Bundesverfassungsgericht Entscheidung, 08. März 2012 - 1 BvR 872/10

bei uns veröffentlicht am08.03.2012

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde wendete sich gegen § 97 Abs. 1 und § 98 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) vom 28. März 2009 (BGBl I S. 634, berichtigt im BGBl I S. 1141). Die Beschwerdeführer rügten, durch diese Vorschriften jeweils in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs.1 GG, insbesondere in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, verletzt zu sein. Der zugleich gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde mit Beschluss vom 14. September 2010 abgelehnt.

2

Nachdem der Bundesgesetzgeber mit Artikel 4 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung des Beherbergungsstatistikgesetzes und des Handelsstatistikgesetzes sowie zur Aufhebung von Vorschriften zum Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises vom 23. November 2011 (BGBl I S. 2298) die angegriffenen Vorschriften aufgehoben hat, haben die Beschwerdeführer die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihnen die im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

II.

3

Dieser Antrag der Beschwerdeführer auf Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Erstattung ihrer notwendigen Auslegung ist abzulehnen.

4

1. Über die Auslagenerstattung ist, nachdem die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt haben, gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <114>). Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde nicht, da auch eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts widerspräche, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund zukommen, der zur Erledigung geführt hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; BVerfGK 3, 326 <327 f.>). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann, vorbehaltlich dessen, dass keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren der Beschwerdeführer selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen der Beschwerdeführer in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (BVerfGE 87, 394 <397>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -, juris, Rn. 5).

5

2. Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Anordnung der Erstattung der Auslagen der Beschwerdeführer nicht veranlasst.

6

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage aus dem Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 17/6747 und 17/6864) ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber § 97 Abs. 1 und § 98 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nicht aufgehoben hat, um etwaigen grundrechtswidrigen Eingriffen abzuhelfen. Es hat daher bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass das Bundesverfassungsgericht keine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde vornimmt, um eine vom Regelfall bei erfolglosen Verfassungsbeschwerde vorgesehene Kostenentscheidung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG zu begründen.

7

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 98 Weiterleitung der Daten durch die Einzugsstellen


Die Einzugsstellen nehmen, soweit durch dieses Gesetzbuch nichts anderes bestimmt ist, die für die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu übermittelnden Daten von der erstannehmenden Annahmes

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 97 Annahmestellen


(1) Zur Annahme der Daten vom oder zur Meldung zum Arbeitgeber, zu ihrer technischen Prüfung und zur Weiterleitung innerhalb eines Sozialversicherungszweiges oder an andere Sozialversicherungsträger oder öffentliche Stellen werden Annahmestellen erri

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(1) Zur Annahme der Daten vom oder zur Meldung zum Arbeitgeber, zu ihrer technischen Prüfung und zur Weiterleitung innerhalb eines Sozialversicherungszweiges oder an andere Sozialversicherungsträger oder öffentliche Stellen werden Annahmestellen errichtet. Die Krankenkassen errichten jeweils eine Annahmestelle je Kassenart nach § 4 Absatz 2 des Fünften Buches. Annahmestellen, die am 1. Januar 2023 bestehen, bleiben bis zu einer anderweitigen Entscheidung des jeweiligen Trägers erhalten. Eine Annahmestelle errichten darüber hinaus:

1.
die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau,
2.
die Träger der Rentenversicherung bei der Datenstelle der Rentenversicherung,
3.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
4.
die Bundesagentur für Arbeit,
5.
die Unfallversicherungsträger bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V.,
6.
die berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann ein Sozialversicherungsträger oder eine gemeinsame Einrichtung im Sinne des § 4 Absatz 2 des Tarifvertragsgesetzes durch schriftliche Vereinbarung einen anderen Sozialversicherungsträger mit dem Betrieb der Annahmestelle beauftragen.

(3) Die erstannehmende Annahmestelle hat nach der Entschlüsselung der Daten und der technischen Prüfung die technisch fehlerfreien Daten innerhalb eines Arbeitstages an den Adressaten der Datenübermittlung weiterzuleiten. Die meldende Stelle erhält mit der Weiterleitung eine Weiterleitungsbestätigung; die Meldungen gelten damit als dem Adressaten zugegangen.

(4) Technisch fehlerhafte Meldungen sind innerhalb eines Arbeitstages mit einer Fehlermeldung durch Datenübertragung zurückzuweisen. Zur Verbesserung der Qualität der Meldungen richten die Krankenkassen ein Qualitätsmanagement ein, das zur Beseitigung festgestellter technischer Mängel in der Software der meldenden Krankenkasse oder der Annahmestelle in einer Frist von 30 Tagen verpflichtet. Rückweisungen seitens der Meldepflichtigen sind nur durch die jeweils aktuell gültigen Kernprüfprogramme zulässig, die in der Abrechnungssoftware installiert sind. Das Nähere zum Verfahren regeln Grundsätze des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vorher anzuhören.

(5) Die Annahmestelle darf die Meldungen unter Beachtung der Datensicherheit und Datenvollständigkeit in ein anderes technisches Format umwandeln, wenn dies für die weitere Verarbeitung der Meldungen beim Adressaten der Daten notwendig oder wirtschaftlicher ist. Die Meldungen sind ohne inhaltliche Veränderungen in verschlüsselter Form oder über eine gesicherte Leitung an den Adressaten weiterzuleiten. Der Adressat der Meldungen hat diese elektronisch anzunehmen und zu verarbeiten.

(6) Durch die Annahmestelle werden die Meldepflichtigen elektronisch über das Vorliegen einer an sie adressierten Meldung informiert.

Die Einzugsstellen nehmen, soweit durch dieses Gesetzbuch nichts anderes bestimmt ist, die für die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu übermittelnden Daten von der erstannehmenden Annahmestelle entgegen. Dies gilt auch für die Daten nach § 196 Absatz 2 Satz 3 des Sechsten Buches. Die Einzugsstellen haben dafür zu sorgen, dass die Meldungen rechtzeitig erstattet werden, die erforderlichen Daten vollständig und richtig enthalten sind und innerhalb von drei Arbeitstagen an die Adressaten der Meldeinhalte weitergeleitet werden. Die Einzugsstellen können die Weiterleitung der Daten an andere Sozialversicherungsträger oder andere öffentliche Stellen an eine Annahmestelle übertragen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Zur Annahme der Daten vom oder zur Meldung zum Arbeitgeber, zu ihrer technischen Prüfung und zur Weiterleitung innerhalb eines Sozialversicherungszweiges oder an andere Sozialversicherungsträger oder öffentliche Stellen werden Annahmestellen errichtet. Die Krankenkassen errichten jeweils eine Annahmestelle je Kassenart nach § 4 Absatz 2 des Fünften Buches. Annahmestellen, die am 1. Januar 2023 bestehen, bleiben bis zu einer anderweitigen Entscheidung des jeweiligen Trägers erhalten. Eine Annahmestelle errichten darüber hinaus:

1.
die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau,
2.
die Träger der Rentenversicherung bei der Datenstelle der Rentenversicherung,
3.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See,
4.
die Bundesagentur für Arbeit,
5.
die Unfallversicherungsträger bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V.,
6.
die berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann ein Sozialversicherungsträger oder eine gemeinsame Einrichtung im Sinne des § 4 Absatz 2 des Tarifvertragsgesetzes durch schriftliche Vereinbarung einen anderen Sozialversicherungsträger mit dem Betrieb der Annahmestelle beauftragen.

(3) Die erstannehmende Annahmestelle hat nach der Entschlüsselung der Daten und der technischen Prüfung die technisch fehlerfreien Daten innerhalb eines Arbeitstages an den Adressaten der Datenübermittlung weiterzuleiten. Die meldende Stelle erhält mit der Weiterleitung eine Weiterleitungsbestätigung; die Meldungen gelten damit als dem Adressaten zugegangen.

(4) Technisch fehlerhafte Meldungen sind innerhalb eines Arbeitstages mit einer Fehlermeldung durch Datenübertragung zurückzuweisen. Zur Verbesserung der Qualität der Meldungen richten die Krankenkassen ein Qualitätsmanagement ein, das zur Beseitigung festgestellter technischer Mängel in der Software der meldenden Krankenkasse oder der Annahmestelle in einer Frist von 30 Tagen verpflichtet. Rückweisungen seitens der Meldepflichtigen sind nur durch die jeweils aktuell gültigen Kernprüfprogramme zulässig, die in der Abrechnungssoftware installiert sind. Das Nähere zum Verfahren regeln Grundsätze des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vorher anzuhören.

(5) Die Annahmestelle darf die Meldungen unter Beachtung der Datensicherheit und Datenvollständigkeit in ein anderes technisches Format umwandeln, wenn dies für die weitere Verarbeitung der Meldungen beim Adressaten der Daten notwendig oder wirtschaftlicher ist. Die Meldungen sind ohne inhaltliche Veränderungen in verschlüsselter Form oder über eine gesicherte Leitung an den Adressaten weiterzuleiten. Der Adressat der Meldungen hat diese elektronisch anzunehmen und zu verarbeiten.

(6) Durch die Annahmestelle werden die Meldepflichtigen elektronisch über das Vorliegen einer an sie adressierten Meldung informiert.

Die Einzugsstellen nehmen, soweit durch dieses Gesetzbuch nichts anderes bestimmt ist, die für die gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu übermittelnden Daten von der erstannehmenden Annahmestelle entgegen. Dies gilt auch für die Daten nach § 196 Absatz 2 Satz 3 des Sechsten Buches. Die Einzugsstellen haben dafür zu sorgen, dass die Meldungen rechtzeitig erstattet werden, die erforderlichen Daten vollständig und richtig enthalten sind und innerhalb von drei Arbeitstagen an die Adressaten der Meldeinhalte weitergeleitet werden. Die Einzugsstellen können die Weiterleitung der Daten an andere Sozialversicherungsträger oder andere öffentliche Stellen an eine Annahmestelle übertragen.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.