Bundessozialgericht Beschluss, 23. Mai 2013 - B 4 AS 247/12 B

bei uns veröffentlicht am23.05.2013

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Februar 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der Kläger beantragte im Oktober 2009 SGB II-Leistungen und wurde von dem Beklagten aufgefordert, bis spätestens 16.11.2009 einen Schufa-Auszug, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt und eine Rentabilitätsvorschau in Bezug auf seine geplante Selbständigkeit vorzulegen (Schreiben vom 30.10.2009). Den hiergegen gerichteten Widerspruch verwarf der Beklagte als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 26.8.2010). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 19.11.2010; Urteil des LSG vom 1.2.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Senat könne auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil in der ordnungsgemäßen Terminbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sei. Zwar bestünden Zweifel, ob das SG die Klage zu Recht als unzulässig habe abweisen können, weil der Widerspruchsbescheid eine Regelung treffe. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil der Beklagte zu Recht entschieden habe, dass der Widerspruch mangels eines vorliegenden Verwaltungsaktes unzulässig sei. Das Schreiben vom 30.10.2009 enthalte nur eine Mitwirkungsaufforderung ohne konkreten Regelungsinhalt. Das SG habe durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Die diesbezügliche Mitteilung brauche keinen weiteren Inhalt aufzuweisen.

2

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, es liege ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, weil das LSG im Termin am 1.2.2012 durch Urteil entschieden und nicht wegen seiner Abwesenheit vertagt habe. Der Senatsvorsitzende habe mit Ladungsverfügung vom 17.12.2011 für Mittwoch, den 1.2.2011, um 13.35 Uhr terminiert. Er habe die Terminnachricht nicht erhalten und entsprechend den Termin nicht wahrnehmen können. Nach dem Sitzungsprotokoll des LSG sei bei Aufruf der Sache am 1.2.2012 um 13.37 Uhr für den Beklagten lediglich dessen Prozessvertreter anwesend gewesen. Feststellungen zu seinem Nichterscheinen seien nicht getroffen worden. Da nur der Beklagte mit Empfangsbekenntnis geladen worden sei, habe sich das LSG gedrängt fühlen müssen, ggf über die Geschäftsstelle nachzufragen, ob Gründe für sein Nichterscheinen bekannt seien. Aus der Akte sei ersichtlich gewesen, dass er nur mit einfachem Brief zum Termin geladen worden sei, so dass nicht als sicher angesehen werden konnte, dass er die Terminmitteilung erhalten habe. Zudem habe das LSG aus seinen Schriftsätzen den Eindruck gewinnen müssen, dass es ihm um die Sache selbst gegangen sei. Bedenken bestünden auch wegen der Nichteinhaltung einer angemessenen Wartezeit, weil das LSG keinen - in der Regel üblichen - Zeitraum von 15 Minuten berücksichtigt habe, sondern bereits um 13.37 Uhr den Rechtstreit aufgerufen habe.

3

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der von dem Kläger gerügte Verfahrensmangel einer unzureichenden Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor und führt hier gemäß § 160a Abs 5 SGG iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.

4

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Berufungsurteil ist unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) ergangen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs erfordert, dass den Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen gegeben werden muss, dies vor allem in der mündlichen Verhandlung (BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 5; BSG SozR 3-1500 § 128 Nr 14). Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit haben, hieran teilzunehmen. Diese Möglichkeit hatte der Kläger jedoch nicht, weil er die Terminbenachrichtigung zu dem Termin am 1.2.2012 nach seinen Angaben nicht erhalten hat.

5

Zwar müssen Terminbestimmungen und Ladungen nach § 63 Abs 1 Satz 2 SGG(idF des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.8.2001 - BGBl I 2144) nicht (mehr) zugestellt werden; es genügt schon die Bekanntgabe, etwa durch einfachen Brief oder durch Einwurfschreiben. Es liegt jedoch weiterhin vorrangig in der Verantwortung des Gerichts, den Anspruch auf rechtliches Gehör sicherzustellen. Dieses muss sich - je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls - gegebenenfalls Gewissheit darüber verschaffen, ob ein für die Wahrung des rechtlichen Gehörs bedeutsames, aber mit einfachem Brief übersandtes Schreiben den Beteiligten auch tatsächlich erreicht hat.

6

Dass der Kläger die Terminmitteilung nicht erhalten hat, ergibt sich aus seiner Beschwerdebegründung. Ein Nachweis über den Erhalt dieses Schreibens fehlt. Es kann nicht regelmäßig allein aufgrund des bloßen Absendens einer Terminmitteilung gefolgert werden, dass dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat. Wird auf eine förmliche Zustellung mit Nachweis des Erhalts des Zugangs über die Terminmitteilung oder Ladung zu einem Verhandlungstermin verzichtet, muss sich das LSG - je nach den Besonderheiten des Falls - damit befassen, ob dieses Schreiben den Beteiligten auch erreicht hat und sich ggf Gewissheit darüber verschaffen, dass dieses zugegangen ist (vgl zum Anhörungsschreiben nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG: BSG Beschluss vom 29.11.2012 - B 14 AS 176/12 B, juris RdNr 5 mwN). Zwar kann nicht in allen Fällen einer "schlichten" Bekanntgabe einer Terminbestimmung oder Ladung von einer Verletzung des § 63 SGG ausgegangen werden, wenn ein Beteiligter behauptet, die Ladung nicht erhalten zu haben, etwa wenn sich nach Aktenlage bereits Unregelmäßigkeiten und Auffälligkeiten bei Übersendungen mit einfachem Brief im Zugangs- und "Herrschaftsbereich" des dafür erforderlichen Adressaten ergeben haben(vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 2; Beschluss des Senats vom 2.5.2013 - B 4 AS 263/12 B). Ein derartiger Fall ist hier jedoch nicht gegeben, weil der - jeweils mit Postzustellungsurkunde zugestellte - Gerichtsbescheid des SG vom 19.11.2010 und der Beschluss des LSG über die Ablehnung der Befangenheit vom 23.8.2011 sowie die sonstigen Schriftsätze den Kläger unproblematisch erreicht haben.

7

Es liegen zudem einzelfallbezogene Besonderheiten vor, die es - nach Auswertung des Akteninhalts dieses Verfahrens - nahelegen, dass der Kläger auf den Erhalt der Terminmitteilung über den Verhandlungstermin vor dem LSG am 1.2.2012 reagiert hätte. So hat er auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters beim LSG zu einem Einverständnis ohne mündliche Verhandlung vom 10.1.2011 deutlich gemacht, dass er hiermit nicht einverstanden sei und weitere rechtliche Erörterungen durch das Berufungsgericht für erforderlich halte. Zudem hat er ausdrücklich kritisiert, dass das SG in seinem Anhörungsschreiben vom 28.10.2010 zum Gerichtsbescheid keine Hinweise zu der dort vertretenen Auffassung, es handele sich um ein Verfahren ohne besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art, gegeben habe. Auch wegen des hierdurch dokumentierten Interesses des Klägers am Ausgang des Verfahrens geht der Senat bei zusammenfassender Würdigung davon aus, dass die Terminmitteilung nicht in den Herrschaftsbereich des Klägers gelangt ist.

8

Weiteres Vorbringen des Klägers war nicht erforderlich, weil "wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung" im allgemeinen davon auszugehen ist, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran hindert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, für die Entscheidung ursächlich geworden ist (vgl nur BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 RdNr 16). Gründe die eine Ursächlichkeit des gerügten Verfahrensfehlers für das angefochtene Urteil ausschließen könnten, sind hier nicht ersichtlich (vgl auch Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R und Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 1).

9

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG mit dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Da letzteres hier der Fall ist, macht der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch und verweist in der Sache insofern auch auf das Urteil des 14. Senats des BSG vom 24.2.2011 (B 14 AS 87/09 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 1).

10

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

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Tenor Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 2016 aufgehoben.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 4. Juli 2012 - L 13 AS 71/10 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Umstritten sind höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für Schulmaterial im Schuljahr 2005/2006. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Durchführung eines Erörterungstermins die Berufung mit Beschluss vom 4.7.2012 - L 13 AS 71/10 - zurückgewiesen. In ihrer form- und fristgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG) und § 62 SGG.

2

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des LSG vom 4.7.2012 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG zurückzuverweisen. Denn der Beschluss beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

3

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der angefochtene Beschluss des LSG unter Verstoß gegen § 153 Abs 4 Satz 2 SGG ergangen ist.

4

Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 153 Abs 4 Satz 2 SGG), um deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) sicherzustellen. Des Weiteren führt eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG, wenn dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des LSG nur mit Berufsrichtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes nach § 202 SGG iVm § 547 Abs 1 Zivilprozessordnung ( vgl nur BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13; BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11).

5

Gegen das Anhörungserfordernis nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG hat das LSG vorliegend verstoßen. Dass die Kläger vor dem angefochtenen Beschluss des LSG nicht angehört wurden, ergibt sich aus ihrer Beschwerdebegründung, zumal ein Nachweis über den Zugang des Anhörungsschreibens bei ihnen fehlt. Aufgrund des bloßen Absendens eines Anhörungsschreibens kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatten. Bei einem Verzicht auf den Nachweis über den Zugang des Anhörungsschreibens und einer fehlenden Erwiderung zu einem Anhörungsschreiben muss sich das LSG vielmehr vor Erlass des beabsichtigten Beschlusses darüber Gewissheit verschaffen, dass allen Beteiligten das Anhörungsschreiben zugegangen ist (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 4 RA 71/99 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 11 S 30 = Juris RdNr 20 mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 194/08 B). Letzteres ist vorliegend nicht geschehen.

6

Bei einer Verletzung des § 153 Abs 4 SGG sind keine näheren Ausführungen zum Beruhenkönnen der Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel erforderlich, weil immer auch ein absoluter Revisionsgrund aufgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG ohne ehrenamtliche Richter gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO vorliegt(BSG vom 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 11 RdNr 17).

7

Dass die Kläger außerdem die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt haben, steht dem nicht entgegen. Ob die Voraussetzungen dieser Rüge vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ebenso die Entscheidung über die von den Klägern gleichzeitig erhobene Rüge der grundsätzlichen Bedeutung der Sache.

8

Angesichts des aufgezeigten Verfahrensmangels ist der Rechtsstreit nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

9

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.

(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für alle drei Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.

2

Der im 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines Gerüstbauunternehmens. Mit der im Jahre 1969 geborenen Frau S und den drei gemeinsamen, in den Jahren 2001, 2002 und 2005 geborenen Kindern, war er Mieter eines Einfamilienhauses. Am 1.3.2007 beantragte Frau S für sich und die Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

3

Mit Bescheid vom 25.6.2007 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, "zur Überprüfung des Leistungsanspruches von S" im Einzelnen aufgezählte Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen und diese durch entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Verlangt wurde ua ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular für den Bezug von SGB II-Leistungen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht.

4

In der Begründung des Bescheids heißt es, Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht des Klägers sei § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II. Als Partner der Antragstellerin sei er auf Verlangen zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen verpflichtet. Diese Auskunft sei auch zur Prüfung des Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sei. Außerdem gelte die Vermutung, dass der Kläger als Partner der Frau S von dieser mitvertreten werde, weshalb er auch den allgemeinen Mitwirkungspflichten unterliege und deshalb verpflichtet sei, alle leistungserheblichen Tatsachen anzugeben, wenn er Sozialleistungen beantrage.

5

Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte den Bescheid vom 25.6.2007 durch Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008 teilweise auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Vom Kläger könnten nur solche Unterlagen und Auskünfte verlangt werden, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse beträfen. Die Auskunftsverpflichtung ergebe sich aus § 60 Abs 4 SGB II. Zugleich setzte der Beklagte ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest.

6

Sowohl gegen die Zwangsgeldfestsetzung als auch gegen die Auskunftsverpflichtung hat der Kläger jeweils nach Abschluss des erfolglosen Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Im Hinblick auf die Zwangsgeldfestsetzung hat der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Im Hinblick auf den Auskunftsbescheid hat das Sozialgericht (SG) die angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 12.8.2008 teilweise geändert und den Kläger von der Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen entlastet; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen mit der Begründung, aus der nach wie vor bestehenden Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft folge die zwischen den Beteiligten streitige Auskunftsverpflichtung.

7

Zum 1.11.2008 ist Frau S mit den gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung umgezogen und hat dort ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) nach Vernehmung der Frau S die Berufung des Klägers mit Urteil vom 24.4.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger sei zwar nicht nach § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Partner einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auskunftspflichtig, denn die Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau S habe tatsächlich seit Dezember 2006 nicht mehr bestanden. Die Berufung könne gleichwohl keinen Erfolg haben, da der Kläger die begehrte Auskunft gemäß § 60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schulde. Er sei bereits wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern auskunftspflichtig. Eine Unterhaltsvereinbarung vermöge daran nichts zu ändern, denn die Mutter der gemeinsamen Kinder könne unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt auf etwaige Ansprüche verzichten mit der Folge, dass dann der Beklagte für den Lebensunterhalt aufkommen müsse.

8

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte könne das Auskunftsverlangen nicht auf § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II stützen, weil es insoweit - wie das LSG zutreffend entschieden habe - an einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft gefehlt habe. Das LSG habe die Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide aber nicht ohne Weiteres austauschen dürfen. Der Kläger rügt darüber hinaus eine Verletzung des § 60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 BGB.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 insgesamt aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält weiterhin an § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen fest und teilt im Übrigen die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG.

Entscheidungsgründe

12

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Auskunftsbegehren des Beklagten gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form rechtswidrig, sodass der Kläger beschwert und seine Anfechtungsklage in vollem Umfang begründet ist (§ 54 Abs 1 und 2 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der ursprüngliche Auskunftsbescheid des Beklagten vom 25.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2008 und des Urteils des SG vom 12.8.2008. Für das konkrete Auskunftsverlangen des Beklagten fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 4 SGB II, auf den der Beklagte sein Auskunftsbegehren nach wie vor stützen möchte, liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG nicht vor(dazu unter 1.). Das Vorgehen des Beklagten konnte entgegen der Meinung des LSG auch nicht nachträglich auf § 60 Abs 2 SGB II gestützt werden(dazu unter 2.). Andere Rechtsgrundlagen für das Auskunftsverlangen scheiden aus (dazu unter 3.).

14

1. Der Beklagte konnte von dem Kläger nach § 60 Abs 4 SGB II keine Auskunft verlangen, weil die Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Norm - das Vorliegen einer Partnerschaft gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II - nach den Feststellungen des LSG, nicht gegeben war. Danach hat zwischen dem Kläger und Frau S bereits seit Dezember 2006 eine Lebensgemeinschaft nicht mehr bestanden. Diese Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG); sie sind von dem Beklagten nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen worden. Soweit dieser im Revisionsverfahren eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG rügt, handelt es sich nicht um einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der die Aufhebung des angefochtenen Urteils begründen kann. Der Beklagte stellt lediglich die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG, was wegen des bei der Beweiswürdigung bestehenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der revisionsgerichtlichen Überprüfung unbeachtlich ist. Fehler bei der Beweiswürdigung durch das LSG können nur dann zur Aufhebung des Urteils führen, wenn die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten sind (zB durch einen Verstoß gegen Denkgesetze, vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, VI RdNr 164). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

15

2. Das LSG konnte auch nicht in zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren das Auskunftsbegehren des Beklagten anstelle von § 60 Abs 4 auf § 60 Abs 2 SGB II stützen. Insofern lagen weder die Voraussetzungen für ein sog "Nachschieben von Gründen" vor (dazu unter a), noch konnte die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts durch eine Umdeutung nach § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erreicht werden(dazu unter b).

16

a) Zwar haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl nur BSGE 87, 8, 11 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist aber dennoch nur der jeweils erlassene Verwaltungsakt und nicht irgendeine andere Entscheidung, die die Verwaltung zur Regelung des konkreten Sachverhalts auch hätte treffen können (so Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, 2004, S 189 f). Bei der gerichtlichen Entscheidung kann daher die von der Behörde getroffene Entscheidung nur dann auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn hierdurch der angegriffene Verwaltungsakt nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert wird oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen sich dadurch nicht erheblich erschwert (vgl zum sog Nachschieben von Gründen grundlegend: Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 24.9.1953 in BVerwGE 1, 12; Bundessozialgericht Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546; Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R).

17

Das LSG hat den angegriffenen Auskunftsbescheid in seinem Wesensgehalt verändert, indem es zur Begründung des Auskunftsverlangens des Beklagten auf § 60 Abs 2 SGB II statt auf § 60 Abs 4 SGB II abgestellt hat. Eine unzulässige Wesensveränderung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Verwaltungsakt mit der im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen" Begründung nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt unterscheidet (vgl dazu nur BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 104/85 - SozSich 1988, 373; BSG Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - SozR 1500 § 77 Nr 56). Wird ein Verwaltungsakt auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so ist eine Wesensänderung dann zu bejahen, wenn die neue Rechtsgrundlage anderen Zwecken dient. Eine Wesensänderung kann insoweit nur dann verneint werden, wenn die neu herangezogene Vorschrift denselben Zwecken dient und auf denselben Sachverhalt abstellt (vgl Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung , 16. Aufl 2009, § 113 RdNr 65 und 67).

18

Die durch den Austausch der Rechtsgrundlage eingetretene Wesensveränderung ergibt sich hier schon daraus, dass § 60 Abs 2 SGB II anderen Zwecken dient als die ursprünglich herangezogene Regelung in § 60 Abs 4 SGB II. Die Auskunftsverpflichtung nach der letztgenannten Norm beruht auf der Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen zwei Partnern, dagegen setzt die Anwendung von § 60 Abs 2 SGB II ein Unterhaltsrechtsverhältnis voraus. Während die Auskunftsverpflichtung als Partner sich unmittelbar auf die Feststellung des Leistungsanspruchs und ggf dessen Höhe auswirkt, besteht der Zweck der Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 SGB II nicht in erster Linie in der Beschränkung oder dem Ausschluss des SGB II-Leistungsanspruchs, sondern berührt diesen nur mittelbar. Die Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dient vielmehr der Prüfung von Unterhaltsverpflichtungen, um entweder auf die gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege der Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II geltend zu machen(vgl dazu insgesamt Estelmann, SGB II, Stand Februar 2005, § 60 RdNr 5).

19

Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 SGB II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe der Einkünfte fordern (§ 60 Abs 2 Satz 3 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Satz 2 BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden(vgl auch Sander in GK-SGB II, Stand August 2008, § 60 RdNr 62; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 60 RdNr 31a; U. Mayer in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand September 2009, § 60 SGB II RdNr 28; vgl zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz insoweit auch BVerwGE 92, 330 sowie BGH NJW 1986, 1688).

20

b) Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Verwaltungsaktes iS des § 43 SGB X zur Vermeidung einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide nicht vor. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar(so zuletzt BSG SozR 4-1500 § 77 Nr 1).

21

Es kann hier dahinstehen, ob der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, nicht schon der erkennbaren Absicht des Beklagten widerspräche (vgl § 43 Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGB X). Schließlich hat der Beklagte bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG geäußert und zugleich darauf hingewiesen, dass er für die Zeit ab November 2008 Auskunft von dem Kläger auf der Grundlage des § 60 Abs 2 SGB II in einem gesonderten Verfahren verlangt. Eine Umdeutung scheidet vorliegend aber jedenfalls deshalb aus, weil der Verwaltungsakt als Ergebnis der Umdeutung von dem Beklagten in der vorliegenden Form nicht rechtmäßig hätte erlassen werden können (§ 43 Abs 1 SGB X). Eine Umdeutung kann nicht vorgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, fehlerhaft bleibt. In diesem Fall kommt nur die Aufhebung in Betracht. So liegt der Fall hier. Der Umfang der anfangs von dem Beklagten begehrten Auskunft ist bereits im Rahmen des Widerspruchs- und dem sich daran anschließenden Klageverfahren vor dem SG erheblich beschränkt worden. Geblieben ist allerdings die Aufforderung an den Kläger, ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular einzureichen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, denn der Kläger selbst hat keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt. Auch hat weder die Mutter der gemeinsamen Kinder, Frau S, Leistungen für den Kläger beantragt, noch besteht vor dem Hintergrund des Bestreitens der Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft Raum für eine vermutete Bevollmächtigung (vgl auch Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14 AS 23/07 R -, dort allerdings zum Meistbegünstigungsprinzip).

22

Der Kläger ist auch nicht als Antragsteller und deshalb zur Mitwirkung Verpflichteter nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch( zur ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff SGB I im Rahmen des SGB II vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2 und Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R) anzusehen, weil er - nach Auffassung des Beklagten - einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin S und den drei gemeinsamen Kindern angehört. Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft als solcher gibt es nicht, Anspruchsinhaber ist vielmehr jeder Einzelne (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12). Gegen seinen Willen kann auch ein Anspruchsinhaber nicht zum Antragsteller werden.

23

Es war nicht zu entscheiden, ob der Beklagte die im Bescheid aufgeführten weiteren Unterlagen und Nachweise in rechtmäßiger Weise anfordern konnte. Da der Verwaltungsakt insgesamt aufzuheben war, kam eine geltungserhaltende Reduktion im Rahmen der Umdeutung bei dem Auskunftsbegehren nach § 60 SGB II nicht in Betracht. Bereits bei der früheren Sozialhilfe war allgemein anerkannt, dass - seinerzeit auf § 116 Abs 1 BSHG gestützte - Auskunftsverlangen regelmäßig als einheitliche Verwaltungsakte anzusehen waren, bei denen eine Teilrechtswidrigkeit grundsätzlich ausschied(vgl nur BVerwGE 91, 375; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 18.4.2005 - 12 Cs 04.3362 -; Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil vom 8.4.1992 - 4 L 57/90 -; für ausnahmsweise Teilrechtswidrigkeit BVerwGE 92, 330). Für die Auskunftsverpflichtung im Rahmen des SGB II kann in der Regel nichts anderes gelten, Gründe für eine ausnahmsweise anzunehmende Teilrechtswidrigkeit sind hier nicht ersichtlich.

24

3. Weitere Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren in rechtmäßiger Weise hätte gestützt werden können, existieren nicht. Dies gilt insbesondere für § 99 SGB X. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob § 99 SGB X als Rechtsgrundlage schon deshalb ausscheidet, weil es sich beim SGB II nicht um einen Bestandteil der Sozialversicherung handelt(vgl § 4 Abs 2 SGB I; zur Nichtanwendbarkeit des § 99 SGB X im Arbeitsförderungsrecht BSG Urteil vom 16.8.1989 - 7 RAr 82/88 - SozR 4100 § 144 Nr 1 S 2, juris RdNr 19; für die ergänzende Heranziehung der §§ 98 ff SGB X dagegen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 2009, § 60 RdNr 7). Zumindest für die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht Dritter stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 99 SGB X nicht, da § 60 SGB II die Einholung der zur Durchführung des SGB II benötigten Auskünfte Dritter abschließend regelt.

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen, für die Kostenfreiheit hinsichtlich der Gerichtskosten besteht.

26

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2 und § 47 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war hier der Auffangstreitwert von 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG zugrunde zu legen. Der Senat hat als Revisionsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, auch den Streitwert für das Klage- und das Berufungsverfahren festzusetzen(vgl BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 197a RdNr 5).

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für alle drei Rechtszüge auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.

2

Der im 1968 geborene Kläger ist Inhaber eines Gerüstbauunternehmens. Mit der im Jahre 1969 geborenen Frau S und den drei gemeinsamen, in den Jahren 2001, 2002 und 2005 geborenen Kindern, war er Mieter eines Einfamilienhauses. Am 1.3.2007 beantragte Frau S für sich und die Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

3

Mit Bescheid vom 25.6.2007 forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung auf, "zur Überprüfung des Leistungsanspruches von S" im Einzelnen aufgezählte Unterlagen einzureichen und Auskünfte zu erteilen und diese durch entsprechende geeignete Nachweise zu belegen. Verlangt wurde ua ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular für den Bezug von SGB II-Leistungen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht.

4

In der Begründung des Bescheids heißt es, Rechtsgrundlage der Auskunftspflicht des Klägers sei § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II. Als Partner der Antragstellerin sei er auf Verlangen zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen verpflichtet. Diese Auskunft sei auch zur Prüfung des Antrags auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich, weil gemäß § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sei. Außerdem gelte die Vermutung, dass der Kläger als Partner der Frau S von dieser mitvertreten werde, weshalb er auch den allgemeinen Mitwirkungspflichten unterliege und deshalb verpflichtet sei, alle leistungserheblichen Tatsachen anzugeben, wenn er Sozialleistungen beantrage.

5

Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte den Bescheid vom 25.6.2007 durch Widerspruchsbescheid vom 8.2.2008 teilweise auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Vom Kläger könnten nur solche Unterlagen und Auskünfte verlangt werden, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse beträfen. Die Auskunftsverpflichtung ergebe sich aus § 60 Abs 4 SGB II. Zugleich setzte der Beklagte ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest.

6

Sowohl gegen die Zwangsgeldfestsetzung als auch gegen die Auskunftsverpflichtung hat der Kläger jeweils nach Abschluss des erfolglosen Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Im Hinblick auf die Zwangsgeldfestsetzung hat der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Im Hinblick auf den Auskunftsbescheid hat das Sozialgericht (SG) die angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 12.8.2008 teilweise geändert und den Kläger von der Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen entlastet; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen mit der Begründung, aus der nach wie vor bestehenden Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft folge die zwischen den Beteiligten streitige Auskunftsverpflichtung.

7

Zum 1.11.2008 ist Frau S mit den gemeinsamen Kindern in eine eigene Wohnung umgezogen und hat dort ihren Hauptwohnsitz angemeldet. Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) nach Vernehmung der Frau S die Berufung des Klägers mit Urteil vom 24.4.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger sei zwar nicht nach § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Partner einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auskunftspflichtig, denn die Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau S habe tatsächlich seit Dezember 2006 nicht mehr bestanden. Die Berufung könne gleichwohl keinen Erfolg haben, da der Kläger die begehrte Auskunft gemäß § 60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schulde. Er sei bereits wegen seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern auskunftspflichtig. Eine Unterhaltsvereinbarung vermöge daran nichts zu ändern, denn die Mutter der gemeinsamen Kinder könne unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt auf etwaige Ansprüche verzichten mit der Folge, dass dann der Beklagte für den Lebensunterhalt aufkommen müsse.

8

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Zur Begründung führt er aus, der Beklagte könne das Auskunftsverlangen nicht auf § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II stützen, weil es insoweit - wie das LSG zutreffend entschieden habe - an einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft gefehlt habe. Das LSG habe die Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide aber nicht ohne Weiteres austauschen dürfen. Der Kläger rügt darüber hinaus eine Verletzung des § 60 Abs 2 SGB II iVm § 1605 Abs 1 BGB.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. April 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. August 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2008 insgesamt aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält weiterhin an § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II als Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen fest und teilt im Übrigen die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG.

Entscheidungsgründe

12

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das Auskunftsbegehren des Beklagten gegenüber dem Kläger war in seiner konkreten Form rechtswidrig, sodass der Kläger beschwert und seine Anfechtungsklage in vollem Umfang begründet ist (§ 54 Abs 1 und 2 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der ursprüngliche Auskunftsbescheid des Beklagten vom 25.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.2.2008 und des Urteils des SG vom 12.8.2008. Für das konkrete Auskunftsverlangen des Beklagten fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 4 SGB II, auf den der Beklagte sein Auskunftsbegehren nach wie vor stützen möchte, liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG nicht vor(dazu unter 1.). Das Vorgehen des Beklagten konnte entgegen der Meinung des LSG auch nicht nachträglich auf § 60 Abs 2 SGB II gestützt werden(dazu unter 2.). Andere Rechtsgrundlagen für das Auskunftsverlangen scheiden aus (dazu unter 3.).

14

1. Der Beklagte konnte von dem Kläger nach § 60 Abs 4 SGB II keine Auskunft verlangen, weil die Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Norm - das Vorliegen einer Partnerschaft gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II - nach den Feststellungen des LSG, nicht gegeben war. Danach hat zwischen dem Kläger und Frau S bereits seit Dezember 2006 eine Lebensgemeinschaft nicht mehr bestanden. Diese Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG); sie sind von dem Beklagten nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen worden. Soweit dieser im Revisionsverfahren eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das LSG rügt, handelt es sich nicht um einen Fehler bei der Tatsachenfeststellung, der die Aufhebung des angefochtenen Urteils begründen kann. Der Beklagte stellt lediglich die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG, was wegen des bei der Beweiswürdigung bestehenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der revisionsgerichtlichen Überprüfung unbeachtlich ist. Fehler bei der Beweiswürdigung durch das LSG können nur dann zur Aufhebung des Urteils führen, wenn die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten sind (zB durch einen Verstoß gegen Denkgesetze, vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, VI RdNr 164). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.

15

2. Das LSG konnte auch nicht in zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren das Auskunftsbegehren des Beklagten anstelle von § 60 Abs 4 auf § 60 Abs 2 SGB II stützen. Insofern lagen weder die Voraussetzungen für ein sog "Nachschieben von Gründen" vor (dazu unter a), noch konnte die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts durch eine Umdeutung nach § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erreicht werden(dazu unter b).

16

a) Zwar haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl nur BSGE 87, 8, 11 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist aber dennoch nur der jeweils erlassene Verwaltungsakt und nicht irgendeine andere Entscheidung, die die Verwaltung zur Regelung des konkreten Sachverhalts auch hätte treffen können (so Kischel, Folgen von Begründungsfehlern, 2004, S 189 f). Bei der gerichtlichen Entscheidung kann daher die von der Behörde getroffene Entscheidung nur dann auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn hierdurch der angegriffene Verwaltungsakt nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert wird oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen sich dadurch nicht erheblich erschwert (vgl zum sog Nachschieben von Gründen grundlegend: Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 24.9.1953 in BVerwGE 1, 12; Bundessozialgericht Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546; Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R).

17

Das LSG hat den angegriffenen Auskunftsbescheid in seinem Wesensgehalt verändert, indem es zur Begründung des Auskunftsverlangens des Beklagten auf § 60 Abs 2 SGB II statt auf § 60 Abs 4 SGB II abgestellt hat. Eine unzulässige Wesensveränderung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Verwaltungsakt mit der im gerichtlichen Verfahren "nachgeschobenen" Begründung nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung wesentlich von dem ursprünglichen Verwaltungsakt unterscheidet (vgl dazu nur BSG Urteil vom 29.9.1987 - 7 RAr 104/85 - SozSich 1988, 373; BSG Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - SozR 1500 § 77 Nr 56). Wird ein Verwaltungsakt auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt, so ist eine Wesensänderung dann zu bejahen, wenn die neue Rechtsgrundlage anderen Zwecken dient. Eine Wesensänderung kann insoweit nur dann verneint werden, wenn die neu herangezogene Vorschrift denselben Zwecken dient und auf denselben Sachverhalt abstellt (vgl Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung , 16. Aufl 2009, § 113 RdNr 65 und 67).

18

Die durch den Austausch der Rechtsgrundlage eingetretene Wesensveränderung ergibt sich hier schon daraus, dass § 60 Abs 2 SGB II anderen Zwecken dient als die ursprünglich herangezogene Regelung in § 60 Abs 4 SGB II. Die Auskunftsverpflichtung nach der letztgenannten Norm beruht auf der Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen zwei Partnern, dagegen setzt die Anwendung von § 60 Abs 2 SGB II ein Unterhaltsrechtsverhältnis voraus. Während die Auskunftsverpflichtung als Partner sich unmittelbar auf die Feststellung des Leistungsanspruchs und ggf dessen Höhe auswirkt, besteht der Zweck der Auskunftspflicht nach § 60 Abs 2 SGB II nicht in erster Linie in der Beschränkung oder dem Ausschluss des SGB II-Leistungsanspruchs, sondern berührt diesen nur mittelbar. Die Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse dient vielmehr der Prüfung von Unterhaltsverpflichtungen, um entweder auf die gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Wege der Selbsthilfe zu verweisen oder einen Erstattungsanspruch nach § 33 SGB II geltend zu machen(vgl dazu insgesamt Estelmann, SGB II, Stand Februar 2005, § 60 RdNr 5).

19

Aus den Absätzen 2 und 4 des § 60 SGB II ergeben sich zudem unterschiedliche Auswirkungen auf den konkreten Umfang der von dem Träger benötigten und vom Auskunftspflichtigen zu leistenden Auskünfte. So kann der Leistungsträger im Rahmen unterhaltsrechtlicher Beziehungen die Vorlage von Belegen über die Höhe der Einkünfte fordern (§ 60 Abs 2 Satz 3 SGB II iVm § 1605 Abs 1 Satz 2 BGB). Gegenüber einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, kann dagegen nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 60 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB II nur die Erteilung von Auskünften verlangt werden(vgl auch Sander in GK-SGB II, Stand August 2008, § 60 RdNr 62; Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 60 RdNr 31a; U. Mayer in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand September 2009, § 60 SGB II RdNr 28; vgl zur Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz insoweit auch BVerwGE 92, 330 sowie BGH NJW 1986, 1688).

20

b) Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Verwaltungsaktes iS des § 43 SGB X zur Vermeidung einer Aufhebung der angegriffenen Bescheide nicht vor. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar(so zuletzt BSG SozR 4-1500 § 77 Nr 1).

21

Es kann hier dahinstehen, ob der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, nicht schon der erkennbaren Absicht des Beklagten widerspräche (vgl § 43 Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGB X). Schließlich hat der Beklagte bis zur letzten mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise des LSG geäußert und zugleich darauf hingewiesen, dass er für die Zeit ab November 2008 Auskunft von dem Kläger auf der Grundlage des § 60 Abs 2 SGB II in einem gesonderten Verfahren verlangt. Eine Umdeutung scheidet vorliegend aber jedenfalls deshalb aus, weil der Verwaltungsakt als Ergebnis der Umdeutung von dem Beklagten in der vorliegenden Form nicht rechtmäßig hätte erlassen werden können (§ 43 Abs 1 SGB X). Eine Umdeutung kann nicht vorgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, fehlerhaft bleibt. In diesem Fall kommt nur die Aufhebung in Betracht. So liegt der Fall hier. Der Umfang der anfangs von dem Beklagten begehrten Auskunft ist bereits im Rahmen des Widerspruchs- und dem sich daran anschließenden Klageverfahren vor dem SG erheblich beschränkt worden. Geblieben ist allerdings die Aufforderung an den Kläger, ein vollständig ausgefülltes und unterschriebenes Antragsformular einzureichen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, denn der Kläger selbst hat keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragt. Auch hat weder die Mutter der gemeinsamen Kinder, Frau S, Leistungen für den Kläger beantragt, noch besteht vor dem Hintergrund des Bestreitens der Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft Raum für eine vermutete Bevollmächtigung (vgl auch Urteil des Senats vom 27.2.2008 - B 14 AS 23/07 R -, dort allerdings zum Meistbegünstigungsprinzip).

22

Der Kläger ist auch nicht als Antragsteller und deshalb zur Mitwirkung Verpflichteter nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch( zur ergänzenden Anwendung der §§ 60 ff SGB I im Rahmen des SGB II vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2 und Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R) anzusehen, weil er - nach Auffassung des Beklagten - einer Bedarfsgemeinschaft mit der Zeugin S und den drei gemeinsamen Kindern angehört. Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft als solcher gibt es nicht, Anspruchsinhaber ist vielmehr jeder Einzelne (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 12). Gegen seinen Willen kann auch ein Anspruchsinhaber nicht zum Antragsteller werden.

23

Es war nicht zu entscheiden, ob der Beklagte die im Bescheid aufgeführten weiteren Unterlagen und Nachweise in rechtmäßiger Weise anfordern konnte. Da der Verwaltungsakt insgesamt aufzuheben war, kam eine geltungserhaltende Reduktion im Rahmen der Umdeutung bei dem Auskunftsbegehren nach § 60 SGB II nicht in Betracht. Bereits bei der früheren Sozialhilfe war allgemein anerkannt, dass - seinerzeit auf § 116 Abs 1 BSHG gestützte - Auskunftsverlangen regelmäßig als einheitliche Verwaltungsakte anzusehen waren, bei denen eine Teilrechtswidrigkeit grundsätzlich ausschied(vgl nur BVerwGE 91, 375; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 18.4.2005 - 12 Cs 04.3362 -; Oberverwaltungsgericht Lüneburg Urteil vom 8.4.1992 - 4 L 57/90 -; für ausnahmsweise Teilrechtswidrigkeit BVerwGE 92, 330). Für die Auskunftsverpflichtung im Rahmen des SGB II kann in der Regel nichts anderes gelten, Gründe für eine ausnahmsweise anzunehmende Teilrechtswidrigkeit sind hier nicht ersichtlich.

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3. Weitere Rechtsgrundlagen, auf die das Auskunftsbegehren in rechtmäßiger Weise hätte gestützt werden können, existieren nicht. Dies gilt insbesondere für § 99 SGB X. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob § 99 SGB X als Rechtsgrundlage schon deshalb ausscheidet, weil es sich beim SGB II nicht um einen Bestandteil der Sozialversicherung handelt(vgl § 4 Abs 2 SGB I; zur Nichtanwendbarkeit des § 99 SGB X im Arbeitsförderungsrecht BSG Urteil vom 16.8.1989 - 7 RAr 82/88 - SozR 4100 § 144 Nr 1 S 2, juris RdNr 19; für die ergänzende Heranziehung der §§ 98 ff SGB X dagegen Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 2009, § 60 RdNr 7). Zumindest für die Auskunfts- und Mitwirkungspflicht Dritter stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 99 SGB X nicht, da § 60 SGB II die Einholung der zur Durchführung des SGB II benötigten Auskünfte Dritter abschließend regelt.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Weder der Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen, für die Kostenfreiheit hinsichtlich der Gerichtskosten besteht.

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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und 2 und § 47 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war hier der Auffangstreitwert von 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG zugrunde zu legen. Der Senat hat als Revisionsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, auch den Streitwert für das Klage- und das Berufungsverfahren festzusetzen(vgl BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 197a RdNr 5).