Bundesverfassungsgericht Beschluss, 18. Okt. 2011 - 2 BvC 5/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:cs20111018.2bvc000511
bei uns veröffentlicht am18.10.2011

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer hat die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag mit der Begründung angefochten, die "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (DIE PARTEI)" sei vom Bundeswahlausschuss rechtsfehlerhaft nicht als Partei zur Bundestagswahl zugelassen worden. Es sei zudem nicht möglich gewesen, gegen diese Entscheidung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Ferner habe der Bundesgesetzgeber seinen mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266) ausgesprochenen Auftrag, den Regelungskomplex um die Bestimmungen über die so genannten Überhangmandate in den § 6 Abs. 4, Abs. 5, § 7 Abs. 3 Satz 2 BWahlG neu zu regeln, nicht schon vor der Bundestagswahl 2009 erfüllt. Schließlich sei es den Wählern bei der Wahl verwehrt worden, auf dem Stimmzettel mit "Nein" zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten.

B.

2

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet.

I.

3

Der Berichterstatter hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Juni 2011 zu seiner die Gestaltung der Stimmzettel betreffenden Rüge mitgeteilt:

4

"Die hierfür maßgeblichen Regelungen dürften verfassungsgemäß sein.

5

Das Grundgesetz schreibt in Art. 38 GG für das Bundeswahlrecht lediglich vor, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen sind (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG), und legt darüber hinaus in Art. 38 Abs. 2 GG das Wahlalter für das aktive und passive Wahlrecht fest. Im Übrigen überlässt es die Ausgestaltung des Wahlrechts einem Bundesgesetz (Art. 38 Abs. 3 GG). Dem Bundesgesetzgeber ist insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum gewährt. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur nach, ob der Gesetzgeber sich in den Grenzen des ihm vom Grundgesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums gehalten oder ob er durch Überschreitung dieser Grenzen gegen einen verfassungskräftigen Wahlgrundsatz verstoßen hat. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber innerhalb seines Ermessensbereichs zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. BVerfGE 3, 19 <24 f.>; 3, 383 <394>; 5, 77 <81>; 59, 119 <124 f.>).

6

Danach dürfte die Gestaltung der Stimmzettel auch nach dem Grundsatz der Freiheit der Wahl verfassungsrechtlich unbedenklich sein. Dem Deutschen Bundestag ist darin zuzustimmen, dass es dem Wahlbürger freisteht, beide Stimmen, nur eine oder auch keine Stimme abzugeben, ein Stimmensplitting vorzunehmen oder die Erst- und/oder Zweitwahl bewusst ungültig vorzunehmen. Soweit Sie meinen, es bestehe ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit, auf dem Stimmzettel eine Neinstimme abzugeben oder sich dort der Stimme ausdrücklich zu enthalten, lässt sich dies aus dem Grundsatz der freien Wahl indes nicht ableiten.

7

Die von Ihnen gewünschte Gestaltung wäre ohnehin zweckwidrig, weil es bei der Bundestagswahl darum geht, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages positiv zu bestimmen. Für die Mandatsverteilung im Bundestag ist es aber unerheblich, wie groß der Anteil von Stimmenthaltungen oder "Nein"-Stimmen an der Gesamtzahl der ungültigen Stimmen ist.

8

Die in § 39 des Bundeswahlgesetzes verwendete Formulierung "ungültig" besagt zwar inhaltlich nur, dass die Stimme nicht gezählt wird. Das mag sprachlich nicht voll befriedigen, ist aber aus wahltechnischen Überlegungen gerechtfertigt. Wollte man über die Differenzierung zwischen gültigen und ungültigen Stimmen hinaus weitere Unterscheidungen einführen, wären nicht nur Ermittlungen und Feststellungen zur Zahl der Nichtwähler und der Wähler, die nicht gewählt haben, zu treffen, sondern darüber hinaus auch zur Zahl derjenigen Wähler, die nur die Erststimme, nur die Zweitstimme oder überhaupt keine Stimme abgegeben haben, um dann für diese Gruppen jeweils gesondert festzustellen, dass hier der Zählwert der Stimmen null ist. Diese Vorgehensweise verkomplizierte das ohnehin schon aufwendige und schwierige Verfahren der Auszählung und Feststellung des Wahlergebnisses zusätzlich. Dass sich nach der geltenden Rechtslage nicht erkennen lässt, aus welchen inhaltlichen Gründen die nicht abgegebene Stimme als ungültig erachtet worden ist, wiegt dagegen weniger schwer."

9

Die Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

II.

10

Die weiteren Einwände des Beschwerdeführers verhelfen seiner Wahlprüfungsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

11

Die von dem Beschwerdeführer gerügte Entscheidung des Bundeswahlausschusses, die "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (DIE PARTEI)" nicht als Partei zur Wahl des 17. Deutschen Bundestages zuzulassen, lässt - soweit dies nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Unterlagen beurteilt werden kann - keine Wahlfehler erkennen. Auf die fehlende Möglichkeit, diese Entscheidung im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 gerichtlich überprüfen zu lassen, kann es folglich nicht ankommen.

12

Soweit der Beschwerdeführer meint, der Bundesgesetzgeber hätte seinen mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266) ausgesprochenen Auftrag, den Regelungskomplex um die Bestimmungen der § 6 Abs. 4, Abs. 5, § 7 Abs. 3 Satz 2 des BWahlG neu zu regeln, schon vor der Bundestagswahl 2009 erfüllen müssen, hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ausführlich begründet, weshalb es dem Gesetzgeber nicht aufgegeben hat, das Wahlrecht rechtzeitig vor Ablauf der Wahlperiode des 16. Deutschen Bundestages zu ändern (vgl. BVerfGE 121, 266 <316>). Gesichtspunkte, die es nahelegten, die Befristung des Regelungsauftrages neu zu bewerten, hat der Beschwerdeführer auch in seiner Stellungnahme auf das Schreiben des Berichterstatters vom 20. Juni 2011 nicht vorgetragen.


13

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 24 Satz 2 BVerfGG abgesehen.

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Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 18. Okt. 2011 - 2 BvC 5/11 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 38


(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (2) W

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 24


Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge können durch einstimmigen Beschluß des Gerichts verworfen werden. Der Beschluß bedarf keiner weiteren Begründung, wenn der Antragsteller vorher auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründe

Bundeswahlgesetz - BWahlG | § 6 Vergabe der Sitze an Bewerber


(1) Ein Wahlkreisbewerber einer Partei (§ 20 Absatz 2) ist dann als Abgeordneter gewählt, wenn er die meisten Erststimmen auf sich vereinigt und im Verfahren der Zweitstimmendeckung (Satz 4) einen Sitz erhält. In jedem Land werden die Bewerber einer

Bundeswahlgesetz - BWahlG | § 39 Ungültige Stimmen, Zurückweisung von Wahlbriefen, Auslegungsregeln


(1) Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel 1. nicht amtlich hergestellt ist,2. keine Kennzeichnung enthält,3. für einen anderen Wahlkreis gültig ist,4. den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen läßt,5. einen Zusatz oder Vorbehalt enthäl

Referenzen

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Ungültig sind Stimmen, wenn der Stimmzettel

1.
nicht amtlich hergestellt ist,
2.
keine Kennzeichnung enthält,
3.
für einen anderen Wahlkreis gültig ist,
4.
den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen läßt,
5.
einen Zusatz oder Vorbehalt enthält.
In den Fällen der Nummern 1 und 2 sind beide Stimmen ungültig; im Fall der Nummer 3 ist nur die Erststimme ungültig, wenn der Stimmzettel für einen anderen Wahlkreis in demselben Land gültig ist. Bei der Briefwahl sind außerdem beide Stimmen ungültig, wenn der Stimmzettel nicht in einem amtlichen Stimmzettelumschlag oder in einem Stimmzettelumschlag abgegeben worden ist, der offensichtlich in einer das Wahlgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält, jedoch eine Zurückweisung gemäß Absatz 4 Nr. 7 oder 8 nicht erfolgt ist. Enthält der Stimmzettel nur eine Stimmabgabe, so ist die nicht abgegebene Stimme ungültig.

(2) Mehrere in einem Stimmzettelumschlag enthaltene Stimmzettel gelten als ein Stimmzettel, wenn sie gleich lauten oder nur einer von ihnen gekennzeichnet ist; sonst zählen sie als ein Stimmzettel mit zwei ungültigen Stimmen.

(3) Ist der Stimmzettelumschlag leer abgegeben worden, so gelten beide Stimmen als ungültig.

(4) Bei der Briefwahl sind Wahlbriefe zurückzuweisen, wenn

1.
der Wahlbrief nicht rechtzeitig eingegangen ist,
2.
dem Wahlbriefumschlag kein oder kein gültiger Wahlschein beiliegt,
3.
dem Wahlbriefumschlag kein Stimmzettelumschlag beigefügt ist,
4.
weder der Wahlbriefumschlag noch der Stimmzettelumschlag verschlossen ist,
5.
der Wahlbriefumschlag mehrere Stimmzettelumschläge, aber nicht eine gleiche Anzahl gültiger und mit der vorgeschriebenen Versicherung an Eides Statt versehener Wahlscheine enthält,
6.
der Wähler oder die Hilfsperson die vorgeschriebene Versicherung an Eides Statt zur Briefwahl auf dem Wahlschein nicht unterschrieben hat,
7.
kein amtlicher Stimmzettelumschlag benutzt worden ist,
8.
ein Stimmzettelumschlag benutzt worden ist, der offensichtlich in einer das Wahlgeheimnis gefährdenden Weise von den übrigen abweicht oder einen deutlich fühlbaren Gegenstand enthält.
Die Einsender zurückgewiesener Wahlbriefe werden nicht als Wähler gezählt; ihre Stimmen gelten als nicht abgegeben.

(5) Die Stimmen eines Wählers, der an der Briefwahl teilgenommen hat, werden nicht dadurch ungültig, daß er vor dem oder am Wahltage stirbt oder sein Wahlrecht nach § 13 verliert.

Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge können durch einstimmigen Beschluß des Gerichts verworfen werden. Der Beschluß bedarf keiner weiteren Begründung, wenn der Antragsteller vorher auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit seines Antrags hingewiesen worden ist.