Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Okt. 2017 - 5 Sa 256/16

published on 17.10.2017 00:00
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 17. Okt. 2017 - 5 Sa 256/16
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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 30.11.2016 - 3 Ca 276/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftlichen Angestellten weiter zu beschäftigen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrages.

2

Der 1969 geborene Kläger war im Anschluss an sein Studium zum Diplom-Physiker drei Jahre lang, d. h. von September 1995 bis August 1998, bei dem Beklagten als Doktorand in B. beschäftigt. Nach einer Unterbrechung von einem Jahr stellte ihn der Beklagte erneut ein und beschäftigte ihn rund viereinhalb Jahre bis zum Februar 2004 als wissenschaftlichen Mitarbeiter in B-Stadt bzw. in G..

3

Nachdem der Kläger etwa zehn Jahre bei anderen Arbeitgebern tätig war, schlossen die Parteien am 03.07./14.07.2014 einen befristeten Arbeitsvertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren für den Zeitraum 21.07.2014 bis zum 20.07.2016 über eine Vollzeitbeschäftigung am Teilinstitut B-Stadt. Der Beklagte entschied sich für eine sachgrundlose Befristung, da die maximale Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 12 Jahren aufgrund der anzurechnenden Beschäftigungszeiten von insgesamt 11 Jahren in etwa ausgeschöpft war. Gemäß Arbeitsvertrag richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sowie weiteren näher bezeichneten Tarifverträgen. Die Vergütung ergibt sich aus der Entgeltgruppe 14 TVöD. Der Kläger übernahm den Arbeitsplatz eines altersbedingt ausgeschiedenen Arbeitnehmers.

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Mit Schriftsatz vom 21.07.2016, beim Arbeitsgericht eingegangen am 25.07.2016, hat der Kläger die Befristung gerichtlich angegriffen.

5

Der Beklagte schrieb die bislang vom Kläger besetzte Stelle unter dem 02.09.2016 erneut aus. Der Beklagte hatte dem Kläger zuvor eine befristete Weiterbeschäftigung für ein weiteres Jahr angeboten, das Angebot aber zurückgezogen, nachdem der Kläger seine Annahme unter den Vorbehalt eines nicht bereits unbefristet entstandenen Arbeitsverhältnisses gestellt hatte.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Befristung sei unwirksam, weil er die Arbeit in Kenntnis des Beklagten schon vor dem offiziellen Arbeitsbeginn aufgenommen, nämlich bereits ab dem 07.07.2014 gearbeitet habe. Insbesondere habe er Langmuir-Sonden geprüft. Am 08.07.2014 sei sein früherer Systemzugang reaktiviert worden. Am 09. und 10.07.2014 habe er wiederum Sonden im Diagnostikbereich geprüft. Er habe in den darauffolgenden Tagen an verschiedenen Besprechungen teilgenommen sowie Schaltschrankkomponenten getestet. Der Bereichsleiter, Herr Prof. Dr. S. P., habe von den Tätigkeiten gewusst und die Arbeitsergebnisse verwertet. Dessen Stellvertreter, Herr Dr. K., sei ebenfalls vollständig informiert gewesen. Auch Prof. Dr. K., der Mitglied des Direktoriums sei, habe den Kläger vor Vertragsbeginn mehrfach im Institut angetroffen und mit ihm über seine Tätigkeit gesprochen, ohne einen Widerspruch hiergegen zu erheben. Den Arbeitsvertrag und das dazugehörige Anschreiben habe der Kläger erst am 14.07.2014 erhalten und sogleich unterzeichnet.

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Darüber hinaus sei die sachgrundlose Befristung unzulässig, weil mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Soweit das Bundesarbeitsgericht entgegen seiner früheren Rechtsprechung das Vorbeschäftigungsverbot nunmehr auf drei Jahre begrenzt habe, sei das weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem gesetzgeberischen Willen vereinbar. Der Gesetzgeber habe eine solche Grenze trotz entsprechender Anregungen gerade nicht eingeführt. Ein evtl. Vertrauen der Beklagten in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht schutzwürdig, da die Rechtsprechungsänderung im arbeitsrechtlichen Schrifttum nachhaltig und massiv kritisiert worden sei, sodass sie nicht als gesichert habe angesehen werden können.

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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt

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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 03.07./14.07.2014 vereinbarten Befristungsabrede mit Ablauf des 20.07.2016 geendet hat.

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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Der Kläger habe nicht vor dem vereinbarten Vertragsbeginn gearbeitet. Mit dem Anschreiben vom 03.07.2014 zum Arbeitsvertrag habe der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Arbeitsvertrages unter dem Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses stehe. Nachdem der Beklagte erfahren habe, dass sich der Kläger bereits im Institut aufhalte, habe er mehrfach erklärt, keine Arbeitsleistung vor dem Vertragsbeginn anzunehmen. So habe Herr Prof. Dr. S. P. den Kläger am 08.07.2014 in der Cafeteria angetroffen und ihn darauf hingewiesen, dass er evtl. Tätigkeiten vor Vertragsbeginn umgehend einstellen müsse. Es habe überhaupt keine Eile bei der Einarbeitung des Klägers bestanden, da der Vorgänger einen so genannten Rentnervertrag erhalten sollte. Der Kläger habe gegenüber Herrn Prof. Dr. S. P. versichert nicht vorzuhaben, sich auf eine unbefristete Stelle einklagen zu wollen. Im Anschluss daran sei der Kläger in der Personalabteilung erschienen, woraufhin die Leiterin der Personalstelle in B-Stadt, Frau C., ihm nochmals ein Tätigwerden vor dem vereinbarten Vertragsbeginn untersagt habe. Abgesehen davon seien weder Herr Prof. Dr. S. P. noch sein Vertreter Herr Dr. K. berechtigt, Arbeitsverträge abzuschließen oder zu kündigen; hierüber entscheide allein das Direktorium des Beklagten. Der Beklagte müsse sich das Wissen des Bereichsleiters und seines Stellvertreters nicht zurechnen lassen. Es gelte dasselbe wie im Fall einer Weiterarbeit über das vereinbarte Befristungsende hinaus (vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG).

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Die erneute Einstellung des Klägers verstoße nicht gegen das Vorbeschäftigungsverbot, da der letzte Arbeitsvertrag deutlich länger als drei Jahre zurückliege. Der Beklagte betreibe etwa 80 Wissenschafts- und Forschungsinstitute, die bei aufstrebenden Wissenschaftlern sehr beliebt seien. Ein absolutes, zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot würde eine spätere Rückkehr von Mitarbeitern praktisch unmöglich machen. Der Beklagte habe auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertrauen dürfen, erst recht, weil das letzte Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zehn Jahre zurückgelegen habe.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam sei, weil der Kläger bereits zuvor bei dem Beklagten beschäftigt gewesen sei. Der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht zu folgen. Nach dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte sei eine zeitliche Begrenzung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht hat sich den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 11.06.2016 - 3 Sa 8/16 - angeschlossen und auf diese verwiesen.

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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Berufung. Er bezieht sich ausdrücklich auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot. Die abweichenden Auffassungen des Arbeitsgerichts Stralsund und verschiedener Landesarbeitsgerichte seien unzutreffend. Der Gesetzgeber habe Befristungsketten verhindern wollen. Bei einer lange Zeit zurückliegenden Vorbeschäftigung könne davon aber nicht die Rede sein, erst recht nicht bei einer zeitlichen Unterbrechung von zehn Jahren wie im Falle des Klägers. Der Gesetzeswortlaut lasse eine solche Auslegung zu. "Zuvor" heiße eben nicht "jemals zuvor". Ein anderes Verständnis der Vorschrift führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Einstellungshindernis und damit zu einer Einschränkung der Berufsfreiheit. Der Kläger hätte bei dem Beklagten gar nicht mehr die Chance, über eine sachgrundlos befristete Beschäftigung später doch noch in ein Dauerarbeitsverhältnis zu gelangen. Davon abgesehen habe der Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertrauen dürfen, da ihr die Instanzgerichte und die Fachliteratur überwiegend gefolgt seien.

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Das Arbeitsverhältnis habe nicht vor dem vereinbarten Vertragszeitpunkt begonnen. Der Kläger habe einen vom Wissen und Wollen des Beklagten getragenen früheren Dienstantritt nicht substantiiert dargelegt. Herr Prof. Dr. K. habe zum Kläger keine fachlichen oder persönlichen Berührungspunkte und deshalb naturgemäß keinerlei Kenntnis von seiner angeblichen Tätigkeit vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages gehabt.

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Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 30.11.2016 - 3 Ca 276/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

18

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und

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den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als wissenschaftlichen Angestellten weiter zu beschäftigen.

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Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und verweist auf die erstinstanzlich vorgebrachte Argumentation, insbesondere den Gesetzeswortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die spätere Kehrtwende des Bundesarbeitsgerichts sei nicht nachvollziehbar. Diese Form der richterlichen Rechtsfortbildung verletze die verfassungsrechtlichen Grenzen.

21

Der Beklagte beantragt, den weitergehenden Klageantrag abzuweisen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts zur zeitlichen Reichweite des Vorbeschäftigungsverbots an.

24

Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 03.07./14.07.2014 ist rechtsunwirksam; der befristete Arbeitsvertrag gilt gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die sachgrundlose Befristung ist unzulässig, da der Kläger bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten gestanden hat.

25

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG); eine Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist hingegen nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG).

26

Das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist zeitlich nicht begrenzt (BAG, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 7 AZN 368/09 - Rn. 2, juris = ZTR 2009, 544; BAG, Urteil vom 13. Mai 2004 - 2 AZR 426/03 - Rn. 28, juris = EzBAT SR 2y BAT Teilzeit- und Befristungsgesetz Nr. 10; BAG, Urteil vom 06. November 2003 - 2 AZR 690/02 - Rn. 19 ff., juris = NZA 2005, 218; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Juli 2017 - 4 Sa 221/16 - Rn. 15, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 20. Juli 2017 - 6 Sa 1125/16 - Rn. 32, juris, Revision eingelegt; LAG Hessen, Urteil vom 11. Juli 2017 - 8 Sa 1578/16 - Rn. 29, juris, Revision eingelegt; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. Mai 2017 - 6 Sa 405/15 - Rn. 30, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 23. Mai 2017 - 9 Sa 1154/16 - Rn. 24, juris, Revision eingelegt; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. August 2016 - 3 Sa 8/16 - Rn. 40, juris, Revision eingelegt; LAG Niedersachsen, Urteil vom 16. Februar 2016 - 9 Sa 376/15 - Rn. 22, juris, Revision eingelegt; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 2013 - 6 Sa 28/13 - Rn. 23, juris, Revision eingelegt; anderer Ansicht: BAG, Urteil vom 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - Rn. 23, juris = NZA 2012, 255; BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 13, juris = NZA 2011, 905; LAG Hamm, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 11 Sa 735/16 - Rn. 59, juris; LAG Köln, Urteil vom 28. April 2016 - 8 Sa 1015/15 - Rn. 14, juris; LAG Sachsen, Urteil vom 24. März 2015 - 1 Sa 639/14 - Rn. 23, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2014 - 1 Sa 490/13 - Rn. 20, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09. August 2012 - 2 Sa 239/12 - Rn. 38, juris, Revision eingelegt).

27

Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Wortlaut gibt nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt daneben den Gesetzesmaterialien und der Systematik des Gesetzes eine Indizwirkung zu (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 - Rn. 66, juris = NJW 2013, 1058; BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 5 AZR 374/16 - Rn. 20 = NZA 2017, 378).

28

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der Wortlaut enthält keine zeitliche Begrenzung. Ebenso wenig unterscheidet der Wortlaut nach dem Inhalt, der Wochenstundenzahl oder der Dauer des vorherigen Arbeitsverhältnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Tätigkeit in dem früheren Arbeitsverhältnis auszuüben war, ob es sich um eine Teilzeit- oder eine Vollzeitbeschäftigung handelte und ob das Arbeitsverhältnis mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte oder nur einige Monate bestanden hat. Es genügt, dass es bereits ein Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitgeber gab. Nach dem Gesetzeswortlaut ist es ebenso unerheblich, wie lange das frühere Arbeitsverhältnis zurückliegt. Der Begriff "zuvor" erfasst sprachlich alles, was zeitlich vorher gewesen ist. "Zuvor" bedeutet: "zeitlich vorhergehend", "davor", "vorher" (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010). Um den davor liegenden Zeitraum zu beschränken, ist ein entsprechender Zusatz erforderlich, der die Zeitspanne begrenzt. Ein solcher Zusatz fehlt im Gesetzestext. Der Begriff "zuvor" bedarf, um die zeitliche Reichweite klarzustellen, keiner Verstärkung, beispielsweise durch Zusätze wie "jemals" oder "irgendwann".

29

Die Gesetzesgeschichte des TzBfG spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen, was auch das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit seiner Rechtsprechungsänderung einräumt (BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, juris = NZA 2011, 905). § 1 Abs. 3 des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Gesetzes über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung bezeichnete einen Zeitraum von vier Monaten als unschädlich für die (wiederholte) Inanspruchnahme der erleichterten Befristungsmöglichkeit ohne sachliche Rechtfertigung. Diesen Zeitraum hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern für die Verhinderung von „Kettenverträgen“ als unzureichend angesehen (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Er hat den Zeitraum aber auch nicht modifiziert. Entsprechenden Anregungen im Gesetzgebungsverfahren ist er nicht nachgegangen. So hatte der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht u. a. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag des angehörten Sachverständigen Preis wiedergegeben, nach welchem das legitime Ziel, Kettenbefristungen zu verhindern, auch mit einer Zwei-Jahres-Karenzregelung verhindert werden könne (BT-Drucks. 14/4625 S. 18).

30

Sinn und Zweck der Regelung gebieten es nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht, den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in zeitlicher Hinsicht einzuschränken.

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Die §§ 14 ff. TzBfG beruhen auf der Richtlinie 1999/70/EG. Die gesetzlichen Vorschriften sollen befristet beschäftigte Arbeitnehmer vor Diskriminierung schützen, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung verbessern. Erleichterte Befristungsmöglichkeiten wollte der Gesetzgeber allerdings im Interesse der Flexibilität der Beschäftigung und als Brücke zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen weiterhin erhalten (BT-Drucks. 14/4374 S. 1). Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf grundsätzlich eines sachlich rechtfertigenden Grundes. Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist die Befristung nur bei einer Neueinstellung zulässig (BT-Drucks. 14/4374 S. 2). Normalfall der Beschäftigung soll weiterhin das unbefristete Arbeitsverhältnis sein (BT-Drucks. 14/4374 S. 12).

32

Die befristete Beschäftigung ist für viele Arbeitnehmer eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Insbesondere Jugendlichen nach der Ausbildung erleichtern befristete Arbeitsverträge den Eintritt in das Arbeitsleben mit guten Chancen auf eine spätere dauerhafte Beschäftigung (BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrages soll künftig nur noch bei einer Neueinstellung zulässig sein, d. h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber. Durch diese Einschränkung wird im Unterschied zum bisherigen Recht die theoretisch unbegrenzte Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge (Kettenverträge) ausgeschlossen (BT-Drucks. 14/4374 S. 14). Bei der nach neuem Recht nur einmaligen Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund wird der Arbeitgeber veranlasst, den Arbeitnehmer entweder unbefristet weiter zu beschäftigen oder bei weiter bestehendem nur vorübergehendem Arbeitskräftebedarf einen anderen Arbeitnehmer befristet einzustellen. Die Sachgrundbefristung im Anschluss an eine erleichterte Befristung bleibt zulässig (BT-Drucks. 14/4374 S. 14).

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Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich unbefristet sein. Wenn es schon befristet ist, dann grundsätzlich mit sachlichem Grund. Die sachgrundlose Befristung ist demgegenüber der Ausnahmefall. Damit der sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag seiner Funktion, eine Brücke zur Dauerbeschäftigung zu bilden, gerecht werden kann, muss sich der Arbeitgeber nach der erstmaligen Beschäftigung entscheiden. Entweder übernimmt er den befristet eingestellten Mitarbeiter in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis oder aber er gibt einem anderen, neu eingestellten Mitarbeiter die Chance, aus einer zunächst befristeten in eine unbefristete Beschäftigung zu gelangen. Diesem Zweck widerspricht es, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Arbeitnehmer nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums nochmals sachgrundlos befristet einstellen kann.

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Zwar sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen trotz einer Vorbeschäftigung ein späterer sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag eine Brücke zur Dauerbeschäftigung darstellen kann und damit letztlich dem Ziel des Gesetzes entspricht. Das mag beispielsweise für eine viele Jahre zurückliegende geringfügige Beschäftigung mit einer ganz anderen Arbeitsaufgabe gelten (vgl. Sachverhalt der Entscheidung BAG, Urteil vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 19, juris = NZA 2011, 905). Ebenso gibt es aber auch den umgekehrten Fall, in dem der Arbeitgeber letztlich nicht daran interessiert ist, einen Mitarbeiter für eine Dauerbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz zu gewinnen, sondern ein höchstmögliches Maß an Flexibilität anstrebt. Der Gesetzgeber hat im Interesse der sachgrundlos befristet Beschäftigten und aus arbeitsmarktpolitischen Gründen bewusst auf eine Differenzierung nach der Art des vorherigen Arbeitsverhältnisses, dessen Dauer, der Dauer der Unterbrechung usw. verzichtet. Die Regelung ist bewusst eng gefasst, um einerseits Klarheit für die Rechtsanwender zu schaffen und andererseits mit Nachdruck auf eine Dauerbeschäftigung hinzuwirken. Das entspricht ihrem Charakter als Ausnahmeregelung zum Normalfall der unbefristeten Beschäftigung.

35

Die Regelung stellt kein Einstellungshemmnis, sondern ein - gewolltes - Befristungshemmnis dar. Entscheidet sich ein Arbeitgeber, den sachgrundlos befristet Beschäftigten nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen und stattdessen jemand anderes neu einzustellen, bewegt er sich noch im Rahmen des Gesetzeszwecks. Die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung orientiert sich nicht nur an den Interessen des Beschäftigten, der ohnehin eher ein unbefristetes als ein befristetes Arbeitsverhältnis anstrebt, sondern auch an arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten. Wenn schon der Arbeitgeber den bisherigen Mitarbeiter nicht unbefristet weiterbeschäftigen möchte, so soll er wenigstens einem anderen, insbesondere arbeitslosen, Arbeitnehmer die Möglichkeit auf eine Beschäftigung geben. Die Chancen auf eine unbefristete Beschäftigung sind ohnehin gering, wenn dem Arbeitgeber vorrangig an Flexibilität gelegen ist und er bereit ist, das Personal regelmäßig auszutauschen. Die befristete Beschäftigung ohne Sachgrund wird dann nur ausnahmsweise eine Brücke zu einer Dauerbeschäftigung sein. Sinn und Zweck der Regelung ist es nicht, dem Arbeitgeber immer wieder eine befristete Beschäftigung zu ermöglichen. Unabhängig davon bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, ein Arbeitsverhältnis mit Sachgrund zu befristen (§ 14 Abs. 1 TzBfG).

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Soweit bei Arbeitgebern mit vielen Beschäftigten und zahlreichen Betrieben oder Dienststellen die Gefahr besteht, dass eine lange zurückliegende Vorbeschäftigung in Vergessenheit geraten ist, obliegt es dem Arbeitgeber, sich bei Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages hierüber Gewissheit zu verschaffen. Ein Bedürfnis für eine zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots lässt sich daraus nicht herleiten.

37

Das Berufungsgericht ist nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an die (geänderte) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebunden. Zwar hat der Beklagte die Befristungsabrede vom 03.07./14.07.2014 vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - und vom 06. April 2011 - 7 AZR 716/09 - abgeschlossen. Er konnte jedoch nicht darauf vertrauen, dass die Gerichte diese Rechtsprechungsänderung nachvollziehen werden. Für das Vertrauen in die geänderte Rechtsprechung gilt nichts anderes als für das Vertrauen in die vorherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

38

Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 - 1 BvR 1667/15 - Rn. 12, juris = ZIP 2015, 2371; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, juris = NJW 2009, 1469). Kein Prozessbeteiligter kann darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten oder ihr folgen. Soweit durch eine gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05. November 2015 - 1 BvR 1667/15 - Rn. 12, juris = ZIP 2015, 2371; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, juris = NJW 2009, 1469).

39

Der Beklagte konnte die geänderte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots auf drei Jahre bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht als gefestigt betrachten. Zwar waren ihr bereits einige Landesarbeitsgerichte gefolgt, andere Landesarbeitsgerichte hatten sich ihr jedoch ausdrücklich entgegengestellt. In der Fachliteratur ist die Rechtsprechungsänderung auf ein sehr geteiltes Echo gestoßen. Es gab weder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger eine langjährige und gesicherte Rechtsprechung noch gibt es diese zum jetzigen Zeitpunkt. Es liegen keine Umstände vor, die ein Vertrauen des Beklagten hätte begründen können.

40

Der Kläger war vor Abschluss des sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages bei dem Beklagten bereits mehrfach und mehrere Jahre als Arbeitnehmer beschäftigt. Eine sachgrundlose Befristung schied damit aus. Sie diente auch nicht dazu, eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung zu bilden, sondern erschien als Variante, den Kläger trotz der im Wesentlichen ausgeschöpften Befristungsmöglichkeiten nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz nochmals zumindest zwei Jahre lang wiederum befristet beschäftigen zu können. Derartige Befristungsketten, ob mit oder ohne Unterbrechungen, wollte der Gesetzgeber durch eine strikte Regelung zur sachgrundlosen Befristung gerade verhindern. Das gilt auch für große und bedeutende Arbeitgeber der jeweiligen Branche. Es besteht kein Anlass, diese zu privilegieren.

41

Der Kläger hat einen Anspruch auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung, weil die Befristung seines Arbeitsvertrages unwirksam ist. Die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - zum Weiterbeschäftigungsanspruch bei unwirksamen Kündigungen gelten auch für die Entfristungsklage (BAG, Urteil vom 15. März 1989 - 7 AZR 264/88 - Rn. 59, juris = ZTR 1989, 446; BAG, Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - Rn. 75, juris = NZA 1986, 562).

42

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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published on 09.09.2021 17:29

Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbe
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Die Verständigung ist der sog. „Deal“ im Strafprozess. Schon umstritten ist, wie sie strafrechtsdogmatisch überhaupt einzuordnen ist. Die Verständigung ist eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens verständigt, § 257 c StPO. Häufigster Anwendungsfall dabei ist die Einigung über das zu erwartende Strafmaß, d. h. die Rechtsfolge, im Falle dass der Angeklagte geständig ist.
 
Primär dient dieses Institut natürlich dazu, Ressourcen zu schonen und damit Verfahren zu kürzen. Da die Ermittlung der „materiellen Wahrheit“, also der Sachverhalt, so wie er sich wirklich abgespielt hat, Ziel eines jeden Strafverfahrens ist, darf die Verständigung die Sachverhaltsaufklärung der Ermittlungsbehörden nicht verkürzen. Hier entsteht ein Dilemna zwischen der praktischen Notwendigkeit eines solchen Instituts und den extremen Bedenken, die gegen ein solches Institut sprechen; die Verfahrensgrundsätze werden durch einen solchen Deal nämlich nicht hinreichend bedacht. Das Verfahren wird hierdurch erheblich verkürzt und Grundsätze wie beispielsweise der Öffentlichkeitsgrundsatz können nicht derartig eingehalten werden, wie unsere Verfassung das von uns eigentlich verlangt. 

Zum Zwecke der Transparenz wurden entsprechende Protokollierungspflichten in unserer Strafprozessordnung normiert, um die Absprache mit den Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen. Die Einführung der Norm des § 257 c StPO am 4. 08 2009 stellte damit eigentlich einen Fortschritt dar – vorher entsprach es der Regel, dass Gerichte eine sog. informelle Absprache durchführten, d. h. illegale Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung ohne jegliche Dokumentation. Problem hierbei ist, dass sich die Praxis seit Einführung des § 257 c StPO nicht an die ihr auferlegten Dokumentationspflichten hielt – das nennt das Bundesverfassungsgericht Vollzugsdefizit. Dies könnte dazu führen, dass die Norm in ihrer Gesamtheit früher oder später nicht mehr verfassungsgemäß ist:
 
Im Frühjahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass die Regelung zur Verständigung im Strafprozess – trotz eines erheblichen Vollzugsdefizits – derzeit „noch nicht“ verfassungswidrig seien. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. In diesem Aufsatz möchte ich mich mit diesem Urteil auseinandersetzen. Es gilt als eines der wichtigsten Urteile des 21. Jahrhunderts zum Thema Strafprozessrecht.

2 BvR 2628/10 – Ein Überblick
Wie schon soeben erwähnt, setzte sich das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Verfahren damit auseinander, ob das Verständigungsgesetz in seiner Fassung mit der deutschen Verfassung in Einklang steht. Dies bejahte das höchstrichterliche Gericht, verwies aber auf den Vollzugsdefizit und legte demnach dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Schutzmechanismen (damit ist die Transparenz richterlichen Handelns und die Protokollierungspflichten im Rahmen einer Verständigung gemeint) immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen sowie bei Gelegenheit nachzubessern.

Wie steht es mit den Verfahrensgrundsätzen?
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Urteil der Reihe nach auf die wichtigen Verfahrensprinzipien ein, die im Rahmen einer Verständigung unbedingt Beachtung finden müssen:
Es beginnt mit dem Schuldgrundsatz, der sich aus der Menschenwürde (Art. 1 GG und Art. 2 I GG) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) ableitet. Trotz einer Einigung über das Strafmaß im Rahmen einer Verständigung bleibt es immer noch Ziel des Strafverfahrens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Ohne einen solchen lässt sich das materielle Schuldprinzip gar nicht realisieren – Die Strafe die der Verurteilte erhält ist nämlich die Antwort auf seine persönliche Schuld! Auch das Institut der Verständigung kann einen solch wichtigen Verfahrensgrundsatz nicht lahmlegen.
Eine Verständigung kann damit niemals alleinige Urteilsgrundlage bilden, sondern das Gericht – muss wie sonst auch immer – hiervon überzeugt sein, § 261 StPO. Vielmehr müssen verständigungsbasierte Geständnisse auf ihre Richtigkeit überprüft werden (Verlinkung!).
 
Das Gericht weist auch darauf hin, dass der Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren durch die Verständigung nach § 257 c StPO nicht verletzt wird. Ein solcher gewährleistet das Recht eines jeden Beschuldigten, prozessuale Rechte wahrzunehmen sowie Übergriffe des Staates in einer angemessenen Art und Weise abwehren zu können. Wie dieses Verfahrensrecht ausgestaltet wird, liegt grundsätzlich in der Kompetenz des Gesetzgebers.
Darüber schreibt das Gericht in seinem Urteil über die Relevanz des Grundsatzes der Selbstbelastungsfreiheit und der Unschuldsvermutung, die im Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 III GGverankert sind. Der Beschuldigte muss stets frei von jeglichem Zwang und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und wie er im Strafprozess gegen sich selbst mitwirken möchte. Er muss also nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken.
 
Die genannten Verfahrensgrundsätze lassen natürlich Zweifel aufkommen, inwieweit das Institut der Verständigung denn überhaupt mit diesen Verfahrensgrundsätzen in Einklang zu bringen ist. Außer Acht gelassen darf hierbei aber nicht, dass das Verständigungsgesetz vielmehr ein Versuch war, ein solches Institut mit der Verfassung in Einklang zu bringen, gerade weil es vorher der Praxis entsprach, eine solche ohne jegliche gesetzlich normierten Transparenzpflichten durchzuführen. Es entsprach also der Praxis einen solchen „Deal“ abzuschließen – und dies ohne Rücksicht darauf, dass ein solches Handeln unsere Verfassung und vielmehr die prozessualen Rechte eines jeden Beschuldigten mit Füßen trat.

Das Gericht schreibt in seinem Urteil, dass das Verständigungsgesetz das Risiko aufweisen würde, dass die Vorgaben, die uns die Verfassung an ein solches Institut vorschreibt, nur geringfügige Beachtung findet. Dies habe aber nicht zur Folge, dass es dem Gesetzgeber deshalb schlechthin verwehrt sei, eine solche Verfahrensvereinfachung dennoch grundsätzlich für zulässig zu erklären. Indem der Gesetzgeber an das Institut der Verständigung gewisse gesetzliche Vorgaben schuf, hat er damit kein „konsensuales Verfahrensmodell“ zwischen Beschuldigtem und Gericht geschaffen, sondern vielmehr die Verständigung als eine Art „Fremdkörper“ in unsere geltende Strafprozessordnung integriert.

Wieso sind Transparenz und Dokumentation von solchen Verständigungen so wichtig? 
Solche Pflichten, die der Gesetzgeber der Praxis mit seinem § 257 c StPO aufgebürdet hat sind deshalb bedeutsam, da sie eine effektive Kontrolle durch Öffentlichkeit, Staatsanwaltschaft und durch das Rechtsmittelgericht gewährt. Dadurch, dass die mit einer Verständigung verbundenen Handlungen umfassend in die öffentliche Hauptverhandlung einbezogen werden müssen, wird betont, dass sich auch bei dem Institut der Verständigung die richterliche Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ergeben muss. Der Staatsanwaltschaft wird hier eine herausragende Rolle zugeschrieben, denn ihr kommt eine Kontrollfunktion zu. Sie ist dazu verpflichtet, ihre Zustimmung zu einer gesetzeswidrigen Verständigung zu verweigern und muss vielmehr Rechtsmittel gegen Urteil einlegen, die auf einer solchen Verständigung beruhen.

Bundesverfassungsgericht versetzt sich in die Lage des BGH und nennt Revisionsgründe
Interessant ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht darlegt, dass ein Verstoß gegen die Transparenz-und Dokumentationspflichten die Rechtswidrigkeit der Verständigung zur Folge hat. Behält das Gericht die Verständigung dennoch bei, so stelle dies ein Revisionsgrund dar – ein Beruhen ließe sich also regelmäßig nicht ausschließen.
 
Dasselbe gelte dann, wenn der Angeklagte nicht über die Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann belehrt wird. Eine solche Belehrung soll nämlich den Angeklagten in seiner Entscheidungsfreiheit hinsichtlich über seine Mitwirkung an der Verständigung schützen.
 
Diese Passagen des Urteils lassen seine Leser freilich etwas grübeln – denn solche Vorgaben, die das höchstrichterliche Gericht hier tätigt, sind eigentlich solche, die allein der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz der Justiz auferlegen sollte; nicht hingegen das Bundesverfassungsgericht. Es überschritt hier mithin seine Kompetenzen.

Über den Vollzugsdefizit
Nun zum Knackpunkt der Entscheidung:
Das Verständigungsgesetz sichere die verfassungsrechtlichen Vorgaben in hinreichender Weise; der in erheblichen Maße defizitäre Vollzug des Verständigungsgesetzes führe derzeit noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung.
 
Was das Bundesverfassungsgericht kritisiert ist gar nicht das Gesetz in seiner jetzigen Fassung vom 4.08.2009 selbst; es ist vielmehr die Praxis, die sich nicht an die ihr auferlegten Transparenz und Protokollierungspflichten hält. Verfassungswidrig wäre der Gesetzestext allein dann, wenn die Schutzmechanismen in einer Art und Weise lückenhaft wären und damit (selbst gegen die Verfassung verstoßende) informelle Absprachen fördern würden – die Norm soll solche illegalen Absprachen aber gerade verhindern indem sie strenge Anforderungen an ein solches Institut aufstellt.  Problem ist hier also vielmehr die Praxis, die das Gesetz nicht oder nicht richtig anwendet.
Als Hauptgrund für den defizitären Vollzug wird in der im Gutachten genannten empirischen Studie nicht der strukturelle Mängel des gesetzlichen Regelungskonzeptes, sondern vielmehr eine „fehlende Praxisuntauglichkeit“ genannt.

Was folgt?
Was schlussfolgert das Bundesverfassungsgericht aus seinen Erwägungen? Was soll das überhaupt bedeuten, das Gesetz ist „noch“ verfassungskonform, „Schuld“ sei vielmehr die Praxis? Das höchstrichterliche Gericht meint in seinen Ausführungen, der Gesetzgeber müsse die weitere Entwicklung sorgfältig im Auge behalten. Sollte sich die gerichtliche Praxis weiterhin in derartiger Weise über die normierten Regelungen hinwegsetzen, so sei es als Aufgabe des Gesetzgebers anzusehen, diese Fehlentwicklung durch Maßnahmen entgegenzutreten. Wenn dies unterbleibt, so träte „ein verfassungswidriger Zustand“ ein.
 
Diese Begründung durch das Bundesverfassungsgericht wurde zu Recht in vielfacher Weise von der Literatur angegriffen. Und das aus vielerlei Gründen. Wieso? Der Senat legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, die Entwicklung sorgfältig zu beobachten. Zwingend ist diese „Verschiebung“ aber nicht. Vielmehr hätte sich der Senat einer endgültigen Entscheidung nicht entziehen dürfen – je nachdem wie er den defizitären Vollzug des Verständigungsgesetzes einschätzt (unabhängig davon, dass ein solcher nicht aus einer Schutzlücke des Gesetzes entspringt) hätte er sich somit für eine Verfassungsmäßigkeit oder eben Verfassungswidrigkeit entscheiden können. Die Frage, wieso der Senat warten möchte, und vielmehr eine „vorübergehende Lösung“ der „Noch-Verfassungsmäßigkeit“ einer endgültigen Entscheidung vorzieht, erschließt sich mir nicht.
 
Eine Frage habe ich mir außerdem noch gestellt: Was genau muss der Gesetzgeber jetzt tun? Schließlich ist es und bleibt es die Aufgabe des Gesetzgebers, Gesetze zu erlassen. Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings vorgibt, dass das Verständigungsgesetz den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht, so bleibt für den Gesetzgeber unklar, wann und wie er zu handeln hat, wenn das Vollzugsdefizit in der Praxis keine Besserung erfährt.

Dieses Urteil ist v. a. für die Gerichte relevant. Es bringt zum Ausdruck, dass sie sich an die Formvorschriften der Strafprozessordnung halten müssen. Tun sie dies nicht, so trete ein rechtswidriger Zustand ein, der zeitgleich einen Revisionsgrund ablichtet. Ein solches hat natürlich auch eine erhebliche Relevanz für den Beschuldigten - er ist als Subjekt des Strafprozesses besonders schützenswert. Die Verfahrensgrundsätze unserer Strafprozessordnung müssen zu seinem Schutze Anwendung finden. 

published on 27.07.2017 00:00

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15.06.2016 – 1 Ca 358 b/16 – abgeändert. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 01.10.2014 / 03.06.2015 nicht
published on 29.05.2017 00:00

Tenor 1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.10.2015 – 4 Ca 1353/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten
published on 21.12.2016 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. April 2016 - 10 Sa 2139/15 - aufgehoben.
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Annotations

(1) Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit.

(2) Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag endet mit Erreichen des Zwecks, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckerreichung.

(3) Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

(4) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.

(5) Ist das Arbeitsverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate.

(6) Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer die Zweckerreichung nicht unverzüglich mitteilt.

Ist die Befristung rechtsunwirksam, so gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen; er kann vom Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, sofern nicht nach § 15 Absatz 4 die ordentliche Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt möglich ist. Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)