Europäischer Gerichtshof Beschluss, 15. Nov. 2017 - C-496/16

ECLI:ECLI:EU:C:2017:866
bei uns veröffentlicht am15.11.2017

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

15. November 2017(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 4 – Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung – Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat – Aufhebung des Europäischen Haftbefehls durch die ausstellende Justizbehörde – Hypothetische Frage – Erledigung“

In der Rechtssache C‑496/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 2016, in einem Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gegen

Pál Aranyosi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter), D. Šváby und M. Vilaras,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,


unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Generalstaatsanwaltschaft Bremen, vertreten durch Oberstaatsanwalt M. Glasbrenner,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

–        Irlands, vertreten durch E. Creedon, L. Williams und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von G. Mullan, Barrister,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch M. A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér, G. Koós und E. Sebestyén als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der rumänischen Regierung, vertreten durch C. M. Florescu, R. Mangu und E. Gane als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Grünheid und R. Troosters als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss).

2        Es ergeht im Rahmen der Vollstreckung zweier Europäischer Haftbefehle in Deutschland, die vom Ermittlungsrichter am Miskolci Járásbíróság (Distriktgericht Miskolc, Ungarn) gegen Herrn Pál Aranyosi erlassen wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 1 („Definition des Europäischen Haftbefehls und Verpflichtung zu seiner Vollstreckung“) des Rahmenbeschlusses bestimmt:

„(1)      Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

(2)      Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

(3)      Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 [EU] niedergelegt sind, zu achten.“

4        Art. 5 des Rahmenbeschlusses betrifft „[v]om Ausstellungsmitgliedstaat in bestimmten Fällen zu gewährende Garantien“.

5        Art. 6 („Bestimmung der zuständigen Behörden“) des Rahmenbeschlusses sieht vor:

„(1)      Ausstellende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zuständig ist.

(2)      Vollstreckende Justizbehörde ist die Justizbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, die nach dem Recht dieses Staats zuständig für die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist.

…“

6        In Art. 15 („Entscheidung über die Übergabe“) des Rahmenbeschlusses heißt es:

„(1)      Die vollstreckende Justizbehörde entscheidet über die Übergabe der betreffenden Person nach Maßgabe dieses Rahmenbeschlusses und innerhalb der darin vorgesehenen Fristen.

(2)      Ist die vollstreckende Justizbehörde der Ansicht, dass die vom Ausstellungsmitgliedstaat übermittelten Informationen nicht ausreichen, um über die Übergabe entscheiden zu können, so bittet sie um die unverzügliche Übermittlung der notwendigen zusätzlichen Informationen …; sie kann eine Frist für den Erhalt dieser zusätzlichen Informationen festsetzen, wobei die Frist nach Artikel 17 zu beachten ist.

(3)      Die ausstellende Justizbehörde kann der vollstreckenden Justizbehörde jederzeit alle zusätzlichen sachdienlichen Informationen übermitteln.“

 Deutsches Recht

7        Der Rahmenbeschluss wurde durch die §§ 78 bis 83k des Gesetzes vom 23. Dezember 1982 über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der durch das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl. 2006 I S. 1721) geänderten Fassung (im Folgenden: IRG) in deutsches Recht umgesetzt.

8        § 15 („Auslieferungshaft“) IRG bestimmt:

„(1)      Nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens kann gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet werden, wenn

1.      die Gefahr besteht, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, oder

2.      auf Grund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, dass der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde.

(2)      Absatz 1 gilt nicht, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint.“

9        Nach § 29 Abs. 1 IRG entscheidet das Oberlandesgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft über die Zulässigkeit der Auslieferung, wenn sich der Verfolgte nicht mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat. Die Entscheidung erfolgt gemäß § 32 IRG durch Beschluss.

10      § 73 IRG lautet:

„Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 [EUV] enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Der Ermittlungsrichter am Miskolci Járásbíróság (Distriktgericht Miskolc) erließ am 4. November und am 31. Dezember 2014 zwei Europäische Haftbefehle gegen Herrn Aranyosi, einen ungarischen Staatsangehörigen, um seine Übergabe an die ungarischen Justizbehörden zum Zweck der Strafverfolgung zu erwirken.

12      Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen (Deutschland), die vollstreckende Justizbehörde, war der Auffassung, dass die Übergabe von Herrn Aranyosi gemäß § 73 IRG für unzulässig zu erklären sei, da ein Auslieferungshindernis bestehe. Nach den ihm vorliegenden Informationen gebe es nämlich beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass Herr Aranyosi bei einer Übergabe an die ungarische Justizbehörde Haftbedingungen ausgesetzt wäre, die Art. 3 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Grundrechte und die in Art. 6 EUV niedergelegten allgemeinen Rechtsgrundsätze verletzen würden.

13      Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen beschloss daher am 23. Juli 2015 zum ersten Mal, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses zur Vorabentscheidung vorzulegen.

14      Mit Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198), entschied der Gerichtshof, dass Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen sind, dass die vollstreckende Justizbehörde, sofern sie über objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben verfügt, die das Vorliegen systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffender Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat belegen, konkret und genau prüfen muss, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die Person, gegen die sich ein zum Zweck der Strafverfolgung oder der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erlassener Europäischer Haftbefehl richtet, aufgrund der Bedingungen ihrer Inhaftierung in diesem Mitgliedstaat einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt sein wird, falls sie ihm übergeben wird. Dabei muss die vollstreckende Justizbehörde die ausstellende Justizbehörde um zusätzliche Informationen bitten, und Letztere muss diese Informationen, nachdem sie erforderlichenfalls die oder eine der zentralen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats im Sinne von Art. 7 des Rahmenbeschlusses um Unterstützung ersucht hat, innerhalb der im Ersuchen gesetzten Frist übermitteln. Die vollstreckende Justizbehörde muss ihre Entscheidung über die Übergabe der betreffenden Person aufschieben, bis sie die zusätzlichen Informationen erhalten hat, die es ihr gestatten, das Vorliegen einer solchen Gefahr auszuschließen. Kann das Vorliegen einer solchen Gefahr nicht innerhalb einer angemessenen Frist ausgeschlossen werden, muss die vollstreckende Justizbehörde darüber entscheiden, ob das Übergabeverfahren zu beenden ist.

15      Im Anschluss an die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs ersuchte das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen die Generalstaatsanwaltschaft Bremen am 14. April und am 28. Juni 2016 um Einholung zusätzlicher Informationen bei den ungarischen Behörden.

16      Da das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen die von den ungarischen Behörden gelieferten Informationen, insbesondere soweit sie die mögliche Verlegung von Herrn Aranyosi in verschiedene Haftanstalten in Ungarn betreffen, für unbefriedigend hielt, stellte es fest, dass beachtliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Herr Aranyosi bei einer Übergabe an die ungarischen Behörden Haftbedingungen ausgesetzt sein könnte, die Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzten.

17      Unter diesen Umständen hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen erneut beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses so auszulegen, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat bei einer Auslieferungsentscheidung zum Zweck der Strafverfolgung die echte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Verfolgten im Sinne von Art. 4 der Charta aufgrund der Bedingungen seiner Inhaftierung lediglich in der ersten Haftanstalt auszuschließen hat, in die der Verfolgte nach der Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat aufgenommen wird?

2.      Hat der Vollstreckungsstaat bei der Entscheidung auch die echte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Verfolgten aufgrund der Bedingungen seiner Inhaftierung für die Unterbringung bei sich daran anschließender Strafhaft im Fall der Verurteilung auszuschließen?

3.      Hat der Vollstreckungsstaat diese Gefahr für den Betroffenen auch für den Fall möglicher Verlegungen in andere Haftanstalten auszuschließen?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

18      Aufgrund der dem Gerichtshof von der Generalstaatsanwaltschaft Bremen übermittelten Informationen des ungarischen Justizministeriums, wonach die gegen Herrn Aranyosi erlassenen Europäischen Haftbefehle aufgehoben worden seien, hat der Gerichtshof am 28. April und am 25. Juli 2017 zwei Ersuchen um Klarstellung an das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen gerichtet.

19      Das erste Ersuchen ging dahin, die Justizbehörde des Ausstellungsmitgliedstaats gemäß Art. 15 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses um die unverzügliche Übermittlung aller zusätzlichen Informationen zu bitten und dem Gerichtshof dann mitzuteilen, ob ein gültiger Europäischer Haftbefehl gegen Herrn Aranyosi besteht. Mit dem zweiten Ersuchen ist das vorlegende Gericht um Mitteilung gebeten worden, ob in dem Kontext, in dem es sein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof gerichtet hat, bei ihm weiterhin ein „echter“ Rechtsstreit anhängig ist, was Gegenstand und Art dieses Rechtsstreits ist und wer seine Parteien sind und aus welchen Gründen die Auslegung der Bestimmungen des Rahmenbeschlusses durch den Gerichtshof im vorliegenden Fall relevant bleibt.

20      Mit Schreiben vom 28. Juni, 11. Juli und 22. August 2017, die am 29. Juni, 11. Juli und 22. August 2017 beim Gerichtshof eingegangen sind, hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen geantwortet, dass das Miskolci Járásbíróság (Distriktgericht Miskolc) die gegen Herrn Aranyosi am 20. Juli und 11. Oktober 2016 erlassenen Europäischen Haftbefehle, mit denen die Haftbefehle vom 4. November und 31. Dezember 2014 ersetzt worden seien, mit Beschlüssen vom 30. Dezember 2016 und vom 1. März 2017 aufgehoben habe.

21      Es hat jedoch hinzugefügt, nach deutschem Recht sei eine Entscheidung eines nationalen Gerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung oder Übergabe von Herrn Aranyosi nach Ungarn auch dann möglich, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung kein gültiger Europäischer Haftbefehl gegen ihn vorliege. In einer solchen Situation ergebe sich die Zuständigkeit der nationalen Gerichte aus dem Vorliegen eines schützenswerten Interesses.

 Zum Vorabentscheidungsersuchen

22      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen. Insoweit liegt die Rechtfertigung der Vorlage zur Vorabentscheidung nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines das Unionsrecht betreffenden Rechtsstreits erforderlich ist (Urteil vom 27. September 2017, Puškár, C‑73/16, EU:C:2017:725, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Mit seinen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 der Charta und Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses dahin auszulegen sind, dass die vollstreckende Justizbehörde, wenn sie prüft, ob die Person, gegen die sich ein Europäischer Haftbefehl richtet, aufgrund der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat keiner Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein wird, ihre Prüfung auf die Haftbedingungen in der ersten Haftanstalt beschränken kann, in die diese Person im Fall der Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat aufgenommen wird, oder ob sie die Haftbedingungen in der oder den anderen Haftanstalten dieses Staates berücksichtigen muss, in die die Person später verlegt werden könnte.

24      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nur Europäische Haftbefehle im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses gemäß dessen Vorschriften zu vollstrecken sind (Urteil vom 10. November 2016, Poltorak, C‑452/16 PPU, EU:C:2016:858, Rn. 28).

25      Im Ausgangsverfahren ging es zwar zunächst um die Vollstreckung zweier Europäischer Haftbefehle, die der Ermittlungsrichter am Miskolci Járásbíróság (Distriktgericht Miskolc) am 4. November und am 31. Dezember 2014 gegen Herrn Aranyosi erlassen hatte, durch das vorlegende Gericht, doch ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass diese Haftbefehle, die durch zwei neue Haftbefehle vom 20. Juli und 11. Oktober 2016 ersetzt wurden, später vom Miskolci Járásbíróság (Distriktgericht Miskolc) aufgehoben wurden.

26      Insoweit hat der Gerichtshof das vorlegende Gericht um Klarstellung ersucht, und dieses hat bestätigt, dass derzeit kein gültiger Europäischer Haftbefehl gegen Herrn Aranyosi mehr vorliege.

27      Daher sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Rahmenbeschlusses im Ausgangsverfahren nicht mehr erfüllt, denn es betrifft nicht mehr die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses.

28      Die Vorlagefragen sind somit nunmehr hypothetischer Natur, so dass die Voraussetzungen für eine Fortführung des Vorabentscheidungsverfahrens in der vorliegenden Rechtssache nicht mehr erfüllt sind.

29      Aus alledem folgt, dass über das Vorabentscheidungsersuchen nicht zu entscheiden ist.

 Kosten

30      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) beschlossen:

Über das vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. September 2016 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist nicht zu entscheiden.

Luxemburg, den 15. November 2017

Der Kanzler

 

Der Präsident der Dritten Kammer

A. Calot Escobar

 

L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.

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(1) Hat sich der Verfolgte nicht mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41) einverstanden erklärt, so beantragt die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht die Entscheidung des Oberlandesgerichts darüber, ob die Auslieferung zulässig ist. (2) Di

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Der Beschluß über die Zulässigkeit der Auslieferung ist zu begründen. Er wird der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, dem Verfolgten und seinem Rechtsbeistand (§ 40) bekanntgemacht. Der Verfolgte erhält eine Abschrift.

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(1) Hat sich der Verfolgte nicht mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41) einverstanden erklärt, so beantragt die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht die Entscheidung des Oberlandesgerichts darüber, ob die Auslieferung zulässig ist.

(2) Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts auch dann beantragen, wenn sich der Verfolgte mit der vereinfachten Auslieferung einverstanden erklärt hat.

Der Beschluß über die Zulässigkeit der Auslieferung ist zu begründen. Er wird der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, dem Verfolgten und seinem Rechtsbeistand (§ 40) bekanntgemacht. Der Verfolgte erhält eine Abschrift.

Die Leistung von Rechtshilfe sowie die Datenübermittlung ohne Ersuchen ist unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Bei Ersuchen nach dem Achten, Neunten, Zehnten und Dreizehnten Teil ist die Leistung von Rechtshilfe unzulässig, wenn die Erledigung zu den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde.