Landesarbeitsgericht Hamm Urteil, 03. Juli 2014 - 16 Sa 288/14
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 06.11.2013 – 1 Ca 741/13 – abgeändert.
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 31.07.2013 wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Beklagten im Termin am 31.07.2013. Diese trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus Anlass ihres 25jährigen Dienstjubiläums aufgrund einer betrieblichen Übung ein Sonderurlaub von 4 Tagen zusteht.
3Die am 31.10.1967 geborene Klägerin ist Krankenschwester. Sie absolvierte in der Zeit vom 01.10.1987 bis 30.09.1990 ihre Ausbildung bei der Beklagten. Seit dem 01.10.1990 befindet sie sich in einem Arbeitsverhältnis. Ihr monatliches Bruttoentgelt belief sich zuletzt auf 3.165,03 €.
4Die Beklagte ist eine evangelische Krankenhausgemeinschaft. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien gelten die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz – ARRG) vom 25.10.1997 und seinen Änderungen und Ergänzungen geregelt sind und werden. Mit Wirkung zum 01.07.2007 wurde der BAT-KF neu gefasst (im Folgenden: BAT-KF neu).
5Der bis zum 30.06.2007 geltende § 39 BAT-KF (a.F.) – Jubiläumszuwendungen – hatte u.a. folgenden Inhalt:
6- 7
1. Die Angestellten erhalten als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Dienstzeit (§ 20)
von 25 Jahren € 310,--
9von 40 Jahren € 410,--
10von 50 Jahren € 520,--.
11Zur Dienstzeit im Sinne des Absatzes 1 rechnen auf Antrag auch die Zeiten, die bei dem Arbeitgeber oder seinem Rechtsvorgänger in einem Beschäftigungsverhältnis vor Vollendung des 18. Lebensjahres oder in einem Ausbildungsverhältnis zurückgelegt worden sind, sofern sie nicht vor einem Ausscheiden nach § 20 Abs. 3 liegen.
12(…)
13Die ab dem 01.07.2007 geltende Fassung des § 22 BAT-KF (n.F.) – Jubiläumszuwendung – hat den folgenden Wortlaut:
14Mitarbeiter erhalten als Jubiläumszuwendung bei einer Beschäftigungszeit
15von 25 Jahren zusätzlich Urlaub von 5 Tagen und
16von 40 Jahren zusätzlich Urlaub von 10 Tagen.
17§ 25 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.
18Seit mindestens 1985 gewährte die Beklagte den Mitarbeitern neben der finanziellen Jubiläumszuwendung nach § 39 BAT-KF (aF) Sonderurlaub wie folgt:
19Bei einer Betriebszugehörigkeit von
2010 Jahren 2 Tagen
2115 Jahren 3 Tagen
2220 Jahren 4 Tagen
2325 Jahren 4 Tagen
2430 Jahren 4 Tagen und 150,-- € Zuwendung
2535 Jahren 4 Tagen und 180,-- € Zuwendung
2640 Jahren 5 Tagen und 200,-- € Zuwendung.
27Eine Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung existiert hierzu nicht.
28Im Jahre 2008 fanden zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung Verhandlungen wegen der Jubiläumsleistungen statt, die im Schlichtungsverfahren nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche von Westfalen am 29.08.2008 auf Vorschlag der Schlichtungsstelle mit einem Vergleich endeten. Danach erbrachte die Beklagte die folgenden Jubiläumsleistungen:
29„Bei einer Betriebszugehörigkeit von
3010 Jahren 2 Tage Sonderurlaub
3115 Jahren 3 Tage Sonderurlaub
3220 Jahren 4 Tage Sonderurlaub
3325 Jahren 5 Tage Sonderurlaub plus 75,-- € Zuwendung
3430 Jahren 5 Tage Sonderurlaub und 100,-- € Zuwendung
3535 Jahren 5 Tage Sonderurlaub und 100,-- € Zuwendung
3640 Jahren 10 Tage Sonderurlaub.“
37Unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung vollendete die Klägerin am 30.09.2012 eine 25jährige Dienstzeit bei der Beklagten. Mit der Gehaltsabrechnung für Oktober 2012 erhielt sie ein Jubiläumsgeld von 75,-- €. Sonderurlaub wurde der Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht gewährt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin ein solcher nach den Regelungen des BAT-KF neu zusteht und ihr bei Vollendung der Beschäftigungszeit ohne Berücksichtigung der Ausbildung gewährt werden wird.
38Mit Schreiben vom 01.08.2012 machte die Klägerin einen Anspruch von 4 Zusatzurlaubstagen bei 25jähriger Betriebszugehörigkeit auf der Grundlage der „hauseigenen“ Regelung geltend. Zum weiteren Inhalt dieses Schreibens wird auf Bl. 11 bis 12 d.A. Bezug genommen.
39Mit ihrer am 14.03.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst begehrt, ihrem Urlaubskonto 4 Tage Sonderurlaub gutzuschreiben. In der mündlichen Verhandlung am 31.07.2013 hat sie ihren Antrag dahingehend geändert, dass ihrem Urlaubskonto Zug um Zug gegen Rückzahlung des durch die Beklagte an sie überwiesenen Jubiläumsgeldes in Höhe von 75,-- € brutto 4 Tage Sonderurlaub gutzuschreiben seien.
40Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie aufgrund betrieblicher Übung einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die geltend gemachten Sonderurlaubstage habe, der durch die zwischen der Mitarbeitervertretung und der Beklagten im Schlichtungsverfahren getroffene Vereinbarung seine Wirkung nicht verliere.
41Auf Antrag der Klägerin ist am 31.07.2013 ein Versäumnisurteil erlassen worden, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, dem Urlaubskonto der Klägerin Zug um Zug gegen Rückzahlung des durch die Beklagte an die Klägerin überwiesenen Jubiläumsgeldes in Höhe von 75,-- € brutto 4 Tage Sonderurlaub gutzuschreiben. Gegen dieses ihr am 13.08.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem bei Gericht am 19.08.2013 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
42Die Klägerin hat beantragt,
43das Versäumnisurteil vom 31.07.2013 aufrechtzuerhalten.
44Die Beklagte hat beantragt,
45das Versäumnisurteil vom 31.07.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
46Sie hat die Ansicht vertreten, dass der Klägerin kein Anspruch aus betrieblicher Übung zustehe. Eine etwaige betriebliche Übung sei beendet. Dies sei der Klägerin jedenfalls durch Mitteilungen der Mitarbeitervertretung in ihrer betriebsinternen Info-Zeitschrift bekannt gemacht worden. Darüber hinaus habe die von ihr bis zum Jahre 2008 praktizierte Regelung, nach der Arbeitnehmer bei 25jährigem Dienstjubiläum 4 Tage Sonderurlaub zusätzlich zu den nach § 39 BAT-KF a.F. zustehenden finanziellen Zuwendungen gewährt worden seien, einzig dem Zweck gedient, den Beschäftigten einen besonderen Bonus in Form von zusätzlichem Urlaub zukommen zu lassen. Durch die Änderung des BAT-KF sei dann aber die finanzielle Ausstattung der Jubiläumszahlungen durch Gewährung von 5 bzw. 10 Tagen Urlaub ersetzt worden. Die interne Regelung werde durch die neue Regelung des BAT-KF vollständig aufgesaugt.
47Durch Urteil vom 06.11.2013 hat das Arbeitsgericht das der Klage stattgebende Versäumnisurteil vom 31.07.2013 aufrechterhalten. Bei einem Streitwert von 509,31 € hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus einer bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Übung. Diese betriebliche Übung sei nicht durch die Schlichtungsvereinbarung vom 29.08.2008 abgelöst worden. Die betriebliche Übung sei auch nicht dadurch beendet worden, dass die Beklagte die bisherige Handhabung ab dem Jahre 2008 nicht mehr fortgesetzt habe. Durch eine betriebliche Übung würden vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen begründet, die grundsätzlich auch nur einvernehmlich von den Vertragsparteien abgeändert werden könnten. Die Voraussetzungen hierfür habe die Beklagte nicht dargetan. Schließlich scheitere der Anspruch der Klägerin auch nicht daran, dass ihr bereits nach § 22 BAT-KF neu als Jubiläumszuwendung bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren ein zusätzlicher Urlaub von 5 Tagen zustehe, was beklagtenseitig nicht in Abrede gestellt werde. Hiergegen spreche, dass die bisher von der Beklagten erbrachten Jubiläumssonderzuwendungen stets neben den tariflich vorgesehenen Leistungen gewährt worden seien, beide zudem auf vertraglicher Grundlage beruhten. Folglich schulde die Beklagte der Klägerin grundsätzlich sowohl die jeweils tarifvertraglich vorgesehene als auch die ihr aufgrund der Betriebsübung versprochene Leistung. Gegenüber der Jubiläumszuwendung nach § 39 BAT-KF a.F. handele es sich zudem um eine übertarifliche Leistung, die unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf eine übertarifliche Vergütung nicht verrechnet werden könne.
48Gegen dieses, ihr am 02.12.2013 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat die Beklagte am 17.12.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist fristgerecht begründet.
49Sie ist der Ansicht, dass der Klägerin neben der nunmehr gewährten Jubiläumszuwendung nach § 22 BAT-KF neu nicht noch der seit 1985 gewährte Sonderurlaub von 4 Tagen zustehe. Diese Regelung sei nach der im Schlichtungsverfahren getroffenen Vereinbarung nicht mehr existent. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die Regelungen in der neuen Betriebsvereinbarung gegenüber der bisherigen betrieblichen Übung für die Gesamtheit der von ihr erfassten Arbeitnehmer nicht ungünstiger. Zudem sei eine Anrechnung der individual-rechtlichen Leistung auf die übertarifliche Leistung möglich. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der von der Beklagten seit Jahrzehnten gewährte außertarifliche Sonderurlaub auch nach Einführung eines Sonderurlaubs im BAT-KF zusätzlich gewährt werde. Ein Änderungsvorbehalt sei mit der Vereinbarung einer übertariflichen Zuwendung für die Mitarbeiter hinreichend klar ersichtlich gewesen.
50Die Beklagte beantragt,
51das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 06.11.2013 – 1 Ca 741/13 – abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 31.07.2013 die Klage abzuweisen.
52Die Klägerin beantragt,
53die Berufung zurückzuweisen.
54Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und verweist des Weiteren darauf, dass der Schlichtungsspruch die einzelvertraglich notwendige Änderungsvereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht ersetzen könne. Aus § 60 Abs. 3 MVG ergebe sich, dass die Einigung vor dem Schlichter nicht den Rechtswert einer Dienstvereinbarung habe. Die Dienstparteien könnten auf Basis des Vermittlungsvorschlages nach § 60 Abs. 3 MVG eine Dienstvereinbarung schließen, der Vorschlag stelle selbst keine Dienstvereinbarung dar. Eine solche sei mit dem von der Schlichtungsstelle vorgeschlagenen Inhalt nicht abgeschlossen worden. Außerdem hätte eine Dienstvereinbarung mit dem vorgeschlagenen Inhalt nach § 36 Abs. 1 Satz 2 MVG nicht geschlossen werden dürfen. Da eine Dienstvereinbarung nicht vorliege, könne auch keine Ablösung der betrieblichen Übung durch Dienstvereinbarung erfolgen. Die durch den Vergleich im Schlichtungsverfahren getroffene Regelung stelle sich auch nicht als günstiger gegenüber der früheren Regelung dar.
55Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
56Entscheidungsgründe
57Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
58Die Klägerin kann von der Beklagten die Gutschrift von 4 weiteren Tagen Sonderurlaub auf ihr Urlaubskonto Zug um Zug gegen Rückerstattung der von der Beklagten aus Anlass ihres 25jährigen Dienstjubiläums an sie geleisteten 75,-- € nicht verlangen. Sie besitzt zwar einen Anspruch auf Sonderurlaub anlässlich ihres 25jährigen Dienstjubiläums aus der bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Übung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie neben dem Anspruch des nach § 22 BAT-KF neu von der Beklagten zu gewährenden Sonderurlaubs im Umfang von 5 Urlaubstagen weitere 4 Tage Sonderurlaub verlangen kann. Vielmehr besteht ein einheitlicher auf die Gewährung von Sonderurlaub gerichteter Anspruch, für den mehrere Anspruchsgrundlagen vorliegen.
59Das Arbeitsgericht ist freilich zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Beklagten eine betriebliche Übung begründet worden ist, wonach diese als Jubiläumsleistung entsprechend der von den Parteien vorgetragenen Staffel Sonderurlaub gewährt. Diese betriebliche Übung ist Inhalt des mit der Klägerin abgeschlossenen Arbeitsvertrages geworden. Sie ist zum einen nicht durch die im Rahmen des Schlichtungsverfahrens im Jahre 2008 getroffene Regelung abgelöst worden. Sie ist zum anderen auch nicht dadurch beendet worden, dass die Beklagte die bisherige Handhabung ab dem Jahre 2008 nicht mehr fortgesetzt hat. Auf die sorgfältige und umfassende Begründung des Arbeitsgerichts (S. 7 bis 12 des Urteils) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ergänzend wird lediglich darauf hingewiesen, dass der Wirksamkeit der betrieblichen Übung nicht das Schriftformerfordernis nach § 2 Abs. 3 BAT-KF neu entgegensteht. Hierbei handelt es sich nicht um ein gesetzliches Schriftformerfordernis im Sinne des § 125 S. 1 BGB. Zwar steht dem Entstehen einer betrieblichen Übung ein tarifliches Schriftformerfordernis entgegen (vgl. BAG vom 15.03.2011, 9 AZR 799/09, BAGE 137, 221 – hier zitiert nach juris). Dies gilt jedoch nicht für Schriftformerfordernisse, die in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen enthalten sind. Bei diesen im sogenannten dritten Weg entstandenen Regelungen handelt es sich nicht um Tarifverträge im tarifrechtlichen Sinne. Sie gelten vielmehr aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung (vgl. BAG vom 12.06.2013, 7 AZR 917/11, NZA 2013, 1428; vom 28.10.1987, 5 AZR 518/85, NZA 1988, 425, hier zitiert nach juris). Das arbeitsvertragliche Schriftformerfordernis führt nicht ohne weiteres zur Nichtigkeit einer hiergegen verstoßenden vertraglichen Vereinbarung (§ 125 S. 2 BGB). Im vorliegenden Fall bestand die betriebliche Übung mindestens seit dem Jahre 1985. Der zu dieser Zeit gültige BAT-KF vom 26.06.1986 enthielt in § 4 Abs. 2 ebenfalls ein Schriftformerfordernis für Nebenabreden. Die langjährige Praxis der Beklagten lässt erkennen, dass sie dem Formerfordernis nicht den Wert einer gesetzlichen Schriftform beimaß.
60Auch wenn danach ein Anspruch der Klägerin auf 4 Tage Sonderurlaub nach der jahrelang bei der Beklagten praktizierten betrieblichen Übung besteht, so kann sie diese 4 Tage Sonderurlaub jedoch nicht zusätzlich zu dem ihr nach § 22 BAT-KF neu zu gewährenden Sonderurlaub im Umfang von 5 Tagen verlangen. In Höhe des Anspruchs nach der betrieblichen Übung liegt vielmehr Anspruchskonkurrenz vor.
61Für das Verhältnis zwischen gesetzlichem Urlaubsanspruch und einem tariflich begründeten Anspruch auf Erholungsurlaub hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass dann, wenn eine Regelung in einem Arbeits- oder Tarifvertrag hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und einem übergesetzlichen Mehrurlaub differenziere, in Höhe des gesetzlichen Urlaubs Anspruchskonkurrenz vorliege (BAG vom 07.08.2012, 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104). Dem entspricht die vorliegende Fallgestaltung, auch wenn es nicht um das Verhältnis von gesetzlichen zu tariflichen Ansprüchen geht. Es handelt sich vielmehr um auf unterschiedliche Sachverhalte gestützte, jedoch jeweils vertragliche Ansprüche.
62Nach § 241 Abs. 1 BGB ist der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Das Schuldverhältnis ist grundsätzlich die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner, es ist die Quelle der einzelnen Forderungsrechte (Palandt, BGB, 73. Aufl., Einl. zu § 241, Rdnr. 3; Natzel, NZA 2011, 77, 78). Im Rahmen dieses einheitlichen Schuldverhältnisses kann die Klägerin ihren Anspruch auf Sonderurlaub anlässlich ihres 25jährigen Dienstjubiläums auf zwei unterschiedliche Anspruchsgrundlagen stützen, zum einen auf § 22 BAT-KF neu, zum anderen auf die betriebliche Übung. Ihr Anspruch ist darauf gerichtet, Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts verlangen zu können, in einem Fall im Umfang von 4 Arbeitstagen, im anderen im Umfang von 5 Arbeitstagen. Damit handelt es sich jedoch in dem Umfang, in dem sich diese Sonderurlaubsansprüche decken, um dieselbe Leistung. Der Anspruch auf diese Leistung ist lediglich auf unterschiedliche Grundlagen gestützt, es besteht Anspruchskonkurrenz (so auch LAG Köln vom 19.08.2011, 12 Sa 110/11; LAG Hessen vom 26.04.2010, 17 Sa 1772/09, jeweils juris).
63Ein anderes Ergebnis ließe sich nur dann annehmen, wenn einer der verschiedenen Anspruchsgrundlagen zu entnehmen wäre, dass der Sonderurlaub zusätzlich gewährt werden sollte. Hierfür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Zu der älteren Regelung, der betrieblichen Übung, ist es nach Angaben der Beklagten deshalb gekommen, weil den Beschäftigten ein besonderer Bonus in Form von zusätzlichem Urlaub zukommen sollte, da die lediglich finanzielle Honorierung nicht als angemessen empfunden wurde. Dem entspricht die Neuregelung der Jubiläumszuwendung in Form eines Sonderurlaubs in § 22 BAT-KF neu. Die bisherige finanzielle Leistung ist ersatzlos entfallen.
64Freilich könnte die Einheitlichkeit des Sonderurlaubsanspruchs in Frage gestellt werden, wenn er entsprechend den ihn tragenden Rechtsgrundlagen an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft wäre. Dies ist vorliegend insoweit der Fall, als die Beschäftigungszeiten unterschiedlich berechnet werden. Bei der betrieblichen Übung wird das 25jährige Dienstjubiläum unter Einbeziehung der Ausbildungszeiten, nach dem BAT-KF jedoch ohne diese berechnet. Trotz dieser Abweichungen liegt ein einheitliches Leistungsziel in Form einer Sonderzuwendung bei Erreichen der maßgeblichen Beschäftigungszeit vor. Die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen vermögen damit die Einheitlichkeit des Sonderurlaubsanspruchs nicht in Frage zu stellen.
65Freilich hat die Beklagte den Sonderurlaubsanspruch der Klägerin im Umfang weder von 4, noch von 5 Tagen anlässlich des nach der betrieblichen Übung zu berechnenden 25jährigen Dienstjubiläums der Klägerin erfüllt, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, dass der BAT-KF neu maßgeblich sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die betriebliche Übung stellt die für die Klägerin insoweit günstigere Anspruchsgrundlage dar. Sie wird von der Beklagten in vollem Umfang weiter praktiziert, indem nämlich ab einer 10jährigen Beschäftigungszeit wie in der Vergangenheit Sonderurlaub als Jubiläumsleistung gewährt wird. Auch der vor der Schlichtungsstelle abgeschlossene Vergleich hat hieran erkennbar nichts geändert. Es gibt keine Hinweise darauf, dass damit auch die Berechnungsgrundlage verändert werden sollte.
66Bestand damit bei Vollendung der 25jährigen Beschäftigungszeit am 30.09.2012 ein Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Sonderurlaub entsprechend der durch § 22 BAT-KF neu modifizierten betrieblichen Übung im Umfang von 5 Urlaubstagen, so folgt hieraus jedoch nicht die Verurteilung der Beklagten. Mit ihrem Klageantrag verfolgt die Klägerin auf der Grundlage der betrieblichen Übung einen zusätzlichen Anspruch auf 4 Tage Sonderurlaub Zug um Zug gegen Rückerstattung der im Schlichtungsverfahren mit der Mitarbeitervertretung vereinbarten Geldleistung. Dies ist gegenüber einem Anspruch auf 5 Tage Sonderurlaub, der auf die Anspruchsgrundlage des § 22 BAT KF neu zu stützen ist, ein Aliud. Hieran ist das Gericht gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gebunden.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
68Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden.
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Annotations
Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.