Bundesgerichtshof Urteil, 13. Aug. 2013 - X ZR 73/12

bei uns veröffentlicht am13.08.2013
vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 37/10, 06.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 73/12 Verkündet am:
13. August 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Druckdatenübertragungsverfahren

a) Im Patentnichtigkeitsverfahren steht es einem sofortigen Anerkenntnis im
Sinne von § 93 ZPO gleich, wenn der Patentinhaber in der Klageerwiderung
das Schutzrecht nur in eingeschränkter Fassung verteidigt und auf den darüber
hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet.
Eine Erklärung des Patentinhabers, er erkenne das gegen den nicht verteidigten
Teil des Patents gerichtete Klagebegehren an, ist grundsätzlich als
Verzicht in diesem Sinne auszulegen.

b) Ein Patentinhaber gibt auch dann Veranlassung zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage
, wenn er dem potentiellen Kläger trotz Aufforderung nicht
schon vor Klageerhebung eine Rechtsstellung verschafft, die mit derjenigen
nach der Nichtigerklärung des Patents vergleichbar ist. Dies kann dadurch
geschehen, dass der Patentinhaber beim Patentamt die Beschränkung des
Streitpatents beantragt und auf das Recht zur Rücknahme dieses Antrags
verzichtet, nicht aber durch einen nur gegenüber einzelnen Personen erklärten
Verzicht auf die Rechte aus dem Patent (Ergänzung zu BGH, Urteil
vom 8. Dezember 1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 276 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung
).
BGH, Urteil vom 13. August 2013 - X ZR 73/12 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 13. August 2013 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und
Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 6. Februar 2012 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 262 035 (Streitpatents), das am 23. Februar 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 23. Februar 2000 angemeldet worden ist und ein Verfahren zur Übertragung von Daten in Netzwerken über Datenleitungen betrifft. Patentanspruch 1, auf den dreizehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache: "Verfahren zur Übertragung von Daten in Netzwerken, dadurch gekennzeichnet, dass die an der Anbindung eines Endgerätes zur Datenübertragung verfügbare Bandbreite vor und/oder während der Übertragung der Daten in zumindest zwei Bandbreitenbereiche unterteilt wird, wobei die Unterteilung der Bandbreite manuell durch einen die Datenübertragung steuernden Nutzer vorgenommen wird, mindestens ein Bandbreitenbereich den zu übertragenden Daten zugeteilt wird und die übrige Bandbreite dem Nutzer für die parallele Übertragung anderer Daten zur Verfügung stehen."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Hauptantrag und zwei Hilfsanträgen in geänderter Fassung verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und die Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht begehrt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
5
I. Das Streitpatent betrifft in seinen verteidigten Fassungen ein Verfahren zur Übertragung von Druckdaten in Netzwerken.
6
Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren im Stand der Technik verschiedene Verfahren zur Komprimierung von Daten bekannt, die es ermöglichen, das zu verarbeitende Datenvolumen und den für eine Übertragung der Daten erforderlichen Zeitaufwand zu reduzieren. Als Nachteil solcher Verfahren wird angegeben, der Versender und der Empfänger seien während der Datenübertragung daran gehindert, mit anderen Endgeräten oder der Zentraleinheit des jeweiligen Netzwerks zu kommunizieren.
7
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Übertragungsverfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem der Versender oder der Empfänger während des Übertragungsvorgangs die Möglichkeit behalten , die Datenverbindung auch für andere Kommunikationsvorgänge zu nutzen.
8
Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ein Verfahren zur Übertragung von Druckdaten vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Abweichungen gegenüber der erteilten Fassung und gegenüber der Gliederung des Patentgerichts sind hervorgehoben): 1. Das Verfahren dient der Übertragung von Daten zwischen einem Endgerät und einem Server in Netzwerken [M1].
2. Durch einen Nutzer des Endgeräts wird auf dem Server ein Druckprozess gestartet [M1a].
3. Die an der Anbindung des Endgerätes zur Datenübertragung verfügbare Bandbreite wird vor und/oder während der Übertragung von durch den Druckprozess erzeugten Daten in zumindest zwei Bandbreitenbereiche unterteilt [M2].
a) Die Unterteilung der Bandbreite wird manuell durch einen die Datenübertragung steuernden Nutzer vorgenommen [M3].
b) Mindestens ein Bandbreitenbereich wird den zu übertragenden , durch den Druckprozess erzeugten Daten zugeteilt [M4].
c) Dies geschieht, indem für die Übertragung dieser Daten von dem Server zu dem Endgerät die Bandbreite vorgegeben wird [M4a].
d) Die übrige Bandbreite steht dem Nutzer für die parallele Übertragung anderer Daten zur Verfügung [M5].
9
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
10
Die im Streitpatent beanspruchte Lehre ziele auf die Einstellung der Bereiche der Bandbreite im Kontext eines Netzwerks ab. Sie umfasse zwar auch die softwaretechnische Festlegung eines Frequenzbereichs, sei aber nicht darauf beschränkt. Sie richte sich deshalb an einen Diplomingenieur (FH) der Nach- richtentechnik, der über Kenntnisse auf dem Gebiet der Übertragung und Verwaltung von Daten in Computernetzwerken und über Grundlagenwissen der auf seinem Fachgebiet zur Anwendung kommenden Programmiertechniken verfüge.
11
Einem Fachmann mit diesen Kenntnissen sei der Gegenstand des Streitpatents in allen verteidigten Fassungen schon durch sein Fachwissen nahegelegt. Ihm sei bekannt, dass bei der Abwicklung von Prozessen in einem Netzwerk unterschiedliche Prioritäten vergeben würden und hierzu auch Datenkanäle mit bestimmten Bandbreiten für den Datentransfer zur Verfügung zu stellen seien. Wenn Bedarf für eine parallele Kommunikation in mehreren Datenströmen bestehe, werde der Fachmann einen vorhandenen Kanal deshalb in mehrere Teilkanäle aufteilen. Hierzu stünden unterschiedliche Methoden zur Verfügung , unter anderem Zeitmultiplex, Frequenzmultiplex und Codemultiplex. Die Auswahl unter diesen Methoden und weitere Einzelheiten lege der Fachmann anhand der jeweiligen Vorgaben fest.
12
Diese Vorgehensweise sei dem Fachmann insbesondere dann nahegelegt , wenn es sich um einen umfangreichen Druckprozess handle, bei dem der Server weiterhin ansprechbar bleiben müsse. Da der Bandbreitenbedarf abhängig von der zu übertragenden Menge an Druckdaten sei, werde der Fachmann eine manuelle Einstellmöglichkeit für den Nutzer vorsehen.
13
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nur im Ergebnis stand.
14
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten begründet der Umstand, dass das Patentgericht weder im angefochtenen Urteil noch in dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis auf die von der Klägerin herangezogenen Entge- genhaltungen eingegangen ist, nicht schon für sich gesehen einen Rechtsfehler.
15
In einem Patentnichtigkeitsverfahren dürfte es zwar allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, dass der Gegenstand des angegriffenen Schutzrechts dem Fachmann am Prioritätstag schon durch sein allgemeines Fachwissen nahegelegt war. Deshalb ist es in der Regel unumgänglich, dass das Patentgericht sich mit den aus seiner Sicht maßgeblichen Entgegenhaltungen auseinandersetzt und im Einzelnen darlegt, weshalb der Gegenstand des angegriffenen Patents durch sie offenbart oder nahegelegt ist. Gelangt das Patentgericht aber ausnahmsweise zu dem Ergebnis, der Gegenstand des Schutzrechts sei schon durch allgemeine Fachkenntnisse nahegelegt, so genügt es darzulegen, worin diese Kenntnisse im Einzelnen bestehen, weshalb sie dem Fachmann am Prioritätstag unabhängig von konkreten Entgegenhaltungen geläufig waren und weshalb der Fachmann Anlass hatte, schon aufgrund dieser Kenntnisse zum Gegenstand des zu beurteilenden Schutzrechts zu gelangen.
16
Diesen formalen Anforderungen werden die Ausführungen in dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis und im angefochtenen Urteil gerecht. Der Erfolg der Berufung hängt mithin davon ab, ob die Beurteilung des Patentgerichts einer inhaltlichen Überprüfung standhält.
17
2. Die Beurteilung des Patentgerichts ist rechtsfehlerhaft, weil sie auf einer unzutreffenden Auslegung des Streitpatents beruht.
18
Das Patentgericht ist bei seinen Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit davon ausgegangen, die in Merkmal 3 [M2] vorgesehene Aufteilung der verfügbaren Bandbreite in zwei Bereiche könne unter anderem auch durch ein Fre- quenzmultiplex-Verfahren erfolgen, also dadurch, dass das zur Verfügung stehende Frequenzband in zwei Subfrequenzbänder aufgeteilt wird. Diese Auslegung trägt den Festlegungen der Merkmalsgruppe 3 [M2 bis M5] nicht hinreichend Rechnung. Aus diesen ergibt sich, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nur Verfahren umfasst, bei denen die Unterteilung in zwei oder mehr Bandbreitenbereiche nicht durch physikalische Modifikation der eingesetzten Übertragungswege erfolgt, sondern allein durch Modifikation des zu übertragenden Datenstroms.
19
Unter den Wortlaut von Merkmal 3 [M2] könnten bei isolierter Betrachtung allerdings auch die vom Patentgericht angeführten Verfahren zur Unterteilung der Bandbreite subsumiert werden, insbesondere also Zeit-, Frequenz- oder Codemultiplexing. Nach Merkmal 3 b [M4] hat die Unterteilung der Bandbreite aber dadurch zu erfolgen, dass ein bestimmter Bandbreitenbereich den zu übertragenden, durch den Druckprozess erzeugten Daten zugeteilt wird. Nach Merkmal 3 c [M4a] wird hierzu eine Bandbreite für diese Daten vorgegeben. Diese Vorgabe erfolgt gemäß Merkmal 3 a [M3] manuell durch den Benutzer. All dies deutet darauf hin, dass die Unterteilung der Bandbreite nicht durch Eingriffe in die physikalischen Parameter des eingesetzten Übertragungswegs erfolgen darf, sondern auf einer vorgelagerten Ebene erfolgen muss, die von den physikalischen Gegebenheiten des im Einzelfall verfügbaren Übertragungswegs unabhängig ist.
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Dies wird bestätigt durch die zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehende Beschreibung. Danach ist das erfindungsgemäße Verfahren für beliebige Netzwerke einsetzbar, unabhängig davon, ob diese in einem Festnetz , einem Mobilfunknetz oder einer Kombination aus beidem angesiedelt sind, und unabhängig von der insgesamt zur Verfügung stehenden Bandbreite (Abs. 19). Mit dieser Zielsetzung sind Eingriffe des Nutzers in die auf einer be- stimmten Übertragungsstrecke eingesetzten Multiplexing-Verfahren oder sonstige physikalische Parameter nicht zu vereinbaren.
21
Auch das in der Patentschrift geschilderte Ausführungsbeispiel steht in Einklang mit dieser engeren Auslegung des Patentanspruchs. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, für die Anbindung einer Filiale an einen Zentralrechner stehe in der Regel eine Bandbreite von 64 Kilobit pro Sekunde zur Verfügung. In diesem Fall könne die Bandbreite für die Übertragung der komprimierten Druckdaten von der Zentraleinheit zum Endgerät zum Beispiel auf 32 Kilobit pro Sekunde festgelegt werden, so dass für den Datenstrom vom Endgerät zur Zentraleinheit ebenfalls noch 32 Kilobit pro Sekunde zur Verfügung stünden (Abs. 24). Dies deutet ebenfalls darauf hin, dass in die physikalischen Gegebenheiten des Übertragungsweges nicht eingegriffen, sondern auf einer vorgelagerten Ebene dafür Sorge getragen wird, dass die zur Verfügung stehende Bandbreite nicht vollständig durch einen einzelnen Datenstrom in Anspruch genommen wird.
22
Hinweise darauf, dass die mit diesen Anforderungen korrespondierenden Merkmale 3 a bis 3 d [M3 bis M5] dennoch in weitergehendem Sinne auszulegen sind und auch Ausführungsformen umfassen sollen, bei denen der Benutzer in die physikalischen Gegebenheiten des Übertragungswegs eingreift, lassen sich demgegenüber weder den Patentansprüchen noch der Beschreibung entnehmen.
23
3. Die Berufung bleibt im Ergebnis dennoch ohne Erfolg, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt.
24
a) Das Vorbringen der Parteien, die sich in erster und zweiter Instanz eingehend mit den maßgeblichen Entgegenhaltungen auseinandergesetzt ha- ben, ermöglicht dem Senat eine abschließende Beurteilung aller entscheidungserheblichen Fragen. Auf dieser Grundlage erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als richtig. Gemäß § 119 Abs. 1 PatG ist die Berufung deshalb zurückzuweisen. Die von der Beklagten angestrebte Aufhebung des angefochtenen Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht kommt angesichts dessen nicht in Betracht.
25
b) Der Gegenstand des Streitpatents war dem Fachmann durch die in den Anlagen LR11 bis LR13 dokumentierte Software ICQ nahegelegt.
26
aa) Die zum Versenden und Empfangen von Textnachrichten und Dateien geeignete Software ICQ gab dem Nutzer schon in einer vor dem Prioritätstag veröffentlichten Version die Möglichkeit, über einen Schieberegler die Geschwindigkeit des Übertragungsvorgangs beim Versenden von Dateien festzulegen. Die Bildschirmmaske, über die diese Einstellung vorgenommen werden kann, ist in Anlage LR12 wiedergegeben:
27
Wählt der Nutzer bei der Option "Speed" einen Wert unterhalb des Maximalwerts , so werden die zu sendenden Daten mit einer Geschwindigkeit über- tragen, die die zur Verfügung stehende Bandbreite nicht vollständig ausnutzt. Damit bleibt ein Teil der Bandbreite für andere Übertragungsvorgänge verfügbar.
28
bb) Das damit offenbarte Verfahren unterscheidet sich, wie auch die Parteien übereinstimmend vortragen, von dem Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung dadurch, dass die zu übertragenden Daten nicht durch einen Druckprozess erzeugt worden sind, wie dies in den Merkmalen 2, 3 und 3 b [M1a, M2 und M4] vorgesehen ist. Der Fachmann hatte aber Anlass, die in ICQ für die Übertragung von Dateien offenbarte Lösung auch für die Übertragung von Daten heranzuziehen, die durch einen Druckprozess erzeugt worden sind.
29
In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der mit der Problemstellung des Streitpatents betraute Fachmann, wie das Patentgericht meint, über vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik verfügt. Nach den insoweit auch von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts waren dem Fachmann jedenfalls die grundlegenden Programmiertechniken geläufig, die auf dem Gebiet der Datenübertragung eingesetzt werden.
30
Der Fachmann hatte deshalb Anlass, am Prioritätstag öffentlich zugängliche Programme darauf zu überprüfen, ob diese auch bei Übertragung großer Datenmengen die parallele Übertragung anderer Daten ermöglichen. Aus dem Umstand, dass in ICQ dem Benutzer hierfür eine Einstellungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird, konnte und musste der Fachmann entnehmen, dass parallele Übertragungsvorgänge neben der Übertragung einer Datei möglich bleiben, wenn die Geschwindigkeit, mit der die Daten eines Übertragungsvor- gangs zur Verfügung gestellt werden, die zur Verfügung stehende Bandbreite nicht vollständig ausschöpft.
31
Dies gab dem Fachmann Anlass, die in ICQ offenbarte Lösung auch für die Übertragung von Druckdaten heranzuziehen. Zwar konnte die Software ICQ selbst für diese Aufgabe jedenfalls dann nicht ohne Modifikation eingesetzt werden, wenn die Druckdaten nicht in einer Datei zwischengespeichert sind, auf die andere Prozesse zugreifen können, sondern ausschließlich in einer außerhalb des Druckprozesses nicht zugänglichen Pufferdatei mit variabler Größe vorgehalten werden. Der Fachmann, der mit der Weiterentwicklung eines Programms zur Übertragung von Druckdaten zwischen zwei Rechnern betraut war, konnte anhand der in ICQ realisierten Lösung aber erkennen, dass die mittels einer Verringerung der Geschwindigkeit bewirkte Beschränkung der Bandbreite unabhängig davon realisiert werden kann, in welcher Weise die zu übertragenden Daten vor dem Übertragungsvorgang gespeichert worden sind, weil es alleine darauf ankommt, mit welcher Geschwindigkeit sie vom einen Rechner zum anderen übertragen werden. Der Fachmann hatte deshalb Anlass, die in ICQ für die Übertragung von Dateien offenbarte Lösung auch in ein Programm zur Übertragung von Druckdaten zu übernehmen. Hierzu brauchte er die Software ICQ nicht in das von ihm zu entwickelnde Programm zu integrieren. Es genügte, die in ICQ offenbarte Einstellmöglichkeit nachzuprogrammieren. Dass hierzu besondere programmiertechnische Fertigkeiten erforderlich gewesen wären, die die durchschnittlichen Fähigkeiten eines mit dem Problem des Streitpatents betrauten Fachmanns überstiegen hätten, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
32
cc) Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn die Übertragungsgeschwindigkeit bei ICQ ausschließlich durch den die Daten empfangenden Nutzer vorgegeben werden könnte, wie dies die Beklagte behauptet.
33
Auch nach Merkmal 3 c [M4a] des Streitpatents wird eine bestimmte Bandbreite für die Übertragung der Daten vom Server zum Endgerät, also vom sendenden zum empfangenden Gerät festgelegt. Ein Unterschied zu der nach Behauptung der Beklagten in ICQ allein offenbarten Lösung besteht nur insoweit , als die maßgebliche Einstellung durch den Nutzer des empfangenden Geräts erfolgt. Der mit der Problemstellung des Streitpatents betraute Fachmann hatte aber schon deshalb Anlass, das Verfahren in der genannten Weise zu modifizieren, weil die Übertragung der Druckdaten vom Nutzer des Endgeräts angestoßen wird. In ICQ wird die Übertragungsgeschwindigkeit ebenfalls von demjenigen Benutzer festgelegt, der den Übertragungsvorgang auslöst. Damit war auch für die vom Streitpatent betroffenen Einsatzzwecke nahegelegt, demjenigen Benutzer die Einstellmöglichkeit zu geben, der die Datenübertragung steuert, wie dies in Merkmal 3 a [M3] vorgesehen ist.
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dd) Die weiteren von der Beklagten angeführten Besonderheiten von Druckdaten führen ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
35
(1) Dass Druckdaten jedenfalls dann, wenn sie über eine Druckerwarteschlange (Spooler) geleitet werden, nur über eine bestimmte Schnittstelle zugänglich sind, die mit ICQ nicht angesprochen werden kann, bildet keinen Grund, von dem auch für Druckdaten nahegelegten Weg einer Reduzierung der Übertragungsgeschwindigkeit Abstand zu nehmen.
36
Dabei ist unerheblich, ob ein allein mit der Übertragung von Dateien vertrauter Programmierer über die erforderlichen Kenntnisse verfügte, um auf Druckdaten zugreifen und sie dem mit ICQ nahegelegten Verfahren unterziehen zu können. Entscheidend ist, dass ein mit der Übertragung von Druckdaten betrauter Fachmann am Prioritätstag über diese Kenntnisse verfügte. Dies war, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, der Fall. Dass es darüber hinausgehender Kenntnisse oder Fertigkeiten bedurft hätte, geht auch aus der Streitpatentschrift nicht hervor. Diese geht auf die Frage, in welcher Weise der Zugriff auf die Druckdaten erfolgen soll, nicht ein.
37
(2) Dass die Datenübertragung mit ICQ typischerweise zwischen Rechnern mit gleicher Funktion (Peer to Peer) erfolgt, während die Übertragung der Druckdaten nach dem Streitpatent zwischen einem Client und einem Server erfolgen soll, gab ebenfalls keinen Anlass, von dem durch ICQ nahegelegten Lösungsweg Abstand zu nehmen.
38
Dabei kann offenbleiben, ob die an einem Datenaustausch mit ICQ beteiligten Rechner aufgrund ihrer Funktion ebenfalls als Client und Server bezeichnet werden können. Die Beklagte hat jedenfalls nicht aufgezeigt, welche zusätzlichen Schwierigkeiten die Übertragung von Druckdaten zwischen einem Server und einem Client aufwirft. Auch die Streitpatentschrift befasst sich mit diesem Aspekt nicht.
39
c) Der Gegenstand des Streitpatents war dem Fachmann ferner durch die in den Anlagen LR14 und LR15 dokumentierte Software Slowpipe und durch die in Anlage LR17 dokumentierte Software lftp nahegelegt.
40
aa) Die vor dem Prioritätstag öffentlich zugängliche Software Slowpipe ermöglicht es, die Übertragungsrate von Datenübertragungsvorgängen zu reduzieren. Das Programm ist als Filter konzipiert, der die zu übertragenden Daten entgegennimmt und inhaltlich unverändert, aber mit reduzierter Geschwindigkeit weitergibt (LR14 Abs. 3). Damit soll vermieden werden, dass ein einzel- ner Übertragungsvorgang die gesamte verfügbare Bandbreite in Anspruch nimmt und parallele Übertragungsvorgänge nahezu unmöglich macht (LR14 Abs. 2). Die gewünschte Bandbreite in Kilobyte pro Sekunde kann beim Aufruf des Programms vom Nutzer festgelegt werden (LR14 Abs. 7).
41
bb) Die Software lftp ermöglichte es bereits in einer vor dem Prioritätstag öffentlich zugänglichen Version, bei der Übertragung von Dateien eine Grenze für die Datenübertragungsrate festzulegen. Hierzu kann mittels des Parameters "net:limit-rate" ein Wert in Byte pro Sekunde angegeben werden.
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cc) Die in Slowpipe und lftp offenbarte Lösung entspricht, wie auch die Parteien übereinstimmend vortragen, derjenigen in ICQ. Anders als diese ist aber jedenfalls Slowpipe nicht auf die Übertragung von Dateien beschränkt. Es ermöglicht die Übertragung von Standard-Datenströmen, zu denen auch nach dem Vorbringen der Beklagten zumindest Tastatureingaben gehören.
43
Damit hatte der Fachmann aus den bereits im Zusammenhang mit ICQ dargelegten Gründen Anlass, die in Slowpipe offenbarte Lösung auch für die Übertragung von Druckdaten von einem Server zu einem Endgerät heranzuziehen und die Einstellmöglichkeit demjenigen Benutzer zu geben, der den Übertragungsvorgang steuert. Ein zusätzlicher Anlass, auch in diesem Zusammenhang die Übertragungsgeschwindigkeit zu drosseln, ergab sich daraus, dass diese Lösung am Prioritätstag bereits in mehreren anderen Programmen für unterschiedliche Einsatzzwecke realisiert worden war.
44
4. Hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
45
Die nach den Hilfsanträgen vorgesehenen Änderungen betreffen lediglich die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Benutzer eine Unterteilung der Bandbreite vornehmen kann. Diesem Gesichtspunkt kommt vor dem Hintergrund des oben aufgezeigten Standes der Technik keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Alle oben behandelten, am Prioritätstag öffentlich zugänglichen Programme sahen jedenfalls die Möglichkeit vor, die Übertragungsgeschwindigkeit vor Beginn der Übertragung festzulegen. Diese Möglichkeit ist auch in allen verteidigten Fassungen des Streitpatents vorgesehen.
46
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht von einer Anwendung des § 93 Abs. 1 ZPO zugunsten der Beklagten abgesehen.
47
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Anwendung von § 93 Abs. 1 ZPO in einem Patentnichtigkeitsverfahren in Betracht, wenn der Beklagte, der keine Veranlassung zur Klage gegeben hat, das Schutzrecht nur in eingeschränkter Fassung verteidigt und auf den darüber hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 276 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung ) oder wenn er insoweit einen zulässigen Beschränkungsantrag stellt und auf das Recht auf Rücknahme dieses Antrags verzichtet (BGH, Urteil vom 29. Juli 2003 - X ZR 26/00, GRUR 2004, 138, 141 - Dynamisches Mikrofon).
48
2. Im Streitfall hat die Beklagte nach Klageerhebung den zuerst genannten Tatbestand verwirklicht, indem sie das Streitpatent nur in geänderter Fassung verteidigt und zugleich erklärt hat, sie erkenne das Klagebegehren im Übrigen an. Diese Erklärung ist bei interessengerechter Auslegung als Verzicht auf einen weitergehenden Schutz für Vergangenheit und Zukunft zu verstehen und steht deshalb nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Senats (GRUR 1984, 272, 276 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung) einem Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO gleich.
49
3. Die Beklagte hat aber Veranlassung für die Erhebung der Nichtigkeitsklage gegeben, weil sie der Klägerin trotz der von dieser ausgesprochenen Aufforderung nicht schon vor Klageerhebung eine entsprechende Rechtsstellung verschafft hat.
50
Die von der Beklagten abgegebene Erklärung, in der sie gegenüber der Klägerin und deren Vertriebspartnern auf die Rechte aus dem nicht mehr verteidigten Teil des Streitpatents verzichtet hat (LR19), führte nicht zu vergleichbaren Wirkungen wie eine Nichtigerklärung. Nach einer Verzichtserklärung dieses Inhalts mögen die Klägerin und deren Vertriebspartner kein rechtliches Interesse an einer Nichtigkeitsklage gegen den nicht verteidigten Teil des Patents mehr gehabt haben. Die Wirkungen des Patents gegenüber sonstigen Personen blieben davon jedoch unberührt. Die Klägerin durfte sich mit der Nichtigkeitsklage unabhängig vom Bestehen eines eigenen rechtlichen Interesses auch gegen diese Wirkungen wenden. Angesichts dessen wäre die Veranlassung zur Klage nur dann weggefallen, wenn die Beklagte auch insoweit auf den Schutz des Streitpatents verzichtet hätte. Dies hätte sie zum Beispiel dadurch erreichen können, dass sie beim Patentamt die Beschränkung des Streitpatents beantragte und auf das Recht zur Rücknahme dieses Antrags verzichtete.
Meier-Beck Grabinski Bacher
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 06.02.2012 - 5 Ni 37/10 (EP) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis


Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 119


(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen. (2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wir

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juli 2003 - X ZR 26/00

bei uns veröffentlicht am 29.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 26/00 Verkündet am: 29. Juli 2003 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Dynam

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 26/00 Verkündet am:
29. Juli 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Dynamisches Mikrofon
Der Patentinhaber sichert dem Nichtigkeitskläger in einer wie ein sofortiges
Anerkenntnis zu behandelnden Weise einen Erfolg der Nichtigkeitsklage
, wenn und soweit er sofort auf das Streitpatent verzichtet oder dessen
Beschränkung herbeiführt. Die bloße beschränkte Verteidigung im
Nichtigkeitsverfahren, an die der Patentinhaber nicht gebunden ist, steht
dem nicht gleich.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2003 - X ZR 26/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 29. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 20. Oktober 1999 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 9/10 der Klägerin und zu 1/10 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 30. Juli 1981 angemeldeten und im Verlaufe des Verfahrens durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 31 30 087 (Streitpatents). Der erteilte Patentanspruch 1, dem elf weitere Ansprüche untergeordnet sind, lautet:

"Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon, insbesondere für eine Fernsprechkapsel, dessen Tauchspule mit dem Eingang eines Verstärkers verbunden ist, welcher die relativ kleinen Sprechspannungen des Mikrofons auf einen bestimmten Pegel anhebt, wobei ein Kondensator vorgesehen ist, der entsprechend einer vorgegebenen Zeitkonstanten aus einer Gleichspannungsquelle aufladbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Verstärker (6) ab einer bestimmten Spannung am Kondensator (10) aktiviert wird, daß der Kondensator (10) zwischen einem Anschluß der Tauchspule (11) und dem Eingang des Verstärkers (6) liegt und daß Schaltmittel (9) vorgesehen sind, welche in Abhängigkeit von der Größe der an ihnen liegenden Spannung die Zeitkonstante für die Aufladung des Kondensators (10) zu verringern, um die Aktivierung des Verstärkers (6) zu beschleunigen."
Die Klägerin, die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat Nichtigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat das Streitpatent beschränkt verteidigt und mit dieser Maßgabe der Klage widersprochen.
Das Bundespatentgericht hat unter Klageabweisung im übrigen das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es nicht verteidigt worden ist. Patentanspruch 1 lautet hiernach:
"Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon, insbesondere für eine Fernsprechkapsel, dessen Tauchspule mit dem Eingang eines Verstärkers verbunden ist, welcher die relativ kleinen Sprech-
spannungen des Mikrofons auf einen bestimmten Pegel anhebt, wobei ein Kondensator vorgesehen ist, der entsprechend einer vorgegebenen Zeitkonstante aus einer Gleichspannungsquelle auflad- bar ist, und wobei der Verstärker ab einer bestimmten Spannung am Kondensator aktiviert wird und der Kondensator zwischen einem Anschluß der Tauchspule und dem Eingang des Verstärkers liegt, und daß Schaltmittel vorgesehen sind, welche in Abhängigkeit von der Größe der an ihnen liegenden Spannung die Zeitkonstante für die Aufladung des Kondensators verringern, um die Aktivierung des Verstärkers zu beschleunigen, wobei die Aufladung des Kondensators mittels eines Schwellwertfühlers steuerbar ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß der Schwellwertfühler eine Zener-Diode (9) ist."
Wegen des Wortlauts der sich hieran anschließenden Patentansprüche 2 bis 6 wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären. Sie sieht den Gegenstand des Streitpatents durch die deutsche Offenlegungsschrift 29 25 919 und die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 16 920 nahegelegt.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Ferner wendet sie sich dagegen , daß das Bundespatentgericht ihr zwei Drittel der erstinstanzlichen Kosten auferlegt hat. Sie ist der Auffassung, in dem Umfang, in dem sie das Streitpatent nicht verteidigt hat, zur Klage keine Veranlassung gegeben zu haben.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. H. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg. Die mit Rücksicht auf die Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Streitpatent auch nach dessen Erlöschen zulässige Klage ist unbegründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat jedenfalls nicht die Überzeugung gewinnen können, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des angefochtenen Urteils für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab und somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§§ 4, 21 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 PatG). Wie die danach zutreffende Sachentscheidung hat auch die Kostenentscheidung des Bundespatentgerichts Bestand.
I. Das Streitpatent betrifft eine Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon, wie es insbesondere in Telefonen verwendet wird.
Bis in die 1970er Jahre wurden in Telefonen Kohlemikrofone verwendet, die hinsichtlich ihrer Wandlereigenschaften relativ empfindlich waren und keinen Verstärker benötigten. Mit dem Fortschreiten der Transistortechnik und der Miniaturisierung wurde es möglich, anstelle von Kohlemikrofonen dynamische Mikrofone mit Tauchspule und Magnetfeld einzusetzen, die eine bessere Langzeitstabilität aufwiesen, jedoch einen Verstärker benötigten, um Ausgangs-
signale zu erhalten, die vom Endgerät zur Vermittlungsstelle übertragen werden konnten. Dabei trat ein Kompatibilitätsproblem auf:
Die Verbindung zwischen Endgerät und den elektromagnetischen Wählern der Vermittlungsstelle wurde nach der vorhandenen Technik über eine Zweidrahtleitung bewirkt, über die die Wählimpulse, der Sprechwechselstrom und der Hörwechselstrom laufen. Das Wählen erfolgt über ein periodisches Kurzschließen der Drahtadern über Nummernschalter. Da Nummernschalter und Mikrofon parallel geschaltet sind, wird das Mikrofon spannungsfrei, wenn der Nummernschalter betätigt wird. Nach dem Ende der Ziffernwahl wird das Kohlemikrofon verzögerungsfrei leitend, um den Haltestrom zu erzeugen, der größer Null und kleiner als der Scheitelwert des Impulsstroms beim Wählen ist.
Um die Kompatibilität mit den Kohlemikrofonen zu gewährleisten, muß auch die Versorgungsspannung für den Verstärker eines dynamischen Mikrofons aus dem Telefonnetz kommen. Infolge des Kurzschlusses beim Wählvorgang entlädt sich der Kondensator, durch den die Tauchspule vom Verstärkereingang gleichstrommäßig getrennt wird. Beim Anlegen der Betriebsspannung an das Mikrofon muß, wie die Streitpatentschrift beschreibt, der Kondensator dementsprechend zunächst wieder auf das für den Eingang des Verstärkers erforderliche Potential aufgeladen werden. Dafür wird eine Zeit von 30 bis 100 Millisekunden benötigt, weil der Kondensator, um die niedrigen Sprachfrequenzen nicht zu schwächen, eine relativ große Kapazität von einigen Mikrofarad aufweist. Solange sein für den Betrieb erforderliches Potential nicht erreicht ist, ist der Verstärker in gesperrtem Zustand, und das dynamische Mikrofon weist an seinen Ausgangsklemmen einen höheren Gleichstromwiderstand als im stationären Zustand auf. Die damit verbundene Verzögerung kann bei der
Impulswahl zur Vortäuschung einer zusätzlichen Schleifenunterbrechung und damit zur Falschwahl führen, da die Schleifenunterbrechungen beim Wählen in derselben Größenordnung liegen wie die für das Aufladen des Kondensators erforderliche Zeit.
Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, bei einem dynamischen Mikrofon die Gefahr der Vortäuschung einer solchen zusätzlichen Schleifenunterbrechung und damit die Verursachung einer Fehlwahl zu vermeiden.
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in dem verteidigten Patentanspruch 1 eine Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon vor, die sich wie folgt gliedern läßt:
1. Die Schaltungsanordnung weist einen Verstärker auf, der die relativ kleinen Sprechspannungen des Mikrofons auf einen bestimmten Pegel anhebt.
2. Das dynamische Mikrofon weist eine Tauchspule auf, die mit dem Eingang des Verstärkers verbunden ist.
3. Es ist ein Kondensator vorgesehen, 3.1. der zwischen einem Anschluß der Tauchspule und dem Eingang des Verstärkers liegt und 3.2. entsprechend einer vorgegebenen Zeitkonstante aus einer Gleichspannungsquelle aufladbar ist; 3.3. ab einer bestimmten Spannung am Kondensator wird der Verstärker aktiviert.

4. Es sind Schaltmittel vorgesehen, die in Abhängigkeit von der Größe der an ihnen anliegenden Spannung die Zeitkonstante für die Aufladung des Kondensators verringern, um die Aktivierung des Verstärkers zu beschleunigen.
5. Die Steuerung der Aufladung des Kondensators erfolgt 5.1. mittels eines Schwellwertfühlers, 5.2. der eine Zener-Diode ist.
Wie die Streitpatentschrift erläutert, wird eine Verwechslung der Ansprechverzögerung des Mikrofon-Verstärkers mit einer Schleifenunterbrechung dadurch vermieden, daß von einer bestimmten anliegenden Spannung an ein Schwellwertfühler aktiviert wird, der bewirkt, daß die Ladezeitkonstante des Kondensators verkürzt wird. Bei der im Berufungsverfahren allein und zur Entscheidung stehenden Fassung ist dieser Fühler eine Zener-Diode. Im Augenblick des Einschaltens der Betriebsspannung wird die Zener-Diode, die beispielsweise eine Durchbruchspannung von 5 bis 7 Volt hat, mit einer über ihrer Durchbruchspannung liegenden Spannung versorgt. Hierdurch wird die ZenerDiode leitend, so daß der Kondensator schnell aufgeladen wird und in den stationären Zustand übergeht. Nach Erreichen eines dem aufgeladenen Zustand entsprechenden Niveaus sinkt die Speisespannung am Mikrofon, die im Zeitpunkt des Anlegens der Betriebsspannung fast der gesamten Betriebsspannung entspricht, auf 4 bis 6 Volt, und unterschreitet damit die Durchbruchspannung der Zener-Diode. Die Zener-Diode wird nichtleitend und hat damit auf den stationären Betriebszustand des Verstärkers keinen Einfluß mehr. Eine gegebenenfalls erforderliche weitere Aufladung des Kondensators auf das volle
Spannungsniveau und dessen Aufrechterhaltung werden durch andere Mittel bewirkt. Der gerichtliche Sachverständige hat diesen Vorgang dahin zusammengefaßt , daß mittels der erfindungsgemäßen Lösung die fernmeldetechnische Funktion des Widerstands des Kohlemikrofons innerhalb einer begrenzten kurzen Zeitspanne nach der Anschaltung nachgebildet wird.
Die nachfolgend wiedergegebene einzige Zeichnung der Patentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel der erfindungsgemäßen Schaltungsanordnung.

Sachlich geht es der Erfindung nach diesem Ausführungsbeispiel darum, daß der Widerstand 7 für die Zeit der Aufladung doch die Diode 9 überbrückt und diese nach der Aufladung in einen sperrenden Zustand übergeht.
II. Der Gegenstand des Streitpatents ist, wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, neu, weil die Verwendung einer Zener-Diode als Schwellwertfüh-
ler in einer Schaltungsanordnung für ein dynamisches Mikrofon im Stand der Technik nicht bekannt ist. Daß der Stand der Technik dem Fachmann eine solche Lösung nahegelegt hat, hat sich nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats ergeben.
1. Der maßgebliche Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik , der die Studienrichtung Nachrichtentechnik eingeschlagen oder sich jedenfalls eingehend mit elektrotechnischen Problemen der Nachrichtentechnik befaßt hat und mit der Schaltungstechnik von Halbleiterbauelementen gut vertraut ist. Ob, wie der gerichtliche Sachverständige meint, die erforderliche Qualifikation eine neunsemestrige Regelstudienzeit und einen Universitätsabschluß voraussetzt oder ob auch ein Fachhochschulabschluß in Betracht kommt, kann dahinstehen, da auch für den Fachmann mit der höheren Qualifikation nicht festgestellt werden kann, daß die erfindungsgemäße Lösung naheliegend war.
2. In der deutschen Offenlegungsschrift 29 25 919 wird eine Schaltungsanordnung für den Verstärker einer Fernmeldeapparatur beschrieben, deren prinzipieller Aufbau aus der nachfolgenden Figur 1 ersichtlich ist und in einer Ausführungsform mit Schnelladeschaltung für den Fachmann von Interesse ist, der sich mit dem Problem der Vortäuschung einer zusätzlichen Schleifenunterbrechung bei einem dynamischen Mikrofon befaßt.

Die Schrift zeigt einen Mikrofonverstärker für eine Fernsprechkapsel, dessen Arbeitspunkt am Verstärkereingang durch einen Spannungsteiler R1, R3 mit - um das Mikrofon nicht zu belasten - verhältnismäßig hochohmigen Widerstandwerten eingestellt ist. Zwar wird ein dynamisches Mikrofon nicht ausdrücklich erwähnt; der Fachmann erkennt jedoch, wie bereits das Bundespatentgericht angenommen hat, unschwer, daß sich die Schaltungsanordnung für den Anschluß eines dynamischen Mikrofons eignet, da der Mikrofonverstärker eine relativ kleine Eingangsspannung UIN auf den erforderlichen Pegel anheben kann. Ein Wechselspannungsgenerator liegt dabei in Reihe mit einem Kondensator C zwischen dem Eingang A des Verstärkers V0 und seinem Fußpunkt (Fig. 1). In der zeichnerischen Darstellung ist der Generator zwischen den Punkten A und B eingefügt und liegt somit in einem einen Gleichstromfluß aufweisenden Pfad. Für den Fachmann ist jedoch die Alternative erkennbar, den Generator auch in einen einen solchen Gleichstromfluß nicht aufweisenden Pfad zwischen dem Kondensator C und dem Fußpunkt des Verstärkers V0 le-
gen zu können. Damit bietet sich dem Fachmann die Möglichkeit, die Tauchspule eines dynamischen Mikrofons über den Kondensator C mit dem Eingang A des Verstärkers V0 zu verbinden. Nach Anlegen der Betriebsspannung lädt sich der Kondensator C entsprechend einer vorbestimmten Zeitkonstanten auf, und eine bestimmte Spannung am Kondensator aktiviert den Verstärker V0.
Zum Verkürzen der Ladezeit dient die in der nachfolgenden Figur 2 dargestellte , parallel zum Spannungsteiler R1, R3 liegende Schnelladeschaltung aus einem Spannungsteiler R4, R5 und einem Transistor T4 mit einem Kollektorwiderstand R7 als Ladewiderstand für den Kondensator C.
Funktionell betrachtet überbrückt diese Schnelladeschaltung im Strompfad den Gleichstromwiderstand R1 des Spannungsteilers R1, R3. Mit der im Ausführungsbeispiel verwendeten Schaltung gelang es, wie in der Beschreibung ausgeführt wird, die Einschaltverzögerung von 195 msec auf 15 msec zu verkürzen. Da die Schnelladeschaltung den durch den Spannungsteiler R1, R3 eingestellten Arbeitspunkt des Verstärkers nicht beeinflussen darf, wenn dieser aktiviert ist, wählt der Fachmann das durch den Spannungsteiler R4, R5 eingestellte Potential an der Basis des Transistors T4 so, daß es während des Ladens einen Ladestrompfad durch den Transistor T4 sicherstellt und nach Aktivierung des Verstärkers diese Aussteuerung beendet. Die vorübergehend aktiv gehaltene und somit als Schaltmittel aufzufassende Schnelladeschaltung zeigt damit ein der patentgemäßen Lehre entsprechendes Schwellwertverhalten.
Lag somit eine Schaltungsanordnung mit den Merkmalen 1 bis 5.1 für den Fachmann nahe, so kann nicht festgestellt werden, daß er aufgrund seines Fachwissens auch zu der Möglichkeit gelangt wäre, die in der Offenlegungsschrift dargestellte Schnelladeschaltung durch eine Zener-Diode als Schwellwertfühler zu ersetzen.
Die Offenlegungsschrift selbst enthält keinerlei Hinweis in diese Richtung. Sie geht vielmehr einen anderen Weg zur weiteren Reduzierung der Einschaltverzögerung , bei der die Schnelladeschaltung völlig entfallen soll.
Zwar stand dem Fachmann, wie bereits erstinstanzlich auch der Beklagten nicht in Abrede gestellt, an sich die Möglichkeit zur Verfügung, eine ZenerDiode als Schwellwertschalter einzusetzen. Da nämlich die Zener-Diode durch eine spezifizierte Durchbruchspannung, bei der ein Steilanstieg des Stroms er-
folgt, charakterisiert ist, ist diese ersichtlich geeignet, schaltungstechnisch als Schwellwertschalter zu dienen. Das legt jedoch noch nicht die Erwägung des Fachmanns nahe, eine Zener-Diode im Zusammenhang einer Schaltungsanordnung einzusetzen, wie sie in der deutschen Offenlegungsschrift beschrieben ist.
Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend und im Kern übereinstimmend mit den Ausführungen des fachkundig besetzten Bundespatentgericht ausgeführt hat, mag der Fachmann, der über Alternativen, insbesondere mögliche Vereinfachungen der Schnelladeschaltung nach der deutschen Offenlegungsschrift nachdenkt, erwägen, einzelne Elemente der aus R4, R5, T4, R7 zusammengesetzten Schnelladeschaltung durch Dioden wie eine ZenerDiode zu ersetzen. Solche Überlegungen sind jedoch sämtlich nicht zielführend, wie der Sachverständige im einzelnen ausgeführt hat und zwischen den Parteien bis auf die nachfolgend erörterte Variante auch nicht streitig ist. Insbesondere die Möglichkeit, den Transistor T4 durch eine Zener-Diode zu ersetzen, erschließt sich dem Fachmann nicht, da ein wie der Transistor an drei Polen angeschlossenes Bauteil nicht ohne weiteres durch ein Bauteil ersetzt werden kann, das wie ein Widerstand oder eine Zener-Diode nur zwei Pole aufweist.
Wie die ausführliche Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugung des Senats bestätigt hat, hätte es dem Fachmann die Erfindung auch nicht nahegelegt, wenn er in Betracht gezogen hätte, den Widerstand R4 durch eine Zener-Diode zu ersetzen. Eine solche Erwägung mußte dem Fachmann schon deshalb als nicht sinnvoll erscheinen, weil der Einsatz einer Zener-Diode höhere Kosten bedeutet hätte, die nicht durch einen erkennbaren Vorzug dieses Schaltungselements gerechtfertigt wurden. Dies gilt, wie
der Sachverständige bestätigt hat, auch dann, wenn der Fachmann erwogen hätte, daß er bei einer Ersetzung des Widerstands R4 auch auf den zweiten Widerstand des Spannungsteilers R4, R5 verzichten könne. Es kommt hinzu, daß dem Fachmann ein derartiges, wie es der Sachverständige formuliert hat, "hartes Anschalten" der empfindlichen Transistorbasis, das darauf verzichtet, diese durch den Spannungsteiler gegen Spannungsschwankungen zu "immunisieren" , ohnedies eher fern liegen mußte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Fachmann, wie die Klägerin mit dem von ihr vorgelegten , in ihrem Auftrag von Prof. Dr.-Ing. K. T. erstatteten Gutachten im einzelnen dargelegt hat, bei Berücksichtigung des schaltungstechnischen Umfeldes eine konkrete Gefährdung der Transistorbasis ausschließen konnte. Entscheidend ist vielmehr, daß das damit verbundene potentielle Risiko dem Fachmann die ohnehin nicht erkennbar weiterführende und schon unter Kostengesichtspunkten nachteilige Maßnahme, den Widerstand R4 durch eine Zener-Diode zu ersetzen, um so weniger sinnvoll erscheinen lassen mußte.
Einen solchen Gedanken hätte der Fachmann daher nur dann weiterverfolgt , wenn er von vornherein erkannt hätte, daß ihm die Verwendung einer Zener-Diode die Möglichkeit eröffnete, zugleich auf den Transistor T4 zu verzichten. Das hat der gerichtliche Sachverständige jedoch nachdrücklich verneint , und nach dem Gesamtinhalt der Verhandlung und der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, daß diese Beurteilung unrichtig sein könnte. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte Umstand, daß dem Fachmann aus der Literatur für eine Ladeschaltung die Möglichkeit bekannt war, anstelle hintereinandergeschalteter Zener-Dioden eine Zener-Diode an einen Transistor als Verstärker anzuschalten, vermag nicht zu belegen, daß der Fachmann die Möglichkeit erkannt hätte, gegebenenfalls auf
den Transistor zu verzichten. Denn das setzte, wie der Sachverständige einleuchtend dargestellt hat, einen Wechsel der Perspektive voraus, bei der nicht mehr die Basis-Emitter-Strecke des Transistors den Schwellwertfühler der Schnelladeschaltung bildet, sondern der Transistor als Verstärker der ZenerDiode erscheint. Zu einem solchen Perspektivwechsel hatte der Fachmann aber keine Veranlassung; er ist erst rückschauend in Kenntnis der Erfindung nach dem Streitpatent plausibel.
Um zu der erfindungsgemäßen Schaltungsanordnung zu finden, hätte sich der Fachmann daher völlig von dem Aufbau der bekannten Schaltung lösen und seine Erwägungen auf die von diesem Aufbau abstrahierende Überlegung stützen müssen, daß bei einer gedanklichen Zerlegung des Transistors T4 in eine Kollektordiode und eine Emitterdiode, deren gemeinsame Elektrode die Basis des Transistors bildet, die Emitterdiode als Schwellwertfühler fungiere und daß er (allein) mit einer derartigen Diode die angestrebte Reduzierung der Ladezeitkonstante des Kondensators bewirken könne. Eine solche Überlegung hat der Sachverständige - in Übereinstimmung mit dem fachkundig besetzten Bundespatentgericht - auch von dem von ihm zugrundegelegten hochqualifizierten Fachmann nicht erwartet, und seine Befragung hat keine Anhaltspunkte hervorgebracht, die diese Einschätzung zu widerlegen geeignet wären. Vielmehr hat der Sachverständige hierzu überzeugend ausgeführt, daß Inhalt und Kennzeichen der wissenschaftlichen Methodik, mit der der Fachmann sich der Lösung eines Schaltungsproblems wie dem im Streitfall in Rede stehenden zuwende , ein "Kästchendenken" sei, bei der der Fachmann die Schaltung in kleinste elementare Module zerlege und diese Bausteine zu einer Gesamtlösung zusammenführe. Die im Stand der Technik beschriebene Schnelladeschaltung stelle sich dem Fachmann als Kombination zweier elementarer Bausteine,
nämlich des Ladestrompfads und der Steuerquelle, dar. Zwei derartige bekannte , elementare Lösungsmittel für unterschiedliche Aufgaben dadurch zu ersetzen, daß sie zu einem gemeinschaftlichen Lösungsmittel zusammengefaßt werden, dränge sich dem Fachmann nur auf, wenn die Ersatzlösung (in dieser "Doppelfunktion") ihrerseits zum bekannten Stand der Technik gehöre, was hier nicht der Fall ist. Für die Richtigkeit dieser Überlegungen spricht zudem, daß gerade die verblüffende Einfachheit der erfindungsgemäßen Lösung es ansonsten kaum verständlich erscheinen ließe, warum die Fachleute im Stand der Technik den weitaus aufwendigeren Weg der Schnelladeschaltung nach der deutschen Offenlegungsschrift gegangen sind oder nach Möglichkeiten gesucht haben, auf eine solche Schnelladeschaltung völlig zu verzichten.
Der im Berufungsverfahren eingeführten europäischen Patentanmeldung 16 920, die eine der Figur 2 der vorerörterten Offenlegungsschrift ähnliche Schaltungsanordnung zeigt, sind keine weitergehenden Anregungen zu entnehmen , die den Fachmann in diesem Zusammenhang zur Verwendung einer Zener-Diode als Schwellwertfühler hätten führen können. Dies gilt auch für das potentielle Risiko der Anschaltung einer Zener-Diode an die Basis des Transistors (hier T21), das, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, zwar wegen des Fehlens eines dem Kollektor vorgeschalteten Widerstands weniger gravierend erscheint, vom Fachmann deswegen jedoch nicht von vornherein außer Betracht gelassen wird.
III. Mit Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn rückbezogenen und daher von seiner Patentfähigkeit getragenen Patentansprüche 2 bis 6 in der Fassung des angefochtenen Urteils Bestand.
IV. Der als Anschlußberufung zu wertende Antrag der Beklagten, der Klägerin die gesamten erstinstanzlichen Kosten aufzuerlegen, bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht, dessen Entscheidung insoweit in BPatGE 42, 92 und Mitt. 2000, 333 veröffentlicht ist, hat zu Recht zwei Drittel der erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt, weil das Streitpatent insoweit für nichtig erklärt worden ist, als es über die von der Beklagten verteidigten Patentansprüche hinausging, und die Beklagte insoweit in der Sache unterlegen ist (§ 84 Abs. 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO). Gegen die Höhe der Quote, gegen die sich die Beklagte nicht wendet, bestehen keine Bedenken. Für die Anwendung des § 93 ZPO ist entgegen der Auffassung der Beklagten im Streitfall kein Raum.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte der Klägerin zur Erhebung der Nichtigkeitsklage Veranlassung gegeben hat, indem sie auf das Streitpatent gestützt Verletzungsklage erhoben hat. Wie das Bundespatentgericht zu Recht angenommen hat, kann die Klageveranlassung zwar nicht deshalb verneint werden, weil die Beklagte sich dabei (nur) auf eine Kombination der erteilten Patentansprüche 1, 4 und 6 gestützt hat. Denn die Klägerin konnte der Verletzungsklage nur durch eine auch gegen Anspruch 1 des Streitpatents gerichtete Nichtigkeitsklage die Grundlage entziehen. In der Literatur wird jedoch die Auffassung vertreten, daß auch die Erhebung einer Verletzungsklage die Aufforderung an den Patentinhaber nicht entbehrlich macht, auf das Patent zu verzichten , wenn im Sinne des § 93 ZPO eine Klageveranlassung für die Nichtigkeitsklage gegeben sein soll (Benkard, PatG, 9, Aufl., § 81 Rdn. 31; a.A. BPatGE 34, 93; BPatG, GRUR 1987, 233; Busse, PatG, 5. Aufl. § 84 Rdn. 20; Schulte, PatG, 6. Aufl. § 84 Rdn. 30). Die Streitfrage bedarf indes keiner Entscheidung, da die Beklagte den Klageanspruch jedenfalls nicht "sofort anerkannt" hat.

Da im Patentnichtigkeitsverfahren kein Anerkenntnisurteil ergehen kann, kommt ein Anerkenntnis im zivilprozessualen Sinne nicht in Betracht. Die vom Gesetz angeordnete entsprechende Anwendung des § 93 ZPO ist jedoch dann möglich und geboten, wenn der Beklagte dem Nichtigkeitskläger in vergleichbarer Weise einen Erfolg des Klagebegehrens sichert. Es ist anerkannt, daß dies durch einen Verzicht auf das Streitpatent (sowie gegebenenfalls auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit) geschehen kann, der seine Wirkung mit der Abgabe der schriftlichen Verzichtserklärung gegenüber dem Patentamt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG) entfaltet, die nach ihrem Zugang nicht mehr zurückgenommen werden kann, und damit das Erlöschen des Patents unmittelbar herbeiführt (Benkard aaO, § 81 Rdn. 31; Busse aaO, § 84 Rdn. 26).
Eine vergleichbare Wirkung kommt weder dem Beschränkungsantrag nach § 64 PatG noch einer entsprechend beschränkten Verteidigung des Patents im Nichtigkeitsverfahren zu. Denn der Patentinhaber ist an seinen Beschränkungsantrag nicht gebunden, solange über den Antrag nicht (bestandskräftig ) entschieden ist (BGHZ 128, 149, 154 - Lüfterkappe). Er kann den Antrag vielmehr seinerseits einschränken, ändern oder ganz zurücknehmen. Der Beschränkungsantrag oder die beschränkte Verteidigung bietet dem Nichtigkeitskläger daher nicht die Sicherheit eines sachlichen Erfolgs seines Klagebegehrens , die es rechtfertigen würde, sie als Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO zu werten. Als solches kommt daher grundsätzlich nur die bereits erfolgte Beschränkung in Betracht.
Allerdings ist nicht zu verkennen, daß ein Bedürfnis nach einer Möglichkeit für den Patentinhaber besteht, die kostenmäßigen Wirkungen eines Ver-
zichts auch dann herbeiführen zu können, wenn die gewollte teilweise Aufgabe der durch das Patent eingeräumten Rechtsposition durch einen Verzicht auf das Patent insgesamt oder auf einzelne Ansprüche nicht zu verwirklichen ist, weil der Gegenstand, den der Patentinhaber verteidigen will, in einem Anspruch noch nicht formuliert ist. Es wäre unbefriedigend, wenn die Anwendbarkeit des § 93 ZPO in diesem Fall davon abhänge, ob es dem Patentinhaber gelingt, rechtzeitig eine Entscheidung der Patentabteilung über einen Beschränkungsantrag herbeizuführen. Deshalb wird es in einem solchen Fall genügen, wenn der Patentinhaber, der zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben hat, dem Nichtigkeitskläger in einer einem Verzicht oder einer Beschränkung vergleichbaren Weise einen Erfolg seines Klagebegehrens sichert. Auf welche Weise dies geschehen kann, bedarf hier keiner abschließenden Klärung.
Der Senat hat hierfür im Urteil "Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung" genügen lassen, daß der Beklagte in einem Schriftsatz an das Bundespatentgericht das Patent nur eingeschränkt verteidigt und auf den darüber hinausgehenden Schutz für die Vergangenheit und Zukunft verzichtet hat (Sen.Urt. v. 8.12.1983 - X ZR 15/82, GRUR 1984, 272, 276). In Betracht kommt ferner, daß der Patentinhaber einen zulässigen Beschränkungsantrag mit einem Verzicht auf das Recht verbindet, diesen Antrag ganz oder teilweise zurückzunehmen , oder mit dem Widerspruch gegen die Nichtigkeitsklage im übrigen eine entsprechende verbindliche Erklärung abgibt.
Das hat die Beklagte im Streitfall indessen nicht getan, so daß eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO ausscheidet. Auch die Billigkeit erfordert bei dieser Sachlage keine andere Kostenverteilung.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.