| |
| Streitig ist, ob der Kläger (Kl) aufgrund assoziationsrechtlicher Bestimmungen das Kindergeld für seine in der Türkei lebenden Kinder in voller Höhe beanspruchen kann. |
|
| Der Kl und seine Familie sind türkischer Abstammung. Die drei Töchter wurden in Deutschland geboren, A. am ...1989 und die Zwillinge B. und C. am ...1991. |
|
| Der Kl ist Arbeiter und betreibt daneben seit 1994 ein Taxiunternehmen. Er wird zusammen mit seiner 1964 geborenen Ehefrau X. zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Die nach der Splittingtabelle endgültig festgesetzte ESt-Schuld belief sich 1999 auf 1.225,- EUR, 2000 auf 4.281,- EUR, 2001 auf 3.758,- EUR, 2002 auf 1.734,- EUR und 2003 auf 822,- EUR. Kinderfreibeträge wurden nur in den Jahren 2000 und 2001 und zwar in Höhe von jeweils insgesamt 5.080,- EUR (9.936,- DM) berücksichtigt. |
|
| Dem Kl, seiner Ehefrau und den drei Töchtern wurde im Sommer 1997 (Ausstellungsdatum des Personalausweises ...1997) die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen. Von dem Urlaub in der Türkei im Sommer 1998 kehrte nur der Kl in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Für seine Familie mietete er in Ankara eine große Wohnung an. Er selbst lebte abwechselnd drei Monate in Deutschland und drei Monate in der Türkei. Der Kl gab daher die bisherige Wohnung auf und mietete im Herbst 1998 in -Y- eine wesentlich kleinere Wohnung mit nur noch 1 1/2 Zimmern an. |
|
| Die Töchter besuchten mit Beginn des Schuljahres im September 1998 in der Türkei die Schule. Die Zwillinge B. und C. wurden dort eingeschult und die älteste Tochter A. wieder von der deutschen Grundschule genommen. Während der türkischen Sommerferien hielten sie sich in den Jahren 2000 und 2001 in Deutschland auf und besuchten in -Y- von Ende Juni bis Ende Juli eine deutsche Schule. Sie konnten während ihres Aufenthalts die Wohnung eines türkischen Bekannten des Kl nutzen, der sich während dieser Zeit im Heimaturlaub befand. |
|
| Seit August 2003 lebt die Familie wieder in Deutschland und die Töchter gehen hier zur Schule. |
|
| Der Kl stellte am 08.10.1998 einen Antrag auf Kindergeld für die drei Töchter. Der Beklagte (Bekl) setzte hierauf mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.04.1999 Kindergeld in Höhe von 95,- DM (10,- DM, 25,- DM, 60,- DM) fest. Am 07.03 und 20.06.2001 reichte der Kl erneut einen Antrag auf Kindergeld ein. |
|
|
|
| Der Kl ließ rechtzeitig „Widerspruch“ einlegen und vortragen, Kinder, die sich vorübergehend zu Ausbildungszwecken im Ausland aufhielten, hätten in der Regel weiterhin ihren Wohnsitz bei den Eltern. Der auswärtige Aufenthalt sei durch den Zweck, die Schulausbildung abzuschließen, zeitlich begrenzt und lasse daher nicht den Schluss zu, dass die Verbindung zu den Eltern unterbrochen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) behielten sogar studierende Kinder ihren Wohnsitz in der Wohnung der Eltern bei, sofern sie diese in den ausbildungsfreien Zeiten nutzten. Dies sei jeweils während der Sommerferien in der Türkei vom 15.06. bis 15.09. der Fall gewesen. |
|
| Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2002 führte der Bekl aus, ein Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt der Kinder liege in Deutschland nicht vor. Sie befänden sich seit 1998 in der Türkei in Schulausbildung und hielten sich nur in den Ferien in Deutschland auf. Hier stehe ihnen jedoch kein Wohnraum zur Verfügung. Vielmehr wohnten sie während ihres Aufenthalts bei Bekannten der Familie. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe daher nur nach den Sätzen des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit. |
|
| Der Kl erhob fristgerecht Klage und trägt ergänzend vor, in der Europäischen Union (EU) tätigen türkischen Arbeitnehmern stehe wie Angehörigen der Mitgliedsstaaten der EU das Kindergeld in voller Höhe auch dann zu, wenn sich die Kinder in der Türkei aufhielten. Dies ergebe sich aus dem europäisch-türkischen Assoziationsrecht. |
|
| Aus den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Art. 37 des Zusatzprotokolls vom 23.11.1970 zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei vom 12.09.1963 (Assoziierungsabkommen EWG-Türkei) und Art. 10 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.09.1980 (ARB Nr. 1/80) folge ein gemeinschaftsrechtlicher Anspruch auf gleiche Arbeitsbedingungen. Hierzu gehöre schon nach dem Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 15.01.1986 Rs. 41/84 - Pinar I - auch das Kindergeld. Der EuGH ordne auch das Erziehungsgeld dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu. Hinzu komme, dass ebenso steuerliche Vergünstigungen zum Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt gehörten. |
|
| Die nach Art. 48 ff. (jetzt Art. 39 ff.) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft geltenden Grundsätze seien nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH soweit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer zu übertragen. Die Anwendung des Diskriminierungsverbots des Art. 48 (jetzt Art. 39) EG-Vertrag fordere jedoch die Einbeziehung der im Ausland lebenden Kinder von Freizügigkeitsberechtigten in die Kindergeldberechnung. Würden in der Türkei wohnende Kinder allein aufgrund ihres Wohnortes vom Bezug von Kindergeld ausgeschlossen, handele es sich um den klassischen Fall der verschleierten mittelbaren Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit. Der EuGH habe jedoch mehrfach das Verbot der Diskriminierung der türkischen Staatsangehörigen bestätigt. |
|
| Der Kl ist der Ansicht, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führe nicht zum Verlust der aus dem Assoziationsrecht folgenden Rechtsstellung. Eine Einbürgerung hindere nach dem EuGH-Urteil vom 23.02.1990 C-419/92 - Scholz - nicht die Anwendung des Diskriminierungsverbots auf die Arbeitsbedingungen. Die aus dem ARB Nr. 1/80 folgenden Rechte könnten sich vom Stammberechtigten lösen. Würden Unionsbürger Inländer, blieben die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen auch unverändert bestehen. Das EuGH-Urteil vom 11.11.1999 C-179/98 - Fatnah Mesbah - sei nicht anwendbar. Der Urteilsfall betreffe keine Beitrittsassoziation. Das Kooperationsabkommen EWG-Marokko weise in Wortlaut, Gegenstand und Zweck wesentliche Unterschiede auf. Es sei deshalb nicht gerechtfertigt, eingebürgerte Arbeitnehmer mit ehemals türkischer Staatsangehörigkeit von der Anwendung des Art. 37 des Zusatzprotokolls auszunehmen. |
|
| Der Kl meint, die Veranlagung zur ESt habe keinen Vorrang. Dieser sei nur in den Fällen gegeben, in denen eine Verletzung des Existenzminimums der Kinder geltend gemacht werde. Der Vorrang greife daher dann nicht ein, wenn aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ein gesetzlicher Anspruch auf ein höheres Kindergeld bestehe. |
|
| Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Kl verweist der Senat insbesondere im Hinblick auf die angeführte umfangreiche Rechtsprechung des EuGH auf die Schriftsätze vom 21.01.2003, 27.03., 31.05. und 20.06.2007. |
|
| Der Kl beantragt sinngemäß, den Bekl unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2002 und des Ablehnungsbescheids vom 24.08.2001 zu verpflichten, für den Zeitraum Mai 1999 bis Juli 2003 Kindergeld in Höhe der Beträge des § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzusetzen. |
|
| Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen. |
|
| Der Bekl führt unter Verweis auf die ergangene Einspruchsentscheidung aus, da die Kinder des Kl im streitbefangenen Zeitraum weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten, könne das Kindergeld auch nur in Höhe der in Art. 33 Abs. 1 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit festgelegten Sätze gezahlt werden. |
|
| Vor dem Berichterstatter fanden am 26.03. und 20.06.2007 Erörterungstermine statt, hinsichtlich deren Ergebnisse auf die Niederschriften (Bl. 56 ff. und Bl. 116 ff. der FG-Akte) verwiesen wird. |
|
| Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. |
|