Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 15. Sept. 2014 - 1 Ta 176/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird
der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom
07.04.2014 (1 Ca 1563/13) aufgehoben.
1
G r ü n d e
2I.
3Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.04.2014 ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 11 a Abs. 1 ArbGG zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
41. Zwar hat das Arbeitsgericht Bonn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst zu Recht aufgehoben, denn der Kläger hatte ungeachtet der mit gerichtlichem Beschluss vom 09.10.2013 angeordneten Ratenzahlung in Höhe von 45,00 EUR monatlich keinerlei Zahlungen geleistet, so dass ein Ratenrückstand von mehr als drei Monatsraten aufgelaufen war.
52. Allerdings setzt eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO - der der früheren Vorschrift des § 124 Nr. 4 ZPO entspricht - i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG auch voraus, dass die Nichtzahlung der Raten auf einem Verschulden der bedürftigen Partei beruht. Falls die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht (mehr) entsprechen, kommt eine Aufhebung wegen der rückständigen Beträge, die in einen Zeitraum fallen, zu dem bereits eine Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag, nach ganz überwiegender Meinung, der sich das erkennende Gericht anschließt, nicht mehr in Betracht (BGH 09.01.1997 – IX ZR 61/94 – NJW 1997, 1077; LAG Rheinland-Pfalz 22.11.2011 – 6 Ta 205/12 – juris; LAG Hamm 03.03.2010 – 14 Ta 649/09 – juris; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 124 Rn. 18 m. w. N.). Die Veränderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und damit das subjektive Unvermögen zur Ratenzahlung kann auch noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden (Zöller/Geimer a. a. O. § 124 Rn. 18).
63. Der Kläger hat im Beschwerdeverfahren durch Vorlage eines Bescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 31.03.2014 nachgewiesen, dass er in der Zeit vom 10.12.2013 bis zum 27.02.2014 lediglich Einkünfte aufgrund Arbeitslosengeldes II in Höhe von 614,70 EUR monatlich erhielt. Damit LAG das tatsächliche Einkommen deutlich unter dem Betrag, der dem Beschluss vom 09.10.2013 zugrunde LAG (1.204,26 EUR). Zum Zeitpunkt des Beginns der angeordneten Ratenzahlung im Dezember 2013 war der Kläger aufgrund seiner deutlich geringeren Einkünfte wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, die Raten zu zahlen.
74. Aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse und des Umstandes, dass der Kläger seit dem 05.02.2014 inhaftiert ist, ist das Arbeitsgericht gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO gehalten, unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse erneut über die Modalitäten der Prozesskostenhilfegewährung zu entscheiden.
8II.
9Der Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.
(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach -, Az. 11 Ca 258/11, vom 23. Juli 2012 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 17. Oktober 2002 aufgehoben.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der ihn erstinstanzlich am 20. September 2011 unter ratenweise Beteiligung von 135,00 EUR monatlich bewilligten Prozesskostenhilfe. Nach Begleichung der ersten beiden ab Anfang November 2011 angeforderten Raten, kam der Kläger seiner weiteren Zahlungsverpflichtung bis jedenfalls 2. April 2012 nicht mehr nach. Entsprechend Mitteilung der Landesjustizkasse jenes Datums (Bl. 16 PKH-Beiheft) war er zwischenzeitlich dreifach ergebnislos zur Begleichung der Raten aufgefordert worden. Das Arbeitsgericht hob deshalb die bewilligte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23 Juli 2012 entsprechend § 124 Nr. 4 ZPO auf (dem Kläger zugestellt am 27 Juli 2012).
- 2
Der Kläger legte hierauf mit Schriftsatz vom 24. August 2012 eine aktualisierte Erklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vor und erhob mit Schriftsatz vom 27. August 2012 (eingegangen am gleichen Tag per Fax, Bl. 32 PKH-Beiheft) die sofortige Beschwerde.
- 3
Hinsichtlich der Entwicklung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erläuterte der Kläger im Schriftsatz vom 12. September 2012, dass er in der Zeit vom 1. Januar bis zum 14. März 2012 Arbeitslosengeld mit 25,41 EUR täglich erhalten habe und seit dem 15. März 2012 einen Verdienst (bereinigt um Sozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Steuern) von 1.205,29 EUR erziele, und zwar bei weiter gleichen Belastungen aus Kfz-Steuer, Renten- und Lebensversicherung, PKW-Versicherung sowie PKW-Leasingraten im Umfang von insgesamt 384,86 EUR monatlich (Bl. 29 PKH-Beiheft).
- 4
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des PKH-Beihefts Bezug genommen.
II.
- 5
Die nach § 78 Satz 1 ArbGG, § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
- 6
1. Gemäß § 124 Nr. 4 ZPO kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist. Obwohl die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur einen „Rückstand“ voraussetzt, nimmt die herrschende Meinung zutreffend an, dass damit ein - schuldhafter - Verzug gemeint ist.
- 7
a) D.h. wenn die Nichtzahlung von Raten nicht auf einem Verschulden des Bedürftigen beruht, ist der Widerruf der Prozesskostenhilfebewilligung unzulässig (BGH 9.1.1997 - IX ZR 61/94 - zu II 1a der Gründe, NJW 1997, 1077; LAG Rheinland-Pfalz 16.8.2011 - 3 Ta 153/11 - zu II der Gründe, juris). Es entspricht auch der überwiegenden und zutreffenden Ansicht, dass ein Hinweis der PKH-Partei auf eine verschlechterte wirtschaftliche Lage in der Regel einen Änderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO darstellt (LAG Hamm 26.5.2003 - 18 Ta 49/03 - zu II 2 der Gründe, juris) und die Prozesskostenhilfebewilligung hierauf rückwirkend, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, abgeändert werden kann (LAG Hamm 22.9.2005 - 4 Ta 395/04 - zu II 1.2. der Gründe, juris; MünchKommZPO/ Wax 2. Aufl. § 120 Rn. 14; Musielak/ Fischer ZPO 8. Aufl. § 120 Rn. 13; Stein/Jonas/ Bork ZPO 21. Aufl. § 120 Rn. 31). Dies deshalb, weil der Wille der Gesetzesverfasser dahin ging, eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt zu ermöglichen, zu dem sich die Verhältnisse der Partei tatsächlich änderten (BT-Drucks. 10/3054 S. 22).
- 8
b) Vor diesem Hintergrund kommt eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen rückständiger Beträge, die in einen Zeitraum fallen, zu dem bereits eine Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse vorlag und eine Änderung nach § 120 Abs. 4 ZPO angezeigt gewesen wäre, nicht mehr in Betracht (LAG Hamm 22.9.2005 - 4 Ta 395/04 - zu II 1.2. der Gründe, juris).
- 9
2. Diese Vorgaben führen zur sachlichen Änderung der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 23. Juli 2012 und 17. Oktober 2012.
- 10
a) Dabei greift der vom Beschwerdegericht im Hinweisschreiben vom 31. Oktober 2012 (Bl. 50 f. PKH-Beiheft) anfänglich erwogene Gesichtspunkt, dass nämlich ursprünglich festgesetzte Raten bei erfolgreich angefochtener Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO in jedem Fall bestehen bleiben sollten (so möglicherweise - obiter dictum - LAG Hamm 3.3.2010 - 14 Ta 649/09 - juris), wegen der vorliegend zurückwirkend erbetenen Abänderung nach § 120 Abs. 4 ZPO, nicht weiter durch.
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b) Es ist aufgrund der schon bei erstmaligem Zahlungsverzug vorliegenden Zahlungsunfähigkeit des Klägers stattdessen von dessen fehlendem Verschulden für die Zahlungsverzögerung seit der Jahreswende 2011/ 12 auszugehen. Der Kläger war nach glaubhafter Darstellung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lage zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 14. März 2012 in erhöhtem Umfang kostenarm. Das ihm seinerzeit zur Verfügung stehende Arbeitslosengeld von 762,30 EUR im Monat (30 mal 25,41 EUR), reichte schon nicht aus, um neben dem Selbstbehalt zur Lebensführung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO: 411,00 EUR) die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a, Nr. 3, Nr. 4 ZPO beachtlichen weiteren Verpflichtungen im Umfang von 384,86 EUR pro Monat zu bedienen, geschweige denn die angeordneten Raten von monatlich 135,00 EUR zu begleichen.
- 12
c) Der angegriffene Beschluss erweist sich auch nicht deshalb als zutreffend, weil der Kläger unabhängig von seinen veränderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen den gebotenen Zahlungspflichten nicht nachgekommen wäre (vgl. LAG Hamm 26.5.2003 - 18 Ta 49/03 - zu II 2 der Gründe, juris). Aufgrund der Wiederaufnahme von Erwerbsbeschäftigung verfügte der Kläger ab dem 15. März 2012 über monatliche (Netto-) Einkünfte von 1.205,29 EUR. Diesen standen Abzüge in vorgenanntem Umfang von 795,86 EUR sowie ein weiterer Abzug von 187,00 EUR gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO (Freibetrag für Erwerbstätige) zu, sodass 222,43 EUR verblieben, auf die eine monatliche Rate gemäß § 115 Abs. 2 ZPO von lediglich 75,00 EUR ab April 2012 entfiel. Der Kläger hatte in der Zeit nach dem 2. April 2012 ausweislich der Zahlungsmitteilungen der Landesjustizkasse vom 24. Mai, 19. Juli, 27. August und 27. September 2012 (Bl. 17 f., 35, 40 PKH-Beiheft) bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens mit insgesamt 640,00 EUR jedoch bereits mehr als die bis November 2012 anfallenden 600,00 EUR (8 Raten à 75,00 EUR seit April 2012) erstattet, so dass ein Verschulden seinerseits auch aus Gründen die nicht in einer verschlechterten Einkommens- oder Vermögenslage gründeten ausschied (dem anderslautenden Hinweis im gerichtlichen Schreiben vom 31. Oktober 2012 lag ein Rechenfehler zugrunde).
- 13
3. Das Arbeitsgericht wird über den noch offenen Antrag nach § 120 Abs. 4 ZPO im Hinblick auf die bei Schluss des Beschwerdeverfahrens noch rückständigen Prozesskosten von 265,00 EUR und die bei ratenweiser Beteiligung von monatlich 75,00 EUR ab April 2012 bis zum März 2013 mit 75,00 EUR und April 2013 mit 5,00 EUR theoretisch laufende Zahlungspflicht unter rückwirkender Betrachtung der veränderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers neu zu entscheiden und ggf. eine restliche Rate von 75,00 EUR monatlich anzuordnen haben.
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4. Eine Kostenentscheidung war im vorliegenden Zusammenhang nicht veranlasst, da die Kostenpflicht nach Nr. 8614 KV in Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG bei lediglich verworfenen oder zurückgewiesenen Beschwerden durchgreift, worum es nicht ging. Des Weiteren lagen Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vor (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG).