zur Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle auch durch das Rechtsmittelgericht zählen zum Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. 

(3) Ein Verstoß gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten führt deshalb grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung. Hält sich das Gericht an eine solche gesetzwidrige Verständigung, wird ein Beruhen des Urteils auf diesem Gesetzesverstoß regelmäßig schon deshalb nicht auszuschließen sein, weil die Verständigung, auf der das Urteil beruht, ihrerseits mit einem Gesetzesverstoß behaftet ist. Diese Auslegung entspricht der Funktion dieser Vorschriften im Konzept des Verständigungsgesetzes. Dass Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht den absoluten Revisionsgründen zugeordnet worden sind, steht einer Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegen, derzufolge das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten - die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade zum Kern des dem Verständigungsgesetz zugrunde liegenden Schutzkonzepts gehören - nur in besonderen Ausnahmefällen wird ausschließen können (vgl. zur Verletzung von § 258 Abs. 2 und 3 StPOBGHSt 21, 288<290>; 22, 278 <280 f.>). 

(4) Kommt eine Verständigung nicht zustande und fehlt es an der gebotenen Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10 -, wistra 2011, S. 72 f. = StV 2011, S. 72 f.) oder dem vorgeschriebenen Negativattest nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, wird nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Schutzkonzepts ein Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen § 257c StPO grundsätzlich ebenfalls nicht auszuschließen sein (str., im Ergebnis wie hier Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <100>; Schlothauer, StV 2011, S. 205 <206>; in der Tendenz auch Schmitt, StraFo 2012, S. 386 <390>; anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10 -, NStZ 2011, S. 592 <593> zu § 243 Abs. 4 StPO), sofern nicht ausnahmsweise zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 32 Ss 87/11 -, juris, Rn. 11, 13). Bei einem Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten wird sich nämlich in den meisten Fällen nicht sicher ausschließen lassen, dass das Urteil auf eine gesetzwidrige „informelle“ Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgeht.

e) Aus der in § 257c Abs. 4 StPO getroffenen Regelung ergibt sich zwar einerseits, dass das Gericht (nur) an eine nach den Vorgaben des Gesetzes entsprechende Verständigung grundsätzlich gebunden ist. Andererseits stellt die Regelung zugleich klar, dass die Bindungswirkung entfällt, wenn das Gericht nach Zustandekommen der Verständigung zu der Überzeugung gelangt, dass der nach § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht (mehr) tat- und schuldangemessen ist. Die Bestimmung des § 257c Abs. 4 StPO ist somit Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, die richterliche Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen. Mit dem Verwertungsverbot des § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO ist dort zudem eine dem Schutz des Angeklagten dienende Vorschrift enthalten, der im Vertrauen auf den Bestand einer Verständigung ein Geständnis abgegeben und damit von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen, keinen Gebrauch gemacht und der Verurteilung eine Grundlage verschafft hat. Mit dem Ziel, dem Angeklagten überhaupt eine autonome Entscheidung über das für ihn mit einer Mitwirkung an einer Verständigung verbundene Risiko zu ermöglichen, sieht schließlich § 257c Abs. 5 StPO vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und - wie sein Hinweis auf das Ziel der Ermöglichung einer autonomen Einschätzung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/12310, S. 15) bestätigt - zugleich die Autonomie des Angeklagten im weiten Umfang schützen. Der Angeklagte sieht sich durch die Aussicht, mit der Verständigung eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze zu erreichen und so Einfluss auf den Verfahrensausgang zu nehmen, einer besonderen Anreiz- und Verlockungssituation ausgesetzt. Der hiermit einhergehenden Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit soll unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO Rechnung getragen werden. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht wird daher im Rahmen der revisionsgerichtlichen Prüfung regelmäßig davon auszugehen sein, dass das Geständnis und damit auch das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruht. Ein Beruhen wird nur dann verneint werden können, wenn sich feststellen lässt, dass der Angeklagte das Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (vgl. zu dem in seiner Bedeutung für die Selbstbelastungsfreiheit ähnlich gelagerten Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPOBGHSt 38, 214<226 f.>). Nur so ist gewährleistet, dass die Schutzfunktion der Belehrungspflicht ihre vorgesehene Wirkung entfaltet. 

2. Das Verständigungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dieses schließt Verständigungen im Strafprozess nicht schlechthin aus (a). Der Gesetzgeber hat ausreichende Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass sich Verständigungen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren halten (b).

a) Verständigungen im Strafprozess berühren die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Strafverfahren (aa), der Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, Verständigungen mit den zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit gebotenen Vorkehrungen zuzulassen (bb). 
aa) Der Strafprozess hat das Schuldprinzip zu verwirklichen und darf sich von dem ihm vorgegebenen Ziel der bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit und der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein unabhängiges und neutrales Gericht nicht entfernen. Das Fehlen eines nicht an den sachlichen Verfahrenszielen orientierten eigenen Interesses des Gerichts am Verfahrensausgang bildet im Zusammenwirken mit seiner Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) die Grundlage für die bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhaltes und die richtige Anwendung des materiellen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt. Dabei trägt das Gebot einer schuldangemessenen Bestrafung auch im Einzelfall dem Verlangen nach Rechtsgleichheit als einem der grundlegenden Gerechtigkeitspostulate Rechnung. Das Maß der verwirklichten Schuld legitimiert die Differenzierung in den Rechtsfolgen und sichert so zugleich die gebotene Gleichbehandlung der Beschuldigten im Strafverfahren. 
(1) Das verfassungsrechtliche Schuldprinzip steht nicht zur Disposition des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Dies schließt es nicht aus, den Strafverfolgungsbehörden Möglichkeiten zu einem Absehen von der Strafverfolgung zu eröffnen, namentlich in Fällen geringfügiger Kriminalität, in denen der Rechtsfrieden nicht ernsthaft beeinträchtigt und eine Kriminalstrafe zum Schuldausgleich nicht zwingend geboten ist, so dass ein öffentliches Interesse an einem Schuldspruch nicht besteht oder durch die Erfüllung von Auflagen oder/und Weisungen beseitigt werden kann. Solche Ausnahmen dürfen die Geltungskraft des Schuldprinzips nicht in Frage stellen und bedürfen stets einer gesetzlichen Regelung, wie sie der Gesetzgeber etwa in den §§ 153 ff. StPO getroffen hat. Als Ausnahmen von der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sie fest zu umgrenzen und bedürfen jeweils einer eigenständigen Legitimation (vgl. zu Beschränkungen der Sachverhaltsaufklärung BVerfGE 33, 367 <382 f.>; 46, 214 <222 f.>; 49, 24 <54>; 51, 324 <344>; 129, 208 <260>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 77/96 -, NStZ 2001, S. 43 <44>). 

(2) Als unerlässliche Voraussetzung der Verwirklichung des Schuldprinzips unterliegt auch die Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit nicht der Disposition des Gesetzgebers. Sie ist das bestimmende Ziel, von dem sich der Strafprozess nicht entfernen darf. Allerdings ist es Sache des Gesetzgebers, darüber zu befinden, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln er die Verwirklichung des Schuldprinzips gewährleistet. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht versagt, unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze für Fälle einfach gelagerter und eindeutiger Sachverhalte - etwa bei einer sich mit den Ermittlungsergebnissen deckenden geständigen Einlassung schon im Ermittlungsverfahren oder bei einem auf frischer Tat angetroffenen Beschuldigten - ein vereinfachtes Verfahren zur Gewinnung der richterlichen Überzeugung von Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten und der hieraus zu ziehenden Folgen ohne das Erfordernis einer öffentlichen Hauptverhandlung mit ihrer formalisierten Beweisaufnahme einzurichten, wie es die Strafprozessordnung mit dem Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 Abs. 1 und 2 StPO vorsieht (vgl. dazu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2009, Vor § 407 Rn. 25 f. m.w.N.). Ermöglichen es die in der Akte befindlichen Unterlagen und Beweismittel dem Richter, sich die Überzeugung von der Richtigkeit des dem Angeschuldigten zur Last gelegten Sachverhalts zu bilden, ist eine öffentliche Hauptverhandlung zur Gewinnung einer tragfähigen Grundlage für die Schuldfeststellung, die rechtliche Beurteilung und die Strafzumessung von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten, sofern es der Angeschuldigte in der Hand hat, durch einfache Erklärung die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu erzwingen (vgl. BVerfGE 25, 158 <164 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 1995 - 2 BvR 1950/94 -, NJW 1995, S. 2545 <2546> und vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00 -, NJW 2002, S. 3534 m.w.N.). 
(3) Das im Grundgesetz verankerte Schuldprinzip und die mit ihm verbundene Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit sowie der Grundsatz des fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens, die Unschuldsvermutung und die Neutralitätspflicht des Gerichts schließen es jedoch aus, die Handhabung der Wahrheitserforschung, die rechtliche Subsumtion und die Grundsätze der Strafzumessung in der Hauptverhandlung, die letztlich mit einem Urteil zur Schuldfrage abschließen soll, zur freien Disposition der Verfahrensbeteiligten und des Gerichts zu stellen. Dem Gericht muss es untersagt bleiben, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen. Es ist Gericht und Staatsanwaltschaft untersagt, sich auf einen „Vergleich“ im Gewande des Urteils, auf einen „Handel mit der Gerechtigkeit“ einzulassen (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>) und mit dem Angeklagten einen bestimmten Schuldspruch oder auch nur eine konkrete Strafe zu vereinbaren. Der Rechtsanwendungspraxis ist es untersagt, das vom Gesetzgeber normierte Strafverfahren in einer Weise zu gestalten, die auf solche vertragsähnliche Erledigungsformen hinausläuft. 

Demgegenüber steht das Grundgesetz unverbindlichen Erörterungen der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten nicht entgegen. Eine offene, kommunikative Verhandlungsführung kann der Verfahrensförderung dienlich sein und ist daher heute selbstverständliche Anforderung an eine sachgerechte Prozessleitung. So begegnen etwa Rechtsgespräche und Hinweise auf die vorläufige Beurteilung der Beweislage oder die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche Formen der kommunikativen Verhandlungsführung stellen insbesondere nicht die Unvoreingenommenheit des Gerichts in Frage, solange sie transparent bleiben und kein Verfahrensbeteiligter hiervon ausgeschlossen ist. 

bb) Verständigungen zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten über Stand und Aussichten der Hauptverhandlung, die dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafobergrenze zusagen und eine Strafuntergrenze ankündigen, tragen das Risiko in sich, dass die verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang beachtet werden. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber in Anbetracht seiner Gestaltungsmacht von Verfassungs wegen nicht schlechthin verwehrt, zur Verfahrensvereinfachung Verständigungen zuzulassen. Er muss jedoch zugleich durch hinreichende Vorkehrungen sicherstellen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt bleiben. Die Wirksamkeit der vorgesehenen Schutzmechanismen hat der Gesetzgeber fortwährend zu überprüfen. Ergibt sich, dass sie unvollständig oder ungeeignet sind, hat er insoweit nachzubessern und erforderlichenfalls seine Entscheidung für die Zulässigkeit strafprozessualer Absprachen zu revidieren (vgl. BVerfGE 110, 141 <158> m.w.N.). 

b) Das Verständigungsgesetz sichert die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in ausreichender Weise. 

aa) Nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO dürfen Gegenstand einer Verständigung nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO schließt den Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung als Gegenstand einer Verständigung aus. Das Verständigungsgesetz entbindet das Gericht auch nicht von der Beachtung der Strafzumessungsregeln, wenn es in § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO das Gericht ermächtigt, bei der Bekanntgabe des möglichen Inhalts einer Verständigung unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe anzugeben. Damit sind nicht nur, wie vom Schuldgrundsatz gefordert, Verständigungen über den Schuldspruch wirksam ausgeschlossen, sondern es ist auch sichergestellt, dass die aus dem Gebot schuldangemessenen Strafens folgenden Grundsätze der Strafzumessung nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten stehen. Dem Gericht ist es nicht gestattet, im Wege der Verständigung seine Wertungen an die Stelle derjenigen des Strafgesetzgebers zu setzen. Dabei ist zu beachten, dass eine maßgebliche Bedeutung insoweit den gesetzlichen Strafrahmen zukommt, die mit ihren nach Straftat und Strafhöhe gestaffelten Sanktionen die Abstufung der verschiedenen Straftaten nach ihrem Unrechtsgehalt erst zum Ausdruck bringen (vgl. BVerfGE 27, 18 <29>). Tatbestand und Rechtsfolge sind wechselseitig aufeinander bezogen und müssen - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Einerseits richtet sich die Strafhöhe nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsgutes und der Schuld des Täters. Andererseits lässt sich das Gewicht einer Straftat, der ihr in der verbindlichen Wertung des Gesetzgebers beigemessene Unwertgehalt, in aller Regel erst aus der Höhe der angedrohten Strafe entnehmen. Insofern ist auch die Strafandrohung für die Charakterisierung, Bewertung und Auslegung des Straftatbestandes von entscheidender Bedeutung (BVerfGE 25, 269 <286>; 27, 18 <29>). Erst von einer differenzierenden Bewertung des Unwertgehaltes der verschiedenen Straftaten her wird die Abstufung der strafrechtlichen Sanktionen verständlich und sachlich gerechtfertigt (BVerfGE 27, 18 <29>). Innerhalb eines Deliktstypus kommt die differenzierende Bewertung des Unwertgehaltes vor allem durch Qualifikations- und Privilegierungstatbestände zum Ausdruck. Aber auch die Sonderstrafrahmen für besonders schwere und minder schwere Fälle nehmen an dieser Abstufung teil, auch wenn es sich hierbei nach überwiegender Auffassung um Strafzumessungsregeln handelt (Nachweise siehe oben unter B. II. 1. b) bb)). Diese Regelungstechnik ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt (vgl. BVerfGK 14, 177 <182>). Wenn er jedoch mit der Einführung solcher Sonderstrafrahmen zum Ausdruck gebracht hat, eine Differenzierung schon bei der Strafandrohung für erforderlich zu halten, ist diese Bewertung für die Rechtsanwendung bindend. 

bb) Das Verständigungsgesetz wahrt den Schuldgrundsatz auch insoweit, als eine Verfahrensverkürzung um den Preis der Erforschung der materiellen Wahrheit ausgeschlossen ist. Wie dargestellt, enthebt die Möglichkeit einer Verständigung das Gericht nicht von der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen. Ein Geständnis darf nicht zur „Handelsware“ werden und kann als Grundlage der Zusage einer Strafobergrenze nur akzeptiert werden, wenn es - aus sich heraus oder aufgrund der Beantwortung von Fragen - überprüfbar ist. Das im Zusammenhang mit der Zusage einer Strafobergrenze abgegebene Geständnis in der - die Grundlage der richterlichen Überzeugung über Schuld oder Unschuld und die daran zu knüpfenden Folgen bildenden - Hauptverhandlung ist auf seine Richtigkeit zu überprüfen, denn eine solche Zusage kann den Angeklagten zur Abgabe eines (teilweise) falschen Geständnisses veranlassen. 

cc) Mit den Bestimmungen zum Entfallen der Bindung des Gerichts an eine Verständigung (§ 257c Abs. 4 StPO) hat der Gesetzgeber ferner die aus dem Schuldprinzip, der Pflicht des Gerichts zur Erforschung der materiellen Wahrheit und seiner Neutralitätspflicht sowie der Unschuldsvermutung zu ziehenden Konsequenzen für die Grenzen der richterlichen Selbstbindung an gegebene Zusagen konkretisiert. Es ist gewährleistet, dass die der Verständigung beigemessene Bindung entfällt, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung der in Aussicht gestellte eingegrenzte Strafrahmen als nicht (mehr) tat- oder schuldangemessen erweist. 

dd) Der insbesondere im Grundsatz der Verfahrensfairness verankerten Forderung, dass der Angeklagte autonom darüber entscheiden kann, ob er den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit aufgibt, sich auf eine Verständigung einlässt und mit einem Geständnis sich seines Schweigerechts begibt, genügt das Verständigungsgesetz ebenfalls. Das Strafverfahrensrecht trägt dem Anliegen, die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten zu wahren, bereits generell in allen Verfahrensstadien Rechnung. So haben Belehrungspflichten sowie die Freiheit von Willensentschließung und Willensbetätigung in den allgemeinen Vorschriften der §§ 136, 136a StPO und - beispielsweise - für das Ermittlungsverfahren in § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie für die Hauptverhandlung in § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO ihren Niederschlag gefunden. Wenn diese Sicherungen schon bei der Entscheidungsfindung über allgemeines Aussageverhalten greifen, so haben sie eine umso größere Bedeutung, wenn es um die Frage eines Schuldeingeständnisses geht, vor allem in der für eine Verständigung typischen Anreiz- und Verlockungssituation (vgl. oben B. II. 1. e)). Vor diesem Hintergrund kommt der in § 257c Abs. 5 StPOvorgesehenen Belehrung über die Reichweite der Bindungswirkung und die Folgen eines Scheiterns der Verständigung besondere Bedeutung zu, der auch revisionsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 

Von ebenso hohem Gewicht ist, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit es dem Gericht verbietet, dem Angeklagten eine geständnisbedingte Strafmilderung in Aussicht zu stellen, mit der es den Boden schuldangemessenen Strafens verließe. Der Angeklagte darf infolgedessen nicht durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Vorteilsversprechen, aber auch nicht durch Täuschung oder Drohung zu einem Geständnis gedrängt werden. Letzteres hat in § 136a StPO bereits seinen Ausdruck gefunden (vgl. BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 859/83 -, NStZ 1984, S. 82; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 <2663>). Erst recht greift dieses Schutzgebot zugunsten eines Angeklagten, mit dessen Geständnis in der Hauptverhandlung der Ausgang des Verfahrens steht oder fällt. 
ee) Das Verständigungsgesetz trifft umfangreiche Vorkehrungen dahin, dass das maßgebliche Verständigungsgeschehen in die Hauptverhandlung einbezogen und dokumentiert wird, und gibt mit der in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO vorgesehenen Abhängigkeit der Verständigung von der Zustimmung der Staatsanwaltschaft dieser ein Mittel zur Wahrung rechtsstaatlicher Standards in die Hand, zu der die effektiv zu handhabende Überprüfung durch Rechtsmittel hinzutritt (vgl. oben B. II. 1. d)). Der Gesetzgeber begegnet damit der mit der Möglichkeit der Verfahrensverkürzung durch eine Verständigung einhergehenden Gefahr einer Motivationsverschiebung bei dem erkennenden Gericht und trägt dem mit der Zusage einer wesentlichen Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses verbundenen Anreiz für den Angeklagten Rechnung, ein (teilweise) falsches Geständnis abzulegen. Zugleich wirkt er dem Risiko entgegen, dass sich ein möglicher Interessengleichlauf von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Die verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken erwarten, dass die mit Verständigungen verbundenen rechtsstaatlichen Risiken beherrscht werden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob bestimmte Vorkehrungen von Verfassungs wegen unverzichtbar sind, solange ein ausreichendes Gewährleistungsniveau verwirklicht wird. 

ff) Schließlich hat der Gesetzgeber eindeutig entschieden, dass auf das Strafurteil bezogene „informelle“ Absprachen unzulässig sind. Ausweislich des § 257c Abs. 1 StPO sind Verständigungen über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens nur nach Maßgabe der folgenden Absätze zulässig. Intransparente, unkontrollierbare „Deals“ sind im Strafprozess wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdung des Schuldprinzips, der darin verankerten Wahrheitserforschungspflicht und des dem Rechtsstaatsprinzip innewohnenden Prinzips des fairen Verfahrens bereits von Verfassungs wegen untersagt, und der Gesetzgeber hat derartige Vorgehensweisen in unmissverständlicher Weise verworfen. 

3. Der in erheblichem Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führt derzeit nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. 

a) Die repräsentative empirische Erhebung von Prof. Dr. Altenhain, die Anhörung der Auskunftspersonen in der mündlichen Verhandlung, aber auch die schriftlichen Stellungnahmen zu den Verfassungsbeschwerden und die vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung zeigen zwar, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verteidigung in einer hohen Zahl von Fällen die gesetzlichen Vorgaben missachten und die Rechtsmittelgerichte der ihnen zugewiesenen Aufgabe der Kontrolle der Verständigungspraxis nicht immer in genügendem Maße nachgekommen sind. Aus diesem empirischen Befund kann jedoch derzeit noch nicht auf ein in der Norm selbst angelegtes und daher zu deren Verfassungswidrigkeit führendes Versagen der zur Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Vorgaben normierten Schutzmechanismen geschlossen werden. 

b) Eine gesetzliche Regelung, gegen die in der Rechtsanwendungspraxis in verfassungswidriger Weise verstoßen wird, verletzt nur dann auch selbst das Grundgesetz, wenn die verfassungswidrige Praxis auf die Vorschrift selbst zurückzuführen, mithin Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits ist. Ein solches Defizit kann im vorliegenden Zusammenhang nicht schon darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber urteilsbezogene Verständigungen, welche sich durch ihre Grundstruktur für die Verwirklichung des Schuldprinzips als gefährlich erweisen, überhaupt gestattet hat. Dies ließe unberücksichtigt, dass er ihre Zulassung an umfangreiche flankierende Schutzmechanismen gekoppelt hat, die die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an den Strafprozess sicherstellen sollen (vgl. auch BVerfGE 81, 123 <129 f.>; 83, 24 <31>; 118, 212 <231 f.>). Verfassungswidrig wäre das gesetzliche Regelungskonzept nur, wenn die vorgesehenen Schutzmechanismen in einer Weise lückenhaft oder sonst unzureichend wären, die eine gegen das Grundgesetz verstoßende „informelle“ Absprachepraxis fördert, das Vollzugsdefizit also durch die Struktur der Norm determiniert wäre. 

c) Ein strukturelles Regelungsdefizit kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Gründe für den erheblichen, keineswegs auf Einzelfälle beschränkten Vollzugsmangel sind vielschichtig und finden sich nach gegenwärtiger Erkenntnis nicht in einer Schutzlücke der gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung traf auf Rahmenbedingungen, die von immer komplexer werdenden Lebenssachverhalten, einer stetigen Ausweitung des materiellen Strafrechts sowie immer differenzierteren Anforderungen an den Ablauf des Strafverfahrens geprägt sind, und hatte die schwierige Aufgabe, eine zuvor über drei Jahrzehnte in der Praxis entstandene und dort längst verfestigte Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Im Vergleich zu der lang andauernden und - wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - immer weiter um sich greifenden Praxis jedenfalls gesetzlich nicht geregelter Absprachen ist der Zeitraum der bisherigen Geltungsdauer der gesetzlichen Schutzmechanismen noch sehr kurz, was dafür spricht, dass die Durchsetzung der strikt umgrenzten und stark formalisierten Verständigungsform entsprechend dem gesetzlichen Regelungskonzept noch nicht abgeschlossen ist und insbesondere die hohe Bedeutung der Schutzmechanismen von der Praxis noch nicht vollständig verinnerlicht wurde. Hierfür spricht auch, dass in der Literatur Stellungnahmen anzutreffen sind, die dahin verstanden werden können, dass die gesetzliche Regelung nicht abschließend sei und die Schutzmechanismen insbesondere des § 273 Abs. 1a und des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht für „informelle“ Vorgehensweisen außerhalb der Vorgaben des § 257c StPO gälten (vgl. etwa Peglau, jurisPR-StrafR 4/2012 Anm. 1; Niemöller, StV 2012, S. 387 <388 f.>; ders., in: Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, § 273 Rn. 16, § 302 Rn. 5; Bittmann, wistra 2009, S. 414 <416>; Kirsch, StraFo 2010, S. 96 <101>). Hinzu kommt die nicht selten anzutreffende Bewertung gerade der Schutzmechanismen als „praxisuntauglich“, welche die Sicherung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als zentrale Aufgabenstellung des Strafverfahrensrechts übergeht. Dies verkennt, dass im Rechtsstaat des Grundgesetzes das Recht die Praxis bestimmt und nicht die Praxis das Recht. 
d) Weder das Ergebnis der empirischen Erhebung noch die in den Verfassungsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen zwingen zu der Annahme, dass es strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzepts sind, die zu dem bisherigen Vollzugsdefizit geführt haben könnten. Als Hauptgrund für die Nichtbeachtung der gesetzlichen Regelungen wird in der empirischen Untersuchung vielmehr eine „fehlende Praxistauglichkeit“ der Vorschriften genannt. Dabei werden als praxisuntauglich oftmals die Begrenzung des zulässigen Inhalts von Verständigungen, die Transparenz- und Dokumentationspflichten - hier vor allem das Negativattest des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO - sowie das Verbot eines Rechtsmittelverzichts angeführt, also gerade diejenigen Vorschriften, die die Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gewährleisten sollen. So gaben viele Verteidiger in der Befragung an, die gesetzliche Regelung widerspreche dem „Wesen des Deals“; dieser sei informell. Auch dies spricht für ein bisher nur unzureichend ausgeprägtes Bewusstsein, dass es Verständigungen ohne die Einhaltung der Anforderungen des Verständigungsgesetzes nicht geben darf. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stützen daher nicht die Annahme eines im gesetzlichen Regelungskonzept verankerten strukturellen Defizits, sondern sprechen für interessengeleitete Missverständnisse und Bestrebungen, die gesetzliche Regelung wegen ihrer - als unpraktisch empfundenen - Schutzmechanismen zu umgehen. 

4. Auch wenn derzeit aus dem defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geschlossen werden kann, muss der Gesetzgeber die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in erheblichem Umfang über die gesetzlichen Regelungen hinwegsetzen und sollten die materiellen und prozeduralen Vorkehrungen des Verständigungsgesetzes nicht ausreichen, um das festgestellte Vollzugsdefizit zu beseitigen und dadurch die an eine Verständigung im Strafverfahren zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, muss der Gesetzgeber der Fehlentwicklung durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken (vgl. zu Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>; 110, 141 <158, 166>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. November 2009 - 1 BvR 213/08 -, GRUR 2010, S. 332 <334>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Januar 2011 - 1 BvR 3222/09 -, NJW 2011, S. 1578 <1582>). Unterbliebe dies, träte ein verfassungswidriger Zustand ein. 

5. Das Normgefüge des Verständigungsgesetzes gestattet nach der hier zugrunde gelegten Auslegung des einfachen Rechts keine Verfahrensweise im Strafprozess, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben widerspräche. Die durch das Verständigungsgesetz eingeführten Vorschriften sind deshalb weder für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären noch besteht Anlass, sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzugrenzen. Damit ist der Anwendungsbereich von § 79 BVerfGGnicht eröffnet. 

III.  

Die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen sind mit den Vorgaben des Grundgesetzes für eine Verständigung im Strafprozess nicht zu vereinbaren. 

1. Die von den Beschwerdeführern zu I. und II. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts München II und des Bundesgerichtshofs verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und verstoßen gegen die Selbstbelastungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Im Anschluss an die in beiden Fällen unterbliebene Belehrung der Angeklagten über die Voraussetzungen und Folgen des Wegfalls der Bindung an eine Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Prüfung, ob die Urteile des Landgerichts München II auf dem Gesetzesverstoß beruhen, die grundlegende Bedeutung der Belehrungspflicht nach § 257c Abs. 5 StPOfür die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit verkannt. 

a) Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 16/12310, S. 15). Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. 

Zwar muss der Angeklagte unabhängig von der Möglichkeit einer Verständigung darüber befinden, ob und gegebenenfalls wie er sich zur Sache einlässt. Mit der Aussicht auf eine Verständigung wird jedoch eine verfahrensrechtliche Situation geschaffen, in der es dem Angeklagten in die Hand gegeben wird, durch sein Verhalten spezifischen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses zu nehmen. Anders als in einer nach der herkömmlichen Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung kann er nämlich mit einem Geständnis die das Gericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und damit Sicherheit über den Ausgang des Verfahrens erreichen. Damit ist aus der Perspektive des Angeklagten das Festhalten an der Freiheit von Selbstbelastung nur noch um den Preis der Aufgabe der Gelegenheit zu einer das Gericht bindenden Verständigung und damit einer (vermeintlich) sicheren Strafobergrenze zu erlangen. Die Erwartung der Bindung des Gerichts bildet dementsprechend Anlass und Grundlage der Entscheidung des Angeklagten über sein prozessuales Mitwirken; damit entsteht eine wesentlich stärkere Anreiz- und Verführungssituation als es - mangels Erwartung einer festen Strafobergrenze - etwa in der Situation von § 136 Abs. 1 oder § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO der Fall ist. Der Angeklagte muss deshalb wissen, dass die Bindung keine absolute ist, sondern unter bestimmten Voraussetzungen - die er ebenfalls kennen muss - entfällt. Nur so ist es ihm möglich, Tragweite und Risiken der Mitwirkung an einer Verständigung autonom einzuschätzen. Die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht ist aus diesem Grund keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern eine zentrale rechtsstaatliche Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit. 

b) Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verkennen diese besondere Funktion des § 257c Abs. 5 StPO. Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung nach dieser Vorschrift verletzt den Angeklagten grundsätzlich in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem Verstoß einhergehenden Grundrechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte. Hierzu müssen vom Revisionsgericht konkrete Feststellungen getroffen werden. Soweit der Bundesgerichtshof in beiden Fällen damit argumentiert, dass ein Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO nicht eingetreten sei, führt dies im Hinblick auf die Frage, ob die Urteile gerade wegen der Verwertung des nach einem Belehrungsmangel abgegebenen Geständnisses auf einer Verletzung der Autonomie des Angeklagten beruhen, nicht weiter. Wenn der Bundesgerichtshof im Fall der Beschwerdeführer zu II. ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen § 257c Abs. 5 StPO darüber hinaus mit der Erwägung verneint, konkrete, fallbezogene Gründe, die für die auch nur entfernte Möglichkeit sprächen, dass sich der aufgezeigte Verfahrensmangel auf das Prozessverhalten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, verkennt er die grundlegende Bedeutung des § 257c Abs. 5 StPO für den Grundsatz des fairen Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesgerichtshof bei Anwendung des oben genannten Maßstabs in beiden Fällen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Aus diesem Grund sind die angegriffenen Beschlüsse des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sachen an diesen zurückzuverweisen. 

2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Bundesgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG

a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz und die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Grundlage einer Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen und Ladezustand der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die Anklage erschöpft, ist als Grundlage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Grundlage für eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch disponiert und zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom Grundgesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar. 
Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite und der für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung. Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur Bewährung verbunden wurde, die überhaupt nur aufgrund der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war. 

b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des Bundesgerichtshofs, mit dem die Grundrechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. 

C. 

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG.
 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. April 2016 - 10 Sa 2139/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Oktober 2015 - 19 Ca 8090/15 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.

2

Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten als Telefonistin im Schichtdienst acht Stunden täglich zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.280,00 Euro beschäftigt.

3

Der seit mehreren Jahren gekündigte, zwischen der Beklagten und ver.di abgeschlossene Vergütungstarifvertrag vom 24. August 2001 enthält eine Regelung, wonach sich das monatliche Bruttogrundgehalt einer Telefonistin bei nachgewiesener Befähigung und Fertigkeit der selbständigen Funkkanalbedienung um 30,68 Euro je Kanal (max. 122,71 Euro) erhöht, unabhängig von deren tatsächlicher Bedienung.

4

Gemäß einer Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 erhalten Angestellte der Beklagten Leistungsprämien, die entweder durch eine Kennziffer bemessen werden, die aus verschiedenen Auftragsarten der Telefonannahme und Funkvermittlung im Vergleich aller Mitarbeiter ermittelt wird (Leistungsprämie LP1), oder sich nach allgemeinen Kriterien wie Sprache, Höflichkeit, Korrektheit und Zuverlässigkeit (Leistungsprämie LP2) richtet.

5

In den Monaten Januar bis Juli 2015 zahlte die Beklagte der Klägerin jeweils neben dem Bruttogrundgehalt iHv. 1.280,00 Euro, Wechselschichtzulagen iHv. 243,75 Euro brutto, Funkprämien iHv. 122,71 Euro brutto sowie zwei Leistungsprämien iHv. 81,81 Euro brutto (LP1) und 51,13 Euro brutto (LP2).

6

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis Juli 2015. Die Klägerin meint, die Beklagte erfülle nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Bei durchschnittlich 182,5 Stunden im Monat müsse der monatliche Bruttogrundlohn 1.551,25 Euro betragen. Die Zulagen und Prämien würden den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllen.

7

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.898,75 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht abgeändert. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns erfüllt.

11

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Ansprüche sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von sieben Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12; 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 14).

12

II. Die Klage ist unbegründet.

13

1. Die Klagebegründung ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand der arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Stundenzahl berechnet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht. Dies gilt insbesondere, wenn in dieser Stundenzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehendem Vergütungsanspruch (zB Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen oder Urlaub) enthalten sind, für die das Mindestlohngesetz mangels tatsächlicher Arbeitsleistung keine Ansprüche begründet. Insofern ist Sachvortrag nach den jeweils einschlägigen Normen zu leisten (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil der Zahlungsantrag in jedem Fall unbegründet ist.

14

2. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

15

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin durch monatliche Zahlung des Bruttogehalts sowie der weiteren Zulagen und Prämien erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

16

aa) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22 mwN). § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch. Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 25 mwN). Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 23 mwN).

17

bb) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26).

18

Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ein mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt(vgl. zur Auslegung des Begriffs Mindestlohn BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 28 ff.).

19

b) Entgegen dem Landesarbeitsgericht gebietet die Entstehungsgeschichte des Mindestlohngesetzes kein anderes Auslegungsergebnis.

20

aa) Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BVerfG 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 und 11/60 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 11, 126; 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 105, 135; 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, BVerfGE 133, 168). Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua. - Rn. 66, aaO).

21

bb) Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat zu Recht darauf verwiesen (BT-Drs. 18/1558 S. 61 ff.), dass das Mindestlohngesetz selbst nicht klarstellt, welche Lohnbestandteile auf das Mindestentgelt anzurechnen sind, und deshalb diese Klärung der Rechtsprechung überantwortet würde. Die Antwort der Bundesregierung (Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Mai 2014, BT-Drs. 18/1558 S. 67 ff.) widersprach dem nicht, sondern verwies auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts. Diese Rechtsprechung wurde von der Bundesregierung in ihrer Antwort interpretiert. Doch unterblieb eine Konkretisierung des Normtextes, insbesondere wurde nicht der Begriff der „Normalleistung“ in den Wortlaut des Mindestlohngesetzes aufgenommen. Dies wäre aber notwendig gewesen, wenn die Bundesregierung abweichend von der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 18/1558 S. 34) für ausschließlich leistungs- oder erfolgsabhängig vergütete Arbeitnehmer eigene Regeln hätte schaffen wollen. Gerade diese Arbeitnehmer bestimmen durch ihre Kenntnisse und Fertigkeiten, ihr Engagement, ihren Einsatz, ihre Freundlichkeit oder andere weiche Faktoren die Höhe ihres Verdienstes, der nach dem beschlossenen und verkündeten Gesetz in voller Höhe das geschuldete Mindestentgelt zu erfüllen vermag.

22

Bestimmt sich der Mindestlohnbegriff nach den Regeln des Arbeitnehmerentsenderechts (Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996), rechtfertigt dies den Verweis der Bundesregierung auf die frühere Rechtsprechung des EuGH, wonach Zulagen und Zuschläge, die durch die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, nicht als Bestandteile des Mindestlohns definiert werden und die das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und der ihm erbrachten Gegenleistung auf der anderen Seite verändern, nicht als Bestandteile des Mindestlohns betrachtet werden können (EuGH 14. April 2005 - C-341/02 - [Kommission/Deutschland] Rn. 39; 7. November 2013 - C-522/12 - [Isbir] Rn. 38). Doch hat der EuGH mit einem der Antwort der Bundesregierung und der Verabschiedung des Mindestlohngesetzes zeitlich nachfolgenden Urteil seine Rechtsprechung fortgeführt und weiter präzisiert. Nach dieser national bindenden Entscheidung sind alle „zwingend und transparent geregelten Gegenleistungen des Arbeitgebers“ für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers „Bestandteile des Mindestlohns“ (vgl. EuGH 12. Februar 2015 - C-396/13 - [Sähköalojen ammattiliitto] Rn. 42, 44 sowie 68). Mit der am 25. Mai 2016 begonnenen Rechtsprechung zum Mindestlohngesetz folgt der Senat dieser Begriffsbestimmung und berücksichtigt dabei die Zweckrichtung des gesetzlichen Mindestlohns.

23

Vorrangiger Zweck des gesetzlichen Mindestlohns ist es, jedem Arbeitnehmer ein existenzsicherndes Monatseinkommen zu gewährleisten (BT-Drs. 18/1558 S. 28; BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 29). Diesem Zweck vermag jede dem Arbeitnehmer verbleibende Vergütungszahlung des Arbeitgebers zu dienen, unabhängig davon, zu welcher Tageszeit, unter welchen Umständen oder in welcher Qualität die Arbeit erbracht wurde (vgl. Sittard RdA 2015, 99, 102). Folglich fehlt von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis zu erbringenden Entgeltzahlungen des Arbeitgebers nur solchen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 32). Diese normzweckorientierte Auslegung des Mindestlohnbegriffs erfüllt die vom EuGH geforderte Transparenz, denn sie erlaubt es auch ausländischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sich rechtssicher auf das deutsche Mindestlohnrecht einzustellen.

24

Zudem wird diese normzweckorientierte Auslegung des Mindestlohnbegriffs durch das spätere Verhalten des Bundesrates nach Bekanntwerden der ersten Entscheidungen des Senats zum Mindestlohngesetz bestätigt. Der Bundesrat hat entgegen der Initiative einzelner Bundesländer eine Entschließung zur Klarstellung des Mindestlohnbegriffs gerade nicht gefasst und damit die ab Mai 2016 eingeleitete Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechung akzeptiert (vgl. die Initiative einzelner Bundesländer nach der Entscheidung des Senats vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - und die Entscheidung des Bundesrates vom 23. September 2016, BR-Drs. 361/16).

25

c) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis Juli 2015 erfüllt. Neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat gezahlten Zulagen und Prämien Erfüllungswirkung zu.

26

aa) Die Wechselschichtzulage ist eine im Synallagma stehende Geldleistung der Beklagten. Die Klägerin erhält diese als Bruttovergütung ergänzend zum Monats(grund)lohn. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass die Beklagte die Zulage ohne Rücksicht auf die Lage der Arbeitszeit der Klägerin monatlich in gleichbleibender Höhe zahlt. Denn dies spricht allenfalls dafür, dass die Zulage allgemeiner Natur ist und nicht eine Erschwernis der Arbeitserbringung in Wechselschicht ausgleichen soll. Selbst dann wäre die Zulage aber eine für die Arbeitsleistung erbrachte Zahlung. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die Wechselschichtzulage nicht. In § 6 Abs. 5 ArbZG werden besondere Zahlungspflichten lediglich für Nachtarbeitnehmer vorgesehen. Eine entsprechende Regelung für Schichtarbeitnehmer enthält das Gesetz nicht.

27

bb) Bei der Funkprämie handelt es sich um ein im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachtes Entgelt. Die Beklagte zahlt diese Prämien ohne Rücksicht darauf, ob die Klägerin einzelne Kanäle im Abrechnungszeitraum tatsächlich bedient hat. Damit honoriert sie vorgehaltene Fähigkeiten zur Erbringung der Arbeitsleistung, also die Arbeitsleistung selbst.

28

cc) Schließlich sind die Leistungszulagen LP1 und LP2 im Synallagma stehende Geldleistungen der Beklagten, die den Mindestlohnanspruch der Klägerin miterfüllen. Dahinstehen kann, ob sie - wie ursprünglich in der Betriebsvereinbarung vom 22. Juli 1999 vorgesehen - anlässlich einer besonderen Leistung der Klägerin gezahlt werden oder ob es sich dabei um pauschale Zahlungen handelt. Jedenfalls werden die Leistungszulagen als Gegenleistung für die Arbeitsleistung der Klägerin gezahlt und unterfallen daher dem umfassenden Entgeltbegriff des Mindestlohngesetzes.

29

III. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 1 ZPO und die der Revision nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    Bormann    

                 

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. September 2009 - 7 Sa 13/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Juli 2008 geendet hat.

2

Die Klägerin ist Lehrerin. Während ihres Studiums war sie aufgrund zweier mit dem beklagten Freistaat geschlossener Arbeitsverträge an der Universität C/P Fakultät als studentische Hilfskraft vom 1. November bis zum 31. Dezember 1999 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und vom 1. bis zum 31. Januar 2000 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt. Sie war mit Textkorrekturen sowie Kopierarbeiten befasst. Von August 2004 bis Juli 2006 absolvierte sie ihren Vorbereitungsdienst am Beruflichen Schulzentrum für T in O. Im Juli 2006 erwarb sie die Lehrbefähigung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen in den Unterrichtsfächern Wirtschaft/Verwaltung und Ethik/Philosophie.

3

Am 29. Mai 2006 schloss die Klägerin mit dem beklagten Freistaat - vorbehaltlich des Nachweises über den Abschluss der Zweiten Staatsprüfung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen - einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008. Unter § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags heißt es, dass sich das Arbeitsverhältnis „für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung“ bestimmt. Das im Vertrag vorgesehene Textfeld „Grund der Befristung“ ist nicht ausgefüllt. In zwei von der Klägerin ausgefüllten formularmäßigen Personalbogen vom 1. August 2004 und vom 13. Juni 2006 gab sie ihre Beschäftigungen als studentische Hilfskraft beim beklagten Freistaat nicht an.

4

Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Der Beklagte habe sich arbeitsvertraglich auf eine sachgrundlose Befristung festgelegt, die aber wegen ihrer Vorbeschäftigung als studentische Hilfskraft nicht zulässig sei. Auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG könne sich der Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung nicht berufen, weil dieser Sachgrund nicht vorliege, im Arbeitsvertrag nicht genannt und außerdem dem Personalrat nicht mitgeteilt worden sei. Die Befristung sei rechtsmissbräuchlich, weil der beklagte Freistaat seinen Pflichten zur Information über zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze nach § 18 Satz 1 TzBfG und zur bevorzugten Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit befristet Beschäftigten nach § 30 Abs. 2 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder(TV-L) nicht nachgekommen sei.

5

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2008 beendet worden ist, sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht;

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf des 31. Juli 2008 hinaus als vollbeschäftigte Lehrkraft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Entfristungsverfahrens weiterzubeschäftigen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat den Standpunkt vertreten, der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG rechtfertige die Befristung des Arbeitsvertrags. Außerdem habe die Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohnehin keines Sachgrundes bedurft. Auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie ihre Vorbeschäftigung an der Universität C rechtsmissbräuchlich verschwiegen habe.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin den Feststellungs- und den Weiterbeschäftigungsantrag. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

9

A. Der zulässige Klageantrag zu 1. ist unbegründet.

10

I. Mit ihm verfolgt die Klägerin ausschließlich eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Dem Antragswortlaut „… sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht“ kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Hinzuziehung der Klagebegründung. Streitgegenstand ist (allein) die Kontrolle der im Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2006 vereinbarten fristbestimmten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

11

II. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Die Klage genügt den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Klageerhebung gemäß § 17 Satz 1 TzBfG zu stellen sind(vgl. hierzu zB BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72).

12

III. Die für die Dauer vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Die dreimonatige Beschäftigung der Klägerin beim beklagten Freistaat als studentische Hilfskraft in einem zeitlichen Gesamtumfang von 50 Stunden steht der sachgrundlosen Befristung des über sechs Jahre später geschlossenen Arbeitsvertrags als Lehrkraft nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Es kommt nicht darauf an, ob ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG besteht.

13

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

14

a) Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 6. November 2003 ausgeführt, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte - anders als noch § 1 Abs. 3 des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung idF vom 1. Oktober 1996 - keine zeitliche Begrenzung; auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis komme es damit grundsätzlich nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 108, 269). Hieran hat der erkennende Senat im Juli 2009 in einem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluss angeknüpft und ausgeführt, das Bundesarbeitsgericht habe bereits entschieden, dass es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis ebenso wenig ankomme wie auf die Art der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb oder für den Betriebsinhaber. Der Senat halte den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12).

15

b) Auch das arbeitsrechtliche Schrifttum interpretiert § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG überwiegend als zeitlich uneingeschränktes, „absolutes“ oder „lebenslanges“ sog. Anschlussverbot (AnwK-ArbR/Studt 2. Aufl. Bd. 2 § 14 TzBfG Rn. 91; APS/Backhaus 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 381; Arnold/Gräfl Gräfl TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 256; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 431 f.; Gräfl FS Bauer S. 375, 379 f.; HaKo/Mestwerdt 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 168; Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 119; Holwe/Kossens/Pielenz/Räder TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 118; HWK/Schmalenberg 4. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 109; Kliemt NZA 2001, 296, 300; KR/Lipke 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 420; LS/Schlachter 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 112; Meinel/Heyn/Herms 3. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 154; MünchArbR/Wank 3. Aufl. § 95 Rn. 116; Rolfs TzBfG § 14 Rn. 75; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 39 Rn. 12; Schmalenberg NZA 2001, 938; Sievers TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 390; kritisch zB Annuß/Thüsing/Maschmann TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 78; Hromadka BB 2001, 627; Preis NZA 2005, 714, 715 f.; Preis/Gotthardt DB 2000, 2065, 2072; vgl. auch dies. DB 2001, 145, 152; Richardi/Annuß BB 2000, 2201, 2204; Schiefer DB 2000, 2118, 2122; aA insbesondere mit näherer Begründung ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 98 f.; Löwisch BB 2001, 254; ebenso Bauer BB 2001, 2473, 2475; Osnabrügge NZA 2003, 639, 642; Straub NZA 2001, 919, 926; Persch ZTR 2010, 2 mit vor allem verfassungsrechtlichen, auch Art. 33 Abs. 2 GG einbeziehenden Erwägungen).

16

c) Nach erneuter Prüfung hält der Senat an dem zeitlich völlig uneingeschränkten Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht fest. Unter Berücksichtigung aller Auslegungskriterien ist ein Verständnis der Vorschrift in dem Sinne geboten, dass das Zuvorbeschäftigungsverbot zeitlich eingeschränkt ist. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik zwingen zu keiner bestimmten Auslegung. Die Gesetzesgeschichte deutet eher auf ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Zuvorbeschäftigung. Dagegen sprechen der Normzweck, Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit sowie insbesondere verfassungsrechtliche Erwägungen für eine zeitliche Beschränkung des Verbots.

17

aa) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebietet zwingend kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Er ist im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Die Normaussage steht zwar in einem unmissverständlichen situativen Zusammenhang zu einem Arbeitsverhältnis, das mit demselben Arbeitgeber bereits bestand. In seiner zeitlich-inhaltlichen Dimension ist das Adverb „bereits zuvor“ aber mehreren Deutungen zugänglich. Der Aussagegehalt erschließt sich, wie auch bei anderen temporalen adverbialen Bestimmungen, regelmäßig erst aus dem satzinternen oder -externen Bedeutungszusammenhang. „Bereits zuvor“ kann etwa ausdrücken „jemals zuvor“ bzw. „irgendwann zuvor“, „unmittelbar zuvor“ oder „mit dem Bezugsereignis oder der Bezugssituation in einem zeitlichen und/oder sachlichen Zusammenhang stehend“. Ginge man davon aus, der Gesetzgeber habe eine sachgrundlose Befristung generell nicht mehr zulassen wollen, wenn der Arbeitnehmer bereits irgendwann zuvor einmal in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden habe, ist dies im Gesetzestext jedenfalls nur unvollständig zum Ausdruck gekommen (Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 431; nicht für eindeutig halten den Wortlaut insbesondere auch: ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 98 und Bauer NZA 2011, 241, 243). Dass die Verwendung der Worte „bereits zuvor“ nicht zwingend „jemals zuvor“ bedeutet, mag ein fiktives Beispiel belegen: Würde eine Regelung dahin lauten, dass die Anordnung von Nachtschicht unzulässig sei, wenn der Arbeitnehmer „bereits zuvor“ in einer Tagschicht gearbeitet habe, wäre ein Verständnis, Nachtschicht könne nicht mehr zulässig angeordnet werden, wenn der Arbeitnehmer „jemals zuvor“ eine Tagschicht absolviert habe, ersichtlich fernliegend. Als Adverbialkonstruktion ist der Normausdruck „bereits zuvor“ also kontextabhängig.

18

bb) Eine gesetzessystematische Textvergleichung gebietet ebenfalls kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Die derzeitige Fassung des § 14 TzBfG lässt ohnehin keine Rückschlüsse auf die Bedeutung der Worte „bereits zuvor“ zu. Der Umstand, dass sich zu § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG - in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung - die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne von „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Er gebietet jedoch kein Verständnis, wonach „bereits zuvor“ gleichbedeutend mit „jemals zuvor“ sei. Die ursprüngliche - vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 geltende - und die darauf folgende - vom 1. Januar 2002 bis 30. April 2007 geltende - Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG, die in den Sätzen 2 und 3 eine Beschränkung der nach Satz 1 für ältere Arbeitnehmer möglichen sachgrundlosen Befristung dahin vorsah, dass zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Zeitraums von weniger als sechs Monaten liegen durfte, könnte zwar dafür sprechen, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Zwingend ist dies aber nicht. Der systematische Kontext bedeutet eher nur, eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch bei einer Unterbrechung von deutlich mehr als sechs Monaten anzunehmen.

19

cc) Die Gesetzesgeschichte des TzBfG spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht modifiziert. Entsprechenden Anregungen im Gesetzgebungsverfahren ist er nicht nachgegangen. So hatte der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht ua. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag des angehörten Sachverständigen Preis wiedergegeben, nach welchem das legitime Ziel, Kettenbefristungen zu verhindern, auch mit einer Zwei-Jahres-Karenzregelung verhindert werden könne (BT-Drucks. 14/4625 S. 18). Dies mag den Umkehrschluss nahelegen, das Verbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine durch einen Zeitraum bestimmte Grenze(die historische Auslegung als entscheidend gegen ein eingeschränktes Verständnis des Vorbeschäftigungsverbots sehen zB an: APS/Backhaus § 14 TzBfG Rn. 381; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 432). Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Die Gesetzesmaterialien sind bei der Auslegung nur unterstützend und nur insofern heranzuziehen, als sich aus ihnen auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lässt (vgl. BVerfG 16. Februar 1983 - 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 - zu C II 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 62, 1). Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ist nicht entscheidend. Das Gewicht der historischen Auslegung darf nicht überschätzt werden. Es ist nicht maßgeblich, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (so explizit [mit Bezug auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung] BVerfG 16. August 2001 - 1 BvL 6/01 - zu II 2 der Gründe, NVwZ-RR 2002, 117). Desgleichen lässt das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 verlautbarte Vorhaben, die Möglichkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen so umzugestalten, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr auch dann möglich werde, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe (vgl. Auszug AuR 2009, 403, 404), keinen Rückschluss auf die richtige Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung nach der geltenden Rechtslage zu.

20

dd) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbots spricht der Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ missbraucht wird. Zur Verwirklichung dieses Zwecks bedarf es keines lebenslangen Anschlussverbots. Ein solches wäre vielmehr nach dem Normzweck überschießend.

21

(1) Der Zweck des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots der Vorbeschäftigung erschließt sich erst im Verhältnis zu § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG schränkt den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ein. Sein Normzweck kann demzufolge zutreffend nur ermittelt werden, wenn zugleich der vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgte Zweck berücksichtigt wird.

22

(a) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen soll zum einen dem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren; zum anderen soll die befristete Beschäftigung für den Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/06 - Rn. 22, BAGE 120, 34). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 13 f.) heißt es hierzu:

        

„– Befristungen ohne Sachgrund

        

Wie bisher wird es auch weiterhin zulässig sein, einen Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zu befristen und einen zunächst kürzer befristeten Arbeitsvertrag innerhalb der zweijährigen Höchstbefristungsdauer höchstens drei Mal zu verlängern (erleichterte Befristung). Die bisher zeitlich begrenzte Regelung wird als Dauerregelung ausgestaltet.

        

Die Erleichterung der Befristung von Arbeitsverträgen hat nicht zu einer Inflation befristeter Beschäftigung geführt. Der Anteil der Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz an allen Befristungen betrug im Jahre 1992 rund 10 % (Untersuchung Infratest Sozialforschung München). Die durch das Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Artikel 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985) eingeführte erleichterte Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht es Unternehmern, insbesondere auch Existenzgründern und Klein- und Mittelunternehmen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen, also in Fällen, die von der Rechtsprechung nicht als sachliche Befristungsgründe anerkannt sind, durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das ist zugleich eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative zur Überstundenarbeit und zum sog. Outsourcing (Übertragung von Tätigkeitsbereichen des Unternehmens auf andere Unternehmen, z. T. auch im Ausland).

        

Für viele Arbeitnehmer ist die befristete Beschäftigung eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Insbesondere Jugendlichen nach der Ausbildung erleichtern befristete Arbeitsverträge den Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine spätere dauerhafte Beschäftigung. Nach den übereinstimmenden Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen in den Jahren 1988 und 1992 mündete rund die Hälfte der befristeten Arbeitsverträge nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz in unbefristete Arbeitsverhältnisse.“

23

(b) Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ bzw. „Kettenverträgen“ missbraucht werden kann. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 14, 19) ist hierzu ausgeführt:

        

„– Einschränkung von Kettenverträgen

        

Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages ist künftig nur bei einer Neueinstellung zulässig, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen. Solche Befristungsketten sind bisher möglich, weil ein Arbeitsvertrag ohne Sachgrund auch nach einer Befristung mit Sachgrund zulässig ist und nach einer mindestens viermonatigen Unterbrechung wiederholt abgeschlossen werden kann. Ebenso kann sich ein Vertrag mit Sachgrund unmittelbar an einen Vertrag ohne Sachgrund anschließen. Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig.

        

…       

        

Ebenso ist eine erneute erleichterte Befristung auch nach mindestens viermonatiger Unterbrechung unzulässig. Befristungsketten, die durch einen mehrfachen Wechsel zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund entstehen, werden damit verhindert.“

24

Erklärter Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist also nicht etwa die Verhinderung befristeter Arbeitsverträge und auch nicht die Verhinderung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern die Verhinderung von „Befristungsketten“. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. EG L 175 vom 10. Juli 1999 S. 43), deren Umsetzung das TzBfG dient (BT-Drucks. 14/4374 S. 1; vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 19, BAGE 130, 146). Die Rahmenvereinbarung gebietet - wie der Gerichtshof der Europäischen Union wiederholt entschieden hat - nicht, dass bereits der erste oder einzige befristete Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 41 f., Slg. 2005, I-9981). Ziel der Rahmenvereinbarung ist vielmehr die Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen (vgl. EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 94, aaO; BAG 17. November 2010 - 7 AZR 443/09 (A) - Rn. 28, NZA 2011, 34).

25

(2) Hiernach rechtfertigt der mit § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG verfolgte Normzweck kein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung. Ein solches wäre überschießend. Ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung ist zur Verhinderung von „Befristungsketten“ nicht erforderlich. Wenn zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, kann von „Kettenverträgen“, „Befristungsketten“ oder „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ nicht mehr gesprochen werden. Zugleich liefe ein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung dem mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgten Normzweck zuwider. Durch ein solches Verständnis würde nämlich arbeitssuchenden Arbeitnehmern, die vor längerer Zeit schon einmal bei dem Arbeitgeber beschäftigt waren, die Chance genommen, über ein zunächst nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu gelangen. Die „Brücke zur Dauerbeschäftigung“, welche die sachgrundlose Befristung des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sein soll, bliebe solchen Arbeitnehmern versperrt, ohne dass dies nach dem mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck geboten wäre.

26

ee) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinn eines zeitlich unbeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen das Interesse an einer praktikablen Regelung sowie Erfordernisse der Rechtssicherheit. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung bedeutete häufig für beide Arbeitsvertragsparteien erhebliche praktische Schwierigkeiten beim Vertragsschluss und eine nicht zu vernachlässigende Rechtsunsicherheit. Jedenfalls dann, wenn eine Vorbeschäftigung lange Zeit zurückliegt, dürfte deren zuverlässige Feststellung mit beträchtlichen Komplikationen verbunden sein. Die Beantwortung der Frage, ob ein früheres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand und ob etwa eine unbeachtliche Umfirmierung oder eine beachtliche Rechtsnachfolge vorlag, gestaltet sich mit zunehmender Zeitdauer schwieriger. Unterlagen über längere Zeit zurückliegende, beendete Arbeitsverträge sind bei Abschluss des neuen Vertrags möglicherweise weder beim Arbeitgeber noch beim Arbeitnehmer vorhanden oder aktuell zugänglich. Der Kreis und das Erinnerungsvermögen der Personen, die unmittelbar Kenntnis von der früheren Beschäftigung des Arbeitnehmers haben, nehmen ab. Ein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Vorbeschäftigung und ein im Falle der vorsätzlichen Falschbeantwortung etwa gegebenes Anfechtungsrecht nach § 123 BGB erscheinen jedenfalls bei lange zurückliegenden Beschäftigungsverhältnissen wenig praktikabel(vgl. Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 453 bis 459). Sie sind vielmehr geeignet, zu erheblicher Rechtsunsicherheit zu führen. Bei Unklarheiten über eine etwaige Vorbeschäftigung wird der Arbeitgeber im Zweifel von der Einstellung Abstand nehmen. Bei späteren Streitigkeiten über die Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung und/oder über eine vom Arbeitgeber - ggf. vorsorglich - erklärte Anfechtung werden die Gerichte häufig vor der schwierigen Aufgabe stehen, sich eine Überzeugung davon zu bilden, ob der Arbeitnehmer vor Jahren bei „demselben“ Arbeitgeber beschäftigt war und ob er die diesbezügliche Frage wahrheitswidrig beantwortet hat. Mit den beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien an der Gewissheit über die Wirksamkeit ihrer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vereinbarten Befristung ist dies kaum vereinbar.

27

ff) Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob eine solche Auslegung noch verfassungskonform wäre (verneinend Persch ZTR 2010, 1; vgl. auch Löwisch BB 2001, 254). Jedenfalls gebietet eine die Wertordnung des Grundgesetzes berücksichtigende „verfassungsorientierte Auslegung“ (vgl. zu diesem Begriff BSG 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R - Rn. 14, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3; Voßkuhle AöR 125, 177, 180; vgl. zum Begriff der „verfassungsfreundlichen Auslegung“ BFH 16. November 2004 - VII R 16/04 - zu II der Gründe, BFHE 207, 376) ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung.

28

(1) Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Die Deutung darf aber nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16 mwN, GRUR 2011, 223). Die Fachgerichte haben daher das einfache Recht so auszulegen und anzuwenden, dass unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermieden werden (vgl. BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 17, aaO).

29

(2) Hiernach ist eine Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt geboten. Ein uneingeschränktes Anschlussverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lang zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Dies würde der in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden objektiven Wertentscheidung nicht hinreichend gerecht.

30

(a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen. Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus. Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286). Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird der Einzelne in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen(BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169). Staatliche Maßnahmen, die den Arbeitnehmer in seiner Freiheit beschränken, mit einem einstellungswilligen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis einzugehen und dieses privatautonom auszugestalten, bedürfen daher grundsätzlich einer Rechtfertigung.

31

(b) Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Da die Gesetze die Ausübung der Vertragsfreiheit in der speziellen Ausprägung der Berufsbetätigungsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz regeln, sondern auch, um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren, wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt. Er wird vielmehr traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286).

32

(c) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den staatlichen Eingriff in die Privatautonomie kann und wird sich häufig aus der Schutzpflichtfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG ergeben. Diese verpflichtet die staatlichen Grundrechtsadressaten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 419/05 - Rn. 18 mwN, BAGE 120, 42). Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie tragen der aus dem Grundrecht folgenden Schutzpflicht Rechnung (vgl. zum Kündigungsschutzgesetz: BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169).

33

(d) Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum(vgl. BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169; 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Dieser ist jedoch nicht unbeschränkt. Eingriffe in die Privatautonomie müssen zur Verwirklichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele geeignet, erforderlich und angemessen sein (vgl. BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - aaO). Auch hat der Gesetzgeber grundsätzlich die faktischen grundrechtsbeschränkenden Wirkungen, die mit seinen Schutzvorschriften verbunden sind, im Blick zu behalten (vgl. dazu BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 3 b bb und dd der Gründe, aaO). Beschränkungen der Privatautonomie, die zur Durchsetzung des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweckes nicht geeignet und erforderlich und damit überschießend sind, sind daher im Lichte der Verfassung in der Regel bedenklich und bei der Anwendung und Auslegung der Schutzvorschriften durch die Fachgerichte nach Möglichkeit zu vermeiden.

34

(e) Hiernach gebietet eine verfassungsorientierte Betrachtung eine Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im zeitlich eingeschränkten Sinn.

35

(aa) Der Gesetzgeber verfolgt mit der die Privatautonomie beschränkenden Bestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in Ausfüllung seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht legitime Ziele. Es geht ihm - ebenso wie bei den übrigen, die Befristung von Arbeitsverträgen betreffenden Regelungen des TzBfG - um die Verwirklichung eines arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes für die strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Diesen dient es, wenn der Gesetzgeber dafür Sorge trägt, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zu „Befristungsketten“ missbraucht werden können.

36

(bb) Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert jedoch kein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung. Vielmehr erscheint die mit einem lebenslangen Anschlussverbot verbundene Beschränkung der Privatautonomie und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig.

37

(aaa) Das Verbot der Vorbeschäftigung stellt für die darunter fallenden Arbeitnehmer neben dem Schutz vor Befristungsketten typischerweise ein Einstellungshemmnis dar. Arbeitgeber, die sich aus unternehmerischen oder betrieblichen Erwägungen entschließen, eine freie Stelle - jedenfalls zunächst - befristet ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zu besetzen, werden sich im Zweifel nicht für den Arbeitnehmer entscheiden, bei dem eine Vorbeschäftigung die Zulässigkeit der befristeten Einstellung ausschließt, sondern für denjenigen, bei dem einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrags kein Hindernis entgegensteht. Der Arbeitgeber wird - typischerweise - in einem solchen Falle die unbefristete Einstellung eines Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung anstelle der befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers ohne Vorbeschäftigung allenfalls dann in Erwägung ziehen, wenn es ihm auf das „Know-how“ gerade des Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung ankommt. Davon wird besonders dann auszugehen sein, wenn der Arbeitnehmer in jüngerer Vergangenheit bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Der Arbeitgeber wird sich in solchen Konstellationen möglicherweise wegen der rechtlichen Unmöglichkeit einer sachgrundlosen Befristung für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entscheiden. Bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen wird ein solcher Anreiz dagegen typischerweise nicht gegeben sein. Für Arbeitsplatzbewerber kann daher eine Vorbeschäftigung zu einem Einstellungshindernis werden (vgl. Hanau FS Wißmann S. 27, 35). Dies wird umso gravierender, je weniger Arbeitgeber für den Arbeitnehmer - etwa aufgrund seines Ausbildungsprofils - in Betracht kommen und je häufiger der Arbeitnehmer „vorbeschäftigt“ war.

38

(bbb) Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist - wie bei anderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften auch - im Interesse des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes hinzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn oder soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels als ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen erscheint. Das ist bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Verbot der Vorbeschäftigung der Fall. Ein Verbot in diesem Verständnis erscheint schon weder als geeignet noch erforderlich, um „Befristungsketten“ zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewähren. Jedenfalls ist die aus dem Verbot der Vorbeschäftigung für Arbeitsplatzbewerber sich ergebende faktische Benachteiligung bei der Arbeitsplatzsuche bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen(verhältnismäßig im engeren Sinn).

39

d) Die hiernach gebotene Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeiteinschränkenden Sinn erfordert eine im Wege der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung. Eine solche ist, soweit der Gesetzgeber die erforderliche Konkretisierung unterlassen hat, bisweilen unumgänglich und in der Rechtsprechung nicht selten (vgl. etwa zur Konkretisierung des Lohnwuchers BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 13 ff., BAGE 130, 338; zur Frage, von welchem Umfang an eine Arbeitszeiterhöhung eine mitbestimmungspflichtige Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt, BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 19, BAGE 128, 351). Der Senat hat sich dabei insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit statt der ebenso in Betracht kommenden Anknüpfung an die Art und Dauer der Vorbeschäftigung für eine zeitliche Grenze entschieden, nach deren Überschreitung eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht mehr anzunehmen ist. Für die genaue Festlegung des zeitlichen Abstands zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem Beginn des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses war in erster Linie der Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, „Befristungsketten“ und den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern, maßgeblich. Ein Zeitraum von drei Jahren erscheint geeignet, erforderlich und angemessen, der Missbrauchsverhinderung Rechnung zu tragen. Eine schutzzwecküberschießende, die Berufsfreiheit unverhältnismäßig beschränkende Folge wird damit vermieden. Die Zeitspanne entspricht außerdem der gesetzgeberischen Wertung, die in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt. Diese dient dem Interesse der Rechtssicherheit und dem Vertrauen eines - etwaigen - Schuldners darauf, aus einem länger zurückliegenden Lebenssachverhalt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierzu weist die erforderliche zeitliche Beschränkung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wertungsmäßig Parallelen auf. Auch hier ist es sachgerecht, die Beteiligten nicht mehr mit Schwierigkeiten zu belasten, die mit der Aufklärung eines lange Zeit zurückliegenden abgeschlossenen Lebenssachverhalts verbunden sind. Die Grenze von drei Jahren erscheint gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes angemessen. Das Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien darauf, dass einem Arbeitsvertrag, dessen Ende mehr als drei Jahre zurückliegt und der demzufolge regelmäßig für den Abschluss des neuen Vertrags keine wesentliche praktische Bedeutung mehr hat, keine Folgen mehr für die Gestaltung des neuen Vertrags zukommen, erscheint jedenfalls bei typisierender Betrachtung schützenswert.

40

e) Der Streitfall erfordert keine Einleitung eines Verfahrens nach § 45 Abs. 2 und Abs. 3 ArbGG. Der erkennende Senat weicht in keiner entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats ab. Insbesondere liegt keine Divergenz zu der Entscheidung des Zweiten Senats vom 6. November 2003 (- 2 AZR 690/02 - BAGE 108, 269) vor. Nach dieser kommt es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis „grundsätzlich“ nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Durch die Verwendung des Worts „grundsätzlich“ wird ausgedrückt, dass eine getroffene Aussage nicht absolut gilt, sondern Einschränkungen zulässt, möglicherweise sogar gebietet. Eine solche Einschränkung nimmt der - nach dem derzeitigen Geschäftsverteilungsplan für Rechtsstreitigkeiten über die Befristung von Arbeitsverhältnissen ausschließlich zuständige - erkennende Senat mit der vorliegenden Entscheidung vor. Im Übrigen wäre in dem vom Zweiten Senat entschiedenen Fall auch nach jetzigem Rechtsverständnis nicht anders zu erkennen, betrug doch dort die zeitliche Unterbrechung zwischen dem Ende des vorangegangenen Vertrags und dem Abschluss des neuen sachgrundlos befristeten Vertrags weniger als zwölf Monate. Der Senat weicht auch nicht deshalb von der Entscheidung des Zweiten Senats ab, weil er davon ausgeht, der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nicht eindeutig. Die Entscheidung des Zweiten Senats verhält sich jedenfalls insoweit zur Eindeutigkeit des Wortlauts des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht. Soweit der erkennende Senat im Beschluss vom 29. Juli 2009 (- 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12) ausgeführt hat, er halte „ebenso wie der Zweite Senat“ den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig, ist der Verweis missverständlich. Mit der Wortlauteindeutigkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat der Zweite Senat bei der Frage der Anwendung der Norm bei einer Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einer beabsichtigten Dauer von bis zu sechs Monaten argumentiert(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 b aa der Gründe, aaO).

41

2. Die streitgegenständliche Befristung ist damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Sie überschreitet nicht die Dauer von zwei Jahren. Die Vorbeschäftigung der Klägerin liegt über drei Jahre zurück und hindert die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht. Auf die weiteren von der Klägerin - gegen das Vorliegen und die Berücksichtigungsfähigkeit eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes - vorgebrachten Argumente kommt es nicht an.

42

IV. Die Befristung ist nicht wegen einer - zugunsten der Klägerin unterstellten - Verletzung der Pflichten nach § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L durch den beklagten Freistaat unwirksam.

43

1. § 18 Satz 1 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, befristet beschäftigte Arbeitnehmer über entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren. Bei einer Pflichtverletzung kommen nach allgemeinem Schuldrecht Schadensersatzansprüche in Betracht, etwa nach § 280 BGB wegen einer Vertragspflichtverletzung. Solche macht die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr geltend.

44

2. § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L räumt befristet Beschäftigten einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen ein. Unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Norm fallen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TV-L nur Beschäftigte, auf welche die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Ungeachtet der Frage einer Vereinbarkeit dieser Tarifbestimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung der Sache nach ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Arbeitgebers bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen. Bei einem Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen seine Verpflichtung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L kommt ein - im vorliegenden Revisionsverfahren nicht streitgegenständlicher - Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags oder auf Schadensersatz in Betracht(hierzu zB Braun ZTR 2009, 517).

45

3. Mit ihrem Argument, der Beklagte berufe sich wegen der Verletzung seiner Pflichten aus § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L rechtsmissbräuchlich auf die Beendigung des Arbeitsvertrags, verkennt die Klägerin, dass die Wirksamkeit einer Befristungsabrede grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist(zB BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 11, BAGE 127, 239). Es spielt für die Wirksamkeit der Befristung keine Rolle, ob der Beklagte ggf. verpflichtet war, mit der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Dies könnte lediglich einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags begründen. Die Wirksamkeit der Befristung hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Befristung des Arbeitsverhältnisses zulässig war. Dies ist hier der Fall.

46

B. Über den Klageantrag zu 2. hatte der Senat nicht zu entscheiden. Der Antrag steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

47

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Für den durch Ablauf der Amtszeit
verhinderten ehrenamtlichen Richter Güner
Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. September 2009 - 7 Sa 13/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Juli 2008 geendet hat.

2

Die Klägerin ist Lehrerin. Während ihres Studiums war sie aufgrund zweier mit dem beklagten Freistaat geschlossener Arbeitsverträge an der Universität C/P Fakultät als studentische Hilfskraft vom 1. November bis zum 31. Dezember 1999 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und vom 1. bis zum 31. Januar 2000 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 10 Stunden beschäftigt. Sie war mit Textkorrekturen sowie Kopierarbeiten befasst. Von August 2004 bis Juli 2006 absolvierte sie ihren Vorbereitungsdienst am Beruflichen Schulzentrum für T in O. Im Juli 2006 erwarb sie die Lehrbefähigung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen in den Unterrichtsfächern Wirtschaft/Verwaltung und Ethik/Philosophie.

3

Am 29. Mai 2006 schloss die Klägerin mit dem beklagten Freistaat - vorbehaltlich des Nachweises über den Abschluss der Zweiten Staatsprüfung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen - einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008. Unter § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags heißt es, dass sich das Arbeitsverhältnis „für die Dauer der Mitgliedschaft des Freistaates Sachsen in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der TdL jeweils geltenden Fassung“ bestimmt. Das im Vertrag vorgesehene Textfeld „Grund der Befristung“ ist nicht ausgefüllt. In zwei von der Klägerin ausgefüllten formularmäßigen Personalbogen vom 1. August 2004 und vom 13. Juni 2006 gab sie ihre Beschäftigungen als studentische Hilfskraft beim beklagten Freistaat nicht an.

4

Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses sowie ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Der Beklagte habe sich arbeitsvertraglich auf eine sachgrundlose Befristung festgelegt, die aber wegen ihrer Vorbeschäftigung als studentische Hilfskraft nicht zulässig sei. Auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG könne sich der Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung nicht berufen, weil dieser Sachgrund nicht vorliege, im Arbeitsvertrag nicht genannt und außerdem dem Personalrat nicht mitgeteilt worden sei. Die Befristung sei rechtsmissbräuchlich, weil der beklagte Freistaat seinen Pflichten zur Information über zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze nach § 18 Satz 1 TzBfG und zur bevorzugten Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit befristet Beschäftigten nach § 30 Abs. 2 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder(TV-L) nicht nachgekommen sei.

5

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2008 beendet worden ist, sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht;

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf des 31. Juli 2008 hinaus als vollbeschäftigte Lehrkraft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Entfristungsverfahrens weiterzubeschäftigen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat den Standpunkt vertreten, der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG rechtfertige die Befristung des Arbeitsvertrags. Außerdem habe die Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohnehin keines Sachgrundes bedurft. Auf § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie ihre Vorbeschäftigung an der Universität C rechtsmissbräuchlich verschwiegen habe.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin weiterhin den Feststellungs- und den Weiterbeschäftigungsantrag. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

9

A. Der zulässige Klageantrag zu 1. ist unbegründet.

10

I. Mit ihm verfolgt die Klägerin ausschließlich eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG. Dem Antragswortlaut „… sondern über den 31. Juli 2008 hinaus zu unveränderten vertraglichen Bedingungen fortbesteht“ kommt keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags unter Hinzuziehung der Klagebegründung. Streitgegenstand ist (allein) die Kontrolle der im Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2006 vereinbarten fristbestimmten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit.

11

II. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, denn die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig geltend gemacht. Mit ihrer am 20. August 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sie die dreiwöchige Klagefrist nach § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt. Die Klage genügt den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Klageerhebung gemäß § 17 Satz 1 TzBfG zu stellen sind(vgl. hierzu zB BAG 16. April 2003 - 7 AZR 119/02 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 106, 72).

12

III. Die für die Dauer vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Die dreimonatige Beschäftigung der Klägerin beim beklagten Freistaat als studentische Hilfskraft in einem zeitlichen Gesamtumfang von 50 Stunden steht der sachgrundlosen Befristung des über sechs Jahre später geschlossenen Arbeitsvertrags als Lehrkraft nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Es kommt nicht darauf an, ob ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG besteht.

13

1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

14

a) Allerdings hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Urteil vom 6. November 2003 ausgeführt, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte - anders als noch § 1 Abs. 3 des Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung idF vom 1. Oktober 1996 - keine zeitliche Begrenzung; auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis komme es damit grundsätzlich nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 108, 269). Hieran hat der erkennende Senat im Juli 2009 in einem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluss angeknüpft und ausgeführt, das Bundesarbeitsgericht habe bereits entschieden, dass es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis ebenso wenig ankomme wie auf die Art der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb oder für den Betriebsinhaber. Der Senat halte den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig(vgl. BAG 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12).

15

b) Auch das arbeitsrechtliche Schrifttum interpretiert § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG überwiegend als zeitlich uneingeschränktes, „absolutes“ oder „lebenslanges“ sog. Anschlussverbot (AnwK-ArbR/Studt 2. Aufl. Bd. 2 § 14 TzBfG Rn. 91; APS/Backhaus 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 381; Arnold/Gräfl Gräfl TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 256; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 431 f.; Gräfl FS Bauer S. 375, 379 f.; HaKo/Mestwerdt 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 168; Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 119; Holwe/Kossens/Pielenz/Räder TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 118; HWK/Schmalenberg 4. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 109; Kliemt NZA 2001, 296, 300; KR/Lipke 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 420; LS/Schlachter 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 112; Meinel/Heyn/Herms 3. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 154; MünchArbR/Wank 3. Aufl. § 95 Rn. 116; Rolfs TzBfG § 14 Rn. 75; Schaub/Koch ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 39 Rn. 12; Schmalenberg NZA 2001, 938; Sievers TzBfG 3. Aufl. § 14 Rn. 390; kritisch zB Annuß/Thüsing/Maschmann TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 78; Hromadka BB 2001, 627; Preis NZA 2005, 714, 715 f.; Preis/Gotthardt DB 2000, 2065, 2072; vgl. auch dies. DB 2001, 145, 152; Richardi/Annuß BB 2000, 2201, 2204; Schiefer DB 2000, 2118, 2122; aA insbesondere mit näherer Begründung ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 98 f.; Löwisch BB 2001, 254; ebenso Bauer BB 2001, 2473, 2475; Osnabrügge NZA 2003, 639, 642; Straub NZA 2001, 919, 926; Persch ZTR 2010, 2 mit vor allem verfassungsrechtlichen, auch Art. 33 Abs. 2 GG einbeziehenden Erwägungen).

16

c) Nach erneuter Prüfung hält der Senat an dem zeitlich völlig uneingeschränkten Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht fest. Unter Berücksichtigung aller Auslegungskriterien ist ein Verständnis der Vorschrift in dem Sinne geboten, dass das Zuvorbeschäftigungsverbot zeitlich eingeschränkt ist. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik zwingen zu keiner bestimmten Auslegung. Die Gesetzesgeschichte deutet eher auf ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Zuvorbeschäftigung. Dagegen sprechen der Normzweck, Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit sowie insbesondere verfassungsrechtliche Erwägungen für eine zeitliche Beschränkung des Verbots.

17

aa) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebietet zwingend kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Er ist im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Die Normaussage steht zwar in einem unmissverständlichen situativen Zusammenhang zu einem Arbeitsverhältnis, das mit demselben Arbeitgeber bereits bestand. In seiner zeitlich-inhaltlichen Dimension ist das Adverb „bereits zuvor“ aber mehreren Deutungen zugänglich. Der Aussagegehalt erschließt sich, wie auch bei anderen temporalen adverbialen Bestimmungen, regelmäßig erst aus dem satzinternen oder -externen Bedeutungszusammenhang. „Bereits zuvor“ kann etwa ausdrücken „jemals zuvor“ bzw. „irgendwann zuvor“, „unmittelbar zuvor“ oder „mit dem Bezugsereignis oder der Bezugssituation in einem zeitlichen und/oder sachlichen Zusammenhang stehend“. Ginge man davon aus, der Gesetzgeber habe eine sachgrundlose Befristung generell nicht mehr zulassen wollen, wenn der Arbeitnehmer bereits irgendwann zuvor einmal in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden habe, ist dies im Gesetzestext jedenfalls nur unvollständig zum Ausdruck gekommen (Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 431; nicht für eindeutig halten den Wortlaut insbesondere auch: ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 98 und Bauer NZA 2011, 241, 243). Dass die Verwendung der Worte „bereits zuvor“ nicht zwingend „jemals zuvor“ bedeutet, mag ein fiktives Beispiel belegen: Würde eine Regelung dahin lauten, dass die Anordnung von Nachtschicht unzulässig sei, wenn der Arbeitnehmer „bereits zuvor“ in einer Tagschicht gearbeitet habe, wäre ein Verständnis, Nachtschicht könne nicht mehr zulässig angeordnet werden, wenn der Arbeitnehmer „jemals zuvor“ eine Tagschicht absolviert habe, ersichtlich fernliegend. Als Adverbialkonstruktion ist der Normausdruck „bereits zuvor“ also kontextabhängig.

18

bb) Eine gesetzessystematische Textvergleichung gebietet ebenfalls kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Die derzeitige Fassung des § 14 TzBfG lässt ohnehin keine Rückschlüsse auf die Bedeutung der Worte „bereits zuvor“ zu. Der Umstand, dass sich zu § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG - in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung - die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne von „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Er gebietet jedoch kein Verständnis, wonach „bereits zuvor“ gleichbedeutend mit „jemals zuvor“ sei. Die ursprüngliche - vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 geltende - und die darauf folgende - vom 1. Januar 2002 bis 30. April 2007 geltende - Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG, die in den Sätzen 2 und 3 eine Beschränkung der nach Satz 1 für ältere Arbeitnehmer möglichen sachgrundlosen Befristung dahin vorsah, dass zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Zeitraums von weniger als sechs Monaten liegen durfte, könnte zwar dafür sprechen, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Zwingend ist dies aber nicht. Der systematische Kontext bedeutet eher nur, eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch bei einer Unterbrechung von deutlich mehr als sechs Monaten anzunehmen.

19

cc) Die Gesetzesgeschichte des TzBfG spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht modifiziert. Entsprechenden Anregungen im Gesetzgebungsverfahren ist er nicht nachgegangen. So hatte der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht ua. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag des angehörten Sachverständigen Preis wiedergegeben, nach welchem das legitime Ziel, Kettenbefristungen zu verhindern, auch mit einer Zwei-Jahres-Karenzregelung verhindert werden könne (BT-Drucks. 14/4625 S. 18). Dies mag den Umkehrschluss nahelegen, das Verbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine durch einen Zeitraum bestimmte Grenze(die historische Auslegung als entscheidend gegen ein eingeschränktes Verständnis des Vorbeschäftigungsverbots sehen zB an: APS/Backhaus § 14 TzBfG Rn. 381; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 432). Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Die Gesetzesmaterialien sind bei der Auslegung nur unterstützend und nur insofern heranzuziehen, als sich aus ihnen auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lässt (vgl. BVerfG 16. Februar 1983 - 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 - zu C II 3 a der Gründe mwN, BVerfGE 62, 1). Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ist nicht entscheidend. Das Gewicht der historischen Auslegung darf nicht überschätzt werden. Es ist nicht maßgeblich, was der Gesetzgeber zu regeln meinte, sondern was er geregelt hat (so explizit [mit Bezug auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung] BVerfG 16. August 2001 - 1 BvL 6/01 - zu II 2 der Gründe, NVwZ-RR 2002, 117). Desgleichen lässt das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 verlautbarte Vorhaben, die Möglichkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen so umzugestalten, dass die sachgrundlose Befristung nach einer Wartezeit von einem Jahr auch dann möglich werde, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe (vgl. Auszug AuR 2009, 403, 404), keinen Rückschluss auf die richtige Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung nach der geltenden Rechtslage zu.

20

dd) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbots spricht der Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ missbraucht wird. Zur Verwirklichung dieses Zwecks bedarf es keines lebenslangen Anschlussverbots. Ein solches wäre vielmehr nach dem Normzweck überschießend.

21

(1) Der Zweck des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots der Vorbeschäftigung erschließt sich erst im Verhältnis zu § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG schränkt den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ein. Sein Normzweck kann demzufolge zutreffend nur ermittelt werden, wenn zugleich der vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgte Zweck berücksichtigt wird.

22

(a) Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen soll zum einen dem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren; zum anderen soll die befristete Beschäftigung für den Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/06 - Rn. 22, BAGE 120, 34). In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 13 f.) heißt es hierzu:

        

„– Befristungen ohne Sachgrund

        

Wie bisher wird es auch weiterhin zulässig sein, einen Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zu befristen und einen zunächst kürzer befristeten Arbeitsvertrag innerhalb der zweijährigen Höchstbefristungsdauer höchstens drei Mal zu verlängern (erleichterte Befristung). Die bisher zeitlich begrenzte Regelung wird als Dauerregelung ausgestaltet.

        

Die Erleichterung der Befristung von Arbeitsverträgen hat nicht zu einer Inflation befristeter Beschäftigung geführt. Der Anteil der Befristungen nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz an allen Befristungen betrug im Jahre 1992 rund 10 % (Untersuchung Infratest Sozialforschung München). Die durch das Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Artikel 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985) eingeführte erleichterte Befristung von Arbeitsverträgen ermöglicht es Unternehmern, insbesondere auch Existenzgründern und Klein- und Mittelunternehmen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen, also in Fällen, die von der Rechtsprechung nicht als sachliche Befristungsgründe anerkannt sind, durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Das ist zugleich eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative zur Überstundenarbeit und zum sog. Outsourcing (Übertragung von Tätigkeitsbereichen des Unternehmens auf andere Unternehmen, z. T. auch im Ausland).

        

Für viele Arbeitnehmer ist die befristete Beschäftigung eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Insbesondere Jugendlichen nach der Ausbildung erleichtern befristete Arbeitsverträge den Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine spätere dauerhafte Beschäftigung. Nach den übereinstimmenden Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen in den Jahren 1988 und 1992 mündete rund die Hälfte der befristeten Arbeitsverträge nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz in unbefristete Arbeitsverhältnisse.“

23

(b) Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu „Befristungsketten“ bzw. „Kettenverträgen“ missbraucht werden kann. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/4374 S. 14, 19) ist hierzu ausgeführt:

        

„– Einschränkung von Kettenverträgen

        

Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages ist künftig nur bei einer Neueinstellung zulässig, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen. Solche Befristungsketten sind bisher möglich, weil ein Arbeitsvertrag ohne Sachgrund auch nach einer Befristung mit Sachgrund zulässig ist und nach einer mindestens viermonatigen Unterbrechung wiederholt abgeschlossen werden kann. Ebenso kann sich ein Vertrag mit Sachgrund unmittelbar an einen Vertrag ohne Sachgrund anschließen. Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig.

        

…       

        

Ebenso ist eine erneute erleichterte Befristung auch nach mindestens viermonatiger Unterbrechung unzulässig. Befristungsketten, die durch einen mehrfachen Wechsel zwischen Befristungen mit und ohne Sachgrund entstehen, werden damit verhindert.“

24

Erklärter Gesetzeszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist also nicht etwa die Verhinderung befristeter Arbeitsverträge und auch nicht die Verhinderung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge, sondern die Verhinderung von „Befristungsketten“. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. EG L 175 vom 10. Juli 1999 S. 43), deren Umsetzung das TzBfG dient (BT-Drucks. 14/4374 S. 1; vgl. BAG 25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 19, BAGE 130, 146). Die Rahmenvereinbarung gebietet - wie der Gerichtshof der Europäischen Union wiederholt entschieden hat - nicht, dass bereits der erste oder einzige befristete Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 41 f., Slg. 2005, I-9981). Ziel der Rahmenvereinbarung ist vielmehr die Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen (vgl. EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 94, aaO; BAG 17. November 2010 - 7 AZR 443/09 (A) - Rn. 28, NZA 2011, 34).

25

(2) Hiernach rechtfertigt der mit § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG verfolgte Normzweck kein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung. Ein solches wäre überschießend. Ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung ist zur Verhinderung von „Befristungsketten“ nicht erforderlich. Wenn zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, kann von „Kettenverträgen“, „Befristungsketten“ oder „aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen“ nicht mehr gesprochen werden. Zugleich liefe ein lebenslanges Verbot der Vorbeschäftigung dem mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verfolgten Normzweck zuwider. Durch ein solches Verständnis würde nämlich arbeitssuchenden Arbeitnehmern, die vor längerer Zeit schon einmal bei dem Arbeitgeber beschäftigt waren, die Chance genommen, über ein zunächst nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu gelangen. Die „Brücke zur Dauerbeschäftigung“, welche die sachgrundlose Befristung des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sein soll, bliebe solchen Arbeitnehmern versperrt, ohne dass dies nach dem mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck geboten wäre.

26

ee) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinn eines zeitlich unbeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen das Interesse an einer praktikablen Regelung sowie Erfordernisse der Rechtssicherheit. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung bedeutete häufig für beide Arbeitsvertragsparteien erhebliche praktische Schwierigkeiten beim Vertragsschluss und eine nicht zu vernachlässigende Rechtsunsicherheit. Jedenfalls dann, wenn eine Vorbeschäftigung lange Zeit zurückliegt, dürfte deren zuverlässige Feststellung mit beträchtlichen Komplikationen verbunden sein. Die Beantwortung der Frage, ob ein früheres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand und ob etwa eine unbeachtliche Umfirmierung oder eine beachtliche Rechtsnachfolge vorlag, gestaltet sich mit zunehmender Zeitdauer schwieriger. Unterlagen über längere Zeit zurückliegende, beendete Arbeitsverträge sind bei Abschluss des neuen Vertrags möglicherweise weder beim Arbeitgeber noch beim Arbeitnehmer vorhanden oder aktuell zugänglich. Der Kreis und das Erinnerungsvermögen der Personen, die unmittelbar Kenntnis von der früheren Beschäftigung des Arbeitnehmers haben, nehmen ab. Ein Fragerecht des Arbeitgebers nach einer Vorbeschäftigung und ein im Falle der vorsätzlichen Falschbeantwortung etwa gegebenes Anfechtungsrecht nach § 123 BGB erscheinen jedenfalls bei lange zurückliegenden Beschäftigungsverhältnissen wenig praktikabel(vgl. Dörner Der befristete Arbeitsvertrag Rn. 453 bis 459). Sie sind vielmehr geeignet, zu erheblicher Rechtsunsicherheit zu führen. Bei Unklarheiten über eine etwaige Vorbeschäftigung wird der Arbeitgeber im Zweifel von der Einstellung Abstand nehmen. Bei späteren Streitigkeiten über die Wirksamkeit der vereinbarten sachgrundlosen Befristung und/oder über eine vom Arbeitgeber - ggf. vorsorglich - erklärte Anfechtung werden die Gerichte häufig vor der schwierigen Aufgabe stehen, sich eine Überzeugung davon zu bilden, ob der Arbeitnehmer vor Jahren bei „demselben“ Arbeitgeber beschäftigt war und ob er die diesbezügliche Frage wahrheitswidrig beantwortet hat. Mit den beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien an der Gewissheit über die Wirksamkeit ihrer nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vereinbarten Befristung ist dies kaum vereinbar.

27

ff) Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob eine solche Auslegung noch verfassungskonform wäre (verneinend Persch ZTR 2010, 1; vgl. auch Löwisch BB 2001, 254). Jedenfalls gebietet eine die Wertordnung des Grundgesetzes berücksichtigende „verfassungsorientierte Auslegung“ (vgl. zu diesem Begriff BSG 14. Dezember 2006 - B 4 R 19/06 R - Rn. 14, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3; Voßkuhle AöR 125, 177, 180; vgl. zum Begriff der „verfassungsfreundlichen Auslegung“ BFH 16. November 2004 - VII R 16/04 - zu II der Gründe, BFHE 207, 376) ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des Verbots der Vorbeschäftigung.

28

(1) Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Die Deutung darf aber nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16 mwN, GRUR 2011, 223). Die Fachgerichte haben daher das einfache Recht so auszulegen und anzuwenden, dass unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermieden werden (vgl. BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 17, aaO).

29

(2) Hiernach ist eine Auslegung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG als in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt geboten. Ein uneingeschränktes Anschlussverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lang zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Dies würde der in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden objektiven Wertentscheidung nicht hinreichend gerecht.

30

(a) Sowohl die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie als auch die Garantie der freien Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG schließen das Recht ein, Arbeitsverhältnisse durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen zu begründen, auszugestalten und zu befristen. Die Vertragsfreiheit als wesentlicher Ausdruck der Privatautonomie wird allgemein durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Geht es um die Handlungsfreiheit gerade im Bereich der beruflichen Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG findet, scheidet die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab allerdings aus. Dies gilt insbesondere im Bereich des Individualarbeitsvertragsrechts (BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286). Durch Art. 12 Abs. 1 GG wird der Einzelne in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen(BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169). Staatliche Maßnahmen, die den Arbeitnehmer in seiner Freiheit beschränken, mit einem einstellungswilligen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis einzugehen und dieses privatautonom auszugestalten, bedürfen daher grundsätzlich einer Rechtfertigung.

31

(b) Die Privatrechtsordnung ist gesetzlich gestaltet. Da die Gesetze die Ausübung der Vertragsfreiheit in der speziellen Ausprägung der Berufsbetätigungsfreiheit nicht nur zu ihrem institutionellen Schutz regeln, sondern auch, um soziale Belange strukturell schwächerer Marktteilnehmer zu wahren, wird der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nicht vollständig in die Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien gelegt. Er wird vielmehr traditionell an Voraussetzungen gebunden, die die Arbeitnehmer schützen sollen. Der insoweit schützende staatliche Eingriff in die Privatautonomie bei der Ausgestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die sich ihrerseits als verfassungsgemäß erweisen muss (vgl. BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - zu C I 1 a der Gründe mwN, BVerfGE 126, 286).

32

(c) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den staatlichen Eingriff in die Privatautonomie kann und wird sich häufig aus der Schutzpflichtfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG ergeben. Diese verpflichtet die staatlichen Grundrechtsadressaten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (vgl. BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 419/05 - Rn. 18 mwN, BAGE 120, 42). Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie tragen der aus dem Grundrecht folgenden Schutzpflicht Rechnung (vgl. zum Kündigungsschutzgesetz: BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 97, 169).

33

(d) Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum(vgl. BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169; 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Dieser ist jedoch nicht unbeschränkt. Eingriffe in die Privatautonomie müssen zur Verwirklichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele geeignet, erforderlich und angemessen sein (vgl. BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - aaO). Auch hat der Gesetzgeber grundsätzlich die faktischen grundrechtsbeschränkenden Wirkungen, die mit seinen Schutzvorschriften verbunden sind, im Blick zu behalten (vgl. dazu BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 3 b bb und dd der Gründe, aaO). Beschränkungen der Privatautonomie, die zur Durchsetzung des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzweckes nicht geeignet und erforderlich und damit überschießend sind, sind daher im Lichte der Verfassung in der Regel bedenklich und bei der Anwendung und Auslegung der Schutzvorschriften durch die Fachgerichte nach Möglichkeit zu vermeiden.

34

(e) Hiernach gebietet eine verfassungsorientierte Betrachtung eine Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im zeitlich eingeschränkten Sinn.

35

(aa) Der Gesetzgeber verfolgt mit der die Privatautonomie beschränkenden Bestimmung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in Ausfüllung seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht legitime Ziele. Es geht ihm - ebenso wie bei den übrigen, die Befristung von Arbeitsverträgen betreffenden Regelungen des TzBfG - um die Verwirklichung eines arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes für die strukturell unterlegenen Arbeitnehmer. Diesen dient es, wenn der Gesetzgeber dafür Sorge trägt, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zu „Befristungsketten“ missbraucht werden können.

36

(bb) Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert jedoch kein zeitlich völlig unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung. Vielmehr erscheint die mit einem lebenslangen Anschlussverbot verbundene Beschränkung der Privatautonomie und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig.

37

(aaa) Das Verbot der Vorbeschäftigung stellt für die darunter fallenden Arbeitnehmer neben dem Schutz vor Befristungsketten typischerweise ein Einstellungshemmnis dar. Arbeitgeber, die sich aus unternehmerischen oder betrieblichen Erwägungen entschließen, eine freie Stelle - jedenfalls zunächst - befristet ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zu besetzen, werden sich im Zweifel nicht für den Arbeitnehmer entscheiden, bei dem eine Vorbeschäftigung die Zulässigkeit der befristeten Einstellung ausschließt, sondern für denjenigen, bei dem einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrags kein Hindernis entgegensteht. Der Arbeitgeber wird - typischerweise - in einem solchen Falle die unbefristete Einstellung eines Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung anstelle der befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers ohne Vorbeschäftigung allenfalls dann in Erwägung ziehen, wenn es ihm auf das „Know-how“ gerade des Arbeitnehmers mit Vorbeschäftigung ankommt. Davon wird besonders dann auszugehen sein, wenn der Arbeitnehmer in jüngerer Vergangenheit bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Der Arbeitgeber wird sich in solchen Konstellationen möglicherweise wegen der rechtlichen Unmöglichkeit einer sachgrundlosen Befristung für ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entscheiden. Bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen wird ein solcher Anreiz dagegen typischerweise nicht gegeben sein. Für Arbeitsplatzbewerber kann daher eine Vorbeschäftigung zu einem Einstellungshindernis werden (vgl. Hanau FS Wißmann S. 27, 35). Dies wird umso gravierender, je weniger Arbeitgeber für den Arbeitnehmer - etwa aufgrund seines Ausbildungsprofils - in Betracht kommen und je häufiger der Arbeitnehmer „vorbeschäftigt“ war.

38

(bbb) Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist - wie bei anderen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften auch - im Interesse des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes hinzunehmen. Dies gilt jedoch nicht, wenn oder soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels als ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen erscheint. Das ist bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Verbot der Vorbeschäftigung der Fall. Ein Verbot in diesem Verständnis erscheint schon weder als geeignet noch erforderlich, um „Befristungsketten“ zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewähren. Jedenfalls ist die aus dem Verbot der Vorbeschäftigung für Arbeitsplatzbewerber sich ergebende faktische Benachteiligung bei der Arbeitsplatzsuche bei lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigungen unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen(verhältnismäßig im engeren Sinn).

39

d) Die hiernach gebotene Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeiteinschränkenden Sinn erfordert eine im Wege der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung. Eine solche ist, soweit der Gesetzgeber die erforderliche Konkretisierung unterlassen hat, bisweilen unumgänglich und in der Rechtsprechung nicht selten (vgl. etwa zur Konkretisierung des Lohnwuchers BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 13 ff., BAGE 130, 338; zur Frage, von welchem Umfang an eine Arbeitszeiterhöhung eine mitbestimmungspflichtige Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt, BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07 - Rn. 19, BAGE 128, 351). Der Senat hat sich dabei insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit statt der ebenso in Betracht kommenden Anknüpfung an die Art und Dauer der Vorbeschäftigung für eine zeitliche Grenze entschieden, nach deren Überschreitung eine Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht mehr anzunehmen ist. Für die genaue Festlegung des zeitlichen Abstands zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem Beginn des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses war in erster Linie der Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, „Befristungsketten“ und den Missbrauch aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zu verhindern, maßgeblich. Ein Zeitraum von drei Jahren erscheint geeignet, erforderlich und angemessen, der Missbrauchsverhinderung Rechnung zu tragen. Eine schutzzwecküberschießende, die Berufsfreiheit unverhältnismäßig beschränkende Folge wird damit vermieden. Die Zeitspanne entspricht außerdem der gesetzgeberischen Wertung, die in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt. Diese dient dem Interesse der Rechtssicherheit und dem Vertrauen eines - etwaigen - Schuldners darauf, aus einem länger zurückliegenden Lebenssachverhalt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierzu weist die erforderliche zeitliche Beschränkung des Verbots der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wertungsmäßig Parallelen auf. Auch hier ist es sachgerecht, die Beteiligten nicht mehr mit Schwierigkeiten zu belasten, die mit der Aufklärung eines lange Zeit zurückliegenden abgeschlossenen Lebenssachverhalts verbunden sind. Die Grenze von drei Jahren erscheint gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes angemessen. Das Vertrauen der Arbeitsvertragsparteien darauf, dass einem Arbeitsvertrag, dessen Ende mehr als drei Jahre zurückliegt und der demzufolge regelmäßig für den Abschluss des neuen Vertrags keine wesentliche praktische Bedeutung mehr hat, keine Folgen mehr für die Gestaltung des neuen Vertrags zukommen, erscheint jedenfalls bei typisierender Betrachtung schützenswert.

40

e) Der Streitfall erfordert keine Einleitung eines Verfahrens nach § 45 Abs. 2 und Abs. 3 ArbGG. Der erkennende Senat weicht in keiner entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats ab. Insbesondere liegt keine Divergenz zu der Entscheidung des Zweiten Senats vom 6. November 2003 (- 2 AZR 690/02 - BAGE 108, 269) vor. Nach dieser kommt es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis „grundsätzlich“ nicht an (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Durch die Verwendung des Worts „grundsätzlich“ wird ausgedrückt, dass eine getroffene Aussage nicht absolut gilt, sondern Einschränkungen zulässt, möglicherweise sogar gebietet. Eine solche Einschränkung nimmt der - nach dem derzeitigen Geschäftsverteilungsplan für Rechtsstreitigkeiten über die Befristung von Arbeitsverhältnissen ausschließlich zuständige - erkennende Senat mit der vorliegenden Entscheidung vor. Im Übrigen wäre in dem vom Zweiten Senat entschiedenen Fall auch nach jetzigem Rechtsverständnis nicht anders zu erkennen, betrug doch dort die zeitliche Unterbrechung zwischen dem Ende des vorangegangenen Vertrags und dem Abschluss des neuen sachgrundlos befristeten Vertrags weniger als zwölf Monate. Der Senat weicht auch nicht deshalb von der Entscheidung des Zweiten Senats ab, weil er davon ausgeht, der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei nicht eindeutig. Die Entscheidung des Zweiten Senats verhält sich jedenfalls insoweit zur Eindeutigkeit des Wortlauts des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht. Soweit der erkennende Senat im Beschluss vom 29. Juli 2009 (- 7 AZN 368/09 - Rn. 2, EzTöD 100 TVöD-AT § 30 Abs. 1 Sachgrundlose Befristung Nr. 12) ausgeführt hat, er halte „ebenso wie der Zweite Senat“ den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig, ist der Verweis missverständlich. Mit der Wortlauteindeutigkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat der Zweite Senat bei der Frage der Anwendung der Norm bei einer Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einer beabsichtigten Dauer von bis zu sechs Monaten argumentiert(BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/02 - zu B I 2 b aa der Gründe, aaO).

41

2. Die streitgegenständliche Befristung ist damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig. Sie überschreitet nicht die Dauer von zwei Jahren. Die Vorbeschäftigung der Klägerin liegt über drei Jahre zurück und hindert die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung nicht. Auf die weiteren von der Klägerin - gegen das Vorliegen und die Berücksichtigungsfähigkeit eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes - vorgebrachten Argumente kommt es nicht an.

42

IV. Die Befristung ist nicht wegen einer - zugunsten der Klägerin unterstellten - Verletzung der Pflichten nach § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L durch den beklagten Freistaat unwirksam.

43

1. § 18 Satz 1 TzBfG verpflichtet den Arbeitgeber, befristet beschäftigte Arbeitnehmer über entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren. Bei einer Pflichtverletzung kommen nach allgemeinem Schuldrecht Schadensersatzansprüche in Betracht, etwa nach § 280 BGB wegen einer Vertragspflichtverletzung. Solche macht die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr geltend.

44

2. § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L räumt befristet Beschäftigten einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen ein. Unter den persönlichen Geltungsbereich dieser Norm fallen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TV-L nur Beschäftigte, auf welche die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Ungeachtet der Frage einer Vereinbarkeit dieser Tarifbestimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung der Sache nach ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Arbeitgebers bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen. Bei einem Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen seine Verpflichtung nach § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L kommt ein - im vorliegenden Revisionsverfahren nicht streitgegenständlicher - Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags oder auf Schadensersatz in Betracht(hierzu zB Braun ZTR 2009, 517).

45

3. Mit ihrem Argument, der Beklagte berufe sich wegen der Verletzung seiner Pflichten aus § 18 TzBfG und § 30 Abs. 2 Satz 2 TV-L rechtsmissbräuchlich auf die Beendigung des Arbeitsvertrags, verkennt die Klägerin, dass die Wirksamkeit einer Befristungsabrede grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist(zB BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 11, BAGE 127, 239). Es spielt für die Wirksamkeit der Befristung keine Rolle, ob der Beklagte ggf. verpflichtet war, mit der Klägerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Dies könnte lediglich einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags begründen. Die Wirksamkeit der Befristung hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Befristung des Arbeitsverhältnisses zulässig war. Dies ist hier der Fall.

46

B. Über den Klageantrag zu 2. hatte der Senat nicht zu entscheiden. Der Antrag steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

47

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Für den durch Ablauf der Amtszeit
verhinderten ehrenamtlichen Richter Güner
Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. November 2009 - 8 Sa 1783/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsvertrag wirksam bis 31. März 2009 befristet wurde.

2

Der Kläger absolvierte vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 ein Ausbildungsverhältnis für den Beruf des Starkstromelektrikers bei der W GmbH. Die Parteien schlossen am 18. Februar 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag. Dessen Nr. 1 lautet im ersten Absatz:

        

„Sie werden als Elektriker für die B GmbH - nachfolgend Gesellschaft genannt - in S für die Dauer vom 01. April 2008 bis zum 31. März 2009 tätig. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Befristung erfolgt entsprechend dem Beschäftigungsförderungsgesetz.“

3

Der Kläger hat mit seiner am 27. Februar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Befristung seines Arbeitsverhältnisses angegriffen. Die Parteien hätten eine sachgrundlose Befristung nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz mit dem Bezug auf das Beschäftigungsförderungsgesetz ausgeschlossen. Sonst sei die als Allgemeine Geschäftsbedingung ausgestaltete Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 18. Februar 2008 unklar und intransparent. Einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG stehe nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG jedenfalls seine Vorbeschäftigung bei der W GmbH entgegen. Diese sei identisch mit der Beklagten und habe lediglich umfirmiert.

4

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristung vom 18. Februar 2008 zum 31. März 2009 geendet hat.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG wirksam. Der Kläger sei während des Berufsausbildungsverhältnisses nicht von „demselben Arbeitgeber“ iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG beschäftigt worden. Die Befristungsabrede sei keine Allgemeine Geschäftsbedingung und zudem klar und transparent. Jedenfalls sei ein Berufsausbildungsverhältnis keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Befristungskontrollantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

A. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht erkannt, dass die Befristungskontrollklage unbegründet ist. Die Befristung war nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Sachgrund wirksam. Die Parteien haben die Anwendung dieser Vorschrift nicht vertraglich ausgeschlossen. Die vertragliche Vereinbarung ist weder unklar noch intransparent. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers mit der W GmbH keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist. Diese Bestimmung ist auch deshalb nicht anzuwenden, weil das Berufsausbildungsverhältnis im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses am 1. April 2008 weit über drei Jahre zurücklag.

8

I. Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 18. Februar 2008 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die Klage konnte vor dem Ende der vereinbarten kalendermäßigen Befristung am 31. März 2009 (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 TzBfG) erhoben werden. An der raschen Klärung der Frage, ob eine Befristung wirksam ist, besteht in der Regel bereits vor dem vereinbarten Vertragsende ein rechtliches Interesse der Parteien. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber - wie hier - auf die Wirksamkeit der Befristung beruft. Die materiellrechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch dann gewahrt, wenn die Klage vor dem Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben wird(vgl. nur BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 15 mwN).

9

II. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Parteien eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht vertraglich ausgeschlossen haben. Ein Ausschluss von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG folgt insbesondere nicht aus Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags, wonach die Befristung entsprechend dem Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgt. Die Befristungsabrede hält einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand. Der Senat kann unterstellen, dass der Arbeitsvertrag der Parteien vom 18. Februar 2008 ein von der Beklagten vorformulierter Vertrag ist, den sie mehrfach verwendet hat. Dafür spricht das Erscheinungsbild des Vertrags. Der Text der Vereinbarung enthält über die persönlichen Daten des Klägers, die Anrede und die Zusätze der Unterschriften hinaus keine individuellen Besonderheiten. Die Frage der Rechtsnatur des Vertrags kann im Ergebnis offenbleiben. Selbst wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln sollte, die die Beklagte dem Kläger gestellt hat, ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auf die Befristungsabrede in Nr. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht anzuwenden. Die Vereinbarung genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

10

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ausdrücklich oder konkludent abbedungen werden. Ein konkludenter Ausschluss der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeit kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers nach dem Empfängerhorizont so verstehen darf, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt wird und sie davon abhängen soll, dass er besteht. Die Angabe eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag kann auf einen solchen Ausschluss hindeuten. Es müssen jedoch zusätzliche Umstände hinzutreten (vgl. zB BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 20 mwN, NZA 2011, 1151).

11

2. Die Parteien haben § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hier nicht vertraglich abbedungen. Der Kläger durfte die Verweisung in Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht so verstehen, dass dadurch eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen werden sollte. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient(BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 91/10 - Rn. 42 mwN, EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2). Das ist hier nicht der Fall. Das Beschäftigungsförderungsgesetz war bei Vertragsschluss am 18. Februar 2008 in seiner Fassung vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) bereits seit 1. Januar 2001 - dh. über sieben Jahre - außer Kraft. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag war daher ersichtlich inhaltsleer. Im Übrigen kannte auch § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren. Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass ein sachlicher Grund für die Befristung im Arbeitsvertrag nicht genannt ist. Damit fehlt schon ein erstes wesentliches Indiz für einen konkludenten Ausschluss der sachgrundlosen Befristung. Weitere Umstände, die auf einen Ausschluss hindeuten, sind erst recht nicht ersichtlich.

12

3. Die Befristung in Nr. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist nicht deswegen unwirksam, weil sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Die Befristungsdauer - bis 31. März 2009 - ist unmissverständlich genannt (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 774/09 - Rn. 17 mwN, NZA 2011, 1151 ).

13

III. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG für eine sachgrundlose Befristung sind erfüllt. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht dem nicht entgegen. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers mit der W GmbH keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist. Diese Bestimmung ist auch deshalb nicht anzuwenden, weil das Berufsausbildungsverhältnis, das vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 bestand, im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses weit über drei Jahre zurücklag. Daher kann auf sich beruhen, ob die Beklagte „dieselbe Arbeitgeberin“ wie die W GmbH ist (vgl. zu den praktischen Schwierigkeiten festzustellen, ob eine für § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unbeachtliche Umfirmierung oder eine beachtliche Rechtsnachfolge vorliegt, BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 26, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

14

1. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass ein früheres Berufsausbildungsverhältnis dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht unterfällt. Ein Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Norm (ebenso zB LAG Baden-Württemberg 9. Oktober 2008 - 10 Sa 35/08 - zu III 2 a der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 44; LAG Niedersachsen 4. Juli 2003 - 16 Sa 103/03 - zu 1 der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 11; APS/Backhaus 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 385 f.; Hk-TzBfG/Boecken 2. Aufl. § 14 Rn. 119; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 437 f.; Arnold/Gräfl/Gräfl TzBfG 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 262; KR/Lipke 9. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 421; HaKo/Mestwerdt 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 176; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 94; Sievers TzBfG 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 391; aA etwa Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler KSchR 8. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 160; Laux/Schlachter/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 113 f.). Das ergibt die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck. Der Zusammenhang der Bestimmung mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG steht dem nicht entgegen. Das Auslegungsergebnis wird von der Gesetzesbegründung gestützt.

15

a) Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Berufsausbildungsvertrag begründete Berufsausbildungsverhältnisse und durch Arbeitsvertrag begründete Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen (vgl. BAG 20. August 2003 - 5 AZR 436/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 107, 172). § 10 Abs. 2 BBiG bestimmt vielmehr, dass auf den Berufsausbildungsvertrag, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind. Wäre das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis, wäre diese Regelung überflüssig (APS/Backhaus § 14 TzBfG Rn. 385; aA Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler § 14 TzBfG Rn. 160; Laux/Schlachter/Schlachter § 14 TzBfG Rn. 113 f.). Ohne besondere gesetzliche Regelung sind Berufsausbildungsverhältnisse keine Arbeitsverhältnisse. Die Anwendung der für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften beruht auf § 10 Abs. 2 BBiG(vgl. ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 94).

16

b) Es kommt deshalb für die Frage, ob ein Berufsausbildungsverhältnis mit einem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist, auf den jeweiligen Gesetzeszweck an. Die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze sind auf den Berufsausbildungsvertrag und das durch ihn begründete Berufsausbildungsverhältnis nicht ohne Weiteres anzuwenden, sondern nur, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags sowie aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt (vgl. noch zu der Vorgängerregelung des § 10 Abs. 2 BBiG in § 3 Abs. 2 BBiG aF BAG 20. August 2003 - 5 AZR 436/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 107, 172). Der Gesetzeszweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfordert nicht, Berufsausbildungsverhältnisse mit Arbeitsverhältnissen im Sinne dieser Vorschrift gleichzusetzen.

17

aa) Der Zweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht darin zu verhindern, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu sog. Befristungsketten oder Kettenverträgen missbraucht werden kann, nicht aber darin, befristete Arbeitsverträge oder sachgrundlos befristete Arbeitsverträge zu verhindern (vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 23 f., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77 mit Bezug auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 14/4374 S. 14, 19). Der Zweck des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG steht in Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung, ABl. EG L 175 vom 10. Juli 1999 S. 43), die mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz umgesetzt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1). Die Rahmenvereinbarung verlangt nicht, dass bereits der erste oder einzige befristete Arbeitsvertrag aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (vgl. nur EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071). Ziel der Rahmenvereinbarung ist es vielmehr, den Missbrauch von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu verhindern (vgl. EuGH 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 94, aaO; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057).

18

bb) Dieser Zweck erfordert es nicht, Berufsausbildungsverhältnisse in das Vorbeschäftigungsverbot einzubeziehen. Die nur befristete Übernahme in ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Berufsausbildung begründet wegen des Ausbildungszwecks des Berufsausbildungsverhältnisses keine Gefahr einer „Kettenbefristung“, sondern trägt dazu bei, den früheren Auszubildenden - wenn auch nur zeitweilig - in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern und ggf. eine sog. Beschäftigungsbrücke in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu schaffen (vgl. zu der sog. Brücke zur Dauerbeschäftigung insbesondere bei Jugendlichen nach der Ausbildung die Gesetzesbegründung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes in BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Es gilt Entsprechendes wie für eine berufsvorbereitende Beschäftigung als Praktikant, die nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags erfolgt und daher nicht dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterliegt(vgl. BAG 19. Oktober 2005 - 7 AZR 31/05 - Rn. 17 f., AP TzBfG § 14 Nr. 19 = EzA TzBfG § 14 Nr. 23).

19

c) Der systematische Zusammenhang des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit dem besonderen Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern.

20

aa) Wegen der fehlenden Gefahr von Befristungsketten spricht nichts dagegen, die beiden Rechtsinstitute der Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG und der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nebeneinander bestehen zu lassen. Für die Sachgrundbefristung bleibt auch dann ein Anwendungsbereich, wenn Berufsausbildungsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber nicht in das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einbezogen werden und damit eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ermöglicht wird(vgl. ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 94). Der besondere Sachgrund ist insbesondere nicht an die Zweijahresfrist des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gebunden.

21

bb) Ferner ist keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Absolventengruppen der Auszubildenden und Studierenden zu besorgen (aA Laux/Schlachter/Schlachter § 14 TzBfG Rn. 114). Auch mit einem früheren Studierenden kann nach Abschluss des Studiums regelmäßig eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vereinbart werden. Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat im Wesentlichen nur für sog. Werkstudenten Bedeutung, die während des Studiums bereits in einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber standen (vgl. LAG Baden-Württemberg 9. Oktober 2008 - 10 Sa 35/08 - zu III 2 a der Gründe, LAGE TzBfG § 14 Nr. 44).

22

d) Das gefundene Auslegungsergebnis wird durch den Willen des historischen Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung gestützt. Danach ist ein Berufsausbildungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG(vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 20).

23

2. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sind auch deshalb nicht erfüllt, weil das Berufsausbildungsverhältnis, das vom 1. August 1969 bis 23. Januar 1973 bestand, im Zeitpunkt des vereinbarten Beginns des befristeten Arbeitsverhältnisses am 1. April 2008 weit über drei Jahre zurücklag. Wie der Senat mit Urteil vom 6. April 2011 entschieden hat, ist eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt(- 7 AZR 716/09 - Rn. 13, 16 ff. mwN, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Die Entscheidung hat im Schrifttum - teils noch vor Veröffentlichung der Gründe - sowohl Ablehnung als auch Zustimmung erfahren (im Ergebnis ablehnend zB Buntenbach AiB 2011, 345; Höpfner NZA 2011, 893; Lakies ArbRAktuell 2011, 447; derselbe AuR 2011, 190; Kittner AiBplus 5/2011, 9; jedenfalls im Ergebnis zustimmend etwa Bauer NZA 2011, Heft 9, Editorial; derselbe SAE 2011, Heft 4, Editorial; Persch ZTR 2011, 404; Reinsch BB 2011, 1011; Schiefer DB 2011, 1220; Steinkühler BB 2011, 2099). Die differenzierteste Kritik, die bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorlag, übt die Entscheidungsbesprechung von Höpfner (NZA 2011, 893). Er lehnt die Entscheidung aus verfassungsrechtlichen und methodischen Gründen ab. Im Ausgangspunkt teilt Höpfner die Beurteilung des Senats, der mit einem absoluten Vorbeschäftigungsverbot verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Er meint jedoch, für eine verfassungsorientierte oder verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei kein Raum. Der Senat habe vielmehr nach Art. 100 Abs. 1 GG das Bundesverfassungsgericht anrufen müssen(vgl. Höpfner NZA 2011, 893, 896 ff.). Der Senat hat mit Urteil vom 6. April 2011 (- 7 AZR 716/09 - aaO) im Einzelnen die Auslegungsgesichtspunkte dargestellt, die für und gegen ein zeitlich unbegrenztes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sprechen. Er hat sich vor allem wegen des Zwecks der Vorschrift und aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für ein zeitlich einschränkendes Verständnis der Vorschrift entschieden. Daran hält der Senat nach erneuter Prüfung und unter Berücksichtigung der im Schrifttum erhobenen Bedenken fest.

24

a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ nicht eindeutig. Er gebietet nicht zwingend das Auslegungsergebnis eines lebenslangen oder auch absoluten Vorbeschäftigungsverbots immer dann, wenn „jemals zuvor“ ein Arbeitsverhältnis der Parteien bestand (vgl. detailliert BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 17, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77; für nicht eindeutig halten den Wortlaut ua. auch: ErfK/Müller-Glöge § 14 TzBfG Rn. 98 und Bauer NZA 2011, 241, 243; siehe auch Dörner Rn. 431, der annimmt, ein solcher Bedeutungsgehalt sei im Wortlaut jedenfalls nur unvollständig zum Ausdruck gekommen).

25

b) Auch der Gesetzeszusammenhang verlangt kein bestimmtes Auslegungsergebnis. Der Umstand, dass sich in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der seit 1. Mai 2007 geltenden Fassung die Formulierung „unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses“ findet, spricht zwar dagegen, die Worte „bereits zuvor“ in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG iSv. „unmittelbar zuvor“ zu verstehen. Er gebietet jedoch nicht das Verständnis, dass „bereits zuvor“ gleichbedeutend mit „jemals zuvor“ ist. Die beiden früheren Fassungen des § 14 Abs. 3 TzBfG, die vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2002 und vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2007 galten, zwingen ebenfalls nicht zu dem Auslegungsergebnis eines absoluten Vorbeschäftigungsverbots. Sie beschränkten die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG für ältere Arbeitnehmer mögliche sachgrundlose Befristung in der Weise, dass zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinne eines Zeitraums von weniger als sechs Monaten liegen durfte. Das könnte darauf hindeuten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Der systematische Kontext könnte aber auch nur bedeuten, dass eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch bei einer Unterbrechung von deutlich mehr als sechs Monaten anzunehmen ist(vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 18, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

26

c) Die Gesetzesgeschichte des Teilzeit- und Befristungsgesetzes spricht demgegenüber dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. § 1 Abs. 3 des bis 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht verändert und entsprechende Anregungen im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgenommen. Das könnte es nahelegen, das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthalte nach dem Willen des historischen Gesetzgebers keine bestimmte zeitliche Grenze. Auch dieser Schluss ist mit Blick auf den nicht eindeutigen Gesetzeswortlaut und -zusammenhang jedoch nicht zwingend (vgl. ausführlich BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

27

d) Gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig unbeschränkten Verbots spricht der Zweck der Regelung. Er besteht darin zu verhindern, dass die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu Befristungsketten missbraucht wird. Dieser Zweck kann auch ohne lebenslanges Vorbeschäftigungsverbot verwirklicht werden. Das damit verbundene absolute Einstellungshindernis ist nicht mehr vom Gesetzeszweck gedeckt (vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 21 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77).

28

e) Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen(vgl. näher BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Der Senat hat im Urteil vom 6. April 2011 letztlich offengelassen, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Verständnis noch verfassungskonform wäre. Jedenfalls gebiete eine an der Wertordnung des Grundgesetzes ausgerichtete „verfassungsorientierte Auslegung“ ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG(vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 27, aaO). Nach erneuter Prüfung kommt der Senat zu der Beurteilung, dass ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot verfassungswidrig wäre und ein eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auch nach dem Grundsatz der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten ist.

29

aa) Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die die konkurrierenden Grundrechte der verschiedenen Grundrechtsträger beachtet und unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen vermeidet. Sind bei der gerichtlichen Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen mehrere Deutungen möglich, verdient diejenige den Vorzug, die den Wertentscheidungen der Verfassung entspricht und die Grundrechte der Beteiligten möglichst weitgehend in praktischer Konkordanz zur Geltung bringt. Der Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen ist nicht auf Generalklauseln beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle auslegungsfähigen und -bedürftigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerfG 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09 - Rn. 86, NJW 2011, 3428; 19. April 2005 - 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 112, 332; aA Höpfner NZA 2011, 893, 898, der die sog. verfassungsorientierte Auslegung nur für die Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen, Ermessensspielräumen und Generalklauseln des einfachen Rechts anerkennt). Die Deutung darf aber nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2760/08 - Rn. 16 mwN, GRUR 2011, 223). Einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz darf nicht im Weg der Auslegung ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387).

30

bb) Nach diesen Grundsätzen ist das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich eingeschränkt auszulegen. Ein unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot birgt strukturell die Gefahr, als arbeitsrechtliches Einstellungshindernis die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig zu begrenzen. Der Arbeitnehmer wäre auch bei einer lange zurückliegenden Vorbeschäftigung gehindert, mit einem einstellungsbereiten Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Das würde der objektiven Wertentscheidung, die in Art. 12 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, nicht hinreichend gerecht (vgl. ausführlich BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 29 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77). Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, das die Privatautonomie beschränkt, legitime Ziele, mit denen er seine Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG erfüllt. Es geht ihm darum, arbeitsvertraglichen Bestandsschutz für die strukturell unterlegenen Arbeitnehmer zu verwirklichen. Dem dient es, wenn der Gesetzgeber dafür sorgt, dass sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zu Befristungsketten missbraucht werden können. Die Verwirklichung dieses Ziels erfordert jedoch kein zeitlich völlig uneingeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung. Die Beschränkung der Privatautonomie und der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, die mit einem lebenslangen Vorbeschäftigungsverbot verbunden ist, ist unverhältnismäßig. Die strukturell einstellungshemmende Wirkung ist im Interesse des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Ziels des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt nicht, soweit sie zur Verwirklichung dieses Ziels ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen ist. Bei einem zeitlich völlig unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbot ist das der Fall. Ein absolutes Vorbeschäftigungsverbot ist schon weder geeignet noch erforderlich, um Befristungsketten zu vermeiden und arbeitsvertraglichen Bestandsschutz zu gewährleisten. Jedenfalls ist die faktische Benachteiligung, die sich für Arbeitsplatzbewerber aus dem Vorbeschäftigungsverbot ergibt, unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten legitimen Zwecks nicht mehr angemessen(verhältnismäßig im engeren Sinn; vgl. im Einzelnen BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 35 ff., aaO).

31

cc) Ein zeitlich eingeschränktes Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist auch wegen des Grundsatzes der möglichst verfassungskonformen Auslegung geboten. Ein zeitlich völlig unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot wäre mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Dadurch würde die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. In diesem Zusammenhang ist es nicht geboten, dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsgemäß ist. Die Vorschrift lässt sich verfassungskonform auslegen.

32

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die Fachgerichte vorrangig vor einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zu versuchen, die betroffene gesetzliche Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt erst in Betracht, wenn eine verfassungskonforme Auslegung nach keiner Auslegungsmethode gelungen ist. Kann das Fachgericht im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu dem Ergebnis gelangen, das Gesetz sei mit dem Grundgesetz vereinbar, hat es diese Interpretation seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387; siehe auch 6. April 2011 - 1 BvR 1765/09 - Rn. 39, HFR 2011, 812; vgl. ferner BAG 29. Juni 2011 - 7 ABR 15/10 - Rn. 22; aA wohl Höpfner NZA 2011, 893, 898 mwN aus dem Schrifttum, der für seine Auffassung ua. Voßkuhle AöR 125 [2000], 177 zitiert, aber kenntlich macht, dass diese Ansicht der bisherigen st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts widerspricht ). Dadurch setzt ein Fachgericht seine materielle Gerechtigkeitsvorstellung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers (aA Höpfner NZA 2011, 893, 896 mit Bezug auf BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - Rn. 52, NJW 2011, 836). Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) sind gewahrt, solange sich das Fachgericht bei der Gesetzesanwendung in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegt (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - Rn. 50 ff., aaO).

33

(2) Ein zeitlich völlig uneingeschränktes Vorbeschäftigungsverbot verstieße gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der damit verbundene Eingriff in die Freiheit der Berufswahl und der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig (so auch Höpfner NZA 2011, 893, 899; Persch ZTR 2010, 1). Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, das die Möglichkeit sachgrundloser Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG beschränkt, ist zwar gerechtfertigt, um Befristungsketten zu vermeiden. Es ist wegen der Schutzpflicht des Staats und der Vorgabe in § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sogar geboten. Ein lebenslanges Vorbeschäftigungsverbot ist aber nicht erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.

34

(3) Die Verfassungswidrigkeit von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG lässt sich durch eine verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung werden dadurch nicht überschritten. Im Übrigen wird durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein bislang nicht erörtertes sehr viel weiter reichendes Problem vermieden. Wäre § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungswidrig, wäre § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht mehr unionsrechtskonform und auch nicht mehr mit der Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil das Untermaßverbot unterschritten würde. Die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit sachgrundloser Befristungen muss schon wegen § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung notwendig beschränkt werden. Die einzige Beschränkung geht aus § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hervor. Ohne diese Vorschrift könnten beliebig viele sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG aneinandergereiht werden. Solche Befristungsketten wären unionsrechtswidrig. Im Fall einer Vorlage des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG könnte auch § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bis zu dessen Entscheidung nicht mehr angewandt werden. Damit würde der Wille des deutschen Gesetzgebers ersichtlich in sein Gegenteil verkehrt. Ein zeitlich eingeschränktes und damit verfassungskonformes geltungserhaltendes Verständnis von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entspricht damit auch dem unionsrechtlichen Gebot der Kohärenz einer nationalen Regelung, die Richtlinienrecht umsetzt(vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs] Rn. 85, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Sie beachtet zugleich den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Normerhaltung (vgl. dazu BVerfG 16. Dezember 2010 - 2 BvL 16/09 - Rn. 29 und 32 mwN, NVwZ-RR 2011, 387).

35

f) Die danach gebotene Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in einem zeitlich einschränkenden Sinn erfordert eine im Weg der Rechtsfortbildung vorzunehmende Konkretisierung. Eine solche Konkretisierung ist bisweilen unumgänglich und in der Rechtsprechung nicht selten (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 39, AP TzBfG § 14 Nr. 82 = EzA TzBfG § 14 Nr. 77 unter Hinweis auf 22. April 2009 - 5 AZR 436/08  - Rn. 13 ff., BAGE 130, 338 [Konkretisierung des Lohnwuchers]; 9. Dezember 2008 - 1 ABR 74/07  - Rn. 19, BAGE 128, 351 [Konkretisierung des Umfangs einer Arbeitszeitverlängerung, der zu einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG führt]). Der Senat wählt aus Gründen der Rechtssicherheit eine zeitliche und keine inhaltliche Anknüpfung. Maßgeblich für den zeitlichen Abstand zwischen dem Ende des vorangegangenen und dem vereinbarten Beginn des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses ist in erster Linie der Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, Befristungsketten zu verhindern. Ein Zeitraum von drei Jahren ist geeignet, erforderlich und angemessen, um diesen Zweck zu erreichen. Mit ihm wird eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit vermieden. Die Zeitspanne entspricht der gesetzgeberischen Wertung, die in der Dauer der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist nach § 195 BGB zum Ausdruck kommt (vgl. näher BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 39 , aaO; ablehnend Höpfner NZA 2011, 893, 895). Diese durch rechtsfortbildende zeitliche Konkretisierung gefundene Dreijahresfrist schließt missbräuchliche Befristungsketten sicher aus.

36

3. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ist damit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG wirksam, obwohl kein sachlicher Grund besteht. Sie überschreitet mit einem Jahr nicht die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgegebene Dauer von zwei Jahren. Die Vorbeschäftigung liegt weit über drei Jahre zurück.

37

B. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Feststellung der Unzulässigkeit eines im Jahr 2007 eingeleiteten gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens durch das Oberlandesgericht, nachdem der Bundesgerichtshof während des anhängigen Verfahrens seine Rechtsprechung mit der sogenannten FRoSTA-Entscheidung vom 8. Oktober 2013 geändert und entschieden hatte, dass Aktionäre bei einem Widerruf der Zulassung einer Aktie zum Handel im regulierten Markt (Delisting) auf Veranlassung der Gesellschaft keinen Anspruch auf ein gerichtlich überprüfbares Barabfindungsangebot haben (BGH, NJW 2014, S. 146).

2

Nach § 39 BörsG kann die Geschäftsführung der Börse die Zulassung von Aktien zum Handel im regulierten Markt unter anderem dann widerrufen, wenn die Aktiengesellschaft als Emittent dies beantragt und der Widerruf nicht dem Schutz der Anleger widerspricht (§ 39 Abs. 2 BörsG). Nach früher vom Bundesgerichtshof in seiner Macrotron-Entscheidung vom 25. November 2002 (BGHZ 153, 47) vertretener Ansicht sollte ein solches reguläres Delisting die Verkehrsfähigkeit der Aktien beeinträchtigen, die an der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG teilhabe. Der Bundesgerichtshof hielt deshalb einen Beschluss der Hauptversammlung sowie ein Pflichtangebot der Aktiengesellschaft oder des Großaktionärs zum Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre für erforderlich. Er sah einen adäquaten Schutz der Minderheit nur dann gewährleistet, wenn das Pflichtangebot die Erstattung des vollen Wertes des Aktieneigentums umfasste und die Minderheitsaktionäre die angebotene Höhe der Abfindung in einem gerichtlichen Spruchverfahren überprüfen lassen konnten (BGHZ 153, 47 <53 ff.>). Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde durch das Delisting-Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2012, wonach der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs nicht berührt, die Grundlage entzogen. Der Widerruf der Börsenzulassung nimmt danach dem Aktionär keine Rechtsposition, die ihm von der Rechtsordnung als privatnützig und für ihn verfügbar zugeordnet ist; er lässt die Substanz des Anteilseigentums in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element unbeeinträchtigt. Zu dem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand zählt danach nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit, während die tatsächliche Verkehrsfähigkeit eine schlichte Ertrags- und Handelschance ist (BVerfGE 132, 99<120>). Das Bundesverfassungsgericht ließ von Verfassungs wegen den Fachgerichten jedoch den Weg offen, eine Pflicht zu einem im Spruchverfahren überprüfbaren Barangebot an die Minderheitsaktionäre aus einer Gesamtanalogie zu gesetzlichen Regelungen anderer gesellschaftsrechtlicher Strukturmaßnahmen herzuleiten (vgl. §§ 305, 320b AktG, §§ 29, 207 UmwG i.V.m. § 1 SpruchG; BVerfGE 132, 99 <127>). Der Bundesgerichtshof gab nachfolgend indessen in seiner FRoSTA-Entscheidung vom 8. Oktober 2013 seine Macrotron-Rechtsprechung auf. Bei einem Widerruf der Zulassung der Aktie zum Handel auf Veranlassung der Gesellschaft haben die Aktionäre danach mangels einfachgesetzlicher Rechtsgrundlage keinen Anspruch auf eine Barabfindung. Es bedarf deshalb für ein Delisting weder eines Beschlusses der Hauptversammlung noch eines gerichtlich überprüfbaren Pflichtangebotes (BGH, NJW 2014, S. 146).

II.

3

1. Die Beschwerdeführer, Antragsteller des Ausgangsspruchverfahrens, begehrten als Minderheitsaktionäre der Dr. Sch. AG, der früheren Antragsgegnerin zu 2. des Ausgangsverfahrens, die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen Verlustes der Börsenzulassung der Aktien im regulierten Markt. Die Mehrheitsaktionärin der früheren Antragsgegnerin zu 2., die K. I. S.A., Antragsgegnerin zu 1. des Ausgangsverfahrens, unterbreitete den Aktionären im Anhang der Einladung zu der Hauptversammlung vom 17. April 2007, bei der über den Rückzug der Gesellschaft von der Börse entschieden werden sollte, ein Angebot zum Kauf ihrer Aktien der Dr. Sch. AG zum Preis von 7,20 € je Aktie. Die Beschwerdeführerin zu 1. nahm das Angebot für ihre 24.573 Aktien an. Die Beschwerdeführerin zu 2. mit 300 Aktien und der Beschwerdeführer zu 3., der keine Angaben zur Anzahl der von ihm damals gehaltenen Aktien machen konnte, nahmen das Angebot hingegen nicht an. Die Hauptversammlung der Dr. Sch. AG beschloss, den Vorstand zu ermächtigen, einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zu stellen. Der antragsgemäße Widerruf wurde mit Ablauf des 23. August 2007 wirksam.

4

2. Die Beschwerdeführerin zu 1. stellte im Jahr 2007, die Beschwerdeführer zu 2. und 3. stellten im Jahr 2010 - neben weiteren Antragstellern - einen Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens zur gerichtlichen Bestimmung der angemessen Barabfindung. Die Dr. Sch. AG wurde im Laufe des Spruchverfahrens auf die C. G. GmbH, die Antragsgegnerin zu 2. des Ausgangsverfahrens, verschmolzen.

5

Am 8. Oktober 2013 entschied der Bundesgerichtshof in seiner FRoSTA-Entscheidung - wie dargelegt - unter Aufgabe der Grundsätze seiner Macrotron-Entscheidung vom 25. November 2002 (BGHZ 153, 47 <53 ff.>), dass die Aktionäre in dieser Konstellation keinen Anspruch auf ein gerichtlich überprüfbares Barabfindungsangebot haben und auch ein Spruchverfahren unzulässig sei (BGH, NJW 2014, S. 146).

6

3. Das Landgericht, bei dem das Ausgangsspruchverfahren noch anhängig war, hielt daraufhin in einem Zwischenbeschluss (WM 2015, S. 237 ff.) das Spruchverfahren weiterhin für zulässig, weil die FRoSTA-Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine rückwirkende Kraft entfalte.

7

Auf die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen hob das Oberlandesgericht den Zwischenbeschluss des Landgerichts auf und verwarf die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung als unzulässig (OLG Stuttgart, NZG 2015, S. 629 ff.). Damit befindet es sich im Einklang mit der weiteren obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, ZIP 2015, S. 123 ff.; OLG München, BB 2015, S. 337 ff.; OLG Karlsruhe, NZG 2015, S. 516 ff.; OLG Stuttgart, AG 2015, S. 326 ff.; OLG Jena, AG 2015, S. 450 ff.). Das Oberlandesgericht führte im Wesentlichen aus, das Spruchverfahren sei unstatthaft, weil das auf März 2007 datierte Abfindungsangebot der Antragsgegnerin zu 1. kein Pflichtangebot darstelle und das Spruchverfahren zur Überprüfung eines freiwilligen Angebots nicht eröffnet sei. Bei der Anwendung der Grundsätze der FRoSTA-Entscheidung des Bundesgerichtshofs handele es sich nicht um eine unzulässige rückwirkende Heranziehung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes folge nicht, dass die gestellten Anträge als zulässig anzusehen seien.

8

Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht zurück.

III.

9

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts. Sie rügen die Verletzung des rechtsstaatlichen Gebots des Vertrauensschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, die Verletzung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG und führen dies näher aus.

IV.

10

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen die als verletzt gerügten verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführer verstoßen könnten, sind auf Grundlage des Vorbringens der Verfassungsbeschwerde nicht ersichtlich. Die Verwerfung der Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung als unzulässig durch das Oberlandesgericht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

11

1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die Anträge der Beschwerdeführer auf Festsetzung einer angemessen Barabfindung im Spruchverfahren als unzulässig zu verwerfen, wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfindung und verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das Oberlandesgericht hat kein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführer auf die Fortführung des Spruchverfahrens enttäuscht.

12

a) Es gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, im Rahmen der Gesetze von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgestellte Rechtssätze zu überprüfen und sie, wenn erforderlich, weiter zu entwickeln. Im Einzelfall kann dies auch dazu führen, dass ein früher als richtig angesehenes Normverständnis aufgegeben und abweichend entschieden wird. Der Umstand, dass ein im Wege richterlicher Rechtsfindung gewonnener Rechtssatz über einen langen Zeitraum Beachtung fand, mag in die Entscheidung einfließen, ob es gerechtfertigt ist, einen abweichenden Rechtssatz aufzustellen; er verleiht indes dem bisherigen Rechtssatz keine höhere Wertigkeit oder gar eine verfassungsrechtlich erhebliche Bestandsgarantie. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen Rechtsprechungsänderungen zu messen sind, unterscheiden sich, abgesehen von dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nicht von denjenigen, die gegenüber dem erstmaligen Aufstellen eines Rechtssatzes durch ein Gericht angezeigt sind (vgl. BVerfGE 122, 248 <267>). Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Es bedarf deswegen nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann (vgl. BVerfGE 84, 212 <227 f.>; 122, 248 <277>). Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>; 131, 20 <42>). Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 84, 212 <227 f.>; 122, 248 <277 f.>; 126, 369 <395>; 131, 20 <42>). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfGE 72, 302 <326>; 122, 248 <277 f.>; 126, 369 <395>; 131, 20 <42>).

13

b) Gemessen daran ist verfassungsrechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass das Oberlandesgericht nach der während des laufenden Spruchverfahrens ergangenen FRoSTA-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2014, S. 146) von deren Grundsätzen und nicht mehr von denen der Macrotron-Rechtsprechung (BGHZ 153, 47 <53 ff.>) ausgegangen ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführer auf Fortführung ihres Spruchverfahrens nach den Grundsätzen der Macrotron-Rechtsprechung (BGHZ 153, 47 <53 ff.>) bestand nicht. Die Änderung der Rechtsprechung ist hinreichend begründet und hält sich im Rahmen einer nicht unvorhersehbaren Entwicklung.

14

aa) Bei der Macrotron-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 153, 47 <53 ff.>) zu der Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit des Pflichtangebotes in einem Spruchverfahren handelte es sich schon nicht um eine in jeder Hinsicht gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung.

15

(1) Der Macrotron-Entscheidung (BGHZ 153, 47 <53 ff.>) lässt sich nicht entnehmen, aus welcher materiell-rechtlichen Rechtsgrundlage der Anspruch auf Barabfindung beim regulären Delisting herzuleiten ist. Das gilt auch für die Vorgaben zu wesentlichen verfahrensrechtlichen Fragen wie denen nach Antragsberechtigung, Antragsfrist, Antragsbegründung und Antragsgegner. Die Macrotron-Entscheidung hat weder die zu prüfende materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die Barabfindung vorgegeben noch die wesentlichen Verfahrensbestimmungen zur Prüfung von deren Angemessenheit. Die Grundsätze hierzu haben in der Folge erst die Instanzgerichte entwickelt und konkretisiert. Zudem war die Macrotron-Entscheidung insbesondere im Hinblick auf das Verständnis der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG auf erhebliche Kritik gestoßen (zum damaligen Meinungsstand vgl.: Wasmann, in: KKSpruchG, § 1 Rn. 27 ff.; Bayer, ZfPW 2015, S. 163 <182 ff.>, jeweils mit Nachweisen).

16

(2) Der Bundesgerichtshof hat seine Macrotron-Entscheidung zur Überprüfung der angebotenen Barabfindung in einem Spruchverfahren in den von den Beschwerdeführern weiter angeführten Entscheidungen (BGH, AG 2010, S. 453; AG 2011, S. 590) lediglich implizit bestätigt. Schon in der Macrotron-Entscheidung selbst hat er das Spruchverfahren als Mittel zur Überprüfung der angebotenen Barabfindung nur kurz erwähnt (BGHZ 153, 47 <57 f.>) und diese Auffassung auch später nicht vertieft. In den von der Verfassungsbeschwerde zitierten beiden Entscheidungen hat er sich mit einem Spruchverfahren nach Delisting zur Überprüfung der angebotenen Abfindung in der Sache nicht näher befasst. Vielmehr standen im Zentrum der Entscheidungen andere Rechtsfragen (BGH, AG 2011, S. 590: Entfallen der Vorlagevoraussetzungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG für die Frage der Referenzperiode für den dem Pflichtangebot zugrunde zu legenden Börsenwert der Aktie; BGH, AG 2010, S. 453: Fehlen von Zulassungsgründen im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO zur Klärung der Voraussetzungen eines Hauptversammlungsbeschlusses zum Delisting). Auch soweit der Bundesgerichtshof in einem weiteren Beschluss vom 25. Juni 2008 an seiner Auffassung festgehalten hat, dass nach einem regulären Delisting, bei dem die Gesellschaft oder deren Großaktionär ein Kaufangebot unterbreitet hat, zur Überprüfung der Angemessenheit des gebotenen Preises ein Spruchverfahren stattzufinden habe, auf das die Regelungen des Spruchverfahrensgesetzes entsprechend anzuwenden seien (BGHZ 177, 131 Rn. 10), hat er für diese Aussage ebenfalls nur die Macrotron-Entscheidung zitiert (BGHZ 153, 47).

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Die Rechtsprechungslinie im Anschluss an die Macrotron-Entscheidung aus dem Jahr 2002 war damit in der näheren Ausgestaltung wesentlich durch die Oberlandesgerichte bestimmt. Eine gefestigte, langjährige Rechtsprechung, die sich durch den Bundesgerichtshof bis in die Einzelheiten der Gesamtanalogie zu anderen Verfahrensregeln mit faktisch normähnlicher Wirkung manifestiert gehabt hätte, lag daher eingedenk des in Rede stehenden Zeitraums noch nicht vor.

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(3) Die Offenheit der Rechtsprechungsentwicklung nach der Macrotron-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 153, 47) spiegelte sich zudem wider in der abwartenden Gegenäußerung der Bundesregierung zu einer Initiative des Bundesrats vom 22. September 2006, die diese Rechtsprechung durch Änderung des Spruchverfahrensgesetzes nachzeichnen und die Aufzählung der Fallgestaltungen in § 1 SpruchG um das Delisting erweitern wollte (BRDrucks 548/06, S. 53). Die Bundesregierung führte dazu am 12. Oktober 2006 - und damit vor Einleitung der Ausgangsspruchverfahren - in einem Gesetzentwurf zur Änderung des Umwandlungsgesetzes aus, dass die Diskussion in Wissenschaft und Praxis über Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Delistings andauere, weshalb der Gesetzgeber hier keine vorschnelle Antwort geben solle (BTDrucks 16/2919, S. 28).

19

bb) In der Anwendung der Grundsätze der FRoSTA-Entscheidung (BGH, NJW 2014, S. 146) aus dem Jahr 2013 auf das früher eingeleitete Spruchverfahren durch das Oberlandesgericht liegt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer keine unzulässige rückwirkende Heranziehung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung auf einen abgeschlossenen Lebenssachverhalt. Schon deshalb lässt sich daraus nichts für die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens in die Fortführung des Ausgangsspruchverfahrens herleiten. Darauf, dass die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Rückwirkung von Gesetzen nicht ohne Weiteres auf die Änderung einer Rechtsauffassung in der höchstrichterlichen Fachrechtsprechung übertragbar sind, kommt es deshalb hier nicht an.

20

Vereinzelt wird zwar die Auffassung vertreten, eine rückwirkende Anwendung der Grundsätze der FRoSTA-Rechtsprechung sei ausgeschlossen; denn es handele sich um eine echte Rückwirkung im Sinne der Grundsätze zur Rückwirkung von Gesetzen (vgl. Lochner/Schmitz, AG 2014, S. 489 <490 f.>). Danach sollen die Beschwerdeführer mit Einleitung des Spruchverfahrens bereits ein vollständiges Recht auf eine Überprüfung der angebotenen Abfindung und die Festsetzung einer angemessenen Abfindung erworben haben.

21

Entgegen dieser Rechtsansicht hat das Oberlandesgericht indessen zutreffend angenommen, dass die mit der FRoSTA-Entscheidung vorgenommene Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs im Streitfall auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt und damit zusammenhängende Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt hat (vgl. BVerfGE 63, 343 <356>; 101, 239 <263>; 123, 186 <257>). Das ergibt sich schon daraus, dass die endgültige Höhe der Abfindung - auch für die Beschwerdeführerin zu 1., die das Angebot angenommen hatte (vgl. § 305 Abs. 4 Satz 3 AktG analog bzw. § 31 Satz 2, § 209 Satz 2 UmwG analog) - noch nicht feststand. Die Zulässigkeit des Antrags in einem Spruchverfahren setzt voraus, dass ein aktienrechtlicher Ausgleichs- oder Abfindungstatbestand dem Grunde nach gegeben ist (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 1 SpruchG Rn. 16). Dieser einfachrechtliche Anspruch der Beschwerdeführer bestand indessen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts mangels gesetzlicher Grundlage nicht, nachdem sich das Oberlandesgericht die vom Bundesgerichtshof in der FRoSTA-Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung (BGH, NJW 2014, S. 146) in vertretbarer Weise zu eigen gemacht hatte. Daran ändert nichts, dass das Spruchverfahren zum Zeitpunkt der FRoSTA-Entscheidung vom 8. Oktober 2013 bereits sechs Jahre anhängig war und das Verfahren möglicherweise auch zuvor hätte abgeschlossen werden können, wie die Beschwerdeführer hervorheben. Maßgebend ist, dass noch keine rechtskräftige Entscheidung über die Angemessenheit der Abfindung ergangen war.

22

cc) Die Anwendung der Grundsätze der FRoSTA-Entscheidung auf das laufende Spruchverfahren der Beschwerdeführer begegnet auch sonst unter Vertrauensschutzgesichtspunkten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Umstände, die im vorliegenden Fall einen über die allgemeinen Grundsätze hinausgehenden Vertrauensschutz gebieten könnten, sind nicht erkennbar.

23

(1) Ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführer folgt nicht aus ihrer vermögensrechtlichen Disposition im Ausgangsverfahren.

24

Die Beschwerdeführer meinen (vgl. ebenso Heidel/Lochner, in: Heidel, AktG 4. Aufl., Vor §§ 327a ff. Rn. 19 f.), die Macrotron-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe alle an Delistings Beteiligten zu vertrauensinduzierten Dispositionen veranlasst, wozu auch der wirtschaftliche Aufwand im Zusammenhang mit dem prozessual aufwendigen Spruchverfahren zähle. Deshalb sei den Antragstellern von Spruchverfahren, die nach der Macrotron-Entscheidung des Bundesgerichtshofs und vor der Delisting-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeleitet worden seien, Vertrauensschutz in Form der Fortführung des Spruchverfahrens zu gewähren.

25

Abgesehen davon, dass solche "Dispositionen" aufgrund der Erwartung einer bestimmten richterlichen Entscheidung für sich gesehen grundsätzlich keinen Vertrauensschutz im Blick auf den Bestand einer bestimmten Rechtsprechung zu begründen vermögen, beschränken sich diese im Streitfall auf die Verauslagung von Rechtsverfolgungskosten im Spruchverfahren. Dem hat das Oberlandesgericht durch seine Billigkeitserwägungen im Rahmen der Kostenentscheidung hinreichend Rechnung getragen und die Gerichtskosten beider Instanzen den Antragsgegnerinnen auferlegt. Die gemäß § 15 Abs. 4 SpruchG a.F. beziehungsweise § 15 Abs. 2 SpruchG n.F. nur im Ausnahmefall vorzunehmende Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer als Antragsteller des Spruchverfahrens auf die Antragsgegnerinnen hat das Oberlandesgericht hingegen mit vertretbarer Begründung abgelehnt.

26

Soweit die Beschwerdeführer zu 2. und 3. betroffen sind, ist diese Argumentation im vorliegenden Fall auch aus einem anderen Grund nicht tragfähig: Die Antragsgegnerin zu 1. des Ausgangsverfahrens hat im Anschluss an das im Jahr 2007 erfolgte Delisting im Jahr 2009 beziehungsweise 2010 einen Squeeze-Out durchgeführt. Durch den Squeeze-Out erlangten alle verbliebenen Aktionäre - also auch die Beschwerdeführer zu 2. und 3. - erneut einen Anspruch auf eine angemessene Barabfindung, deren Höhe derzeit in einem weiteren Spruchverfahren überprüft wird. Insbesondere den Beschwerdeführern zu 2. und 3. droht bereits deshalb keine besondere Härte. Dies übergeht die Verfassungsbeschwerde, wenn sie meint, die Nichtannahme des Angebots durch die Beschwerdeführer zu 2. und 3. und die Einleitung eines Spruchverfahrens stelle sich als erhebliche Disposition und nun als erheblicher wirtschaftlicher Nachteil dar. Vielmehr könnte sich die Nichtannahme des Abfindungsangebots im Jahr 2007 seit dem Squeeze-Out eher als vorteilhaft erweisen, weil die später angebotene und anderweit zur Überprüfung gestellte Abfindung sich auf 7,91 € beläuft, das Abfindungsangebot anlässlich des Delistings indes nur 7,20 € je Aktie betrug.

27

(2) Ebenso wenig folgt ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerin zu 1. auf Fortführung des Spruchverfahrens aus einer schuldrechtlich wirksamen Vereinbarung über dessen Durchführung, die die Verfassungsbeschwerde in der Annahme des Abfindungsangebotes der Antragsgegnerin zu 1. durch die Beschwerdeführerin zu 1. sieht. Die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens steht nicht zur zivilrechtlichen Disposition der Parteien, sondern richtet sich allein nach den gesetzlichen Vorschriften (vgl. Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 1 SpruchG Rn. 30; Simons, in: Hölters, AktG, 2. Aufl. 2014, § 1 SpruchG Rn. 25). Entgegen der Ansicht der Verfassungsbeschwerde waren die Macrotron-Grundsätze überdies nicht Geschäftsgrundlage des Kaufvertrages über die Aktien der Beschwerdeführerin zu 1. Bei dem veröffentlichten Abfindungsangebot handelte es sich - aus der Sicht eines verständigen Empfängers ohne Weiteres ersichtlich - nur um die Bezugnahme auf die damalige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der sich die Antragsgegnerin zu 1. gehalten sah, ein Pflichtangebot zu unterbreiten, nicht aber um ein schuldrechtliches Angebot auf Durchführung eines Spruchverfahrens auf vertraglicher Grundlage.

28

(3) Diese Bewertung der Vertrauensschutzfrage entspricht im Übrigen der Beurteilung, die der Bundesgerichtshof im Ergebnis bereits in seiner FRoSTA-Entscheidung (BGH, NJW 2014, S. 146) - wenngleich nicht explizit - zum Ausdruck gebracht hat (anders Lochner/Schmitz, AG 2014, S. 489). Denn jener Entscheidung lag ebenfalls ein nach der Macrotron-Entscheidung und vor der Delisting-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeleitetes Spruchverfahren zugrunde.

29

dd) Besondere Umstände, die ausnahmsweise die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens in eine durch höchstrichterliche Entscheidungen geprägte Rechtslage rechtfertigen könnten, sind mithin nicht feststellbar. Es verbleibt deshalb bei dem Grundsatz, dass höchstrichterliche Rechtsprechung kein Gesetzesrecht ist und damit keine vergleichbare Rechtsbindung erzeugt.

30

2. Die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts verletzen überdies nicht das Eigentumsgrundrecht der Beschwerdeführer als Aktionäre aus Art. 14 Abs. 1 GG.

31

Der Verlust der Chance für die Beschwerdeführer, das Abfindungsangebot der Antragsgegnerin zu 1. durch ein gerichtliches Spruchverfahren überprüfen zu lassen und gegen eine höhere Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden, berührt nicht den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts des Aktionärs aus Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 132, 99<120>). Aus der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der FRoSTA-Entscheidung und deren Konsequenz für das Ausgangsverfahren ist mithin keine eigentumsgrundrechtlich relevante Rechtsverletzung erwachsen.

32

3. Ebenso wenig verletzen die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführer in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Oberlandesgericht hat den Vortrag der Beschwerdeführer, es liege ein Fall der echten Rückwirkung vor, zur Kenntnis genommen, ist jedoch dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Es hat die Frage eines schutzwürdigen Vertrauens der Beschwerdeführer auf die weitere Anwendung der Grundsätze der Macrotron-Entscheidung umfassend geprüft und im Ergebnis mit tragfähigen Gründen verneint.

33

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)