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Der Kläger ist Notar im Dienste des Landes Baden-Württemberg. Davon unterrichtete er den Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2005. Zugleich teilte er ihm mit, nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Umsatzsteuergesetz 2005 (UStG) gelte unter anderem die Tätigkeit der Notare im Landesdienst als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, und zwar bisher unstreitig des Landes Baden-Württemberg, im Sinne des Gesetzes. Seit der Einführung der Umsatzsteuerpflicht auch für die Tätigkeit der Notare im Landesdienst war und sei bis heute das Land Baden-Württemberg Umsatzsteuerschuldner gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG. Aufgrund einer zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Änderung des Landesjustizkostengesetzes Baden-Württemberg (LJKG) würden die Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit als Notar im Landesdienst zwar weiterhin zur Staatskasse erhoben (§ 10 Abs. 1 LJKG). Das Land erkläre ihn jedoch gleichzeitig zum Gebührengläubiger (§ 10 Abs. 2 Satz 1 LJKG). Das bedeute, dass er die Rechnung für seine Tätigkeit im eigenen Namen erstellen und versenden müsse und die eingehenden Beträge auf einem von ihm einzurichtenden Dienstkonto vereinnahme, über das er nur wie folgt verfügen dürfe: Mindestens wöchentlich müsse er den Anteil der Staatskasse an den Gebühren (= Staatsanteil) sowie alle Auslagen an die Staatskasse (= Landesoberkasse - LOK) abführen und die Umsatzsteuer auf ein von ihm separat einzurichtendes privates Dienstkonto (auch dienstliches Privatkonto genannt) überweisen, von wo die Umsatzsteuer an das zuständige Finanzamt weiterzuleiten sei. Er selbst dürfe für sich von dem Staatsanteil eine von ihm als Einkommen zu versteuernde Gebührenbeteiligung in Abzug bringen und zusammen mit der Umsatzsteuer auf sein privates Dienstkonto überweisen. Dieser Notaranteil betrage, abgesehen von bestimmten Geschäften, nach dem Durchlaufen einer Kappungsgrenze noch maximal 2,60 EUR pro Geschäft. Als weisungsgebundener Beamter sei er jedoch nach wie vor vollständig in das Justizsystem eingebunden. Seine Tätigkeit übe er deshalb in keiner Weise selbständig im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus. Da sich ab dem 1. Januar 2006 am Bild seiner Tätigkeit als Notar im Landesdienst nichts geändert habe, sei er auch ab dem 1. Januar 2006 genauso wenig Unternehmer und Umsatzsteuerschuldner wie bisher. Dies zeige, dass das Konstrukt der Gebührengläubigerschaft ein Scheinkonstrukt und nur dazu ersonnen worden sei, um auf diesem Umweg auch die europarechtswidrigen Gebühren erheben zu können. Er bitte um Prüfung und Mitteilung, wie er ab dem 1. Januar 2006 umsatzsteuerrechtlich korrekt verfahren müsse. Falls der Beklagte die Ansicht des Landes teile, möge ihm eine Umsatzsteuernummer zugeteilt werden. Gleichzeitig bat er um Mitteilung, welches Rechtsmittel ihm in diesem Fall dagegen zur Verfügung stehe. Er wies darauf hin, dass er, zusammen mit anderen Kollegen, im Wege der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das geänderte LJKG vorläufigen Rechtsschutz beantragt habe. Vom Ausgang des Verfahrens werde er den Beklagten selbstverständlich umgehend unterrichten.
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Auch beantragte er für den Fall der Zuteilung einer Umsatzsteuernummer die Ist-Versteuerung sowie die Zulassung der Voranmeldung in Papierform.
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Am 16. Januar 2006 gestattete der Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, die Umsatzsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen.
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Mit Schreiben vom 18. Januar 2006 begehrte der Kläger, die Ist-Versteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG zu gestatten. Gleichzeitig stellte er klar, dass er mit seinem Änderungsantrag kein Einverständnis dazu erteile, als Umsatzsteuerschuldner behandelt zu werden. Seiner Ansicht nach sei weiterhin das Land Baden-Württemberg Umsatzsteuerschuldner. Da er seinen Beruf als Notar gerne weiter ausübe, sei er derzeit gezwungen, so zu verfahren, wie es das Land von ihm als weisungsabhängigem Beamten verlange.
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Am 27. Januar 2006 gestattete der Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, die Umsatzsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen.
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Am 31. Mai 2007 reichte der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für 2006 ein. Sie enthält (in EUR) die folgenden Angaben:
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Lieferungen und Leistungen zu 16%: |
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Abziehbare Vorsteuerbeträge: |
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In den Umsatzsteuerakten findet sich hierzu eine Hinweismitteilung vom 1. Juni 2007 mit folgendem Wortlaut: „Es wurde eine zustimmungsbedürftige Umsatzsteuererklärung (ohne Abweichung) verarbeitet, für die die Zustimmung allgemein als erteilt gilt. Ein Steuerbescheid ist nicht zu erteilen“.
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Ebenfalls am 31. Mai 2007 stellte der Kläger den Antrag, unter Änderung seiner Angaben in der Umsatzsteuererklärung für 2006 als abziehbaren Vorsteuerbetrag statt der angegebenen 16,14 EUR 321,88 EUR zu berücksichtigen. Da er in 2005 keinen Umsatz erzielt habe, müssten die Durchschnittssätze berücksichtigt werden, die sich aus § 69 Umsatzsteuerdurchführungsverordnung 2005 (UStDV) ergäben.
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Am 13. Juli 2007 lehnte der Beklagte den „Antrag auf Anwendung der Durchschnittssätze nach § 23 Umsatzsteuergesetz“ ab. Im Jahr der Betriebseröffnung sei für die Umsatzgrenze anstelle des - nicht vorhandenen - Vorjahresumsatzes der voraussichtliche Umsatz im Sinne des § 69 Abs. 2 UStDV des Eröffnungsjahres maßgebend. Der Umsatz des Klägers belaufe sich in 2006 auf mehr als das Doppelte der Umsatzgrenze (61.356,- EUR), so dass keine Anwendung der Durchschnittssätze möglich sei. Der Ablehnung war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt.
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Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Er teilte mit, er gehe davon aus, dass die Angelegenheit landeseinheitlich entschieden werde. Seiner Kenntnis nach hätten die Finanzämter X und Y die Durchschnittssätze nach § 23 UStG angewendet. Auch bei ihm seien Vorsteuerbeträge in Höhe von 1,5% des Umsatzes zu berücksichtigen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers „wegen Anwendung der USt-Durchschnittssätze nach § 23 UStG“ als unbegründet zurück. Er bekräftigte seine bereits geäußerte Auffassung, dass bei der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit innerhalb des laufenden Kalenderjahres der voraussichtliche Umsatz dieses Kalenderjahres maßgeblich sei.
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Am 13. März 2008 erhob der Kläger Klage. Er ist nach wie vor der Auffassung, dass er nicht Schuldner der Umsatzsteuer ist. Als Landesbeamter könne er nicht zugleich Unternehmer sein. Die Voraussetzungen von § 23 UStG lägen vor. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 23a UStG sei auf § 23 UStG nicht anwendbar. In § 23a UStG sei der Pauschalsatz schon vom Gesetzgeber festgelegt, § 23 UStG gebe dem Verordnungsgeber die Regelungsmöglichkeit, Durchschnittssätze festzulegen. Hätte er in 2005 nur 1,- EUR an Umsätzen erwirtschaftet, wäre die Berechtigung des pauschalen Vorsteuerabzugs, auch nach dem Vortrag des Beklagten, unstreitig. Es sei nicht nachvollziehbar, dass dies anders sein soll, wenn er in 2005 überhaupt keine Umsätze erzielt habe.
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1. den Ablehnungsbescheid vom 13. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008 aufzuheben,
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2. den Beklagten zu verpflichten, für 2006 einen pauschalen Vorsteuerabzug in Höhe von 2.011,04 EUR zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2008. Ergänzend führt er aus, durch die Änderung des LJKG seien die Notare mit der gesamten Beurkundungstätigkeit ab 1. Januar 2006 Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG.
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Am 10. November 2010 fand ein Erörterungstermin statt. Auf die Niederschrift hierzu wird verwiesen (Finanzgerichtsakte Blatt 57). In diesem führte der Kläger aus, der Kunde überweise den Rechnungsbetrag auf das Dienstkonto 1, das auf seinen, des Klägers, Namen laute. Ein Teil der Gebühren gehe dann auf das Konto der LOK, der Rest der Gebühren, der Notaranteil, und die gezahlte Umsatzsteuer auf das Dienstkonto 2, das ebenfalls auf seinen Namen laute. Rechnungen würden auf seinen Namen ausgestellt. Er unterschreibe diese auch.
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Im weiteren Verlauf des Verfahrens wies der Kläger darauf hin, dass Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens die Umsatzsteuererklärung für 2006 sei.
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Am 21. Januar 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
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