Finanzgericht München Urteil, 07. Dez. 2017 - 14 K 2162/15

bei uns veröffentlicht am07.12.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Unter Änderung des Abgabenbescheides vom 22. Januar 2015 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2015 wird der Zoll auf … € herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist die zolltarifliche Einreihung von Katzenkratzbäumen.

Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt Heimtierartikel. Am 03. Juli 2014 und am 15. Juli 2014 meldete sie – in beiden Fällen vertreten durch die Spedition A – u.a. aus China kommende Katzenkratzbäume mit den Artikelnummern (Art.Nr.) TM-… und SFC… jeweils unter der Codenr.: 4421 9097 900 der Kombinierten Nomenklatur (KN; Zollsatz: 0%) zur Überführung in den freien Verkehr an.

Bei dem Katzenkratzbaum mit der Art.Nr.: TM-… handelt es sich um eine dreistöckige, ca. 108 cm hohe Konstruktion, die noch nicht zusammengesetzt mit Montagematerial in einem Pappkarton verpackt verschickt wurde. Die Basis bildet eine fünfeckige, aus Holzspanplatten gefertigte Höhle mit einer runden Aussparung als Einstieg für eine Katze. Die Höhle bietet einer Katze ausreichend Raum, um sich hineinzulegen. Die Außenseiten der Höhle und die Oberseite des Bodens sind mit einfarbigem Plüschgewirke beklebt. Die Unterseite des Bodens und die Innenseiten sind nicht verkleidet. Auf zwei auf dem Dach der Höhle befestigten, ca. 40 cm hohen Pappsäulen, die mit Seilen aus Sisal (Titer über 20.000 dtex) umwickelt sind, liegt eine quadratische, komplett mit einfarbigen Plüschgewirke beklebte Holzspanplatte (Kantenlänge ca. 35 cm) mit rundem Innenausschnitt. Auf dieser ist eine weitere ca. 40 cm hohe, mit Sisalseilen umwickelte Pappsäule angebracht. Darauf befindet sich eine weitere quadratische Holzspanplatte (Kantenlänge ca. 27 cm), deren Oberseite mit einfarbigem Plüschgewirke beklebt ist.

Der Katzenkratzbaum mit der Art.Nr.: SFC… ist eine mehrstöckige, ca. 170 cm hohe Konstruktion, die ebenfalls noch nicht zusammengesetzt mit Montagematerial in einem Pappkarton verpackt war. Die als Boden dienende Holzspanplatte ist ca. 50 cm x 50 cm groß und auf der Oberseite mit Plüschgewirke beklebt. Insgesamt zehn unterschiedlich hohe Pappsäulen, die oben und unten mit Plüschgewirke beklebt und dazwischen mit Seilen aus Sisal (Titer über 20.000 dtex) umwickelt sind, verbinden drei jeweils auf der Oberseite mit Plüschgewirke beklebte Holzspanplatten, zwei fünfeckige, an vier Seiten mit einem ca. 7 cm hohen Rand versehene Liegeflächen aus Holzspanplatten, die ebenfalls mit Plüschgewirke überzogen sind, und eine runde Liegemulde aus Plüschgewirke, das an einem Ring aus unedlem Metall befestigt ist. Im ersten und im dritten Stock der Konstruktion befindet sich jeweils ein Hohlkörper, deren Böden und Dächer jeweils aus Holzspanplatten bestehen, die mit Plüschgewirke überzogen und durch Säulen aus Pappe, die ebenfalls mit Plüschgewirke beklebt sind, verbunden sind. Die Seitenteile bestehen aus Plüschgewirken und sind mit mehreren Einstiegsöffnungen versehen. Boden und erster Stock bzw. Dach des unteren Hohlraums und dritter Stock sind jeweils durch Trittbretter aus Holzspanplatte, die mit Plüschgewirke überzogen ist, verbunden. An drei Liegeflächen ist jeweils eine an einer Kordel hängende Spielzeugmaus befestigt.

Die Europäische Kommission hatte am 03. April 2014 die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 350/2014 (im Folgenden DVO Nr. 350/2014) zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (KN) erlassen. Danach ordnete sie den dort beschriebenen Katzenkratzbaum in die Codenr.: 6307 90 98 (Zollsatz: 6,3%) ein. Diese Verordnung wurde am 08. April 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl EU Nr. L 104/4) veröffentlicht und trat am 28. April 2014 in Kraft.

Das Zollamt Z beließ die am 03. bzw. 15. Juli 2014 überlassenen Waren in einer nichtabschließenden Festsetzung zunächst zollfrei (vgl. Abgabenbescheide vom 03. bzw. 15. Juli 2014), entnahm aber jeweils eine Warenprobe zur Überprüfung der Einreihung. Die folgende Untersuchung durch das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung ergab, dass sowohl die Katzenkratzbäume (Art.Nr.: TM-…) als auch die Katzenkratzbäume mit Liegefläche (Art.Nr.: SFC…) der Codenr.: 6307 9010 000 (Zollsatz: 12%) zuzuweisen seien.

Das beklagte Hauptzollamt (HZA) forderte daraufhin mit Abgabenbescheid vom 22. Januar 2015 insgesamt … € Zoll nach. Der hiergegen eingelegte Einspruch vom 06. Februar 2015 blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2015).

Ihre Klage vom 27. August 2015 begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die streitgegenständlichen Waren keiner der im Zolltarif explizit genannten Warengruppen entsprächen. Insbesondere handele es sich nicht um Spielzeug. Die Einreihung habe nach der (stofflichen) Beschaffenheit zu erfolgen. In Betracht kämen die Pos. 4421 („aus Holz“), Pos. 4823 („aus Pappe“), Pos. 5609 („aus Seilen aus Spinnstoffen“) und die Pos. 6307 („aus Plüschgewirken aus Spinnstoffen“). Nach Nr. 3 Buchst. b der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN (AV) richte sich die Einreihung nach dem charakterverleihenden Stoff, sofern dieser ermittelt werden könne. Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimme, sei je nach Art der Ware verschieden. Es könne sich z.B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben. Stelle man auf Menge, Gewicht, Umfang und Wert der Stoffe ab, ergebe sich ein eindeutiges Ergebnis: in Bezug auf das Gewicht und die Menge sei das Holz charakterbestimmend, in Bezug auf den Umfang gemessen an der Fläche könnten die Plüschgewirke oder das Holz charakterbestimmend sein und bezogen auf den Wertanteil das Sisal oder das Holz. Bereits aus diesen Merkmalen müsse sich zwingend eine Einreihung unter die Pos. 4421 („aus Holz“) oder – hilfsweise – unter die Pos. 5609 („aus Seilen aus Spinnstoffen“) ergeben. Davon abgesehen ergebe die Heranziehung des Merkmals „Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung“ nichts anderes. Entscheidend für die bestimmungsgemäße Verwendung sei letztlich allein die hohe Stabilität. Sie müsse mindestens mit einem natürlichen Baum vergleichbar sein. Auf instabilen Bäumen bewegten sich Katzen nicht bzw. nicht gern. Je stabiler der Baum sei, desto häufiger werde er genutzt. Die Stabilität hänge sowohl von der Dicke der Stämme als auch von der Qualität der Schraubverbindungen untereinander sowie von der Stabilität der Holzplattformverbindungen ab. Weil die Spinnstoffe keine Stabilität vermittelten, verleihe ausschließlich das Holz der Ware ihren wesentlichen Charakter. Die Pappe spiele zwar auch eine Rolle, stelle aber lediglich die Verbindung zwischen zwei Holzelementen her. Der Rohstoff Pappe sei nicht geeignet, dauerhaft die Stabilität zu gewährleisten. Erst die Ummantelung mit dem Sisalseil biete hier ausreichende Widerstandskraft, um der Nutzung durch das Haustier standzuhalten.

Denkbar wäre allenfalls, dass das Sisalseil charakterbestimmend sei. Denn dies diene den Katzen als Beschäftigung und Pflege. Dem Plüsch hingegen komme in Bezug auf die Verwendung nur eine ganz untergeordnete Bedeutung zu. Er habe nur optische Bedeutung. Die streitgegenständlichen Waren dienten in allererster Linie dazu, die Katzen davon abzuhalten, sonstige Möbel und Einrichtungsgegenstände der Tierhalter zu beanspruchen oder zu zerstören. Dafür brauche es eine stabile Konstruktion, die belast- und beanspruchbar sei, sich aber auch flexibel in Wohnung und Haus nutzen lasse. Dem Plüschgewirke komme demgegenüber nicht einmal ein funktioneller Charakter zu, weil der Schutz der Oberflächen und die Krallenpflege über die Sisalseile realisiert würden. Die Ruhefunktion sei nicht zentral. Letztlich lege sich die Katze dorthin, wo es ihr behage, ob Korb, Bett, Höhle, Matte, Plastik, Holzschrank oder einfach nur auf einem Pappkarton. In der Regel hätten die Tiere verschiedene Schlaf- und Ruheplätze, die sie im Laufe ihres Lebens wechselten und aufsuchten.

Im Streitfall müsse zunächst der Verwendungszweck der Ware bestimmt werden, um danach zu bewerten, welcher Stoff in Bezug auf die Verwendung charakterbestimmend sei. Die Ware diene entgegen der Auffassung des HZA nicht vorrangig als Ruhe Platz, sondern dazu, dass die Katze den Baum als Ort benutze, um ihre Krallen zu schleifen, ihr Revier zu markieren und um Schaden von Einrichtungsgegenständen des Tierhalters abzuhalten. Katzen verlangten naturgemäß nach stabilen Konstruktionen, die sich zur Pflege der Krallen, der Markierung und dem Ausüben reviertypischen Verhaltens durch Gegenstemmen mit den Vorderpfoten eigneten. Dass der Kratzbaum neben der Funktion der Beschäftigung, Pflege und des Markierens auch noch als Ruhe Platz genutzt werden könne, sei für die Tarifierung unerheblich. Dies zeige sich an einem einfachen Vergleich: Ein Kratzbaum ohne Plüschbezug wäre für eine Hauskatze hinreichend, ein Kratzbaum ohne Holz und Sisal dagegen würde dem Zweck einer artgerechten Haltung völlig zuwiderlaufen. Katzen verbrächten einen Großteil des Tages im Schlaf. Dabei bevorzugten sie warme Plätze zum Schlafen und nutzten jede sich anbietende Gelegenheit, sich einen Ruheort zu schaffen. Dabei hänge die Wahl des Schlafplatzes u.a. von den Temperaturverhältnissen und von individuellen Vorlieben ab. Es sei verfehlt, davon auszugehen, dass das Plüschgewirke den Katzen ein Mehr an Attraktivität biete. Suche der Halter einen Ruhe Platz für seine Katze, kaufe er keinen Katzenkratzbaum, sondern einen günstigeren Katzenkorb oder ein Katzenkissen. Es gebe auch eine Vielzahl von Katzenkratzbäumen ohne Plüschgewirke.

Für den Verwendungszweck eigneten sich insbesondere vertikal ausgerichtete Gegenstände. Solche seien ebenfalls auf holzbedingte Stabilität angewiesen. Das Plüschgewirke habe diesbezüglich keine Funktion. Eine an eine Wand geklebte Plüschmatte wäre innerhalb kürzester Zeit verschlissen und eher ein Risiko für Tapete/Vlies und/oder Putz.

Vergleiche man die Wertanteile der einzelnen Stoffe, zeige sich, dass mehr als 50% des Gesamtwertes auf Sisalseil und Holz entfielen. Das Plüschgewirke hingegen liege – bezogen auf den gesamten Baum – wertmäßig bei lediglich einem Sechstel.

Im Hinblick auf die DVO Nr. 350/2014 rege sie ein Vorabentscheidungsverfahren an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) an.

Die Klägerin beantragt,

den Abgabenbescheid vom 22. Januar 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2015 aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Einreihung eines Katzenkratzbaumes sei mit der DVO Nr. 350/2014 geregelt worden. Nach dieser DVO sei das Kriterium „Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung“ zur Ermittlung des charakterbestimmenden Stoffes heranzuziehen. Die Spinnstoffe (Gewebe aus Spinnstoff und Sisalschnur) seien wesentlich, um eine bestimmungsgemäße Verwendung der Ware zu ermöglichen, weil sie die Ware für Katzen attraktiv machten, z.B. zum Kratzen, Sitzen, Schlafen und Spielen. Die DVO könne analog angewendet werden. Der dort beschriebene Katzenkratzbaum sei zwar mit den in Rede stehenden Waren nicht identisch, aber zumindest ähnlich und mit diesen austauschbar. Nach der DVO sei das Kriterium „Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung“ ausschlaggebend. Raum für die Anwendung weiterer Kriterien bestehe nicht. Insbesondere sei das Merkmal der Stabilität in zolltariflicher Hinsicht unerheblich. Im Hinblick auf eine bestimmungsgemäße Verwendung seien die Plüschgewirke und die Seile aus Sisal gleichermaßen von erheblicher Bedeutung. Die Plüschgewirke böten der Katze einen bequemen, kuscheligen Platz zum Sitzen, Liegen und Schlafen. Die Seile aus Sisal machten die Ware für die Katze attraktiv, weil sie ihr als Beschäftigungsmöglichkeit, z.B. zum Klettern, Spielen oder zum Abwetzen der Krallen dienten. Beide Stoffe dienten dazu, die Katze von Möbeln fernzuhalten. Demgegenüber träten die nur als Unterlage dienenden Stoffe Holz und Pappe in den Hintergrund. Aufgrund der Gleichrangigkeit der Plüschgewirke und der Seile aus Sisal müssten weitere Kriterien zur Bestimmung des charakterbestimmenden Stoffes herangezogen werden. Der DVO folgend müsse bei den streitgegenständlichen Waren festgestellt werden, dass im Hinblick auf die Menge bzw. Fläche, die der Katze zur Beschäftigung bzw. zum Ruhen diene, das Gewirke im Vergleich zu den Seilen deutliche vorherrsche. Damit seien die Gewirke charakterbestimmend mit der Folge, dass die Ware in den Abschn. XI des Zolltarifs einzureihen sei. Die Waren seien durch Zusammenfügen konfektioniert. Gemäß Anm. 8 Buchst. a zu Abschn. XI und unter Beachtung des Warencharakters (keine Kleidung oder Bekleidungszubehör) komme lediglich eine Einreihung als konfektionierte Spinnstoffwaren in Kap. 63 in Betracht. Innerhalb des Kap. 63 seien die Waren der Pos. 6307 und dort der Unterpos. 6307 9010 zuzuweisen. Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass das Holz die Stabilität eines Kratzbaumes gewährleiste; jedoch werde diese Stabilität nicht ausschließlich durch das Holz herbeigeführt, sondern in hohem Maße auch durch die Pappe, aus der die Säulen hergestellt seien. In der anzuwendenden DVO Nr. 350/2014 sei deutlich formuliert, dass eine Einreihung nach Holz bzw. Pappe nicht möglich sei. Somit sei das Kriterium „Stabilität“ (zu Gunsten des Holzes oder der Pappe) in Anwendung der DVO für die Einreihung nicht relevant. Um den Kratzbaum zu markieren, reibe eine Katze z.B. ihren Kopf nicht ausschließlich an den Seilen aus Sisal, sondern auch an den Flächen, die mit Plüschgewirken überzogen seien. Bei der Würdigung der sog. Markierungsfunktion seien deshalb sowohl die Seile aus Sisal als auch die Plüschgewirke einzubeziehen. Dem Holz und der Pappe als Unterlage für Sisal bzw. Plüschgewirke komme nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der von den Katzen abgegebene Duftstoff werde nur auf die Sisalseile bzw. Plüschgewirke übertragen und auch nur von diesen Stoffen wieder abgegeben. Ein Kratzbaum biete viele Möglichkeiten zum Schlafen oder Ruhen. Durch das weiche und kuschelige Plüschgewirke entstehe ein von Katzen bevorzugter warmer Platz. Sie müsse also nicht auf Bett, Sofa oder Kleidung des Halters ausweichen.

Eine Vorlage an den EuGH sei nicht erforderlich, weil keine Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der DVO Nr. 350/2014 bestünden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 07. Dezember 2017 verwiesen.

II.

Die Klage ist teilweise begründet. Das HZA hat für die streitgegenständlichen Einfuhren zwar zu Recht Zoll nacherhoben; es hat dabei aber zu Unrecht einen Zollsatz von 12% angewandt. Auszugehen ist von einem Zollsatz von 5,8%.

1. Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 22. Januar 2015 ist Art. 220 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung – EWG – Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK). Danach hat eine Nacherhebung zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst worden ist. Dies war vorliegend der Fall, weil die Waren aufgrund einer unzutreffenden Tarifierung zunächst zollfrei belassen wurden, obwohl tatsächlich ein Zollsatz von 5,8% anzuwenden ist. Soweit das HZA – ausgehend von einem Zollsatz von 12% - höhere Abgaben nacherhoben hat, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

a) Grundlage des Zolltarifs der EU ist die KN in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABl EG L 256/1; im Folgenden: VO Nr. 2658/87).

Nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl EG L 28/16) geänderten Fassung veröffentlicht die Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der EU oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab dem 1. Januar des folgenden Jahres.

Die Klägerin hat die hier zu beurteilenden Waren im Juli 2014 eingeführt. Dementsprechend richtet sich die zolltarifliche Einreihung nach der KN in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1001/2013 der Kommission vom 04. Oktober 2013 zur Änderung von Anhang I der VO Nr. 2658/87 (ABl EU L 290/1).

b) Bei der Einreihung besteht keine Bindung an die von der Kommission erlassene DVO Nr. 350/2014. Diese Einreihungsverordnung ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Um die einheitliche Anwendung der KN in der Gemeinschaft sicherzustellen, kann die Kommission nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 2658/87 Verordnungen über die Einreihung einzelner Waren in die KN erlassen. Solche Einreihungsverordnungen haben nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH Normcharakter, da sie nicht für einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer gilt, sondern für die Gesamtheit der Waren, die mit der in der Verordnung beschriebenen Ware identisch sind (Urteil des Gerichtshof der Europäischen Union - EuGHvom 22. März 2017 C-435/15 und C-666/15, GROFA, ECLI:ECLI:EU:C:2017:232, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2017, 163).

Die von der Kommission erlassene DVO Nr. 350/2014 gilt seit dem 28. April 2014 – dem 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung am 08. April 2014 (vgl. Art. 3 der Verordnung) – und damit auch für die hier in Rede stehenden Einfuhren aus dem Juli 2014. Sie erfasst aber die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume nicht unmittelbar, weil diese nicht mit der in der Verordnung beschriebenen Ware identisch sind.

Der Senat hält die Unterschiede zwischen den streitgegenständlichen Waren und dem in der Einreihungsverordnung beschriebenen Katzenkratzbaum für so wesentlich, dass die DVO Nr. 350/2014 entgegen der Auffassung des HZA auch nicht entsprechend gilt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann eine Einreihungsverordnung entsprechend anzuwenden sein. Dazu müssen jedoch die einzureihenden und die in der Einreihungsverordnung bezeichneten Waren einander hinreichend ähnlich sein. Insoweit ist auch die Begründung dieser Verordnung zu berücksichtigen (EuGH in ZfZ 2017, 163).

Die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume sind – ebenso wie die in der DVO Nr. 350/2014 beschriebenen Kratzbäume – aufgrund ihrer objektiven Merkmale so gestaltet, dass sie „für Katzen attraktiv sind und diese von Möbeln fernhält, die anderenfalls von ihnen beansprucht und zerkratzt würden“. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die streitgegenständlichen Kratzbäume aus annähernd den gleichen Bauelementen gestaltet wie diejenigen, die Gegenstand der DVO Nr. 350/2014 waren. Sie bieten Liege- und Ruheflächen, Versteckmöglichkeiten und sind mit Sisalkratzsäulen ausgestattet.

Wesentliche Unterschiede bestehen aber in der Anzahl der sisalumwickelten Säulen und in der Art des verwendeten Spinnstoffes.

Während die in der DVO Nr. 350/2014 beschriebene Ware lediglich um eine einzige mit Sisalschnur umwickelte Säule verfügt, ist der hier zu beurteilende Katzenkratzbaum Art.Nr.: TM-… mit drei Säulen und der Katzenkratzbaum Art.Nr.: SFC… sogar mit zehn Säulen und zusätzlich mit Spielzeugmäusen ausgestattet. Bei der in der DVO beschriebenen Ware überwiegt die Anzahl der Ruheplätze deutlich mit 3:1. Beim Katzenkratzbaum Art.Nr.: TM-… dagegen ist das Verhältnis zwischen der Anzahl an Ruheplätzen und derjenigen an Kratzmöglichkeiten ausgeglichen; beim Katzenkratzbaum Art.Nr.: SFC… gibt es mehr Kratzsäulen als Ruheplätze. Anders als bei der in der DVO beschriebenen Ware ist bei den beiden hier zu beurteilenden Kratzbäumen ohne eine mathematische Berechnung nicht sofort augenfällig, dass die mit Plüschgewirke bedeckte Fläche größer ist als die mit Sisal bedeckte Fläche.

Neben dem Flächenverhältnis stellte die Art des verwendeten Spinnstoffs (Plüschgewebe) aus Sicht des Senats einen bestimmenden Gesichtspunkt bei der von der Europäischen Kommission vorgenommenen Einreihung in die Unterpos. 6307 9098 (Zollsatz: 6,3%) dar. Demgegenüber ist das im Streitfall verarbeitete Plüschgewirke von der Unterpos. 6307 9010 erfasst (Zollsatz: 12%). Das in der DVO Nr. 350/2014 normierte Einreihungsergebnis kann deshalb nicht auf die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume übertragen werden.

Wie die Vertreterin des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wendet die Zollverwaltung die DVO Nr. 350/2014 nicht auf alle im Handel erhältlichen Katzenkratzbäume entsprechend an, sondern lediglich auf solche, bei denen die mit Sisal bedeckte Fläche kleiner ist als die mit Plüsch bedeckte Fläche. Eine rasche und zutreffende Einreihung in den Tarif, ohne dass die mit der Einfuhr befasste Zollstelle eine im Einzelfall durchaus anspruchsvolle Flächenberechnung durchführen muss, ist damit nicht möglich. Weil zudem verschiedene Oberflächenmaterialien (Plüschgewebe, Plüschgewirke) verarbeitet werden, führt die Vorgehensweise des HZA auch nicht zu einem einheitlichen Einreihungsergebnis. Eine Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer, welche durch die entsprechende Anwendung einer Einreihungsverordnung gefördert werden soll (vgl. EuGH-Urteil in ZfZ 2017, 163), wird dadurch gerade nicht erreicht.

c) Die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume sind gemäß den AV 1 und 3 Buchst. b in die Pos. 5609 (Zollsatz: 5,8%) einzureihen, weil die Sisalseile der Ware ihren wesentlichen Charakter verleihen.

Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Bei der Einreihung von Waren in die KN gelten zudem die Allgemeinen Vorschriften. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen (ErlHS) und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (BFH-Urteil vom 21. Februar 2017 VII R 2/15, BFH/NV 2017, 1066 m.w.N.). Maßgebend für die Tarifierung ist der Zustand, in dem die Ware zur Zollabfertigung gestellt wird (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-208/06, Medion und Canon, ECLI:ECLI:EU:C:2007:553, BFH/NV 2008, Beilage 1, 52).

aa) Nach AV 1 sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die Allgemeinen Vorschriften.

Im Streitfall werden die gestellten Waren mit all ihren tariflich relevanten Merkmalen von keinem Positionswortlaut der KN erfasst. Nach AV 1 Satz 2 erfolgt die Einreihung deshalb unter Berücksichtigung der AV 2 bis 4. bb) Die aus einzelnen Bauteilen bestehenden streitgegenständlichen Katzenkratzbäume waren bei der Gestellung noch nicht zusammengesetzt. Die Einreihung erfolgt aber nach AV 2 Buchst. a Satz 2 wie bei einem fertig zusammengesetzten Katzenkratzbaum. Danach gilt jede Anführung einer Ware in einer Position auch für eine vollständige oder fertige Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt eingeführt wird.

cc) Eine Einreihung der Katzenkratzbäume nach deren Verwendungszweck kommt nicht in Betracht.

So ist insbesondere eine Einreihung als andere Möbel in die Pos. 9403 ausgeschlossen.

Da die Positionen, Unterpositionen und Anmerkungen des Kapitels 94 keine ausdrücklichen Bestimmungen enthalten, die diese Waren als solche qualifizieren oder sie im Gegenteil von Kapitel 94 ausschließen, sind die Erläuterungen zum Harmonisierten System und gegebenenfalls die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur heranzuziehen (EuGH-Urteil vom 07. Oktober 2004 C-379/02, Imexpo Trading, ECLI:ECLI:EU:C:2004:595, ZfZ 2004, 409).

Nach den ErlHs zu Kap. 94 Rz. 07.0 bedeutet der Ausdruck „Möbel“ verschiedene, nicht in einer Position der Nomenklatur mit genauerer Warenbezeichnung erfasste bewegliche Gegenstände, die auf den Boden gestellt werden und die vorwiegend als Gebrauchsgegenstände zur Ausstattung von Wohnungen, Hotels, Theatern, Kinos, Büros, Kirchen, Schulen, Cafés, Restaurants, Laboratorien, Krankenhäusern, Kliniken, Zahnbehandlungsräumen usw. dienen.

Nach den ErlHS zu Pos. 9403 Rz. 03.1 gehören zur Pos. 9403 Möbel für Wohnungen, Hotels usw., wie: Truhen, Wäschetruhen, Brot- oder Brennholztruhen, Kommoden, Ständer, Pflanzenständer, Ankleidetische, Frisiertische, Ziertischchen, Kleiderschränke, Wäscheschränke, Mantelständer, Schirmständer, Buffets, Ankleideschränke, Silberschränke, Speiseschränke, Nachttische, Bettgestelle (einschließlich Schrankbetten, Feldbetten, Klappbetten, Wiegen), Nähtische, Fußbänke und -schemel, auch mit Schaukelgestell, zum Auflegen der Füße, Ofenschirme, Wandschirme, Aschenbehälter auf Sockel, Notenschränke, Pulte, Kinderställchen, Servierwagen (für Vorspeisen, Likör usw.) auch mit Heizplatte.

Die aufgeführten Beispiele lassen den Schluss zu, dass Möbel i.S.d. Zolltarifs Einrichtungsgegenstände sind, die im weitesten Sinne der Aufbewahrung oder Aufnahme von Gegenständen, dem Sitzen oder Liegen von Menschen oder als Unterlagen von menschlichen Tätigkeiten dienen. Gegenstände zur Unterbringung oder Beschäftigung von Tieren oder ähnlichen auf Tiere bezogene Zwecke sind hier nicht genannt. Obwohl Katzenkratzbäume im Regelfall der Ausstattung von Wohnräumen dienen, scheidet eine Einreihung der ausschließlich für Katzen bestimmten Waren als Möbel der Pos. 9403 aus.

Auch eine Einreihung als anderes Spielzeug in die Pos. 9503 kommt nicht in Betracht, weil die Katzenkratzbäume ausschließlich für Tiere bestimmt sind und solche Waren nach der Anm. 5 zu Kap. 95 nicht zur Pos. 9503 gehören.

dd) Die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume sind folglich nach dem Stoff einzureihen, aus dem sie bestehen. Weil es sich dabei um mehrere einreihungsrelevante Stoffe (Holz, Pappe und Spinnstoffe) handelt, kommt AV 2 Buchst. b Satz 2 zur Anwendung.

Danach gilt jede Anführung von Waren aus einem bestimmten Stoff für Waren, die ganz oder teilweise aus diesem Stoff bestehen. Die Ware ist also so zu behandeln, als bestünde sie vollständig aus dem angeführten Stoff.

Ausgehend davon kommen die Pos. 4421 (andere Waren aus Holz), Pos. 4823 (andere Waren aus Pappe), Pos. 5609 (Waren aus Seilen oder Tauen anderweit weder genannt noch innbegriffen) und Pos. 6307 (andere konfektionierte Waren) in Betracht. Denn das Plüschgewirke ist durch Kleben zusammengefügt und daher eine konfektionierte Ware i.S.d. Anm. 7 Buchst. f zu Abschn. XI.

ee) Die Positionskonkurrenz ist über die AV 3 Buchst. b aufzulösen.

(1) Eine Anwendung der AV 3 Buchst. a scheidet aus. Denn nach deren Satz 2 werden zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede – wie hier – nur auf einen Teil der in einer zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe bezieht, als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält und deshalb nach AV Buchst. a Satz 1 grundsätzlich vorginge.

(2) Nach AV 3 Buchst. b werden Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

Das Merkmal, das den Charakter einer Ware bestimmt, ist je nach Art der Ware verschieden Es kann sich allgemein z.B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben (vgl. ErlHS AV 3 Rz. 19.1; EuGH-Urteil vom 15. November 2012 C-558/11, Kurcums Metal, ECLI:ECLI:EU:C:2012:721, ZfZ 2013, 41). Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend.

Um den charakterbestimmenden Stoff einer Ware festzustellen, ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ferner zu prüfen, ob die Ware auch ohne den einen oder den anderen ihrer Bestandteile ihre charakteristischen Eigenschaften behalten würde (EuGH-Urteile in ZfZ 2013, 41; vom 18. Juni 2009 C-173/08, Kloosterboer Services, ECLI:ECLI:EU:C:2009:382, ZfZ 2009, 189; vom 07. Februar 2002 C-276/00, Turbon International, ECLI:ECLI:EU:C:2002:88, ZfZ 2002, 125; vom 10. Mai 2001 C-288/99, Vaude Sport, ECLI:ECLI:EU:C:2001:262, ZfZ 2001, 266 und vom 21. Juni 1988 C-253/87, Sportex, ECLI:ECLI:EU:C:1988:333, ZfZ 1988, 269).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestimmen die Sisalseile den Charakter der streitgegenständlichen Waren. Denn nach den – vom HZA unbestrittenen – Angaben der Klägerin zu den Wertverhältnissen haben die Sisalseile nicht nur den höchsten Anteil am Gesamtwert der Ware, ihnen kommt auch die entscheidende Bedeutung für die bestimmungsgemäße Verwendung der Ware zu.

Katzenkratzbäume dienen vor allem dem Schutz der Einrichtung, von der die Katze ferngehalten werden soll. Anders als bei den im Handel erhältlichen Kratzbrettern wird dem Tier aber nicht nur eine Möglichkeit zum Kratzen angeboten, vielmehr werden unterschiedliche Bedürfnisse des Tieres wie Beschäftigung, Pflege, Markieren und Ruhe angesprochen. Durch das Aufstellen solcher Kratzbäume soll insbesondere Wohnungskatzen ermöglicht werden, sich arttypisch zu verhalten.

Die streitgegenständlichen Katzenkratzbäume sind dementsprechend multifunktional gestaltet. Sie sollen nicht nur zum Kratzen, sondern auch zum Klettern, Anspringen und Spielen anregen. Die horizontalen Flächen und Höhlen der Katzenkratzbäume dienen als Sitz-, Liegebzw. Schlaf Platz und als Rückzugsort. Die erhöhten Liegeplätze können außerdem als Beobachtungsposten genutzt werden. Schließlich bietet der Kratzbaum der Katze auch die Möglichkeit, ihren eigenen Geruch auszusenden, indem sie z.B. die Duftdrüsen an Kopf, Rücken, Schwanz oder Fußballen daran reibt.

Angesichts der Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten, die ein Katzenkratzbaum bietet, sind alle verarbeiteten Stoffe nützlich oder sogar notwendig, um die Ware bestimmungsgemäß zu verwenden. Dennoch sind die verwendeten Stoffe nicht gleichermaßen von Bedeutung. Vielmehr verleihen die sisalumwickelten Kratzsäulen der Ware ihren wesentlichen Charakter.

Zunächst ist festzustellen, dass die Kratzsäulen Bestandteil der Warenbezeichnung und bei den meisten im Handel erhältlichen Ausführungen vorhanden sind. Würde man sich die Sisalseile wegdenken, ginge der wesentliche Zweck des Kratzbaumes, der Katze die Pflege ihrer Krallen zu ermöglichen, um sie von Möbeln und Wänden fernzuhalten, verloren.

Sisal ist ausreichend widerstandsfähig, um zumindest für eine gewisse Dauer der starken Beanspruchung durch Katzenkrallen standzuhalten. Außerdem kommen die Naturfasern den im Freien vorkommenden Materialien wie Rinde und anderen Pflanzenfasern nahe. Anders als bei anderen Materialien besteht auch nicht die Gefahr, dass die Katze mit ihren Krallen hängen bleibt.

Ohne die Sisalsäulen verliert der Kratzbaum eine seiner wesentlichen charakteristischen Eigenschaften. Dagegen kommt dem verarbeiteten Bezugsmaterial nur eine untergeordnete Bedeutung zu.

Farbe, Muster und Art des verwendeten Bezugsmaterials spielen zwar insoweit eine Rolle, als der meist an zentraler Stelle in der Wohnung aufgestellte Katzenkratzbaum allein wegen seiner Größe auffällig ist und deshalb u.a. dekorativen Ansprüchen genügen muss. Für die im Rahmen der Verwendung entscheidende Krallenpflege dagegen ist Plüsch ungeeignet, weil es nicht ausreichend widerstandsfähig ist und die Gefahr besteht, dass die Katze mit den Krallen hängen bleibt. Soweit die Katze den Kratzbaum dazu benutzt, ihren Geruch zu hinterlassen, hat der Plüsch ebenfalls keine Bedeutung. Denn Katzen nutzen nicht nur Objekte jeglicher Art wie z.B. Möbel, Wände und Teppiche, sondern auch Menschen und Artgenossen, um sich daran zu reiben. Die Beschaffenheit der Oberfläche spielt dabei offensichtlich keine Rolle.

Dem HZA ist zwar darin zuzustimmen, dass Katzenhalter, die sich für einen Kratzbaum entscheiden, nicht allein die Möglichkeit zur Krallenpflege bieten wollen, sondern auch Wert auf behagliche Liegeplätze legen und die meisten im Handel erhältlichen Katzenkratzbäume nicht ohne Grund in einem erheblichen Umfang mit Plüsch bezogen sind. Tatsächlich scheinen weiche und wärmende Liegeflächen für Katzen attraktiver zu sein als glatte und kühle Oberflächen; ob aber ein Gegenstand als Sitz-, Liegebzw. Schlaf Platz und/oder als Rückzugsort angenommen wird, ist u.a. vom Standort des Gegenstandes, den dort vorherrschenden Temperaturverhältnissen und den individuellen Vorlieben des Tieres abhängig. Welche Bedeutung dabei die Art, die Struktur oder der Geruch des Bezugsmaterials hat, lässt sich deshalb nicht allgemein beantworten.

Unabhängig davon will zwar jeder Katzenhalter durch Krallen verursachte Schäden an seinen Möbeln oder Wänden vermeiden, er wird die Katze aber durch das Aufstellen eines Katzenkratzbaumes nicht davon abhalten, sich zusätzlich zu den dort angebotenen Liegeflächen weitere Ruhe- und Schlafplätze in der Wohnung zu suchen.

Anders als bei der in der DVO Nr. 350/2014 beschriebenen Ware kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das Bezugsmaterial den Katzen eine größere Vielfalt an Aktivitäten bietet. Denn im Streitfall ist das Verhältnis zwischen der mit Plüschgewirke bedeckten Fläche und der mit Sisal bedeckten Fläche ausgewogener als bei der in der DVO Nr. 350/2014 beschriebenen Ware. Beim Katzenkratzbaum Art.Nr.: TM-… sind genauso viele Kratzmöglichkeiten wie Ruheplätze vorhanden; beim Katzenkratzbaum Art.Nr.: SFC… gibt es sogar mehr Kratzsäulen als Ruheplätze.

Auch dem Holz und der Pappe kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass das Gewicht der kletternden, springenden oder kratzenden Katze eine hohe Standfestigkeit der Ware erfordert, die bei den streitgegenständlichen Waren durch das verwendete Holz und die damit verschraubten Pappsäulen gewährleistet ist.

Gegen das Holz bzw. die Pappe als charakterbestimmenden Stoff spricht jedoch, dass diese Elemente bei den streitgegenständlichen Ausführungen nicht sichtbar sind, weil sämtliche Oberflächen mit Plüschgewirke überzogen bzw. mit Sisalseilen umwickelt sind. Die Konstruktion aus Holz und Pappe hat lediglich dienende Funktion. Sie bildet den Korpus, der eine ausreichende Stabilität gewährleistet. Die Stabilität ist aber nur eine von mehreren Eigenschaften, die ein Katzenkratzbaum aufweisen muss.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Wahrung der Rechtseinheit zugelassen. Nach Kenntnis des Senats sind mehrere gleichgelagerte Fälle bei anderen Finanzgerichten anhängig.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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Bundesfinanzhof Urteil, 21. Feb. 2017 - VII R 2/15

bei uns veröffentlicht am 21.02.2017

Tenor Auf die Revision des Hauptzollamts wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 04.12.2014  14 K 2827/11 aufgehoben, soweit das Hauptzollamt verpflichtet wurde, die Einfuhrabgabenbescheide
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Bundesfinanzhof Urteil, 18. Sept. 2018 - VII R 3/18

bei uns veröffentlicht am 18.09.2018

Tenor Die Revision des Hauptzollamts und die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 7. Dezember 2017  14 K 2162/15 werden als unbegründet zurückgewiesen.

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Tenor

Auf die Revision des Hauptzollamts wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 04.12.2014  14 K 2827/11 aufgehoben, soweit das Hauptzollamt verpflichtet wurde, die Einfuhrabgabenbescheide unter Einreihung der Waren gemäß Nrn. 73 bis 75, 14 und 117 der Warenaufstellung in die Unterpos. 8541 40 10 der Kombinierten Nomenklatur zu ändern.

Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte in den Jahren 2007 bis 2009 verschiedene Leuchtdiodenmodelle in das Zollgebiet der Union ein. Sie meldete die Waren bei der Abfertigung zum freien Verkehr überwiegend als "Leuchtdioden" mit der Codenr. 8541 40 10 00 0 der Kombinierten Nomenklatur (KN) an (Zollsatz frei).

2

Im Rahmen einer Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) zu dem Ergebnis, die eingeführten Waren seien als "Beleuchtungskörper" in die Pos. 9405 KN einzureihen. Lediglich für Leuchtdioden als einzelne Bauelemente sei die Unterpos. 8541 40 10 KN zutreffend. Das HZA erhob Zoll und Einfuhrumsatzsteuer nach. Die Nacherhebung betraf u.a. die hier noch streitgegenständlichen Waren mit den Nrn. 14, 73 bis 75 und 117 aus der Warenaufstellung, die Grundlage des finanzgerichtlichen Verfahrens war.

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte (u.a.) hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Waren Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) stellte fest, das Modell mit der Nr. 73 verfüge über zwei Chips mit lichtemittierenden Dioden (LED), sog. LED-Chips, in jeweils einem Kunststoffgehäuse, montiert auf einer Metallkernplatine (gedruckte Schaltung). Die verschiedenen Bestandteile seien praktisch nicht voneinander trennbar. Das Modell der Nr. 73 sei vergleichbar mit den Modellen der Nrn. 74 und 75.

5

Die Modelle der Nrn. 14 und 117 verfügten über sieben Aluminiumringe, montiert auf einer Aluminiumplatte, in denen LED in Chipform enthalten seien. Es bestehe eine untrennbare Einheit mit der Aluminiumplatte. Die LED verfügten über Schutzdioden und Linsen.

6

Das FG urteilte, die Waren mit den Nrn. 14, 73 bis 75 und 117 der Warenaufstellung seien unter Berücksichtigung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1037/2014 (VO Nr. 1037/2014) der Kommission vom 25. September 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 287/9) in die Unterpos. 8541 40 10 KN einzureihen.

7

Der VO Nr. 1037/2014 komme eine Indizwirkung zu. Die Einreihungsverordnung weise Waren der Unterpos. 8541 40 10 KN zu, die über mehrere miteinander verschaltete LED-Chips verfügten oder bei denen die LED mit weiteren Bauelementen wie Zener-Dioden, Kühlkörpern oder Gehäusen verbunden seien. Sie stelle entscheidend auf die insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht praktisch untrennbare Verbindung der verschiedenen Bauteile ab. Auch seien nach der Verordnung einzelne Bestandteile wie Schutzdioden und Kühlkörper in zolltariflicher Hinsicht nicht ausschlaggebend, wenn diese die Merkmale und Eigenschaften der jeweiligen Ware als Leuchtdiode der Pos. 8541 KN grundsätzlich nicht veränderten.

8

Die streitgegenständlichen Waren seien durch die praktisch untrennbare Verbindung der verschiedenen Bestandteile gekennzeichnet. Zudem veränderten bei den Waren mit den Nrn. 14 und 117 die vorhandenen Schutzdioden nicht die Merkmale und Eigenschaften der Leuchtdioden; sie stünden somit einer Einreihung in Pos. 8541 KN nicht entgegen.

9

Zur Begründung der Revision trägt das HZA vor, die streitgegenständlichen Waren unterschieden sich erheblich von den in der VO Nr. 1037/2014 beschriebenen Waren.

10

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit diese das HZA verpflichtet, die Einfuhrabgabenbescheide unter Einreihung der Waren gemäß Nrn. 73 bis 75, 14 und 117 der Warenaufstellung in die Unterpos. 8541 40 10 KN zu ändern, und die Klage insoweit abzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

13

1. Die Einreihung der streitgegenständlichen Waren in die Unterpos. 8541 40 10 KN unter Heranziehung der in der VO Nr. 1037/2014 genannten Einreihungskriterien hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

14

Für die zolltarifliche Einreihung der Waren des Streitfalls ist die VO Nr. 1037/2014 ohne rechtliche Bedeutung, weil sie erst nach der Einfuhr der Waren des Streitfalls in Kraft getreten ist (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2011 VII R 20/07, BFHE 233, 561, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2011, 177) und im Übrigen andere Waren betrifft. Anders als das FG meint, kommt der VO Nr. 1037/2014 auch keine Indizwirkung (vgl. insoweit Senatsurteil in BFHE 233, 561, ZfZ 2011, 177) für die Tarifentscheidung des Streitfalls zu, weil das ihr zu entnehmende Einreihungskriterium der Verbundenheit der Warenbestandteile "auf praktisch untrennbare Weise", welches das FG für die Tarifierung der streitgegenständlichen Waren übernommen hat, keine Stütze in den die Pos. 8541 KN betreffenden zolltariflichen Vorschriften findet und die Kommission mit diesem Einreihungskriterium in unzulässiger Weise in die Struktur des Harmonisierten Systems eingreift.

15

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (EuGH-Urteile Kip Europe vom 11. Dezember 2008 C-362/07, EU:C:2008:710, ZfZ 2009, 46, 139, und Roeckl Sporthandschuhe vom 29. April 2010 C-123/09, EU:C:2010:237, ZfZ 2010, 190). Bei der Einreihung von Waren in die KN gelten zudem die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV). Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen (ErlHS) und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (vgl. EuGH-Urteile TNT Freight Management vom 12. Juli 2012 C-291/11, EU:C:2012:459, Rz 30 ff., ZfZ 2012, 332, und Metherma vom 27. November 2008 C-403/07, EU:C:2008:657, ZfZ 2009, 15, 16, sowie Senatsurteile vom 5. Mai 2015 VII R 10/13, BFH/NV 2015, 1449; vom 30. März 2010 VII R 35/09, BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74, Rz 7, und vom 4. November 2003 VII R 58/02, BFHE 204, 375, 377, ZfZ 2004, 165, m.w.N.).

16

Nach den danach maßgebenden objektiven Beschaffenheitsmerkmalen, wie sie vom FG festgestellt worden sind, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Waren nicht um Leuchtdioden, sondern um Waren, die neben anderen Bestandteilen auch Leuchtdioden enthalten. Es handelt sich also um aus mehr als einem Stoff bestehende Waren i.S. der AV 2 Buchst. b Satz 3, die nach den Grundsätzen der AV 3 einzureihen sind.

17

Eine Einreihung nach der genaueren Warenbezeichnung der Position gemäß der AV 3 Buchst. a Satz 1 kommt nicht in Betracht, weil nach AV 3 Buchst. a Satz 2 zwei oder mehr Positionen, von denen sich --wie im Streitfall-- jede nur auf einen in einer zusammengesetzten Ware enthaltenen Teil bezieht, im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet werden (vgl. hierzu Lux in Dorsch, Zollrecht, A 4, VO KN, App. 1: Kombinierte Nomenklatur --Einf.-- Rz 52, 55).

18

Die Konkurrenz der hinsichtlich der verschiedenen Warenbestandteile in Betracht kommenden Positionen ist somit gemäß der AV 3 Buchst. b aufzulösen, der zufolge Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

19

Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche Würdigung auf der Grundlage der festgestellten objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware (vgl. Senatsurteil vom 7. August 2013 VII R 32/12, BFH/NV 2013, 1954, ZfZ 2014, 72), die das FG ausgehend von seinem Maßstab der praktischen Untrennbarkeit der Warenbestandteile nicht vorgenommen hat und die im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird. Dabei wird als ein wichtiges Erkenntnismittel die ErlHS zu AV 3 Buchst. b Rz 19.1 zu berücksichtigen sein, der zufolge sich das charakterbestimmende Merkmal einer Ware aus der Art und Beschaffenheit der Bestandteile, aus ihrem Umfang, Menge, Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung für die Verwendung der Ware sowie auch aus dem Erscheinungsbild der Ware ergeben kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 VII R 8/06, BFH/NV 2007, 1368, ZfZ 2007, 192).

20

3. Das EuGH-Urteil Lemnis Lighting vom 8. Dezember 2016 C-600/15 (EU:C:2016:937, ZfZ 2017, 13) steht nicht entgegen. Der EuGH hat darin zum einen bestätigt, dass Leuchtdioden, die mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügt sind, nicht vom Wortlaut der Pos. 8541 KN erfasst werden (Rz 45 des EuGH-Urteils). Zum anderen schließt das EuGH-Urteil (das die AV unerwähnt lässt) nicht aus, dass mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügte Leuchtdioden gleichwohl nach der AV 3 Buchst. b in die Pos. 8541 KN eingereiht werden können.

21

Soweit der EuGH im Urteil in EU:C:2016:937, ZfZ 2017, 13, a.a.O. ausführt, die dort streitigen LED-Lampen bestünden neben Leuchtdioden auch aus zahlreichen anderen Komponenten, die für ihre Funktion erforderlich sind, oder im Urteil vom 2. Oktober 2008 C-411/07 (EU:C:2008:533, ZfZ 2008, 302), die Einfügung einer Verstärkerschaltung sei unschädlich, wenn sie die Merkmale und Eigenschaften des Optokopplers nicht wesentlich ändere, besteht kein Anlass anzunehmen, der EuGH habe seine ständige Rechtsprechung ändern wollen, wonach auf den Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN, die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und, soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, die AV abzustellen ist. Gleiches gilt für das EuGH-Urteil Rohm Semiconductor vom 20. November 2014 C-666/13 (EU:C:2014:2388, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2015, 94).

22

4. Sollte die Würdigung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der streitigen Waren gemäß AV 3 Buchst. b ergeben, dass sie in die Pos. 8541 KN einzureihen sind, käme dieser Position nach Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 94 KN Vorrang vor der Pos. 9405 KN zu.

23

5. Ließen sich die streitigen Waren nicht in die Pos. 8541 KN einreihen, wäre zu prüfen, ob sie eine eigene Funktion i.S. der Pos. 8543 KN haben (vgl. EuGH-Urteile in EU:C:2014:2388, HFR 2015, 94, und in EU:C:2016:937, ZfZ 2017, 13). Die Einreihung in diese Position schlösse nach Anm. 1 Buchst. f zu Kap. 94 KN ebenfalls die Pos. 9405 KN aus.

24

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.