Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 30. Aug. 2017 - 1 BvR 1437/17

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170830.1bvr143717
bei uns veröffentlicht am30.08.2017

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Beschwerdeführer wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 300 € (in Worten: dreihundert Euro) auferlegt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 96.036,25 Euro, da der Beschwerdeführer, so die angegriffenen Entscheidungen, mehrere Personen in Schwarzarbeit beschäftigt hatte.

2

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich unzulässig.

3

Eine Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); dabei beginnt die Frist regelmäßig mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung (§ 93 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG). Ausweislich des auf dem Beschluss des Bundessozialgerichts aufgebrachten Eingangsstempels der Bevollmächtigten des Beschwerdeführers im dortigen Verfahren ist dieser am 2. Mai 2017 eingegangen; der Beschwerdeführer hat Verfassungsbeschwerde jedoch erst am 24. Juni 2017 erhoben.

4

Hierzu macht der Beschwerdeführer nur geltend, das Bundesverfassungsgerichtsgesetz sehe "eine extrem kurze Frist für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde vor. Diese Norm kann jedenfalls in der gesetzlichen Formulierung keinen allgemein-gültigen Bestand haben. Die Verfassung, das Grundgesetz, gilt stets und nicht nur wenige Tage." Damit ist weder ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt - jedenfalls wenn der Beschwerdeführer wie hier rechtskundig ist, wird man diesbezüglich eindeutigere Formulierungen erwarten können und müssen - noch ein Wiedereinsetzungsgrund oder die Verfassungswidrigkeit der einmonatigen Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde auch nur ansatzweise dargetan. Die Verfassungsbeschwerde ist daher schon wegen der versäumten Frist offensichtlich unzulässig.

5

Der Beschwerdeführer hat zudem die Möglichkeit einer Verletzung in Grund- oder grundrechtsgleichen Rechten nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend substantiiert und schlüssig aufgezeigt.

6

Er hat schon den maßgeblichen Sachverhalt nicht nachvollziehbar dargestellt. Vielmehr beschränkt sich sein Vorbringen auf eine - wenn auch umfangreiche - Zusammenstellung von Andeutungen und Behauptungen; demgegenüber fehlen für die verfassungsrechtliche Beurteilung wesentliche Angaben. Zudem hat der Beschwerdeführer Unterlagen aus dem vorangegangenen Strafverfahren und zu den Ermittlungen des Hauptzollamtes nicht vorgelegt, obwohl die Beklagte des Ausgangsverfahrens und die Tatsachengerichte ihre Überzeugung vom Vorliegen von Schwarzarbeit und von deren Umfang wesentlich hierauf gestützt haben; auch ihren wesentlichen Inhalt hat der Beschwerdeführer nicht wiedergegeben.

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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2. Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein solcher liegt vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung deshalb von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. etwa BVerfGK 6, 219; 10, 94 <97>; 14, 468 <470>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen, an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar unzulässige Verfassungsbeschwerden gehindert zu werden, wodurch anderen Bürgern der ihnen zukommende Grundrechtsschutz nur verzögert gewährt werden kann (vgl. BVerfGK 6, 219; 10, 94 <97>; stRspr).

9

So verhält es sich hier. Die Verfassungsbeschwerde ist schon wegen der deutlichen Verfristung offensichtlich unzulässig. Dem Beschwerdeführer als früherem Rechtsanwalt war die Problematik auch bewusst, wie sich an seinen diesbezüglichen Ausführungen zeigt. Diese sind allerdings so pauschal, dass sie ganz offensichtlich nicht geeignet sind, eine - ohnehin nicht beantragte - Wiedereinsetzung zu tragen oder ernsthafte Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Monatsfrist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde aufzuwerfen.

10

Überdies entsprach die Begründung ersichtlich nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Die Aussichtslosigkeit einer solchen Verfassungsbeschwerde musste der Beschwerdeführer ohne Weiteres erkennen, umso mehr, als er schon eine Vielzahl von Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht hat und in diesem Rahmen über die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde wiederholt belehrt worden ist.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93d


(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93a


(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. (2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angez

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 92


In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 23


(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. (2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kom

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93


(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34


(1) Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist kostenfrei. (2) Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes

Referenzen

(1) Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung.

(2) Sie ist zur Entscheidung anzunehmen,

a)
soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,
b)
wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.

(1) Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist kostenfrei.

(2) Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes einen Mißbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 32) mißbräuchlich gestellt ist.

(3) Für die Einziehung der Gebühr gilt § 59 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung entsprechend.

(1) Anträge, die das Verfahren einleiten, sind schriftlich beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie sind zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben.

(2) Der Vorsitzende oder, wenn eine Entscheidung nach § 93c in Betracht kommt, der Berichterstatter stellt den Antrag dem Antragsgegner, den übrigen Beteiligten sowie den Dritten, denen nach § 27a Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, unverzüglich mit der Aufforderung zu, sich binnen einer zu bestimmenden Frist dazu zu äußern.

(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann jedem Beteiligten aufgeben, binnen einer zu bestimmenden Frist die erforderliche Zahl von Abschriften seiner Schriftsätze und der angegriffenen Entscheidungen für das Gericht und für die übrigen Beteiligten nachzureichen.

In der Begründung der Beschwerde sind das Recht, das verletzt sein soll, und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder der Behörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletzt fühlt, zu bezeichnen.