Finanzgericht München Urteil, 19. Dez. 2017 - 2 K 3421/16

bei uns veröffentlicht am19.12.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Kläger sind verheiratet und werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie sonstige Einkünfte.

Mit Bescheid vom 30. September 2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2011 auf 7.328 € fest.

Am 4. November 2013 erging gegenüber den Klägern eine Mahnung des Beklagten, da laut dem Einkommensteuerbescheid für 2011 zu wenig Einkommensteuer für 2011 entrichtet wurde.

Am 9. Januar 2014 wies die zuständige Veranlagungssachbearbeiterin die Prozessbevollmächtigte telefonisch darauf hin, dass ihr ein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2011 nicht vorliege.

Mit Telefax vom 9. Januar 2014 übersandte die Prozessbevollmächtigte u.a. eine Kopie eines Einspruchsschreibens vom 11. Oktober 2013 gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sowie eine Ablichtung der bei DATEV geführten Benutzeroberfläche „Ablage“ der Kläger (und trug vor, dass der Postversand am Freitag, 11. Oktober 2013, erfolgt sei. Bei der Ablichtung handele es sich um einen Ausdruck aus dem Fristenbuch der Kanzlei.

Am 16. Januar 2014 wies der Beklagte die Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hin, dass er das Schreiben vom 9. Januar 2014 als Antrag auf Wiedereinsetzung werte, da das Einspruchsschreiben vom 11. Oktober 2013 erst am 9. Januar 2014 eingegangen sei. Anhaltspunkte für einen früheren Eingang des Einspruchsschreibens ließen sich aus den Steuerakten nicht entnehmen. Gleichzeitig wies der Beklagte u.a. auf die zu beachtende Frist des § 110 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und deren Beginn mit Wegfall des Hindernisses hin. Es bestünde aufgrund der Mahnung im November 2013 Zweifel daran, ob die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nicht bereits abgelaufen sei. Hinsichtlich der Behauptung der fristgerechten Absendung seien genaue Angaben erforderlich, wann und an welchen Tag und zu welcher Uhrzeit, in welcher Weise und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben worden sei. Die vorgelegte Ablichtung „Ablage“ erfülle diese Voraussetzungen nicht. Zudem sei die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen sowie die Angaben durch geeignete Beweismittel zu belegen. Dazu seien die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen und die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich. Zudem sei ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist unzulässig.

Am 4. Februar 2014 erwiderte die Prozessbevollmächtigte, dass die interne Organisation und Dokumentation der Prozessbevollmächtigten durch die unveränderbaren Einträge im Postausgangsbuch den Versand des Einspruchsschreibens belege, und übersandte eine eidesstattliche Versicherung des bei ihr tätigen Steuerberaters H -„Hiermit bestätige ich an Eides statt, dass ich das Einspruchsschreiben gegen den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30.09.2013 verfasst, ausgedruckt und unterzeichnet habe.“- und eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin, L, mit dem Inhalt: „Hiermit bestätige ich an Eides statt, das Einspruchsschreiben gegen den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer …vom 30.09.2013 mit Unterschriftsdatum 11.10.2013 versandbereit am 11.10.2013 um 13.10 Uhr bei der Postfiliale … .., in den Briefkasten der Deutschen Post eingeworfen“ zu haben.

Im Juli 2016 teilte die Prozessbevollmächtigte dem Beklagten mit, dass der geforderte Nachweis -eine Kopie des elektronischen Postausgangsbuchsnicht eingereicht werden könne, da durch einen internen Fehler des Bearbeiters der Postausgang in der EDV nicht abgeschlossen worden sei (vgl. Aktenvermerk des Beklagten).

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. November 2016 lehnte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf den Einspruch der Kläger als unzulässig.

Ihre dagegen gerichtete Klage begründen die Kläger im Wesentlichen mit Folgendem: Die Prozessbevollmächtigte habe in einem Telefonat am 7. Oktober 2013 der zuständigen Veranlagungsbeamtin mitgeteilt, dass Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 eingelegt werde. Der Einspruch sei dann am 11. Oktober 2013 erfolgt.

Zwar tauche das Einspruchsschreiben im Postausgangsbuch der Prozessbevollmächtigten nicht auf. Es müsse hier menschliches Versagen beim Bedienen der Kanzleisoftware unterstellt werden. Die Daten des Einspruchsschreibens seien irrtümlicher Weise nicht an das elektronische Postausgangsbuch übergeben worden.

Dies allein könne aber nicht dazu führen, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Postausgang der Prozessbevollmächtigten sei am 11. Oktober 2013 absolut überschaubar gewesen. Sämtliche Dokumente von diesem Tag hätten die Kanzlei, soweit sie für den Postausgang vorgesehen gewesen seien, spätestens 10 Tage nach Erstellung des Dokuments verlassen; zu versendende Dokumente seien sofort taggleich versandt worden. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ausgerechnet das streitgegenständliche Dokument nicht am 11. Oktober 2013 zur Post gegeben worden sein solle. Zudem sei das Einspruchsschreiben am Montag, 14. Oktober 2013, an die Kläger übersandt worden und im Postausgangsbuch festgeschrieben worden.

Der Arbeitsablauf „Erstellen und Versenden eines Dokuments“ stelle sich wie folgt dar: Der Sachbearbeiter erstelle das Dokument, archiviere es unter der Maske „Ablage“ und hinterlege die Daten zum abzuspeichernden Dokument. Im Anschluss daran gebe der Sachbearbeiter das Dokument an das Postausgangsbuch weiter durch Drücken des Buttons „Postausgang anlegen“ und speichere es mit dem Button „speichern“ ab. Dann drucke der Sachbearbeiter das Dokument zur Unterschrift aus und lege es in den physischen Postausgangskorb der Prozessbevollmächtigten. Gegen Ende des Arbeitstages bearbeite der Postausgangssachbearbeiter den physischen Postausgangskorb und schreibe die im Postausgangsbuch enthaltenen Datensätze fest. Dann bringe der Postausgangssachbearbeiter die Tagespost zum Briefkasten. Üblicherweise werde der Postausgang am nächsten Arbeitstag versandt. Der weitaus größte Teil der Tagespost werde am Dorfbriefkasten in … aufgegeben, der bereits im Laufe des Nachmittags und somit vor Arbeitsende in der Kanzlei geleert werde.

Die Kläger beantragen,

unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Einspruchsentscheidung vom 25. November 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung trägt er ergänzend vor, dass der im Klageverfahren vorgetragene Sachverhalt vom bisherigen Sachvortrag abweiche.

Nunmehr habe Steuerberater H die Übernahme ins elektronische Postausgangsbuch nicht vorgenommen. Lt. Anlage IX des Klageschriftsatzes vom 14. Februar 2017 sei dagegen ein Postausgang vermerkt. Die Schilderung dieses Vorgangs sei zeitlich weit nach dem Wegfall des Hindernisses, der Kenntnisnahme der versäumten Frist am 9. Januar 2014, und damit nach Verstreichen der Monats- und Jahresfrist des § 110 Abs. 2 und Abs. 3 AO erfolgt.

Eine genaue Schilderung der Prozessbevollmächtigten zur Fristenkontrolle und der Postausgangskontrolle fehle, insbesondere sei nicht vorgetragen worden, wer die Einspruchsfrist als erledigt ausgetragen habe. Ob die Fristen des § 110 Abs. 2 und 3 AO ins Fristenbuch eingetragen worden seien, sei ebenfalls nicht nachgewiesen.

Ein Nachweis der Übergabe des Einspruchsschreibens in den physischen Postausgangskorb liege nicht vor.

Ein Nachweis der Aufgabe zur Post liege ebenfalls nicht vor. Die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten über das tatsächliche Verbringen gerade des Einspruchsschreibens vom 11. Oktober 2013 zur Post nach knapp vier Monaten sei nicht glaubhaft, auch wenn der Postausgang an diesem Tag überschaubar gewesen sei. Ob es innerhalb der Kanzlei keine weiteren Fristversäumnisse gegeben habe, sei nicht belegbar. Tatsache sei aber, dass das Schreiben des Beklagten nicht zeitnah beantwortet worden seien.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte hinsichtlich des bei ihm verspätet eingegangenen Einspruchsschreibens vom 9. Januar 2014 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO abgelehnt und den Einspruch der Kläger als unzulässig verworfen.

1. Im Streitfall haben die Kläger erst am 9. Januar 2014 und damit verspätet Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 30. September 2013 eingelegt.

Ein zeitnaher Zugang einer Einspruchsschrift zur behaupteten Absendung am 11. Oktober 2013 ist nicht nachgewiesen. Ein Einspruchsschreiben mit Datum vom 11. Oktober 2013 ist nicht in den Akten des Beklagten. Die Kläger tragen die Feststellungslast für den fristgerechten Eingang ihrer Einspruchsschrift (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 12/84, BStBl II 1988, 111).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren gewesen.

a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein Vertretener muss sich ein Verschulden seines Vertreters gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zurechnen lassen. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AO). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO).

Hiernach schließt jedes Verschulden -also auch einfache Fahrlässigkeitdie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Der Antragsteller muss innerhalb der Antragsfrist von einem Monat (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO) diejenigen Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der gesetzlichen Frist kein Verschulden trifft. Nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO können (selbständige) Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Jedoch können unklare oder unvollständige Angaben auch nach Ablauf der Antragsfrist noch erläutert oder ergänzt werden, sofern innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen ist. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände innerhalb der Monatsfrist. Danach sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Zweck dieser Befristung ist die zügige und sachgemäße Behandlung eines Wiedereinsetzungsbegehrens, um die Unsicherheit, ob es bei den Folgen einer Fristversäumnis bleibt, in engen Grenzen zu halten. Der Antragsteller soll nicht neue, möglicherweise wechselnde Gründe vortragen können, für deren Glaubhaftmachung er sich bessere Erfolgsaussichten verspricht. Das spätere Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nicht zulässig. Sollen wesentliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung nachträglich nach Fristablauf geschlossen werden, stellt dies ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222, unter II.2.b, m.w.N.).

Wer die Gewährung von Wiedereinsetzung wegen des Nichteingangs eines angeblich rechtzeitig abgesandten fristgebundenen Schreibens begehrt, muss genau darlegen, welche Person zu welcher Zeit (Tag, Uhrzeit) in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten oder Abgabe bei einer bestimmten Postfiliale) den Brief, in dem sich das fristgebundene Schreiben befunden haben soll, zur Post gegeben hat. Die Angaben sind durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 2017 IX R 19/16, BFH/NV 2017, 885, m.w.N.).

Der Finanzbehörde kann nicht vorgeworfen werden, sie hätte einen durch einen Vertreter der steuer- oder rechtsberatenden Berufe vertretenen Steuerpflichtigen innerhalb der Antragsfrist noch auf die Ergänzungsbedürftigkeit der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hinweisen müssen. Die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 Abs. 2 Satz 2 AO ist ausschließlich Sache des Antragstellers. Wenn dieser fachkundig vertreten ist, hat die Finanzbehörde den Antragsteller weder über den erforderlichen Inhalt des Wiedereinsetzungsgesuchs aufzuklären noch zur Ergänzung eines insoweit unzulänglichen Vortrags aufzufordern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2000 III B 14/00, BFH/NV 2000, 1349, vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459 und vom 6. Dezember 2011 XI B 3/11, BFH/NV 2012, 707).

b) Hiervon ausgehend rechtfertigt bereits das tatsächliche Vorbringen innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO in den Schriftsätzen vom 9. Januar 2014 und vom 4. Februar 2014 nicht die Schlussfolgerung, dass die Prozessbevollmächtigte den Einspruch rechtzeitig abgesandt hat und die Kläger kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft.

Als Nachweis für die Versendung der Einspruchsschrift kann die Prozessbevollmächtigte keinen Eintrag in ihrem Postausgangsbuch als präsentes Beweismittel vorweisen.

Dementsprechend hat die Prozessbevollmächtigte im Juli 2016 und später im Klageverfahren selbst eingeräumt, dass durch einen internen Fehler des bei ihr tätigen Steuerberaters H der Postausgang in der EDV nicht abgeschlossen worden ist und folglich eine Festschreibung in ihrem Postausgangsbuch nicht erfolgt ist.

Die eidesstattliche Versicherung der Postausgangsbearbeiterin L vom 4. Februar 2014 reicht zur Glaubhaftmachung der Absendung der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 im Streitfall nicht aus. Im Verwaltungsverfahren befasste Berufsträger -wie hier: Steuerberater Hmüssen im Rahmen ihres Mandats eine sachgemäße Fristenkontrolle gewährleisten, z.B. durch Vermerke im Postausgangsbuch und im Fristenbuch als Nachweis der Absendung. Die Aufgabe eines Briefes zur Post kann im Regelfall nicht allein mit einer eidesstattlichen Versicherung einer Rechtsanwaltsfachangestellten glaubhaft gemacht werden, sondern es bedarf eines ordnungsgemäßen Postausgangsbuchs (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 2011 X B 48/10, BFH/NV 2011, 993, und vom 28. November 2003 V R 3/03, BFH/NV 2004, 524).

Zudem sind nach vier Monaten (das ist der Zeitraum zwischen der Erstellung der Einspruchsschrift und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) die Angaben von Frau L nicht glaubhaft. Denn bei tatsächlicher Absendung der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 hätte Frau L im Rahmen des an diesem Tag überschaubaren Postausgangs den Fehler des Steuerberaters H, d.h. die fehlende Abspeicherung der Einspruchsschrift im elektronischen Postausgangsbuch, bemerkt und hätte dies bei Abgabe ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht unerwähnt gelassen. Hinzu kommt, dass nach vier Monaten nicht auszuschließen ist, dass Frau L den Vorgang mit dem Ausgang des Mandantenbriefs des Steuerberaters H an die Kläger samt Einspruchsschrift am 14. Oktober 2013 verwechselt hat.

Der Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung der rechtzeitigen Versendung der Einspruchsschrift anhand der Kopie eines Fristenkontrollbelegs reicht ebenfalls zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung nicht aus. Ein Fristenkontrollbuch kann den Nachweis des Postausgangs nur dann erfüllen, wenn es den an das Postausgangsbuch gestellten Anforderungen genügt. Das im Klageverfahren vorgelegte Fristenkontrollbuch genügt diesen Anforderungen nicht, da es den Empfänger nicht benennt (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 524, und in BFH/NV 2011, 993).

Darüber hinaus ist die Einspruchsfrist vor Austragung im Postausgangsbuch gelöscht worden. Übereinstimmende Vermerke im Postausgangsbuch (vgl. FG-Akte, Bl. 127) und im Fristenkontrollbuch als Nachweis der Absendung der Einspruchsschrift an den Beklagten (vgl. FG-Akte, Bl. 133) fehlen nachweislich.

c) Die Prozessbevollmächtigte hat innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO keine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen abgegeben. Der Fristlauf hat spätestens am 9. Januar 2014 begonnen und am 9. Februar 2014 geendet.

Die Prozessbevollmächtigte hat insbesondere nicht innerhalb der Monatsfrist offengelegt, dass Steuerberater H die von ihm erstellte Einspruchsschrift nicht in das elektronische Postausgangsbuch übertragen hat.

Ebenso wenig hat sie z.B. geschildert, wie die Einspruchsschrift in den physischen Postausgangskorb gelangt ist, wer die Einspruchsschrift kuvertiert hat und wer die Einspruchsfrist im Fristenbuch ausgetragen hat.

Diese aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags können nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO nicht mehr geschlossen werden.

d) Darüber hinaus trifft die mit der Vertretung beauftragte Prozessbevollmächtigte ein Verschulden an der Fristversäumnis.

Macht der Bevollmächtigte selbst Fehler, kommt eine Wiedereinsetzung in der Regel nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2003 XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526; und vom 26. Juli 2004 V B 188/03, BFH/NV 2004, 1663).

Bei Bevollmächtigten, die die Rechts- und Steuerberatung berufsmäßig ausüben, ist die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese glaubhaft zu machen. Zu den in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln gehört bei Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung fristwahrender Schriftstücke in einem Postausgangsbuch und das Löschen einer Frist auf der Grundlage der Ausgangseintragung im Postausgangsbuch. Bei einer Versendung durch die Post gehört zu einem zuverlässigen Kontrollsystem, dass zwischen dem Fristenkalender und dem Postausgangsbuch eine Übereinstimmung in der Weise sichergestellt wird, dass die Fristen im Kalender erst auf der Grundlage der Eintragungen im Postausgangsbuch gelöscht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222, m.w.N.).

Der von der Prozessbevollmächtigten mit der Bearbeitung der Sache der Kläger betraute Steuerberater H hätte seine Sorgfalt darauf richten müssen, die an den Beklagten gerichtete Einspruchsschrift auch in das elektronische Postausgangsbuch am 11. Oktober 2013 abzuspeichern, die Einspruchsschrift körperlich in den Postausgangskorb zu legen und die Einspruchsfrist in der EDV der Kanzlei nicht vor Eintragung des Versands im Postausgangsbuch zu löschen.

Stattdessen hat Steuerberater H auch nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten ein an den Beklagten gerichtetes Einspruchsschreiben vom 11. Oktober 2013 gerade nicht unter „Postausgang anlegen“ abgespeichert. Da in der Dokumentenübersicht (vgl. FG-Akte, Bl. 65) ein Postausgangsdatum vom 11. Oktober 2013 vermerkt ist, ist nicht auszuschließen, dass Steuerberater H die Einspruchsschrift nur im Dokumentenmanagement erstellt hat, um diese dann nur als Anlage für den erst am 14. Oktober 2013 gefertigten Mandantenbrief an die Kläger beizufügen (vgl. FG-Akte, Bl. 99, Bl. 115). Der Ausgang des Mandantenschreibens ist dementsprechend im Postausgangsbuch am selben Tag festgeschrieben worden (vgl. vgl. FG-Akte, Bl. 99, Bl. 127).

Nachweislich ist nicht dargelegt, dass Steuerberater H eine an den Beklagten adressierte Einspruchsschrift körperlich in den Postausgangskorb und damit an die Postausgangssachbearbeiterin L weitergeben hat. Den eidesstattlichen Versicherungen des Steuerberaters H und der Bearbeiterin L ist nichts Anderes zu entnehmen. Ob die Einspruchsschrift körperlich in den physischen Postausgangskorb gelangt ist, ist schon deshalb zweifelhaft, da der Postausgangssachbearbeiterin der Fehler des Steuerberaters H bei dem übersichtlichen Postausgang am 11. Oktober 2013 aufgefallen wäre, wenn ihr die Einspruchsschrift physisch vorgelegen hätte.

Hinzu kommt, dass Steuerberater H bereits mit Erstellen der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 um 9.37 Uhr (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 22. Mai 2017 Seite 3 unten, FG-Akte Bl. 44, 78 und 66) die Einspruchsfrist um 9.39 Uhr ausgetragen hat (vgl. Fristenkontrollbuch, Schriftsatz der Klägerin14. August 2017, Anlage 3).

Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten in Gestalt des Steuerberaters H ist den Klägern zuzurechnen.

e) Im Juli 2016 ist zudem die Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO ebenfalls bereits verstrichen gewesen. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist -also hier seit dem 4. November 2014- kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden (§ 110 Abs. 3 AO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhal

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist ein in Spanien ansässiges Unternehmen, das vom Bundeszentralamt für Steuern, dem Beklagten und Beschwe

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(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. April 2016 9 K 178/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt sind.

2

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte bis einschließlich Februar 2008 Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks in X, das er am 1. März 2008 veräußerte. Im Jahr 2009 erhielt er von der Stadt X einen Festsetzungsbescheid über einen Ausgleichsbetrag nach § 154 des Baugesetzbuches in Höhe von 179.682 €. Der Kläger ging gegen diesen Bescheid gerichtlich vor. Das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht endete im Jahr 2012 mit einem Vergleich, wonach der Kläger nunmehr einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 80.938 €, zahlbar in monatlichen Raten, zu leisten hatte. Im Jahr 2012 leistete der Kläger Zahlungen in Höhe von 29.171,64 €. Zudem zahlte er Rechtsanwaltskosten in Höhe von 8.685,48 €. Den Gesamtbetrag in Höhe von 37.857,12 € erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2012 zunächst nicht.

3

Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Angaben des Klägers im Einkommensteuerbescheid 2012 vom 31. Januar 2014 größtenteils gefolgt war, legte die Bevollmächtigte des Klägers --Steuerberaterin S-- mit Schreiben vom 26. Februar 2014 Einspruch ein und machte die Aufwendungen in Höhe von 37.857,12 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung geltend.

4

Ausweislich des Eingangsstempels des FA ging das Einspruchsschreiben erst am 6. März 2014 beim FA ein. Mit Schreiben vom 31. März 2014 wies das FA den Kläger darauf hin, dass der Einspruch verspätet eingegangen und damit unzulässig sei.

5

Mit Schreiben vom 9. April 2014 teilte S mit, das Einspruchsschreiben sei am 26. Februar 2014 mit der Deutschen Post AG verschickt worden. Dieser Tatbestand sei ihrem Postausgangsbuch zu entnehmen. Es sei ihr nicht erklärlich, warum das Schreiben mit einer derartigen Zeitverzögerung zugestellt worden sei. Die Deutsche Post AG gelte als zuverlässiger Bote. Sie vermute, dass es sich um ein fahrlässiges Verhalten der Post gehandelt habe, da ihr ein derartiger Zustand noch nicht vorgekommen sei. Sie habe auch mit der zuständigen Bearbeiterin in ihrer Kanzlei gesprochen, um ein fahrlässiges Verhalten ihrerseits zu prüfen. Hierbei habe sie die Antwort erhalten, dass das Schreiben am 26. Februar 2014 im Postausgangsbuch eingetragen und mit dem restlichen Schriftwechsel am Abend in den Briefkasten gesteckt worden sei. Sie beantrage aufgrund dessen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO).

6

Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig. Es sah die Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als nicht ausreichend an.

7

Im Rahmen der dagegen erhobenen Klage brachte der Kläger vor, seine Steuerberaterin S habe ihre Mitarbeiter angewiesen, Post über das Postausgangsbuch auszutragen. Werde die Post über das Postausgangsbuch ausgetragen, so werde sie am selben Tage in den Briefkasten eingeworfen. Am 26. Februar 2014 sei die Post von Frau B, einer Mitarbeiterin der Steuerberaterin, über das Postausgangsbuch ausgetragen worden. Eine weitere Mitarbeiterin der Steuerberaterin, Frau C, habe die über das Postausgangsbuch ausgetragene Post am selben Tage in den Briefkasten der Postfiliale "A" geworfen. Die letzte Leerung dieses Briefkastens am 26. Februar 2014 sei gegen 17:00 Uhr erfolgt. Zur Glaubhaftmachung legte die Steuerberaterin des Klägers einen Auszug aus dem Postausgangsbuch vom 26. Februar 2014 sowie eine eidesstattliche Versicherung der Frau C vom 20. Juni 2014 in Kopie vor. Seine Steuerberaterin habe auf die regelmäßigen Postlaufzeiten vertrauen dürfen. Der Einspruch sei vier Werktage vor Ablauf der Frist zum Versand gebracht worden. Eine ernsthafte Gefahr der Versäumung der Einspruchsfrist habe nicht bestanden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen dürfe im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden angerechnet werden, da sie auf die Postbeförderung keinen Einfluss habe. Auch auf die auf dem Briefkasten angegebenen Entleerungszeiten habe die Steuerberaterin vertrauen können.

8

Im Rahmen des Klageverfahrens verständigten sich der Kläger und das FA in materiell-rechtlicher Hinsicht auf einen steuermindernden Abzug in Höhe von 50 % des Betrags von 37.857,12 €.

9

Mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1049 veröffentlichten Entscheidung vom 20. April 2016 gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es sei unter Berücksichtigung der im Einspruchs- und Klageverfahren gegebenen Begründung und Glaubhaftmachung des Absendungsvorgangs von einer unverschuldeten Fristversäumnis auszugehen. Der Kläger habe im Einzelnen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, wann (26. Februar 2014), von wem (Frau C) und in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) das verspätet eingegangene Schriftstück zur Post aufgegeben worden sei. Die Darlegungen seien ausreichend durch eine eidesstattliche Versicherung der Frau C und die Vorlage der Kopie des Postausgangsbuches glaubhaft gemacht worden. Zwar habe die Bevollmächtigte innerhalb der Antragsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO nur mitgeteilt, das Einspruchsschreiben sei am 26. Februar 2014 mit der Deutschen Post AG verschickt worden. Aus diesem Vortrag sei jedoch der Kern des Wiedereinsetzungsgrundes "Rechtzeitige Absendung/Postlaufverzögerung" eindeutig zu entnehmen. Es werde dargelegt, an welchem Tag (26. Februar 2014) das streitbefangene Schriftstück in welcher Weise (Versendung mit der Post) auf den Weg zum Finanzamt gebracht worden sei. Zudem werde mitgeteilt, dass eine weitere Mitarbeiterin und nicht die Steuerberaterin selbst den Vorgang umgesetzt habe. Diese Darlegung werde durch eine Kopie des Postausgangsbuches glaubhaft gemacht. Im Klageverfahren sei dann lediglich eine Ergänzung des Vortrags zum Absendevorgang in Form der Benennung der Personen erfolgt, die die Austragung aus dem Postausgangsbuch und den Einwurf in den nunmehr genau benannten Briefkasten "A" vorgenommen haben. Hierin sei kein weiterer Wiedereinsetzungsgrund und kein substantiell neuer Vortrag zu sehen, sondern lediglich eine ergänzende Darlegung des bereits im Kern dargelegten Absendevorgangs. Dass die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Büroangestellten, die den Briefeinwurf vorgenommen hat, erst im Klageverfahren erfolgt sei, sei für die Wiedereinsetzung unschädlich.

10

Mit seiner unter Beifügung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung eingelegten Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 110 AO). Dem Kläger sei keine Wiedereinsetzung zu gewähren, weil er nicht alle erforderlichen Unterlagen und Angaben innerhalb der Antragsfrist eingereicht habe. Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO sei Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert sei. Dies setze in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, seien innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen. Es sei nicht ausreichend, innerhalb der Antragsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 2 AO lediglich die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Vielmehr müssten innerhalb dieser Frist auch die für eine Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen werden. Lediglich die Glaubhaftmachung der innerhalb der Frist vorgetragenen Gründe könne auch noch im Verfahren über den Antrag erfolgen. Daher gehöre nicht nur die Bezeichnung der Versendungsart, sondern auch die Darlegung zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag mit dem betreffenden Schriftsatz von welcher Person und auf welche Weise (Abgabe bei einer Postfiliale oder Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben worden sei, zu den Begründungserfordernissen innerhalb der Antragsfrist. Danach reiche zur Glaubhaftmachung der Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung begründen sollen, die bloße Vorlage einer Kopie des Postausgangsbuchs nicht aus. Im Streitfall enthalte der Wiedereinsetzungsantrag lediglich die Darstellung, dass eine nicht namentlich benannte Mitarbeiterin der Steuerberaterin das in Rede stehende Schreiben im Postausgangsbuch eingetragen und am Abend in einen nicht näher bezeichneten Briefkasten gesteckt habe. Weitere Angaben und Unterlagen seien erst nach Ablauf der Antragsfrist nachgereicht worden. Daher sei dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entsprechen gewesen.

11

Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil vom 20. April 2016  9 K 178/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

In der Revisionseinlegungsschrift werde die Revision gegen ein Urteil des Niedersächsischen FG vom 2. Mai 2016 eingelegt und kein Aktenzeichen angegeben. Ein Urteil vom 2. Mai 2016 existiere aber nicht. Daher sei die Revision nicht wirksam eingelegt. Im Übrigen habe das FG zutreffend Wiedereinsetzung gewährt. Unklare oder unvollständige Angaben könnten noch erläutert oder ergänzt werden, sofern innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen worden sei.

Entscheidungsgründe

14

II. Die zulässige Revision des FA ist nicht begründet und daher zurückzuweisen.

15

Die Revision ist zulässig (dazu unter 1.). Sie ist aber nicht begründet. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO als gegeben angesehen (dazu unter 2.). Die vom FA angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steht dem nicht entgegen (dazu unter 3.). Daher hat das FG zu Recht der Klage in dem beantragten Umfang stattgegeben (dazu unter 4.).

16

1. Die Revision ist zulässig.

17

Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muss die Revisionseinlegungsschrift das angefochtene Urteil so genau angeben, dass jeglicher Irrtum ausgeschlossen ist. Fehlen diese Angaben, so ist die Revision unzulässig. Innerhalb der Revisionsfrist ist das angefochtene Urteil daher durch Angabe des Gerichts, das es erlassen hat, des Urteilsdatums, des Aktenzeichens und der Sache, in der die Vorentscheidung ergangen ist, ferner mit Angabe der Beteiligten zu bezeichnen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juli 1996 VII R 103/95, BFH/NV 1996, 922; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 13). Es reicht aber aus, dass die fehlenden Angaben aus den sonstigen Unterlagen, etwa der Anlage zur Revisionseinlegungsschrift, zu entnehmen sind. Denn Mängel bei der Bezeichnung des Urteils in der Revisionseinlegungsschrift sind unschädlich, wenn --wie im Streitfall-- die fehlenden Angaben bis zum Ende der Revisionsfrist aus sonstigen Umständen festgestellt werden können, etwa dem in der Anlage beigefügten Urteil (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 3 FGO), aus der die fehlenden Angaben entnommen werden können (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, BStBl II 1980, 588; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz 13 f.).

18

2. Die Revision ist nicht begründet.

19

Das FG hat die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zutreffend bejaht. Der Vortrag des Klägers, das Einspruchsschreiben rechtzeitig abgesandt zu haben, genügt den Anforderungen, die an einen Wiedereinsetzungsantrag nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO zu stellen sind.

20

a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag --ggf. auch von Amts wegen, wie aus § 110 Abs. 2 Satz 4 AO folgt-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AO). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO).

21

Der Antragsteller muss innerhalb der Antragsfrist von einem Monat (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO) diejenigen Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der gesetzlichen Frist ein Verschulden nicht trifft. Nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO können (selbständige) Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Jedoch können unklare oder unvollständige Angaben auch nach Ablauf der Antragsfrist noch erläutert oder ergänzt werden, sofern innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen ist. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände innerhalb der Monatsfrist (vgl. BFH-Urteile vom 24. August 1990 VI R 178/85, BFH/NV 1991, 140; vom 21. Februar 1995 VIII R 76/93, BFH/NV 1995, 989; vom 13. Dezember 2007 VI R 75/04, BFHE 220, 18, BStBl II 2009, 577, unter II.1.a; vom 18. März 2014 VIII R 33/12, BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, unter II.2.b aa; BFH-Beschlüsse vom 9. November 1999 XI R 17/99, BFH/NV 2000, 583; vom 15. Mai 2003 VII B 246/02, BFH/NV 2003, 1206; vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591; vom 17. Juni 2010 IX B 32/10, BFH/NV 2010, 1655; Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 110 Rz 102; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO Rz 32; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 110 AO Rz 507, 510; Kuczynski in Beermann/Gosch, AO, § 110 Rz 81; Wagner in Kühn/v. Wedelstädt, 21. Aufl., AO § 110 Rz 36). Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 110 Abs. 2 Satz 2 AO. Danach sind die "Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen". Das Ergebnis folgt aber auch aus dem Sinn und dem systematischen Zusammenhang der Sätze 1 und 2 in § 110 Abs. 2 AO. Zweck dieser Befristung ist die Sicherung einer zügigen und sachgemäßen Behandlung eines Wiedereinsetzungsbegehrens, um die Unsicherheit, ob es bei den Folgen einer Fristversäumnis bleibt, in engen Grenzen zu halten. Der Antragsteller soll nicht neue, möglicherweise wechselnde Gründe vortragen können, für deren Glaubhaftmachung er sich bessere Erfolgsaussichten verspricht. Das spätere Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nicht zulässig (vgl. BFH-Urteil in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922, unter II.2.b aa; BFH-Beschluss vom 6. Dezember 2011 XI B 3/11, BFH/NV 2012, 707, unter II.2.c bb). Sollen wesentliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung nachträglich nach Fristablauf geschlossen werden, stellt dies ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 AO Rz 32; Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 510; Kuczynski in Beermann/Gosch, a.a.O., § 110 Rz 81).

22

Wer die Gewährung von Wiedereinsetzung wegen des Nichteingangs eines angeblich rechtzeitig abgesandten fristgebundenen Schreibens begehrt, muss genau darlegen, welche Person zu welcher Zeit (Tag, Uhrzeit) in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten oder Abgabe bei einer bestimmten Postfiliale) den Brief, in dem sich das fristgebundene Schreiben befunden haben soll, zur Post gegeben hat. Die Angaben sind durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 989; in BFHE 220, 18, BStBl II 2009, 577, unter II.1.b; vom 9. Juni 2015 X R 38/14, BFH/NV 2015, 1376, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2002 VII B 112/00, BFH/NV 2002, 798; vom 16. Dezember 2002 VII B 99/02, BFHE 200, 491, BStBl II 2003, 316; vom 3. August 2005 IX B 26/05, BFH/NV 2006, 307, unter a; Klein/Rätke, a.a.O., § 110 Rz 105; Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 496 a.E.).

23

b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht bejaht.

24

aa) Die Bevollmächtigte des Klägers hat den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund überlanger Postlaufzeit im Kern innerhalb der Antragsfrist und damit rechtzeitig vorgebracht. Die Bevollmächtigte des Klägers hat nach den Feststellungen des FG im Schreiben vom 9. April 2014 auf die überlange Beförderungsdauer hingewiesen. Sie hat mitgeteilt, dass das Einspruchsschreiben am 26. Februar 2014 mit der Post versandt worden ist. Zudem hat sie dargelegt, dass eine --von ihr nicht namentlich genannte-- Mitarbeiterin ihrer Kanzlei am 26. Februar 2014 den Versand im Postausgangsbuch eingetragen und das Schreiben noch am gleichen Tag mit dem restlichen Schriftwechsel in den Briefkasten geworfen worden war.

25

Damit hat die Bevollmächtigte des Klägers den Kern des Wiedereinsetzungsgrundes "Rechtzeitige Absendung/Postlaufverzögerung" eindeutig innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 1 AO mitgeteilt. Sie hat dargelegt, an welchem Tag (26. Februar 2014) das Einspruchsschreiben in welcher Weise (Versendung mit der Post) auf den Weg gebracht wurde. Ebenfalls hat sie mitgeteilt, dass eine --zu diesem Zeitpunkt von ihr nicht benannte Mitarbeiterin-- das Schreiben auf den Weg (durch Einwurf in den Briefkasten) gebracht hat.

26

bb) Diese Angaben hat die Bevollmächtigte des Klägers im Klageverfahren weiter konkretisiert. Mit ihrem Schriftsatz vom 20. Juni 2014 hat sie dargelegt, welche Person genau (Frau C) zu welcher Zeit konkret (26. Februar 2014 nachmittags) in welcher Weise genau (Einwurf in den Briefkasten der Postfiliale "A") das fristgebundene Einspruchsschreiben zur Post gegeben hat. Ebenfalls im Klageverfahren hat die Bevollmächtigte den Auszug aus dem Postausgangsbuch vom 26. Februar 2014 sowie eine eidesstattliche Versicherung der Frau C vorgelegt. Damit hat die Bevollmächtigte des Klägers nicht --wie das FA meint-- einen neuen Wiedereinsetzungsgrund nachgeschoben, sondern nur den bisher geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund "Rechtzeitige Absendung/Postlaufverzögerung" erläutert und ergänzt.

27

3. Entgegen der Auffassung des FA steht diesem Ergebnis die Rechtsprechung des BFH nicht entgegen.

28

Soweit sich das FA auf den BFH-Beschluss vom 13. Januar 2004 VII B 127/03 (BFH/NV 2004, 655) beruft, greift dieses Vorbringen nicht durch. In dieser Entscheidung war maßgebend, dass der Beschwerdeführer dem Begründungserfordernis nicht vollständig nachgekommen war. Er hatte dort ohne Angabe der damit verbundenen näheren Umstände behauptet, das streitige Schriftstück sei zur Post aufgegeben worden und lediglich eine Kopie des Postausgangsbuchs vorgelegt. Insoweit fehlte eine lückenlose und schlüssige Darlegung des Absendevorgangs, welche Person zu welcher Zeit in welcher Weise das Schriftstück zur Post gegeben hatte.

29

In den BFH-Beschlüssen in BFHE 200, 491, BStBl II 2003, 316 und in BFH/NV 2003, 1206 fehlte eine lückenlose und schlüssige Darlegung des Absendevorgangs, welche Person zu welcher Zeit in welcher Weise das Schriftstück zur Post gegeben hatte, gänzlich. Gleiches gilt für den BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 798. In allen drei Fällen war lediglich eine Kopie des Postausgangsbuchs vorgelegt worden.

30

Auch der BFH-Beschluss vom 26. November 1993 VIII R 53/93 (BFH/NV 1994, 645) steht nicht entgegen. Dort fehlte es an einer lückenlosen und schlüssigen Darlegung des Absendevorgangs sowie an einem Nachweis über Vorkehrungen zur Fristeinhaltung. Zudem fehlte es an einer eidesstattlichen Versicherung der Person, die den Absendevorgang durchgeführt hatte.

31

4. Das FG hat daher zu Recht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO gewährt und der Klage in dem beantragten Umfang stattgegeben. Dass die geltend gemachten nachträglichen Werbungskosten in Höhe von 18.928,56 € zu berücksichtigen sind, steht zwischen den Beteiligten außer Streit.

32

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist ein in Spanien ansässiges Unternehmen, das vom Bundeszentralamt für Steuern, dem Beklagten und Beschwerdegegner (Beklagter), die Vergütung von Vorsteuerbeträgen für den Zeitraum Januar bis Dezember 2006 begehrt. Ihr von einer inländischen Bevollmächtigten, die nicht Angehörige der steuerberatenden Berufe ist, gestellter Antrag vom 29. Mai 2007 ging in Kopie am 30. Juli 2007 beim Beklagten ein. Laut Begleitschreiben der Bevollmächtigten, welches vom 26. Juli 2007 datiert, war der Originalantrag mit beigefügten Rechnungskopien bereits am 4. oder 5. Juni 2007 an den Beklagten abgesandt worden; wie am Vortage telefonisch vereinbart werde nunmehr eine Kopie übermittelt. Einen Vermerk über ein Telefongespräch vom 25. Juli 2007, das unstreitig stattgefunden hat, enthält die Vergütungsakte des Beklagten nicht. Die Bevollmächtigte und der Beklagte hatten in der Folge Kontakte per E-Mail. Der vom Beklagten gefertigten Notiz über ein weiteres Telefongespräch vom 27. September 2007 sind keine Einzelheiten zur Frage der Absendung des Vergütungsantrags zu entnehmen.

2

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2007 lehnte der Beklagte den Vergütungsantrag mit der Begründung ab, dass der Antrag erst nach Ablauf der Antragsfrist eingegangen sei und eine Wiedereinsetzung insoweit nicht in Betracht komme. Zudem sei der Antrag nicht eigenhändig unterschrieben und eine den Vergütungszeitraum abdeckende Unternehmerbescheinigung nicht beigebracht worden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, innerhalb der Antragsfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes sei kein Antrag bei dem Beklagten eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist scheitere daran, dass die Klägerin innerhalb der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ein fehlendes Verschulden an der Versäumung der Antragsfrist nicht hinreichend dargelegt habe, weil sie den Absendevorgang nicht schlüssig dargestellt habe.

4

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie deshalb zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

6

1. Die gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

7

a) Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) nicht dadurch verletzt, dass --wie die Klägerin meint-- "die Vollständigkeit der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs innerhalb der dafür maßgebenden Frist, konkret die detaillierte Beschreibung des Absendevorgangs, weder im Vorsteuervergütungs- noch im Klageverfahren... angesprochen oder erörtert worden" sei.

8

Denn zum einen war die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen, Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und des Klageverfahrens. Zum anderen wurde ausweislich des in der FG-Akte enthaltenen Aktenvermerks vom 25. Oktober 2010 Steuerberater Z als Vertreter der vormaligen Prozessbevollmächtigten auf dessen fernmündliche Anfrage, ob eine Ladung des K als Zeuge erfolge, da dieser zur Frage der Versendung Auskunft erteilen könne und am Termin teilnehmen wolle, darauf hingewiesen, dass aus Sicht des FG-Senats eine Ladung bisher nicht als erforderlich erachtet worden sei; von Relevanz sei auch die Frage des fristgerechten Vortrags der Wiedereinsetzungsgründe.

9

b) Angesichts dessen geht auch die Rüge der Klägerin fehl, sie hätte bei gegebenem Hinweis (vgl. § 76 Abs. 2 FGO) den in der mündlichen Verhandlung von ihr gestellten K als Zeugen dafür benennen können, dass dieser in verschiedenen Telefonaten mit dem Beklagten innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist geäußert habe, den Brief mit dem Vergütungsantrag eigenhändig am Abend eines der beiden bezeichneten Tage in einen bestimmten Briefkasten eingeworfen zu haben.

10

Zudem ist die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 Abs. 2 Satz 2 AO ausschließlich Sache des Antragstellers. Zumal wenn dieser fachkundig beraten ist, hat das FG den Antragsteller nicht über den erforderlichen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs aufzuklären oder zur Ergänzung eines insoweit unzulänglichen Vortrags aufzufordern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2000 III B 14/00, BFH/NV 2000, 1349; vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459).

11

c) Mit der Rüge, der Beklagte habe gegen die Beratungs- und Auskunftspflichten des § 89 AO verstoßen, hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargetan. Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann, ist grundsätzlich nur ein solcher, der das Verfahren des FG betrifft, der also diesem selbst unterlaufen ist. Ein Verstoß der Finanzbehörde bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts oder im Rechtsbehelfsverfahren gehört im Allgemeinen nicht dazu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 2002 VII B 282/01, BFH/NV 2002, 1473; vom 24. November 2009 X B 142/08, BFH/NV 2010, 456).

12

Bei dem Vorbringen, K habe den Beklagten fernmündlich über die Einzelheiten des Versendungsvorgangs in Kenntnis gesetzt, was der Beklagte --wiederum verfahrensfehlerhaft-- nicht dokumentiert habe, handelt es sich zudem um neuen Tatsachenvortrag. Dieser ist als solcher im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigungsfähig (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. Februar 2009 VIII B 95/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R339, m.w.N.).

13

2. Gründe für die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) liegen entweder nicht vor oder sind nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

14

a) Der Zulassungsgrund für eine Revision zur Fortbildung des Rechts ist gegeben, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist, insbesondere, wenn der Streitfall im allgemeinen Interesse Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746, m.w.N.). Für diesen Zulassungsgrund gilt, wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dass es sich um eine klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage handeln muss (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698, m.w.N.).

15

b) Soweit die Klägerin es als klärungsbedürftig ansieht, ob bereits vor Wegfall des Hindernisses (vgl. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO) vorsorglich oder hilfsweise eingelegte Wiedereinsetzungsanträge und -begründungen zu berücksichtigen seien, sowie welche Dokumentationsanforderungen der Finanzbehörde sich aus § 89 AO insbesondere bei formlosen Antragsverfahren wie der Wiedereinsetzung ergäben, sind diese Fragen im angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar. Denn das FG hat nicht festgestellt, dass der Beklagte über die Einzelheiten des Versendungsvorgangs in Kenntnis gesetzt worden wäre. Eine Rechtsfrage kann nicht geklärt werden, wenn ihr ein Sachverhalt zugrunde liegt, den das FG nicht festgestellt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. April 2009 I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588, m.w.N.; vom 2. Dezember 2010 XI B 23/10, BFH/NV 2011, 614). Die Berücksichtigung neuen Sachvortrags im Revisionsverfahren ist ausgeschlossen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 78/08, juris).

16

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf die Rechtsfrage, ob es ausreicht, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung nach Ablauf der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO begründet wird, keiner Klärung. Die für die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts erforderliche Klärungsbedürftigkeit liegt nicht vor, wenn die Rechtsfrage bereits vom BFH entschieden worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. August 2007 II B 71/06, BFH/NV 2007, 2247, unter II.1.; zur insoweit entsprechenden Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2005 XI B 11/04, BFH/NV 2006, 237, unter 2.). So verhält es sich hier.

17

aa) Die Frage, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb der Monatsfrist begründet werden muss, ist durch die von der Klägerin selbst zitierte ständige Rechtsprechung des BFH (vgl. auch die Nachweise bei Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 110 AO Rz 507) bejaht worden; diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (vgl. zu § 56 FGO Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 237, unter 2., m.w.N.).

18

bb) Die Klägerin hat gegenüber dieser gefestigten Rechtsprechung des BFH keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, die es als geboten erscheinen lassen könnten, auf eine Frist für die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags zu verzichten. Ihre Hinweise auf den Wortlaut des § 110 AO (vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 110 AO Rz 90) und die Regelung des § 110 Abs. 2 Satz 3 AO genügen dafür nicht.

19

Denn maßgebend für die angeführte Rechtsprechung sind der Sinn und der Zusammenhang der Sätze 1 und 2 des § 110 Abs. 2 AO. Zweck dieser Befristung ist die Sicherung einer zügigen und sachgemäßen Behandlung eines Wiedereinsetzungsbegehrens, um die Unsicherheit, ob es bei den Folgen der Fristversäumnis bleibt oder nicht, in engen Grenzen zu halten. Der Antragsteller soll nicht später neue, möglicherweise wechselnde Gründe vortragen können, für deren Glaubhaftmachung er sich bessere Erfolgsaussichten erhofft (vgl. Söhn in HHSp, § 110 AO Rz 507, m.w.N.).

20

cc) Ein weiterer Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung anderer Bundesgerichte. Die Rechtsauffassung des BFH entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 60 Abs. 2 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dessen Wortlaut mit demjenigen des § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO übereinstimmt (vgl. BVerwG-Urteil vom 21. Oktober 1975 VI C 170.73, BVerwGE 49, 252, m.w.N.; BVerwG-Beschluss vom 16. Februar 1999  8 B 10/99, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechung-Report 1999, 472).

21

Soweit das Bundessozialgericht zu § 67 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Auffassung vertritt, dass die Begründung auch nach Ablauf der Monatsfrist nachgeschoben werden kann, beruht dies auf seiner Rechtsprechung, dass für die Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Grundsatz der Amtsermittlung gilt (Urteil vom 23. August 1957  9 RV 18/56, BSGE 6, 1). Diese Auffassung wiederum basiert auf dem von § 60 Abs. 2 VwGO und § 56 Abs. 2 FGO abweichenden Wortlaut des § 67 Abs. 2 SGG, wonach die Tatsachen zur Begründung des Antrags nur glaubhaft gemacht werden "sollen" (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 237, unter 2.).

22

dd) Soweit sich die Klägerin für ihre Auffassung auf die Vorschrift des § 269 AO beruft, ist bei deren Anwendung --im Gegensatz zur Vorschrift des § 110 AO-- nach § 88 Abs. 1 AO der Grundsatz der Amtsermittlung zu beachten, wenn auch den Antragsteller nach § 269 Abs. 2 Satz 3 AO gesteigerte Mitwirkungspflichten treffen (Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 269 AO Rz 8).

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 31. März 2015  3 K 562/15 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) durch Urteil vom 31. März 2015  3 K 562/15 zum größten Teil abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. Mai 2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Der Kläger hat am 8. Juni 2015 fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

2

Nachdem die Geschäftsstelle des Senates den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2015 (zugestellt am 20. Juli 2015) auf den Ablauf der Begründungsfrist am 7. Juli 2015 und § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen hatte, beantragte dieser mit Fax vom 3. August 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist.

3

Zur Begründung des Antrags trägt der Kläger unter Beifügung einer eidesstattlichen Versicherung der beim Prozessbevollmächtigten mit der Führung des Fristenkalenders, des Postein- und -ausgangs beauftragten Auszubildenden im zweiten Lehrjahr (Frau F) vor: Diese habe die Begründungsfrist sowohl im Fristenkalender als auch in der Akte vermerkt. Da in dieser Angelegenheit aber drei verschiedene Akten (Klage gegen Arrest, Lohnsteuerverfahren, Umsatzsteuerverfahren) bestünden und sie das gerichtliche Aktenzeichen nicht mit dem in der Akte vorhandenen gerichtlichen Aktenzeichen verglichen habe, sei die Frist zunächst in der falschen Akte eingetragen worden.

4

Der Prozessbevollmächtigte habe sie darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht zur Akte passe. Daraufhin habe sie das Urteil in eine andere --wiederum falsche-- Akte mit dem gleichen Aktenzeichen gelegt, die Fristen in der ersten Akte gestrichen und in der zweiten Akte eingetragen.

5

Nach dem Ausgang der Beschwerdeeinlegung am 8. Juni 2015 sei ihr die falsche Zugehörigkeit des Urteils zur Akte aufgefallen. Sie habe daraufhin das Urteil in die --nunmehr richtige-- Akte eingeordnet, ohne jedoch die Frist zur Begründung der Beschwerde in diese richtige Akte einzutragen. Die noch eingetragene Frist zur Beschwerdebegründung in der "falschen" Akte sei von ihr nach einem Posteingang gestrichen worden, da für sie kein Zusammenhang mehr zwischen den Schriftsätzen in dieser Akte und der Frist erkennbar gewesen sei. Daraufhin sei von ihr auch die Frist im Fristenkalender entgegen der Arbeitsanweisung gestrichen worden. Zum Streichen von Fristen sei sie nur bei versehentlichen Eintragungen befugt.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen. Der Kläger hat die Beschwerde zwar fristgerecht erhoben, aber nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

7

1. Nach § 116 Abs. 3 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils des FG zu begründen. Diese Voraussetzung hat der Kläger nicht erfüllt:

8

Das Urteil des FG wurde dem Kläger am 7. Mai 2015 mittels Zustellungsurkunde zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Beschwerde lief mit Ablauf des 7. Juli 2015 ab (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Der Kläger hat erst mit Schriftsatz vom 7. August 2015 und damit einen Monat nach Ablauf der Frist die Begründung der Beschwerde nachgereicht.

9

2. Die mit Schriftsatz vom 3. August 2015 beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.

10

a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden, auch einfache Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2014 II B 46/14, BFH/NV 2015, 49, sowie vom 9. Januar 2014 X R 14/13, BFH/NV 2014, 567). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung müssen innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist von einem Monat vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2015, 49, sowie vom 28. März 2014 IX B 115/13, BFH/NV 2014, 896). Sie müssen ferner bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

11

b) Wird --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, so muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt. Der Prozessbevollmächtigte muss alle Vorkehrungen getroffen haben, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und muss durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen haben (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom 24. Juni 2002 IX R 38/01, BFH/NV 2002, 1467, und vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440). Bei Bevollmächtigten, die die Rechts- und Steuerberatung berufsmäßig ausüben, ist die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese durch Vorlage des Fristenkontrollbuchs und des Postausgangsbuchs glaubhaft zu machen. Denn zu den in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln gehört bei Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung fristwahrender Schriftstücke in einem Postausgangsbuch und das Löschen einer Frist auf der Grundlage der Ausgangseintragung im Postausgangsbuch (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 X R 80/87, BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266, sowie BFH-Beschlüsse vom 5. November 1998 I R 90/97, BFH/NV 1999, 512, vom 13. November 1998 X R 31/97, BFH/NV 1999, 941, sowie vom 14. Dezember 2001 XI R 21/01, BFH/NV 2002, 657).

12

Bei einer Versendung durch die Post gehört zu einem zuverlässigen Kontrollsystem, dass zwischen dem Fristenkalender und dem Postausgangsbuch eine Übereinstimmung in der Weise sichergestellt wird, dass die Fristen im Kalender erst auf der Grundlage der Eintragungen im Postausgangsbuch gelöscht werden (BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 2004 VIII R 56/03, juris; vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, sowie in BFH/NV 1999, 512; BFH-Urteil in BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266, unter 2.a und b der Gründe, m.w.N.).

13

c) Diesen Maßstäben genügt der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht.

14

aa) Er erläutert --unter Beifügung von Kopien aus den Handakten und Fristenkalender-- zwar, dass die jeweilige Frist nach Bearbeitung von ihm in der Akte gestrichen wurde und von Frau F sodann im Fristenkalender zu streichen war, nachdem der Schriftsatz in die Postausgangsmappe gegeben und von Frau F gefaxt oder zum Postversand fertig kuvertiert wurde. Er hat aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass ein Postausgangsbuch geführt wurde oder eine dem vergleichbare Dokumentation des Postausgangs stattgefunden hat. Damit war nicht ausgeschlossen, dass Fristen im Fristenkalender nur auf der Grundlage von Eintragungen im Postausgangsbuch, sondern versehentlich gelöscht werden. Dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten ist auch nicht zu entnehmen, welche anderen Vorkehrungen er gegen versehentliche Löschungen von Fristen getroffen hat. Dieser Organisationsmangel ist kausal für die Fristversäumnis. Denn bei Führung eines Postausgangsbuchs und der Anweisung, Fristen nur auf der Grundlage einer Eintragung im Postausgangsbuch zu löschen, wäre es --mangels Eintragung im Postausgangsbuch-- nicht zu einer Löschung der Begründungsfrist gekommen.

15

bb) Hinzu kommt, dass die Begründungsfrist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehört (BFH-Beschlüsse vom 3. April 2013 V R 24/12, BFH/NV 2013, 970, und vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969 zur Revisionsbegründungsfrist). Der Prozessbevollmächtigte ist daher bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2013, 970, und in BFH/NV 2008, 969).

16

Der Prozessbevollmächtigte hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er dieser besonderen Prüfungs- und Überwachungspflicht nachgekommen ist. Dafür bestand vorliegend gesteigerter Anlass, weil der Bevollmächtigte mit der Fristüberwachung keine ausgebildete und bewährte Fachkraft betraut hat, sondern eine Auszubildende, die erst "seit über einem Jahr" bei ihm beschäftigt war. Selbst wenn sie sorgfältig ausgebildet wurde, gehörte sie nicht zu dem Kreis des Büropersonals, das aufgrund seiner Ausbildung und längerfristigen Erprobung die Überwachung von Beschwerdefristen eigenverantwortlich ausführen darf (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Oktober 1988 VII ZB 22/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1990, 151). Der Prozessbevollmächtigte hätte sich daher nicht auf regelmäßige Kontrollen beschränken dürfen, sondern durch kurzfristige und situative Kontrollen des Fristenkalenders dafür sorgen müssen, dass etwaige Fehler oder Versehen der Auszubildenden rechtzeitig erkannt worden wären. Dies war schließlich auch deshalb geboten, weil für den Mandanten unter einem Kanzleiaktenzeichen drei Akten und damit drei Verfahren geführt wurden, sodass Verwechselungen nicht nur abstrakt möglich, sondern dem Prozessbevollmächtigten bereits aufgefallen waren, als die Auszubildende das Urteil des FG der falschen Akte zugeordnet und die Frist dort eingetragen hatte.

17

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.