Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 02. Feb. 2016 - 1 BvR 3078/15

Gericht
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin, ein Sportwettunternehmen, macht eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte durch die Gewährung von Eilrechtsschutz in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Vergabe von Sportwettkonzessionen geltend.
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Sie hatte sich in einem vom Hessischen Ministerium des Inneren und für Sport durchgeführten Vergabeverfahren um eine von zwanzig bundesweiten Konzessionen für die Veranstaltung von Sportwetten beworben. Nach Abschluss des Auswahlverfahrens hatte das Ministerium angekündigt, dass eine der Konzessionen der Beschwerdeführerin erteilt werden solle. Die vier Antragstellerinnen in den Ausgangsverfahren (im Folgenden: Antragstellerinnen), die nach der Ankündigung des Ministeriums keine Konzession erhalten sollten, begehrten gegen die Konzessionsvergabe vorbeugenden Eilrechtsschutz. Daraufhin untersagten die Verwaltungsgerichte Wiesbaden und Frankfurt am Main in insgesamt vier Verfahren, zu denen die Beschwerdeführerin beigeladen wurde, dem Land Hessen einstweilen die Konzessionsvergabe (unter anderem VG Wiesbaden, Beschluss vom 5. Mai 2015 - 5 L 1453/14.WI -, juris; VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Mai 2015 - 2 L 3002/14.F -, BeckRS 2015, 46878). Die Antragstellerinnen hätten einen Anordnungsanspruch, da das durchgeführte Konzessionsverfahren gegen das unionsrechtliche Gebot eines transparenten Auswahlverfahrens verstoßen habe (VG Wiesbaden, a.a.O., Rn. 51 ff.; VG Frankfurt am Main, a.a.O.).
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Die dagegen gerichteten Beschwerden der Beschwerdeführerin wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch die vier angegriffenen Beschlüsse zurück. Das im Glücksspielstaatsvertrag geregelte Konzessionssystem für Sportwetten verletze die Antragstellerinnen in ihrer Berufsfreiheit, da die vorgesehene Übertragung der verbindlichen Entscheidung über die Konzessionsvergabe auf ein Glücksspielkollegium, das aus Vertretern der 16 Bundesländer bestehe und mit Zweidrittelmehrheit entscheide, der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes widerspreche und das Kollegium nicht hinreichend demokratisch legitimiert sei.
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Die Beschwerdeführerin sieht insbesondere durch das Absehen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs von einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG und von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV ihr Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. In keiner der vorangegangenen Entscheidungen habe der Hessische Verwaltungsgerichtshof die jetzt angenommene Verfassungswidrigkeit auch nur angedeutet, sondern vielmehr die Beschwerdeführerin auf § 44a VwGO verwiesen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen und auch im Übrigen eine Annahme nicht geboten ist. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Beschwerdeführerin nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt hat, dass ihre Verfassungsbeschwerde dem Grundsatz der Subsidiarität aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG gerecht wird.
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Danach hat ein Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht nur formal zu beschreiten, sondern er muss von den fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandergesetzt hat (vgl. BVerfGE 91, 93 <107>). Daher hat er auch darzulegen, dass der Rechtsweg in gehöriger Weise erschöpft wurde, er also die zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Vermeidung oder Beseitigung eines Grundrechtsverstoßes genutzt hat (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>). Dazu gehört es, dass er entsprechende Rechtsmittelschriftsätze vorlegt oder ihrem Inhalt nach wiedergibt, da andernfalls nicht überprüft werden kann, ob ein Beschwerdeführer selbst den Erfolg seines Rechtsmittels durch eine nicht genügende Begründung vereitelt hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2012 - 2 BvR 2207/10 -, juris, Rn. 7).
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Die Beschwerdeführerin hat weder Schriftsätze der Ausgangsverfahren noch die erstinstanzlichen Beschlüsse vorgelegt. Auch aus den angegriffenen Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs geht nicht hervor, was sie zur Begründung ihrer Beschwerden vorgebracht hat. Entsprechende Ausführungen wären aber erforderlich gewesen, um dem Bundesverfassungsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Beschwerdeführerin - insbesondere durch die Begründung ihrer Beschwerden - dem Subsidiaritätsgrundsatz genügt und alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die gerügten Grundrechtsverletzungen zu verhindern.
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Der Beschwerdeführerin war zumutbar, bereits im Ausgangsverfahren auf die Thematik der Verfassungswidrigkeit des Konzessionsverfahrens, auf welche der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Zurückweisung ihrer Beschwerden stützte, einzugehen und insofern den Eilrechtsschutzanträgen der Antragstellerinnen entgegenzutreten. Diese hatten - wie sich aus den erstinstanzlichen Beschlüssen ergibt (VG Wiesbaden, a.a.O., Rn. 29; VG Frankfurt am Main, a.a.O.) - die Verfassungswidrigkeit bereits in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht. Es war für die Beschwerdeführerin auch klar erkennbar, dass sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof anders als in seinen vorangegangenen Beschlüssen nicht auf § 44a VwGO stützen würde, da er nunmehr erstmals in der Sache über die Eilrechtsschutzanträge gegen die Konzessionsvergabe zu entscheiden hatte.
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Von der Beschwerdeführerin konnten entsprechende Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit des Konzessionsverfahrens verlangt werden. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass von einem Beschwerdeführer grundsätzlich nicht gefordert werden kann, bereits das fachgerichtliche Verfahren als "Verfassungsprozess" zu führen (BVerfGE 112, 50 <61>). Etwas anderes gilt aber in Fällen, in denen bei verständiger Einschätzung der Rechtslage und der jeweiligen verfahrensrechtlichen Situation ein Begehren nur Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn verfassungsrechtliche Erwägungen in das fachgerichtliche Verfahren eingeführt werden. Das ist insbesondere der Fall, soweit der Ausgang des Verfahrens von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt (BVerfGE 112, 50 <62>). Im Ausgangsverfahren ging es gerade (unter anderem) um die Verfassungswidrigkeit des Konzessionsverfahrens.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.
(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,
- a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, - b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.
(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.
(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.
(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.
In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.
(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.
(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.
(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.
Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.