Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:310817BB2U7617B0
bei uns veröffentlicht am31.08.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob eine Berufskrankheit nach Nr 2106 ("Druckschädigung der Nerven") der Anl 1 zur BKV (BK 2106) festzustellen ist und der Kläger Verletztenrente beanspruchen kann.

2

Der Kläger war als Bergmann unter Tage Druckeinwirkungen ausgesetzt, die potentiell nervenschädigend waren. Seine Anträge auf Feststellung und Entschädigung einer BK 2106 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.8.2013 und Widerspruchsbescheid vom 17.4.2014), nachdem sie das nervenärztliche Verwaltungsgutachten nebst Zusatzgutachten aus einem Parallelverfahren betreffend die BK 2104 ("Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen …") beigezogen und ausgewertet hatte. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.8.2016); das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Beschluss vom 24.1.2017): Es fehle der Vollbeweis einer "Druckschädigung der Nerven", wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden und das SG in dem angegriffenen Urteil gestützt auf das Ergebnis des nervenärztlichen Verwaltungsgutachtens zutreffend dargelegt hätten. Hierauf nehme der Senat Bezug und sehe von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG vom 24.1.2017 rügt der Kläger die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG). Er macht insbesondere geltend, das LSG hätte das von ihm beantragte nervenärztliche Gutachten einholen müssen.

3

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG ist begründet. Die formgerecht (§ 103 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) gerügte Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht liegt vor.

4

Dem im angegriffenen Beschluss wiedergegebenen, bis zuletzt aufrechterhaltenen und hinreichend konkreten Beweisantrag des unvertretenen Klägers, für den die erhöhten Anforderungen an Präzisierung und Formulierung eines prozessordnungskonformen Beweisantrags nicht in vollem Umfang gelten (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 und Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733), ist das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Dabei ist unerheblich, ob es die Ablehnung des Beweisantrags hinreichend begründet hat, sondern es kommt allein darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr seit BSG Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5; vgl zuletzt Senatsbeschluss vom 30.3.2017 - B 2 U 181/16 B - Juris RdNr 7 mwN). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B - Juris RdNr 8), insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache (zugunsten des Beweisführenden) als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unzulässig, völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (Senatsbeschluss aaO).

5

Ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung hätte sich das LSG aus objektiver Sicht gedrängt fühlen müssen, ein nervenärztliches Sachverständigengutachten zum Vorliegen bzw Nichtvorliegen von Nervenschäden im Bereich der Arme und eventuell auch der unteren Extremitäten sowie ggf zur haftungsbegründenden Kausalität zwischen den berufsbedingten Druckeinwirkungen und den Nervenschäden beizuziehen. Soweit das LSG die "Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen … nicht für erforderlich" hält, übersieht es bereits, dass weder im Klage- noch im Berufungsverfahren ein Sachverständigengutachten von Amts wegen erstattet worden ist. SG und LSG stützen ihre Entscheidungen ausschließlich auf das Verwaltungsgutachten des Neurologen Prof. Dr. T. vom 29.10.2013 nebst elektromyografischen und elektroneurografischen Zusatzgutachten, die im Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer BK nach Nr 2104 (Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) erstattet worden sind. Auf der Grundlage dieser Gutachten durfte das LSG indes nicht davon ausgehen, das Fehlen eines (druckbedingten) Nervenschadens sei bereits erwiesen. Denn das neurologische Hauptgutachten sowie die elektromyografischen und elektroneurografischen Zusatzgutachten sind in einem völlig anderen Kontext (BK 2104) differentialdiagnostisch zu "Durchblutungsstörungen an den Händen" erstellt worden und konnten schon deshalb nicht alle potentiellen Nervendruckschäden erfassen, die nach dem Wortlaut der BK 2106 prinzipiell in allen Körperregionen (und nicht nur "an den Händen") auftreten können. Schon deshalb war weitere Sachaufklärung durch Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens von Amts wegen geboten. Im Übrigen hätten die Verwaltungsgutachten vorliegend nur dann alleinige Grundlage der gerichtlichen Entscheidungen sein können, wenn der Kläger in die Übermittlung und Nutzung seiner hochsensiblen Sozialdaten (§ 35 Abs 1 S 1 SGB I; § 67 Abs 1 und Abs 12 SGB X) an das SG und LSG schriftlich eingewilligt (§ 67b Abs 2 S 3 SGB X) hätte, weil die gesetzliche Übermittlungsbefugnis in § 69 Abs 1 Nr 2 SGB X nur für die Übermittlung von Verwaltungsgutachten für ein dieses Verwaltungsverfahren betreffendes Gerichtsverfahren gilt.

6

Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Klägers nicht auszuschließen, dass die beantragte Zuziehung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens nicht nur den Vollbeweis eines Nervenschadens, sondern auch überzeugende Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen den beruflichen Druckeinwirkungen und dem Nervenschaden erbracht hätten, die ihrerseits zur Feststellung einer BK 2106 und zur Gewährung einer Stützrente nach einer MdE von 10 vH geführt hätten.

7

Die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG liegen somit vor. Der Senat hebt gemäß § 160a Abs 5 SGG die angefochtene Berufungsentscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

8

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 35 Sozialgeheimnis


(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67 Begriffsbestimmungen


(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freie

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 69 Übermittlung für die Erfüllung sozialer Aufgaben


(1) Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie erforderlich ist 1. für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind, oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch oder

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67b Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten


(1) Die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvors

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - B 2 U 76/17 B zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Beschluss, 30. März 2017 - B 2 U 181/16 B

bei uns veröffentlicht am 30.03.2017

Tenor Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes

Referenzen

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache (noch) darüber, ob die dissoziative Bewegungsstörung der Finger D2 - D4 der linken Hand und die mittelgradige depressive Episode des Klägers Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 24.8.2007 sind, deswegen Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 11.11.2008 hinaus besteht und die Beklagte ihm über den 31.5.2009 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH gewähren muss.

2

Am Unfalltag geriet der Kläger mit der linken Hand in eine Sägevorrichtung und zog sich dabei eine lange Schnittwunde mit Strecksehnendurchtrennung D2 - D4 zu (Primärschaden). Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte ua ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. V. vom 7.5.2009 bei, wonach das verbliebene Streckdefizit der Finger II bis IV auf einer dissoziativen Bewegungsstörung beruhe. Diese müsse als allenfalls indirekte Unfallfolge iS einer Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens eingestuft werden. Ein direkter ursächlicher Zusammenhang werde schwerlich nachzuweisen sein. Eine eindeutig unfallbedingte MdE auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet liege nicht vor. Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 12.11.2008 (angenommener Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit) bis zum 31.5.2008 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH und verneinte einen Anspruch auf Rente für die anschließende Zeit. Als Unfallfolgen erkannte sie an: "Nach Rissverletzung der linken Hand operativ versorgter Strecksehnendurchtrennung D2 - D4 auf Handrückenhöhe und knöcherner Beteiligung: Einschränkung der Beweglichkeit des 3. und 4. Fingers, Muskelminderung des Armes, Herabsetzung der groben Kraft der Hand, Narbenbildung im Bereich des Handrückens, Minderbeschwielung der Hohlhand, Kalksalzminderung der Hand, subjektive Beschwerden". Als Unfallfolgen lehnte sie ab: "Dissoziative Störung, depressive Verstimmungen" (Bescheid über Rente für zurückliegende Zeit vom 25.1.2010 und Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010).

3

Das SG hat von Amts wegen ua ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Sp. aus W. vom 16.7.2012 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 15.3.2013 und 7.3.2014 eingeholt. Der Sachverständige hat eine dissoziative Bewegungsstörung sowie eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und ausgeführt, der Unfall sei für diese Gesundheitsstörungen zumindest als wesentliche Teilursache anzusehen; die MdE betrage seit dem 12.11.2008 bis auf Weiteres 30 vH. Hierzu hat die Beklagte beratungsärztliche Stellungnahmen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Psych. Dr. F. vom 3.11.2012 und 20.6.2013 vorgelegt, wonach der Unfall nicht geeignet gewesen sei, eine psychotraumatologische Störung hervorzurufen und deshalb lediglich als Gelegenheitsursache zu werten sei. Das SG hat sich den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen und der Klage im Wesentlichen stattgegeben (Urteil vom 17.9.2014).

4

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren eine "beratungsärztliche nervenärztliche Stellungnahme" des Arztes für Neurologie und Nervenheilkunde Prof. Dr. T., Direktor der Neurologischen Universitätsklinik der BG-Kliniken B. in B., vom 17.12.2014 vorgelegt hatte, hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.6.2016): "Letztlich" sei "das Gutachten von Dr. Sp. im Ergebnis insgesamt nicht überzeugend" und "nach Auffassung des Senats nicht geeignet, … eine wesentliche Mitursächlichkeit des Unfallereignisses" für "die festgestellten Gesundheitsstörungen 'dissoziative Bewegungsstörungen D2 bis D4 links' sowie 'mittelgradige depressive Episode' einschließlich der zugrunde liegenden Symptomatik" … "zu begründen". Hingegen sei "unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Erkenntnisstandes nach wie vor schlüssig das Ergebnis des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten Dr. V., wonach sich gemäß den Maßstäben der gesetzlichen Unfallversicherung ein hinreichender ursächlicher Zusammenhang zwischen den psychoreaktiven Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis hier gerade nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen" lasse. Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag, "ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob der Arbeitsunfall … vom 24.08.2007 die wesentliche Ursache für das bei ihm jetzt vorliegende psychische Krankheitsbild" sei, habe der Senat nicht nachkommen müssen. Denn der medizinische Sachverhalt sei hinreichend geklärt und für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs kein neues Gutachten erforderlich. Die Schlüssigkeit der Argumentation des Sachverständigen Dr. Sp. habe der Senat auch unter Zuhilfenahme der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. und des Prof. Dr. T. sowie unter Auswertung des vorprozessual eingeholten Gutachtens des Dr. V. überprüfen können.

5

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 23.6.2016 rügt der Kläger ua die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG).

6

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist begründet. Die formgerecht (§ 103 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 SGG) gerügte Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht liegt vor.

7

Dem zu Protokoll erklärten und damit bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag des Klägers ist das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Dabei ist unerheblich, ob das LSG die Ablehnung des Beweisantrags hinreichend begründet hat, sondern es kommt allein darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr seit BSG Beschluss vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5; vgl zuletzt zB BSG Beschlüsse vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - Juris RdNr 4 und vom 19.10.2011 - B 13 R 290/11 B - Juris RdNr 12). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B - Juris RdNr 8), insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt (wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist), wenn diese Tatsache (zugunsten des Beweisführenden) als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unzulässig, völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG Beschlüsse vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - Juris RdNr 8; vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - Juris RdNr 14; vom 7.4.2011 - B 9 VG 15/10 B - Juris RdNr 4; vom 6.10.2011 - B 9 VG 18/10 B - Juris RdNr 9 und vom 24.4.2014 - B 13 R 325/13 B - Juris RdNr 13).

8

Ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung hätte sich das LSG aus objektiver Sicht gedrängt fühlen müssen, ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten zur haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Primär- und psychischen Sekundärschäden einzuholen. Das Berufungsgericht hat der philosophisch-naturwissenschaftlichen Kausalität von Primär- und Sekundärschäden für die Feststellung von Unfallfolgen, ihrer Behandlungsbedürftigkeit und Entschädigung prozessentscheidende Bedeutung beigemessen, das nervenärztliche Sachverständigengutachten des Dr. Sp."unter Zuhilfenahme der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. und des Prof. Dr. T." als Entscheidungsgrundlage verworfen und den Beweisantrag abgelehnt, weil das Fehlen des Ursachenzusammenhangs aufgrund des Verwaltungsgutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. V. vom 7.5.2009 bereits erwiesen sei. Dies genügte nicht, um die fehlende Zuziehung eines weiteren Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet zu rechtfertigen.

9

Zwar können Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO) und auch alleinige Entscheidungsgrundlage sein (Senatsurteil vom 8.12.1988 - 2/9b RU 66/87 - Juris RdNr 17 sowie Senatsbeschlüsse vom 31.5.1963 - 2 RU 231/62 - SozR Nr 66 zu § 128 SGG und vom 6.6.2007 - B 2 U 108/07 B - RdNr 6; BVerwG Urteil vom 15.4.1964 - V C 45.63 - BVerwGE 18, 216 = Buchholz 310 § 188 Nr 1). Dies setzt allerdings voraus, dass das Verwaltungsgutachten in Form und Inhalt den (Mindest-)Anforderungen entspricht (vgl dazu exemplarisch BVerfG Kammerbeschluss vom 14.1.2005 - 2 BvR 983/04 - BVerfGK 5, 40 - Juris RdNr 16; BGH Urteil vom 30.7.1999 - 1 StR 618/98 - BGHSt 45, 164, 178 ff), die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind (BSG Urteil vom 1.3.1984 - 9a RV 45/82 - Juris RdNr 12), was das Tatsachengericht bei der Angabe der Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 128 Abs 1 S 2 SGG), zu erörtern und festzustellen hat. Ferner muss das LSG im Rahmen von § 128 Abs 1 S 2 SGG erkennen lassen, dass es das Verwaltungsgutachten gerade nicht als Sachverständigengutachten verwertet hat und ihm die Besonderheiten des Urkundenbeweises(§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 ZPO)bewusst gewesen sind, zu denen beispielsweise die fehlende Verantwortlichkeit des Verwaltungsgutachters gegenüber dem Gericht (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 404a, 407a ZPO), die fehlende Strafandrohung der §§ 153 ff StGB und die fehlende Möglichkeit der Beeidigung(§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 410 ZPO), das fehlende Ablehnungsrecht (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 406 ZPO) und insbesondere das fehlende Fragerecht (§§ 116 S 2, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO; § 62 SGG) zählen. Das LSG geht jedoch weder auf die Frage ein, ob das Verwaltungsgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. V. den förmlichen und inhaltlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten entspricht noch lässt es erkennen, dass es sich bei dessen Verwertung über die Unterschiede zwischen Sachverständigen- und Urkundenbeweis im Klaren gewesen ist. Ungeachtet dessen wird das LSG zu erwägen haben, ob ihm das Verwaltungsgutachten die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen bzw Nichtvorliegen der haftungsausfüllenden Kausalität vermitteln kann. Auch wenn nach Ansicht des Verwaltungsgutachters ein "direkter ursächlicher Zusammenhang … schwerlich nachzuweisen" ist, so bezeichnet er doch die psychischen Erkrankungen immerhin "als allenfalls indirekte Unfallfolgen", zu denen aber gerade die hier in Rede stehenden Sekundärschäden zählen.

10

Schließlich schied auch das Gerichtsgutachten des Sachverständigen Dr. Sp. als Entscheidungsgrundlage aus, weil es aus der maßgeblichen Sicht des LSG "im Ergebnis insgesamt nicht überzeugend" sei und damit iS von § 118 Abs 1 S 1 iVm § 412 Abs 1 ZPO "für ungenügend erachtet" wurde. Fehlte damit aber überhaupt eine verwertbare sachverständige Aussage über das Vorliegen bzw Nichtvorliegen des Ursachenzusammenhangs zwischen Primär- und Sekundärschäden, wandelte sich das dem Tatsachengericht in § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO grundsätzlich eingeräumte Ermessen ausnahmsweise in die Rechtspflicht, eine neue Begutachtung anzuordnen.

11

Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Klägers auch nicht auszuschließen, dass die beantragte Zuziehung eines weiteren medizinischen Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet überzeugende Gesichtspunkte für die hinreichende Wahrscheinlichkeit des geltend gemachten Ursachenzusammenhangs erbracht hätten, die zu einer Feststellung der dissoziativen Bewegungsstörung der Finger D2 - D4 links und der mittelgradigen depressiven Episode als Unfallfolgen, zur Anerkennung von Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 11.11.2008 hinaus und zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH über den 31.5.2009 hinaus geführt hätten.

12

Die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG liegen somit vor. Der Senat hebt gemäß § 160a Abs 5 SGG die angefochtene Berufungsentscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

13

Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch es erlauben oder anordnen. Dies gilt auch für die besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Übermittlung von biometrischen, genetischen oder Gesundheitsdaten ist abweichend von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b, d bis j der Verordnung (EU) 2016/679 nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 bis 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch vorliegt. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Zum Nachweis im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat, soll die Einwilligung schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die Einwilligung zur Verarbeitung von genetischen, biometrischen oder Gesundheitsdaten oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Wird die Einwilligung der betroffenen Person eingeholt, ist diese auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung sowie auf die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen.

(3) Die Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu Forschungszwecken kann für ein bestimmtes Vorhaben oder für bestimmte Bereiche der wissenschaftlichen Forschung erteilt werden. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung liegt ein besonderer Umstand im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 auch dann vor, wenn durch die Einholung einer schriftlichen oder elektronischen Einwilligung der Forschungszweck erheblich beeinträchtigt würde. In diesem Fall sind die Gründe, aus denen sich die erhebliche Beeinträchtigung des Forschungszweckes ergibt, schriftlich festzuhalten.

(1) Eine Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig, soweit sie erforderlich ist

1.
für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind, oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch oder einer solchen Aufgabe des Dritten, an den die Daten übermittelt werden, wenn er eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle ist,
2.
für die Durchführung eines mit der Erfüllung einer Aufgabe nach Nummer 1 zusammenhängenden gerichtlichen Verfahrens einschließlich eines Strafverfahrens oder
3.
für die Richtigstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen der betroffenen Person im Zusammenhang mit einem Verfahren über die Erbringung von Sozialleistungen; die Übermittlung bedarf der vorherigen Genehmigung durch die zuständige oberste Bundes- oder Landesbehörde.

(2) Für die Erfüllung einer gesetzlichen oder sich aus einem Tarifvertrag ergebenden Aufgabe sind den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen gleichgestellt

1.
die Stellen, die Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz, dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, dem Unterhaltssicherungsgesetz, dem Beamtenversorgungsgesetz und den Vorschriften, die auf das Beamtenversorgungsgesetz verweisen, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz und den Vorschriften der Länder über die Gewährung von Blinden- und Pflegegeldleistungen zu erbringen haben,
2.
die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien im Sinne des § 4 Absatz 2 des Tarifvertragsgesetzes, die Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und die öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungseinrichtungen,
3.
die Bezügestellen des öffentlichen Dienstes, soweit sie kindergeldabhängige Leistungen des Besoldungs-, Versorgungs- und Tarifrechts unter Verwendung von personenbezogenen Kindergelddaten festzusetzen haben.

(3) Die Übermittlung von Sozialdaten durch die Bundesagentur für Arbeit an die Krankenkassen ist zulässig, soweit sie erforderlich ist, den Krankenkassen die Feststellung der Arbeitgeber zu ermöglichen, die am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz teilnehmen.

(4) Die Krankenkassen sind befugt, einem Arbeitgeber mitzuteilen, ob die Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit oder eine erneute Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers auf derselben Krankheit beruht; die Übermittlung von Diagnosedaten an den Arbeitgeber ist nicht zulässig.

(5) Die Übermittlung von Sozialdaten ist zulässig für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Rechnungshöfe und der anderen Stellen, auf die § 67c Absatz 3 Satz 1 Anwendung findet.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.