Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 55/08

bei uns veröffentlicht am22.12.2009
vorgehend
Landgericht München I, 21 O 7147/01, 16.07.2003
Oberlandesgericht München, 6 U 4259/03, 20.03.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 55/08 Verkündet am:
22. Dezember 2009
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter
Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 20. März 2008 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundes1 republik Deutschland erteilten, inzwischen wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 313 345 (Klagepatents), dessen Anspruch 1 in der Verfahrenssprache lautet:
"A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
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In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenräder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position , die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist." Die unter der Geschäftsführung der Beklagten zu 2 bis 4 stehende Be3 klagte zu 1 vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter den Bezeichnungen "P. " Zahnkränze (Kassetten) für Fahrräder, wegen deren Ausgestaltung auf die Abbildungen im Tatbestand des in derselben Sache ergangenen Senatsurteils vom 13. Februar 2007 - X ZR 73/05 - verwiesen wird (das in einem Parallelrechtsstreit am selben Tag ergangene Sen.Urt. ist in BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I veröffentlicht). Die Klägerin sieht das Klagepatent durch diese Erzeugnisse verletzt und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunftserteilung in Anspruch und begehrt des Weiteren die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz. Das Landgericht hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antrags4 gemäß erkannt. Das Berufungsgericht hat die Klage nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat durch sein vorgenanntes Urteil vom 13. Februar 2007 aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die Klage abermals abgewiesen hat. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
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und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für
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ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlicher Durchmesser, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird. Der Klagepatentschrift zufolge war im Stand der Technik bekannt, Ket7 tenräder mit kleinerem und solche mit (nächst)größerem Durchmesser so anzuordnen , dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette beträgt. Diese Anordnung soll ermöglichen , dass beim Schalten vom kleineren auf das größere Kettenrad durch Schrägstellen ("biase") der Antriebskette ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Kette gebracht wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist. Die Klagepatentschrift bemängelt, dass, selbst wenn ein solches Ketten8 glied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert, die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads störend angreifen, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf dieses hin transportiert wird und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreifen kann. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert. Unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten soll das technische Problem gelöst werden, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs weiter zu verbessern. Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung
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erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederung
a) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser,
b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser und
c) eine Antriebskette umfasst, wobei
d) jedes Kettenrad an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen aufweist, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht,
e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser ist,
f) die Kettenräder so angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, die sich f1) von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads ("extending from the centre …") aus, f2) entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort in Eingriff mit dem größeren Kettenrad versetzt wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially" ) ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist, und wobei
g) das größere Kettenrad mit einer Kettenführungsfläche versehen ist, die g1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist und g2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt, und wobei
h) die Kettenführungsfläche eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie h1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link …") und h2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
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Wegen der Auslegung der Merkmale f, f1 und f2 durch den Senat wird auf die Randnummern 21 ff. des Urteils vom 13. Februar 2007 Bezug genommen. Die Verwirklichung dieser Merkmale durch die angegriffenen Ausführungsformen ist danach unstreitig geworden.
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II. Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Auslegung des Merkmalselements "jedenfalls im Wesentlichen" sei maßgeblich, dass die Zusammenwirkensfunktion des Merkmals f3 mit den anderen, der verbesserten Schalttechnik dienenden Merkmalen für den Fachmann noch erkennbar gegeben sei, wobei er reine Fertigungstoleranzen als von diesem Begriff selbstverständlich umfasst ansehe. Es hat des Weiteren gemeint, der tatsächliche Vortrag der Klägerin sei nicht geeignet, eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals f3 - dessen Benutzung mit abgewandelten Mitteln die Klägerin nicht geltend mache - durch die angegriffenen Ausführungsformen zu belegen. Die von der Klägerin vorgetragenen Messwerte offenbarten ausnahmslos Abweichungen vom ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung oberhalb der vom Sachverständigen als zulässig erachteten Fertigungs- bzw. Messtoleranzen von 0,2 mm.
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Es sei damit zu prüfen, ob die von der Klägerin gemessenen Abweichungen zu Funktionsabweichungen hinsichtlich der Lehre des Klagepatents führten. Die von der Klägerin angewandte Messmethode habe faktisch zur Folge, dass als Bezugspunkt der Punkte O1 und O2 die Rollenmitte anzusetzen sei. Diese Festlegung sei jedoch nicht zwingend. Ausweislich der Beschreibung (Übersetzung S. 11, 3. Abs.) seien die Punkte O1 und O2 im Sinne der technischen Lehre des Klagepatents zwar nicht bestimmt, wohl aber bestimmbar. Diese Lehre beschränke sich insoweit auf die Angabe eines Verhältnisses der Punkte O1 und O2 zueinander und lege deren Lage nur insoweit fest, als sie im Zusammenspiel mit den anderen Merkmalen ihre Funktion noch ausüben könnten. Die im Kettenverlauf angelegte Gerade könne, da sie nach der Auslegung durch den Bundesgerichtshof keine Tangenteneigenschaft im mathematischen Sinn aufweisen müsse, in ihrer Lage variieren, denn der Berührpunkt zu den Kettenrädern verändere sich zwangsläufig, je nachdem, wo die Berührung an der Oberfläche des Zahns beginne. Dementsprechend seien die Punkte O1 und O2 in ihrer Lage auf den Mittellinien in bestimmten Grenzen variabel, und, wann ein ganzzahliges Vielfaches bei einer angegriffenen Ausführungsform mit den nach dem Klagepatent erwünschten technischen Wirkungen vorliege, müsse im Einzelfall nach der Verhältnisangabe im Merkmal f3 geklärt werden.
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Es sei Sache der Klägerin, die zwar nicht bestimmten, aber bestimmbaren Punkte O1 und O2 entsprechend der Verhältnisangabe nach der Lehre des Klagepatents bei den angegriffenen Ausführungsformen zu bestimmen. Die von der Klägerin ermittelten tatsächlichen Abweichungen bei den angegriffenen Ausführungsformen seien ohne exakte Bestimmung der Lage der Punkte O1 und O2 dort nach der Lehre des Klagepatents gemessen worden und deshalb nicht aussagekräftig, denn die Messmethode gehe in diesem Fall mit den Rollenmitten von zwei Punkten aus, deren technische Unabdingbarkeit nicht festliege , und die daher eine andere Bestimmungsmethode als die angewandte erfordere.
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III. Die Ausführungen des Berufungsgerichts bieten keine tragfähige Grundlage für die ausgesprochene Klageabweisung.
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1. Weiteren Vortrags der Klägerin zur Position der Mitten O1 und O2, bei den angegriffenen Ausführungsformen bedurfte es entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht. Es hätte vielmehr zu prüfen gehabt, ob die Klägerin die Positionen der Mitten O1 und O2 in einer Weise bestimmt und ihren Messungen zugrunde gelegt hat, die der Auslegung der Merkmale f, f1 und f2 durch den Senat entsprach. An diese Auslegung war das Berufungsgericht auch bei Auslegung des Merkmals f3 gebunden (§ 563 Abs. 2 ZPO), weil die Position der Punkte O1 und O2 auf der Winkelhalbierenden in Merkmal f3 nicht neu und anders als in den Merkmalen f, f1 und f2 bestimmt, sondern damit identisch ist. Der eigenständige Sinngehalt des Merkmals f3 beschränkt sich auf die Vorgaben für die Bemessung des Abstands O1 - O2.
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a) Das Klagepatent bestimmt die Position der Punkte O1 und O2 anhand zweier Parameter. Es legt sie zum einen in die "Mitte" ("the centre") zwischen zwei Zähnen des größeren (O2) bzw. des kleineren (O1) Kettenrads (Merkmale f und f1) und ordnet zum anderen an, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Geraden (Tangente ) befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads aus entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt. Der Senat hat das Klagepatent im Urteil vom 13. Februar 2007 insoweit dahin ausgelegt, dass sich die Lage der Punkte O1 und O2 aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den zwei Zahnpaaren mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden ergebe (aaO Tz. 23).
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Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Antriebskette realiter keine ideal reduzierte Linie darstellt, sondern einen dreidimensionalen körperlichen Gegenstand mit bestimmten Abmessungen bildet. Als ein solches körperliches Gebilde kann die Kette die besagte Mittellinie dementsprechend an verschiedenen Stellen schneiden, was sich wiederum auf die Länge der Strecke O1 - O2 auswirken kann, je nachdem, wie der Schnittpunkt bestimmt wird. Hinzu kommt, dass die Kette nicht bei jedem Schaltvorgang zwangsläufig immer in gleicher Position vom kleinen Zahnrad abläuft, was wiederum den Verlauf und die Länge der Strecke O1 - O2 beeinflussen kann. Patentanspruch 1 des Klagepatents trifft keine konkreteren Anweisungen zur Lokalisierung der Punkte O1 - O2 und legt es damit in die Hände des Fachmanns, die Position der beiden Punkte zu bestimmen.
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b) Dass der Anspruch in diesem Punkt offen formuliert ist, wird den Fachmann aus technischen Gründen nicht überraschen. Denn die in der Merkmalsgruppe f zusammengefassten Merkmale gehören - bis auf die Relativierung des Abstands O1 - O2 als ein "jedenfalls im Wesentlichen ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung" - nicht zum kennzeichnenden Teil des Klagepatents , sondern stellen dem Fachmann vertrauten Stand der Kettenschaltungstechnik dar. Die Klagepatentschrift spricht davon, dass die Kettenräder "herkömmlicherweise" so angeordnet werden, dass der Abstand O1 - O2 ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung beträgt.
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c) Bei Festlegung der Bezugspositionen für die Punkte O1 - O2, für die aus fachmännischer Sicht eine gewisse Bandbreite von radialen Positionen der Punkte O1 - O2 in Betracht kommt (vorstehend III 1 a), wird der Fachmann einen standardisierten Mittelwert anstreben, der Gewähr dafür bietet, dass das mit der Auslegung des Abstands der beiden Punkte verfolgte Ziel möglichst oft erreicht wird. Dieses besteht darin, dass der erste Zahn hinter dem Punkt O1 des größeren Kettenrades beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht wird (Beschr. Sp. 1 Z. 11-30 [Übers. S. 1, 2. Abs.]). Aus fachmännischer Sicht wird es naheliegen, die radialen Positionen der Punkte O1 und O2 so festzulegen, dass sie auf der Mitte zwischen zwei Zähnen des größeren und des kleineren Kettenrads (den Winkelhalbierenden) liegen, und zwar in der Höhe, die bei mittig auf den Zahnfußausrundungen aufliegender Kette dem Kreismittelpunkt der Kettenrolle entspricht.
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2. Das Klagepatent sieht für die Einstellung des Abstands O1 - O2 im Unterschied zum Stand der Technik gewisse Abweichungen vom exakten ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung vor, deren zulässige Größenordnung es durch die Angabe "jedenfalls im Wesentlichen" ("at least substantially") um- schreibt. Das Berufungsgericht hat diese Anweisung nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe dahin ausgelegt, dass diese Abweichungen die Fertigungstoleranzen , die es im Anschluss an die Erläuterungen des Sachverständigen auf 0,2 mm bemessen hat, nicht überschreiten. Dagegen wendet die Revision sich ebenfalls zu Recht.
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a) Das vom Berufungsgericht gefundene Auslegungsergebnis, dass die gemäß Merkmal f3 möglichen Abweichungen auf Fertigungstoleranzen begrenzt sein sollen, findet in der Klagepatentschrift keinen Rückhalt. Es sind vielmehr die Ausführungen in der Beschreibung zu dem Problem, dass der Durchmesser der Zahnfußausrundungen größer sein kann, als der Durchmesser der Kettenrollen (elliptische oder Langlochform; vgl. dazu Sp. 7 Z. 46 ff. [Übers. S. 11, 2. vollständiger Abs.]), die Hinweise auf die Größenordnung der Abweichungen geben, die das Klagepatent aus technischen Gründen im Auge hat. Wenn die Kette bei solchen Ausgestaltungen vom kleineren auf das größere Kettenrad versetzt wird, stößt die Rolle am kleineren Kettenrad an der rückwärtigen Oberfläche eines Zahns vor der Rolle in Antriebsdrehrichtung dieses Kettenrads an. Die Rolle, die sich in Richtung zum größeren Kettenrad hin bewegt, soll an der vorderen Oberfläche des ersten Zahns (11) in Antriebsdrehrichtung dieses Kettenrads anstoßen, um von deren Zahn gefangen zu werden. Damit das trotz des durch die vergrößerten Zahnfußausrundungen verlängerten Laufwegs der Kette reibungslos gelingt, werden beide Kettenräder so ausgerichtet, dass der Abstand L etwas kleiner als ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands der Kette (Kettenteilung) ist, (vgl. Sp. 7 Z. 46 ff. [Übers. S. 11, 2. vollständiger Abs.]).
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Ersichtlich geht es dem Klagepatent mit der Relativierung "jedenfalls im Wesentlichen" also darum, die durch die unterschiedlich weiten Ausformungen der Zahnfußausrundungen auftretenden Differenzen bei der Positionierung der Ritzel durch eine gewisse Abweichung vom exakten Vielfachen der korrespondierenden Zähne zueinander auszugleichen. Außerdem ist aus fachmännischer Sicht zu bedenken, dass die Schaltungstechnik als solche durch einen vergleichsweise groben mechanischen Ablauf - die Kette wird beim Schalten vom kleineren Kettenrad durch mechanische Krafteinwirkung schräg gestellt, bis sie auf dem größeren Ritzel aufliegt - gekennzeichnet ist, der ebenfalls spürbare Abweichungen vom exakten ganzzahligen Vielfachen der Kettenteilung als angemessen erscheinen lassen kann.
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b) Das Berufungsgericht wird das Merkmal f3 unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erneut auszulegen haben. Bei Würdigung des zur Verletzung vorgetragenen Sachverhalts wird das Berufungsgericht zu beachten haben, ob die Positionierung der Punkte O1 - O2, die diesem Vorbringen zugrunde liegt, im Bereich der nach fachmännischem Verständnis (oben III 1 c) dafür in Betracht kommenden Festlegungen liegt, und die - an sich dem Stand der Technik entnommene und lediglich um die Relativierung "...jedenfalls im Wesentlichen..." ergänzte Merkmalsgruppe f verwirklicht ist, um sich gegebenenfalls dann der Prüfung der Merkmalsgruppe h zuzuwenden.
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IV. Das Berufungsgericht hat zu der Frage, wann im Patentverletzungsprozess ein Sachverständiger einzuschalten sei, erwogen, ob es, wenn das Patent aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns ausgelegt werde, prozessual erforderlich sei, dass zu den Grundlagen des Verständnisses des Durchschnittsfachmanns, etwa zu seiner Ausbildung und seiner Fachkunde am Prioritätszeitpunkt, von den Parteien vorgetragen werde. Die Instanzentscheidungen in Verletzungsverfahren enthielten regelmäßig keine Feststellungen zu den tatsächlichen Grundlagen, die den (fiktiven) Durchschnittsfachmann in die Lage versetzten, das eine oder andere Verständnis vom Patent und seinen Ansprüchen zu entwickeln. Ob das Verständnis des Durchschnittsfachmanns von einem nicht-technisch besetzten Gericht ohne technische Unterstützung beurteilt werden könne, insbesondere dann, wenn die als Beurteilungsgrundlage für das Verständnis des Schutzrechts erforderlichen Grundlagen von den Parteien nicht vorgetragen worden seien, sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Das Patent werde in solchen Fällen zwar aus Sicht des Durchschnittsfachmanns ausgelegt, warum dieser eine bestimmte Sicht habe, bleibe aber weitestgehend ungeklärt. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts geben zu den folgenden Ausführungen über die Grundlagen der Patentauslegung Gelegenheit.
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1. Patentansprüche haben nach der Rechtsprechung des Senats Rechtsnormcharakter (Sen.Beschl. vom 8. Juli 2008 - X ZB 13/06 Tz. 13, GRUR 2008, 887 - Momentanpol II; BGHZ 180, 215 Tz. 16 - Straßenbaumaschine ). Deshalb ist es originär richterliche Aufgabe, den objektiven Sinngehalt der mit dem jeweiligen Schutzrecht unter Schutz gestellten Lehre eigenständig durch Auslegung der Patentansprüche - gegebenenfalls unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen - zu ermitteln. Darum hat der Senat es in der Vergangenheit beanstandet, wenn das Berufungsgericht sich die vom Sachverständigen "als Durchschnittsfachmann" vorgenommene Auslegung eines Klagepatents ohne erkennbar eigene Wertung zu eigen gemacht und seine Entscheidung darauf gestützt hat, anstatt das Klagepatent selbst auszulegen (BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel; vgl. auch BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I; Sen.Urt. v. 12.2.2008 - X ZR 153/05, GRUR 2008, 779 - Mehrgangnabe) oder wenn es sich nicht in der Lage gesehen hat, die Frage der Patentverletzung zu entscheiden, nachdem der gerichtliche Sachverständige erklärt hatte, ein Merkmal des Klagepatents nicht definieren zu können (BGHZ 180, 215 - Straßenbaumaschine).
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2. Soweit das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil davon spricht, das Patent sei "aus der Sicht des (Durchschnitts-)Fachmanns auszulegen", besteht Anlass zu weiterer Klarstellung. Auch wenn das fachmännische Verständnis der im Patentanspruch verwendeten Begriffe und des Gesamtzusammenhangs des Patentanspruchs Grundlage der objektiven Patentauslegung ist (vgl. etwa Sen.Urt. aaO, GRUR 2008, 779 Tz. 31 f. - Mehrgangnabe), heißt das gerade nicht, dass das Gericht lediglich das Sprachrohr des vom Sachverständigen dargelegten fachmännischen Verständnisses ist. Aufgabe des vom Gericht gegebenenfalls zurate gezogenen Sachverständigen ist es vielmehr, wie der Senat vielfach ausgesprochen hat, lediglich, dem Gericht gegebenenfalls die für das Verstehen der unter Schutz gestellten Lehre erforderlichen technischen Zusammenhänge zu erläutern und den erforderlichen Einblick in die Kenntnisse , Fertigkeiten und Erfahrungen der jeweils typischen, im Durchschnitt der beteiligten Kreise angesiedelten Vertreter der einschlägigen Fachwelt einschließlich ihrer methodischen Herangehensweise zu vermitteln. Die hierzu gemachten Angaben fließen in die gerichtliche Auslegung der Patentansprüche lediglich ein (vgl. BGHZ 171, 120 Tz. 18, - Kettenradanordnung I; Sen.Urt. GRUR 2008, 779 Tz. 31 f. - Mehrgangnabe; vgl. zur strukturell ähnlich gelagerten Frage, ob ein Sachverständiger auch dazu befragt werden kann, ob Schäden oder Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer bzw. Bewohner erkennbar waren BGH, Beschl. v. 8.10.2009 - V ZB 84/09). Dagegen zielt die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht auf die Beantwortung von Rechtsfragen, was unzulässig wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 8.10.2009 - V ZB 84/09 Tz. 10).
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3. Ob im Hinblick auf die vom Gericht vorzunehmende Auslegung der Patentansprüche ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss, hängt zunächst davon ab, ob und gegebenenfalls welchen streitigen Vortrag die Parteien zu tatsächlichen Umständen gehalten haben, die des unmittelbaren Beweises mit zivilprozessual zulässigen Beweismitteln zugänglich sind und als solche für sich oder zusammen mit anderen derartigen Umständen Anhaltspunkte beispielsweise dafür zu geben vermögen, welche technischen Zusammenhänge bedeutsam sein könnten, wer als Durchschnittsfachmann in Betracht zu ziehen sein könnte, welche Ausbildung seine Sicht bestimmen könnte etc. Dies ist dem Beibringungsgrundsatz geschuldet, der im Patentverletzungsprozess beachtet werden muss, weil er als Zivilprozess geführt wird. Fehlt Vortrag der Parteien hierzu, obwohl Angaben zu solchen unmittelbaren Tatumständen erwartet werden können, oder erscheint der gehaltene Vortrag insoweit unvollständig, hat das Gericht außerdem § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu beachten. Es hat dann darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich ausreichend erklären. So werden regelmäßig Angaben dazu verlangt werden können, auf welchem technischen Gebiet die Erfindung liegt, welche Unternehmen auf diesem Gebiet tätig sind, wie die beschäftigten Mitarbeiter ausgebildet sind bzw., ob sie eigene Entwicklungsabteilungen mit besonders geschultem oder erfahrenem Personal unterhalten.
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Selbst wenn diese oder andere dem unmittelbaren Beweis zugängliche Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig sind, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein, weil es Fälle geben kann, in denen die Kenntnis derartiger Tatsachen allein nicht ausreicht, um auf die ihrerseits dem unmittelbaren Beweise nicht zugängliche Sicht des Fachmanns zu schließen oder die technischen Zusammenhänge zuverlässig zu bewerten. Dies bedingt , dass das Verletzungsgericht in jedem Einzelfall eigenverantwortlich prüft, ob es aus diesem Grund einen Sachverständigen hinzuzieht. Die gesetzliche Handhabe hierzu bietet dem Tatrichter § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Im Hinblick darauf, dass bereits die Antwort auf Fragen, welche technischen Zusammenhänge beachtlich sind, und welche fachmännische Sicht zugrunde zu legen ist, ihrerseits nur auf Grund einer Wertung zu finden ist, un- terliegt der im Rahmen des § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffene Entschluss des Verletzungsgerichts, die Patentansprüche auszulegen, ohne zuvor einen Sachverständigen hinzuzuziehen, jedoch nicht lediglich der Ermessenskontrolle, die bei § 144 Abs. 1 ZPO normaler Weise nur erfolgen darf. Denn als Wertung ist schon die die technischen Zusammenhänge und die Sicht des Fachmanns betreffende Würdigung Teil der die Patentauslegung ausmachenden Bestimmung , wie der betreffende Patentanspruch zu bewerten ist. Damit greift auch insoweit die ständige Rechtsprechung, wonach die Patentauslegung der uneingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt.
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V. Die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe f in vom Wortsinn abweichender Form nicht geltend gemacht habe. Sie verweist dazu auf Schriftsätze der Klägerin in den Tatsacheninstanzen, in denen die Klägerin sich die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Z. zu eigen gemacht habe, wonach die Merkmalsgruppe f in den angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls als Ganzes äquivalent benutzt sein soll.
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Mit diesem Vorbringen allein wird der geltend gemachte Verfahrensverstoß des Berufungsgerichts nicht hinreichend dargelegt (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ZPO). Ob der Kläger die Verurteilung (zumindest) wegen Verletzung des Klagepatents in vom Wortsinn abweichender Form begehrt, ist nicht allein eine Frage des Sachvortrags, sondern in erster Linie eine solche der entsprechenden Antragstellung. Aus dem Klageantrag muss sich ergeben, welche Ausführung der Kläger als Verletzungsform angreift. Die Ausführung ist im Hinblick auf die Vorgaben des Patentanspruchs zu beschreiben. Soll eine Ausführungsform als vom erteilten Klagepatent erfasst angegriffen werden, die nach Ansicht des Klägers eine vom Wortsinn abweichende Gestalt aufweist, muss sich aus dem Antrag ergeben, in welcher tatsächlichen Gestaltung sich die Abweichung von den Vorgaben des Patentanspruchs verkörpern soll. Dazu trägt die Revision nichts vor und die im angefochtenen Berufungsurteil enthaltenen Anträge haben in Bezug auf die Merkmalsgruppe f lediglich eine dem Wortsinn des Patentanspruchs entsprechende Verletzungsform zum Gegenstand.
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Ergibt sich aus dem klägerischen Sachvortrag, dass (auch) eine Verletzung des Klagepatents in vom Wortsinn abweichender Form geltend gemacht werden soll, ohne dass dies in den Klageanträgen einen Niederschlag gefunden hat, hat das Tatsachengericht dies im Rahmen der ihm obliegenden Verpflichtung , auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO), zu erörtern.
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Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren bemerkt der Senat, dass die Frage einer möglichen Verletzung in vom Wortsinn abweichender Form sich, wenn bei der Auslegung des Merkmals f3 auf Funktions- und nicht lediglich auf Fertigungstoleranzen abgestellt wird, gegebenenfalls anders stellt, als bisher, insbesondere dann, wenn die Funktionstoleranzen erheblich größer zu bemessen sind, als die vom Berufungsgericht festgestellten Fertigungstoleranzen. Wenn schon die wortsinngemäße Verletzung eine deutliche Abweichung vom exakt Mehrfachen der Kettenteilung erfasst, bleibt für eine Verletzung unter Benutzung abgewandelter Mittel unter dem Gesichtspunkt zusätzlicher Streckentoleranzen möglicherweise nur noch enger Raum, was sich abschließend aber erst in einer Gesamtschau aller Merkmale beurteilen lässt.

Scharen Asendorf Gröning
Berger Grabinski
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.07.2003 - 21 O 7147/01 -
OLG München, Entscheidung vom 20.03.2008 - 6 U 4259/03 -

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 55/08 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 55/08 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2009 - V ZB 84/09

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 84/09 vom 8. Oktober 2009 in dem selbständigen Beweisverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 485 Abs. 2 Nr. 1 In einem selbständigen Beweisverfahren kann dem Sachverständigen auch die

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2007 - X ZR 73/05

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2008 - X ZB 13/06

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 13/06 vom 8. Juli 2008 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend die Einspruchssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Momentanpol II PatG § 14, § 21 Abs. 1 Nr. 4 Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts d
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Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2010 - X ZR 25/06

bei uns veröffentlicht am 26.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 25/06 Verkündet am: 26. Januar 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 73/05 Verkündet am
13. Februar 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 12. Mai 2005 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 313 345 (Klagepatents). Anspruch 1 des Klagepatents, das am 20. Oktober 1988 unter Inanspruchnahme japanischer Prioritäten vom 21. Oktober 1987 und 4. Juni 1988 angemeldet wurde, lautet: "A multistage sprocket assembly for a bicycle comprising at least one larger diameter sprocket (1), at least one smaller diameter sprocket (2) and a drive chain (3), and the or each larger diameter sprocket (1) having at its outer periphery a given number of teeth which are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3) and the or each smaller diameter sprocket (2) having at its outer periphery teeth which are smaller in number than the teeth of said larger diameter sprocket (1) and are spaced at intervals corresponding to the pitch of the chain (3), said sprockets (1) and (2) being assembled so that the centre (O2) between a pair of adjacent teeth of said larger diameter sprocket (1) is positioned on a tangent extending form the centre (O1) between a pair of adjacent teeth of said smaller diameter sprocket, said tangent extending along the path of travel of the driving chain (3) in engagement with said smaller diameter sprocket (2) when said chain (3) shifted therefrom into engagement with said larger diameter sprocket (1), the distance between said centres (O1, O2) being at least substantially an integer multiple of the chain pitch, characterised in that said larger diameter sprocket (1) is provided with a chain guide surface (4) on the inside surface of the sprocket (1) facing the smaller diameter sprocket (2) and at a position on said larger diameter sprocket (1) which corresponds to the path of travel between said centres (O1, O2) between adjacent teeth of the sprocket where the chain makes contact with the larger diameter sprocket (1), said chain guide surface (4) having such a shape and size as to receive an entire link plate of a link of said chain and to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket (1) as the chain leaves the smaller diameter sprocket and starts to engage with a tooth of the larger diameter sprocket (1), said tooth being the tooth behind said centre (O2) between adjacent teeth of the larger diameter sprocket in the direction of drive rotation."
2
In der Klagepatentschrift ist dieser Anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzt: "Mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad, enthaltend mindestens ein Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser, mindestens ein Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser und eine Antriebskette (3), wobei das Kettenrad (1) oder jedes der Kettenräder (1) mit einem größeren Durchmesser an seinem Außenumfang eine gegebene Anzahl an Zähnen aufweist, die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, sowie das Kettenrad (2) oder jedes der Kettenräder (2) mit einem kleineren Durchmesser an seinem Außenumfang Zähne aufweist, deren Anzahl kleiner als die Anzahl der Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser ist und die in Abständen voneinander angeordnet sind, die dem Lochabstand der Kette (3) entsprechen, und wobei die Kettenränder (1) und (2) derart angeordnet sind, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser sich auf einer Tangente befindet, die sich von der Mitte (O1) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des Kettenrads mit einem kleineren Durchmesser aus entlang des Laufwegs der Antriebskette (3) im Eingriff mit dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser erstreckt, wenn die Kette (3) von dort in Eingriff mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser versetzt wird, wobei die Entfernung zwischen den genannten Mitten (O1, O2) mindestens im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstandes der Kette ist, dadurch gekennzeichnet, dass das genannte Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an seiner Innenoberfläche mit einer Kettenführungsoberfläche (4) versehen ist, die dem Kettenrad (2) mit einem kleineren Durchmesser zugewandt ist, und auf dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser an einer Position, die im Laufweg zwischen den genannten Mitten (O1, O2) zwischen benachbarten Zähnen der Kettenräder, wo die Kette mit dem Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser in Kontakt kommt, wobei die Kettenführungsoberfläche (4) eine derartige Gestalt und Größe aufweist, dass sie eine ganze Gliedplatte eines Gliedes der Kette aufnimmt und bewirkt, dass das Glied in Richtung auf das Kettenrad (1) mit einem größeren Durchmesser vorgespannt wird, wenn die Kette das Kettenrad mit einem kleineren Durchmesser verlässt und beginnt, mit einem Zahn des Kettenrads (1) mit einem größeren Durchmesser in Eingriff zu kommen, wobei dieser Zahn der Zahn hinter der Mitte (O2) zwischen benachbarten Zähnen des Kettenrads mit einem größeren Durchmesser in der Antriebsdrehrichtung ist."
3
Die nachfolgenden Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel.


4
Die unter der Geschäftsführung der Beklagten zu 2 bis 4 stehende Beklagte zu 1 vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "P. " Kettenradanordnungen für Fahrräder, deren Ausgestaltung in dem für den Rechtsstreit interessierenden Bereich aus den nachstehend wiedergegebenen , von der Klägerin als Anlagen K 14, K 23-12 und K 23-13 vorgelegten Photographien ersichtlich ist.


5
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung des Klagepatents und nimmt die Beklagten deswegen auf Unterlassung und Auskunft sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
6
Das Landgericht hat, sachverständig beraten, im Wesentlichen antragsgemäß erkannt. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


7
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Das Klagepatent betrifft eine mehrstufige Kettenradanordnung für ein Fahrrad mit Kettenrädern (Ritzeln) unterschiedlichen Durchmessers, zwischen denen zum Gangwechsel die Antriebskette versetzt wird.
9
Die Klagepatentschrift erläutert, dass herkömmlicherweise bei einer solchen mehrstufigen Kettenradanordnung - wie im japanischen Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und entsprechend in der US-Patentschrift 4 268 259 beschrieben - ein Kettenrad mit kleinerem und ein Kettenrad mit (nächst)größerem Durchmesser so angeordnet sind, dass sich die Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads auf der Tangente befindet, die sich von der Mitte zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt, und dass die Entfernung zwischen diesen Mittelpunkten ein ganzzahliges Vielfaches des Lochabstands (der Teilung) der Kette ist. Hierdurch kann bei der Versetzung der Kette auf das nächstgrößere Kettenrad ein in Antriebsdrehrichtung hinter der genannten Mitte angeordneter erster Zahn des größeren Kettenrads leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden, wozu die Kette durch eine Schaltung in Richtung zum größeren Kettenrad schräggestellt ("biased") wird. Die Kette passt dabei besonders gut auf den "ersten Zahn", wenn das betreffende Glied der Kette, die abwechselnd aus Paaren innerer und äußerer Gliedplatten besteht, ein Kettenglied mit äußeren Gliedplatten ist.
10
Selbst wenn jedoch ein solches Kettenglied mit dem "ersten Zahn" korrespondiert , greifen die Endfläche des Kettenstifts und die äußere Oberfläche der äußeren Gliedplatte nach den Darlegungen der Klagepatentschrift störend an der inneren Oberfläche des größeren Kettenrads an, so dass die Kette nicht weiter in Richtung auf das größere Kettenrad transportiert werden kann und infolgedessen den ersten Zahn nicht zuverlässig ergreift. Als ähnlich problematisch wird der Schaltvorgang für den Fall geschildert, dass ein Kettenglied mit inneren Gliedplatten mit dem "ersten Zahn" korrespondiert.
11
Dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, die Zuverlässigkeit des Schaltvorgangs unter Berücksichtigung dieser geschilderten Schwierigkeiten weiter zu verbessern.
12
Erfindungsgemäß soll dies durch eine mehrstufige Kettenradanordnung erreicht werden, die nach Maßgabe der nachfolgenden Merkmalsgliederung
a) zumindest ein Kettenrad mit größerem Durchmesser,
b) zumindest ein Kettenrad mit kleinerem Durchmesser und
c) eine Antriebskette umfasst;
d) jedes Kettenrad weist an seinem Umfang eine gegebene Anzahl von Zähnen auf, deren Abstand voneinander der Teilung der Antriebskette entspricht;
e) die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit kleinerem Durchmesser ist geringer als die Anzahl der Zähne des Kettenrads mit größerem Durchmesser;
f) die Kettenräder sind so angeordnet, dass die Mitte (O2) zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads sich auf einer Tangente befindet, f1) die sich von der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erstreckt ("extending from the centre …"); f2) die sich entlang des Laufwegs der Antriebskette im Eingriff mit dem kleineren Kettenrad erstreckt, wenn die Kette von dort zum Eingriff in das größere Kettenrad umgeschaltet wird, f3) wobei der Abstand zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) jedenfalls im Wesentlichen ("at least substantially" ) ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung ist;
g) das größere Kettenrad ist mit einer Kettenführungsfläche versehen, die g1) an der inneren Oberfläche dieses Kettenrads dem kleineren Kettenrad zugewandt ist und g2) sich dort befindet, wo die Kette auf dem Laufweg zwischen den Mittelpunkten (O1, O2) mit dem größeren Kettenrad in Berührung kommt;
h) die Kettenführungsfläche weist eine derartige Gestalt und Größe auf, dass sie h1) eine ganze Gliedplatte eines Kettengliedes aufnimmt ("to receive an entire link plate of a link …") und h2) bewirkt, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt wird ("to cause the link to be biased towards the larger diameter sprocket"), wenn die Kette das kleinere Kettenrad verlässt und der Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads beginnt, h3) wobei der betreffende Zahn in Antriebsdrehrichtung hinter der Mitte (O2) liegt.
13
Die Klagepatentschrift erläutert das Merkmal h dahin, dass der Kettenführungsabschnitt groß genug ausgeführt ist, um die ihm zugewandten Gliedplatten der Kette aufzunehmen, so dass die Kette um einen vorbestimmten Betrag in Richtung auf die äußere Oberfläche des größeren Kettenrads abgelenkt werden kann ("can deviate at a predetermined amount towards …") und so zuverlässig den ersten Zahn ergreift (Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]).
14
II. Das Berufungsgericht verneint eine Verletzung des Klagepatents, weil die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale f bis f2 sowie h1 nicht verwirklichten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:
15
Der im Berufungsrechtszug bestellte Sachverständige habe dargelegt, dass der Begriff "Tangente an eine Kurve in einem bestimmten Punkt P" mathematisch eindeutig definiert sei und der Fachmann ihn in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen werde, ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass eine Kette die Verzahnung eines Kettenrades auf einer Tangente im exakten mathematischen Sinn verlassen könne, wenn die Symmetrielinie der Kette im Punkt P senkrecht zur Winkelhalbierenden bzw. zum Radiusvektor des Teilkreises stehe. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlasse die Kette das kleinere Kettenrad in dem maßgeblichen Punkt O1 nicht auf einer solchen Tangente. Zutreffend weise der Sachverständige darauf hin, dass das Klagepatent lediglich einen einzigen Hinweis für die Kurve enthalte, an der O1 liegen solle, nämlich die Zeichnung nach Figur 1. Von diesem Punkt müsse sich die Tangente erstrecken. Das hierzu in Widerspruch stehende Vorbringen der Klägerin führe zu keiner anderen tatsächlichen oder rechtlichen Betrachtungsweise. Die Klägerin setze im Ergebnis ihr Verständnis des Klagepatents an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen.
16
Zum Merkmal h1 komme der Sachverständige zum Ergebnis, dass der Begriff "ganze Gliedplatte" sich eindeutig auf Umriss und Tiefe der Kettenführungsfläche beziehe, die so dimensioniert werden solle, dass eine ganze Gliedplatte aufgenommen werden könne. Merkmal h1 löse "nach den Feststellungen des Sachverständigen" die Aufgabe, die Behinderung der Querbewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen und eine definierte Führung der Kette in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene zu ermöglichen. Nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen variiere bei den angegriffenen Ausführungsformen die Tiefe zwischen 0,6 mm und 0 mm und liege damit mindestens um 40 % unter der Dicke einer ganzen Gliedplatte; im Umriss sei die Kettenführungsfläche kürzer und im Bereich unterhalb des Zahnes 10 schmaler als eine ganze Gliedplatte. Auch äquivalent werde Merkmal h1 nicht verwirklicht. Beim Gangwechsel könne die Gliedplatte in den hinteren Teil der Führungsfläche nicht eintauchen und stoße seitlich am Kettenrad an. Das vom Klagepatent angestrebte Ziel, die Behinderung der Bewegung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu beseitigen, werde damit nicht erreicht; es werde lediglich eine Verringerung erzielt. Die Funktion der Führung der Kette durch Formschluss in der Kettenradebene auf das benachbarte größere Kettenrad werde nicht oder nur noch in praktisch bedeutungslosem Umfang erreicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sei von der Beklagten offenbar eine Lösung entwickelt worden, die sich aus dem Klagepatent nicht eher ableiten lasse als aus bereits bekannten Patenten. Auch in Bezug auf Merkmal h1 gelte, dass die Klägerin im Ergebnis ihr Verständnis an die Stelle des Verständnisses des Sachverständigen setze.
17
III. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Verneinung der Verletzungsfrage beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Patentanspruchs.
18
1. Zur Beurteilung der Frage, ob eine Patentverletzung vorliegt, bedarf es zunächst der Befassung mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Klagepatent angesprochenen Fachmanns aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit ergibt (vgl. BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung, m.w.N.). Der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, ist unter Heranziehung der den Patentanspruch erläuternden Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ; § 14 Satz 2 PatG) durch Auslegung zu ermitteln. Was sich hieraus als geschützter Gegenstand ergibt, ist eine Rechtsfrage, weshalb die Auslegung des Patentanspruchs vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden kann (st. Rspr.; s. nur BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild; BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf somit nicht dem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden, sondern obliegt dem Gericht. Zwar bildet das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs die Grundlage der Auslegung, weil sich der Patentanspruch an die Fachleute eines bestimmten Gebiets der Technik richtet. Das bedeutet jedoch nur, dass sich der Tatrichter gegebenenfalls sachverständiger Hilfe bedienen muss, wenn es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGHZ 164, 261, 268 - Seitenspiegel). Das auf dieser Grundlage zu klärende richtige Verständnis des Patentanspruchs selbst ist hingegen unmittelbarer Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Das Gericht ist deswegen gehindert , die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens einfach zu übernehmen ; sachverständige Äußerungen sind vom Tatrichter vielmehr eigenverantwortlich daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein von dem erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (Sen.Urt. v. 7.3.2001 - X ZR 176/99, GRUR 2001, 770 - Kabeldurchführung II). Das Verständnis des Sachverständigen vom Patentanspruch genießt als solches bei der richterlichen Auslegung grundsätzlich ebenso wenig Vorrang wie das Verständnis einer Partei.
19
Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat nicht den Sinngehalt des Patentanspruchs unter Heranziehung der Patentbeschreibung und der Zeichnungen ermittelt, sondern sich letztlich darauf beschränkt, die Ausführungen des Sachverständigen wiederzugeben und auf sie zu verweisen, ohne sie daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie mit dem im Lichte der Beschreibung interpretierten Patentanspruch in Einklang stehen. Vielmehr hat es die von ihm zitierten Ausführungen des Sachverständigen - ersichtlich nicht nur im Sinne eines Vergreifens im Ausdruck - als "Feststellungen" zum Inhalt des Patentanspruchs behandelt. Unter Missachtung der vorstehenden Grundsätze ist das Berufungsgericht vom Verständnis des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen, das es als aufgrund seiner fachlichen Autorität maßgeblich bewertet, anstatt eigenverantwortlich den technischen Sinngehalt des Patentanspruchs zu ergründen. Deutlich wird dies insbesondere bei der Auslegung des in Merkmal f verwendeten Begriffs der Tangente, bei der sich das Berufungsgericht die Auffassung des Sachverständigen zu eigen gemacht hat, der Fachmann werde den mathematisch eindeutig definierten Begriff in technischen Beschreibungen wie dem Klagepatent auch in diesem Sinne verstehen , ohne davon abweichende Bedeutungen in Betracht zu ziehen, und bei den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Lage des Punktes O1 auf einer Kurve, zu der das Klagepatent in der Figur 1 lediglich "einen einzigen Hinweis" enthalte. In beiden Fällen wird der Grundsatz missachtet, dass die Merkmale eines Patentanspruchs nicht für sich stehen, sondern im Zusammenhang des gesamten Anspruchs zu verstehen sind und die Beschreibung zur Ermittlung dieses Sinnzusammenhangs heranzuziehen ist (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; BGHZ 159, 221, 226 - Drehzahlermittlung; Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 - Spannschraube). Ist die technische Lehre des Patentanspruchs aber nicht ermittelt, fehlt es bereits an der erforderlichen Grundlage, um sachgerecht prüfen können, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich eines Klagepatents fällt.
20
2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht bei den angegriffenen Ausführungsformen verneinten Merkmale f bis f2 und h1 führt die Auslegung des Patentanspruchs 1 zu folgendem Ergebnis:
21
a) Die Merkmalsgruppe f hat die Anordnung der Kettenräder zueinander zum Gegenstand. Wie bereits ausgeführt, ist Ziel dieser schon aus den in der Klagepatentschrift angeführten Druckschriften (japanisches Gebrauchsmuster Sho 55-28617 und US-Patentschrift 4 268 259) vorbekannten Zuordnung, eine Verbesserung des Schaltvermögens der Gangschaltung dadurch zu erreichen , dass beim Gangwechsel zum Kettenrad mit dem größeren Durchmesser ein als erster Zahn (11) bezeichneter Schaltzahn des größeren Kettenrades leicht in Eingriff mit der Antriebskette gebracht werden kann (vgl. Sp. 1 Z. 11-30 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]).
22
Die Zuordnung der Kettenräder wird durch die Erstreckung einer als Tangente bezeichneten Geraden und den Abstand zwischen der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads und der Mitte O2 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des größeren Kettenrads bestimmt. Der Abstand beträgt gemäß Merkmal f3 - jedenfalls im Wesentlichen - ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung. Damit wird erreicht, dass beim Gangwechsel der in Antriebsrichtung vor der Mitte O2 liegende (erste) Schaltzahn des größeren Kettenrads aufgrund des vorbestimmten Verhältnisses problemlos in den zwischen einem Paar äußerer Gliedplatten gebildeten Zahnaufnahmeraum eingreifen kann (vgl. Sp. 1 Z. 42-52, Sp. 3 Z. 49-54 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs., S. 5 dritter Abs.]). Da es um die Festlegung der für den Zahneingriff vorbestimmten Kettenteilung geht, muss sich die maßgebliche Tangente mit den Punkten O1 und O2 gemäß Merkmal f2 entlang des Laufwegs der Antriebskette erstrecken.
23
Eine derart definierte Tangente hat ihren für die relevante Länge maßgeblichen Ausgangspunkt dort (und erstreckt sich dementsprechend von dort), wo die Kette vom kleineren Kettenrad abläuft, um den Gangwechsel zum größeren Kettenrad zu ermöglichen. Merkmal f1 konkretisiert insoweit mit der Mitte O1 zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads den Punkt, von dem sich die Tangente erstreckt und von dem ausgehend bestimmt wird, ob der Abstand zur Mitte O2, welche sich in Antriebsrichtung hinter dem (ersten) Schaltzahn des größeren Kettenrads befindet, im Wesentlichen ein ganzzahliges Vielfaches der Kettenteilung im Sinne von Merkmal f3 beträgt. Die den tangentialen Kettenablauf im Punkt O1 schneidende Mittellinie zwischen einem Paar benachbarter Zähne des kleineren Kettenrads erlaubt dabei eine eindeutige Festlegung des (längenbestimmenden) Ausgangspunktes der erfindungsgemäßen Tangente. Vor diesem Hintergrund bedarf es aus technischer Sicht und in Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut keiner weiteren Kon- kretisierung der Lage der Punkte O1 und O2. Da sich die erfindungsgemäße Tangente entlang des (geradlinigen) Laufwegs der Antriebskette erstreckt, ergeben sich diese von selbst aus den Schnittpunkten der Mittellinie zwischen den benachbarten Zähnen mit einer in Übereinstimmung mit dem Kettenverlauf angelegten Geraden. Eine entlang des Laufwegs der Antriebskette angelegte Gerade stellt auch eine Tangente dar, da die Antriebskette beim Gangwechsel stets tangential vom kleineren Kettenrad, über welches sie sich auf dem Wälzkreis bewegt, abläuft.
24
Dass eine erfindungsgemäße Tangente darüber hinaus nur vorliegt, wenn sie - entsprechend den Ausführungen des vom Berufungsgericht hinzugezogenen Sachverständigen - im Punkt O1 dieselbe Steigung aufweist wie ein die Mitte O1 schneidender Teilkreis des Kettenrads, so dass die Tangente dort ihren Berührpunkt mit dem Teilkreis hat und senkrecht zur Winkelhalbierenden steht, lässt sich der technischen Lehre des Klagepatents nicht entnehmen. Wie der vorstehend ermittelte Sinngehalt der Merkmale zeigt, führen weder die Verwendung des Begriffs Tangente noch die Anweisung in Merkmal f1, die Tangente müsse sich von der Mitte O1 erstrecken, zu einem solchen Verständnis. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat sich das Berufungsgericht wie der gerichtliche Sachverständige allein von der mathematischen Definition einer Tangente leiten lassen und den technischen Zusammenhang aus dem Auge verloren, in dem der Begriff im Klagepatent verwendet wird. Auch der Einwand der Revisionserwiderung, der Berührpunkt der Tangente mit dem Wälzkreis verändere sich im Falle einer Änderung des Kettenabzugswinkels, wäre nur dann maßgeblich, wenn der Berührpunkt und seine Lage fest vorgegeben wären. Patentanspruch 1 und die zu seiner Auslegung heranzuziehende Patentbeschreibung befassen sich jedoch nicht mit dem Berührpunkt. Dies ist auch ohne weiteres einleuchtend, da sich dieser Punkt beim tangentialen Ablauf der Antriebskette vom Kettenrad von selbst einstellt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in Merkmal f1 angesprochenen Erstreckung der Tangente von der Mitte O1 nicht nur ausgesagt ist, dass die Tangente im oben genannten Sinne ihren für die Abstandsbestimmung zur Mitte O1 maßgeblichen Anfangspunkt hat, sondern gefordert wird, dass sie außerdem gerade dort ihren Berührpunkt an einem Teilkreis haben muss, sind der Patentschrift nicht zu entnehmen. Der vom Berufungsgericht in Bezug genommene Sachverständige sieht eine technische Funktion einer solchen Anordnung zwar darin, dass bei kleinen Zähnezahldifferenzen ein den Kettenradwechsel störender Kontakt zwischen der Antriebskette und dem entgegen der Antriebsrichtung übernächsten auf den Punkt O1 folgenden Zahn des kleineren Kettenrads vermieden werden kann. Diese Funktion weist die Klagepatentschrift der Tangente und der Lage ihres Berührpunktes jedoch nicht zu. Vielmehr würde das von dem gerichtlichen Sachverständigen für richtig gehaltene Verständnis eine völlig unübliche Durchmesserdifferenz zwischen aufeinanderfolgenden Kettenrädern bedingen, die weder in der Beschreibung noch in den Zeichnungen des Klagepatents irgendeine Stütze findet. In keiner Figur ist die Lage der erfindungsgemäßen Tangente eingezeichnet. Lediglich die Darstellung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 erlaubt es überhaupt, entsprechend den Vorgaben der Merkmalsgruppe f eine Tangente nachträglich anzulegen. Die vom Berufungsgericht geforderte Tangente ergibt sich hieraus jedoch nicht, da eine Tangente, die im Ausführungsbeispiel am Punkt O1 ihren Berührpunkt mit einem (fiktiven) Teilkreis hat, sich nicht - auch nur annähernd - entlang des Laufwegs der Antriebskette erstreckt.
25
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung rechtfertigt schließlich auch der in der Klagepatentschrift (Sp. 1 Z. 12-15 [Übersetzung S. 1 zweiter Abs.]) gegebene Hinweis auf das US-Patent 4 268 259 (Anlage K 6) kein anderes Auslegungsergebnis. Zur Patentbeschreibung, die nach Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche und zur Klärung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe heranzuziehen ist, gehören zwar auch die in der Beschreibung genannten Druckschriften des Standes der Technik, soweit auf sie zur Ergänzung der Patentbeschreibung Bezug genommen wird (vgl. Sen.Urt. v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365, 367 - Sammelförderer). Die US-Patentschrift gibt für ein im oben genannten Sinne eingeschränktes Verständnis des Begriffs Tangente jedoch nichts her. Die von der Revisionserwiderung angeführte Beschreibungsstelle der US-Patentschrift (Sp. 2 Z. 37-50) umschreibt die Tangente als Tangentenlinie X-X oder eine von der Mitte O2 - in der Klagepatentschrift mit O1 bezeichnet - auf einer Tangentialebene in Bezug auf das kleinere Zahnrad und entlang des Laufwegs der Kette gezeichnete Linie ("… tangent line X-X or a line drawn from the center O2 on the tangent plane with respect to the smaller diameter sprocket 2 and along the travel of the chain 4 …"). Da die Antriebskette beim Gangwechsel tangential vom kleineren Kettenrad abläuft, befindet sich eine sich entlang des Laufs der Antriebskette erstreckende Gerade stets in einer tangentialen Ebene in Bezug auf das kleinere Kettenrad. Die Mitte zwischen zwei benachbarten Zähnen des kleineren Kettenrads muss dazu nicht den Berührpunkt einer Tangente darstellen, die als solche auch unabhängig von der tangentialen Erstreckung der Antriebskette verlaufen kann. Die Tangentenlinie X-X bezieht sich lediglich auf die zeichnerische Darstellung der sich entlang des Kettenverlaufs erstreckenden Gerade in Figur 1 der US-Patentschrift und definiert keine weitere geometrische Anforderung. Die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung, Kettenverlauf und die Tangentenlinie X-X könnten voneinander abweichen, findet keinen Anhalt in der US-Patentschrift.
26
Nach allem durfte das Berufungsgericht das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Tangente im Sinne der Merkmale f bis f2 nicht allein deshalb verneinen , weil die Antriebskette das kleinere Kettenrad nicht auf einer Tangente verlässt , die an einem Teilkreis des Kettenrades im Punkt O1 anliegt, also dort senkrecht zur Winkelhalbierenden steht. Ob die angegriffenen Ausführungsfor- men in tatsächlicher Hinsicht so ausgestaltet sind, dass sie von den Merkmalen f bis f2 Gebrauch machen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug unter Beachtung des vorstehend ermittelten Sinngehalts des Patentanspruchs 1 festzustellen haben.
27
b) Während Merkmalsgruppe g die Lage der erfindungsgemäßen Kettenführungsfläche auf dem größeren Kettenrad vorgibt, befasst sich Merkmalsgruppe h mit Größe und Gestalt der Kettenführungsfläche. Sie werden in funktionaler Hinsicht durch Merkmal h2 bestimmt, wonach Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche bewirken, dass das Kettenglied in Richtung auf das größere Kettenrad schräggestellt werden kann. Diese Wirkungsangabe versteht sich vor der vom Klagepatent am Stand der Technik geübten Kritik, dass die dem kleineren Kettenrad zugewandte (innere) Oberfläche des größeren Kettenrads einer ausreichenden Schrägstellung der Antriebskette für den Gangwechsel entgegenwirken kann, weil die äußere Gliedplatte und gegebenenfalls die Endfläche eines Kettenzapfens an die innere Oberfläche des größeren Kettenrades stoßen mit der Folge, dass die Kette möglicherweise nicht hinreichend zum größeren Kettenrad hin abgelenkt werden kann, um ein zuverlässiges Eingreifen mit einem (ersten) Schaltzahn zu gewährleisten (vgl. Sp. 1 Z. 42 bis Sp. 2 Z. 42 [Übersetzung S. 2 zweiter Abs. bis S. 3 zweiter Abs.]). Die erfindungsgemäße Ausgestaltung der Kettenführungsfläche soll es demgegenüber ermöglichen, die Kette beim Versetzen vom kleineren zum größeren Kettenrad zuverlässig - d.h. insbesondere ohne das vorgenannte schädliche Anstoßen - um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads schrägstellen zu können (vgl. Sp. 3 Z. 42-48 [Übersetzung S. 5 dritter Abs.]).
28
Mit welcher räumlich-körperlichen Ausgestaltung diese Wirkung erzielt werden soll, gibt Merkmal h1 an. Gestalt und Größe der Kettenführungsfläche werden hierzu in Beziehung zur Gliedplatte gesetzt und dadurch charakterisiert, dass sie diese ganz aufnehmen. Mit der Aufnahme ist ein Raum vorhanden, der groß genug ausgeführt ist, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8, Sp. 11 Z. 1-12 [Übersetzung S. 8 letzter Abs., S. 16 erster Abs.]). Merkmal h1 lehrt insoweit, dass der Aufnahmeraum dann hinreichend groß dimensioniert ist, wenn die Gliedplatte nicht nur teilweise, sondern ganz aufgenommen wird. Vollständige Aufnahme bedeutet, dass die Begrenzung des Aufnahmeraums in ihrem radialen Umriss nicht kleiner gestaltet sein soll als der Längsumriss der Gliedplatte. Anderenfalls käme die Gliedplatte zwangsläufig nicht nur mit dem Aufnahmeraum, sondern auch mit der ihn begrenzenden, nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt. Ein solcher Kontakt kann zu der unerwünschten Ablenkung der Kette weg vom größeren Kettenrad führen und damit verhindern, dass die Kette in erfindungsgemäßer Weise zuverlässig um den vorbestimmten Betrag zum größeren Kettenrad schräggestellt wird. Der vom Klagepatent vorausgesetzte Raum zur Aufnahme einer ganzen Gliedpatte kann, wie dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift zu entnehmen ist, auch dann noch vorhanden sein, wenn die Gliedplatte über den Boden der Führungsfläche hinausragt. Entscheidend ist, dass es nicht zu dem vorerwähnten schädlichen Kontakt mit der unvertieften Kettenradoberfläche kommt und die Fläche ihre Führungsfunktion erfüllt, die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads zu bewegen.
29
Die nicht unmittelbar durch den Anspruchswortlaut geklärte Frage, ob sich das Kriterium der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte daneben auch auf die Tiefe der Kettenführungsfläche in der Weise bezieht, dass die axiale Tiefe des Aufnahmeraums zumindest der Dicke einer Gliedplatte entsprechen muss, so dass eine Gliedplatte axial betrachtet vollständig in den Aufnahmeraum ein- tauchen kann, ist zu verneinen. Die Tiefe des von der Kettenführungsfläche gebildeten Aufnahmeraums bestimmt, um welchen Betrag die Kette zum größeren Kettenrad schräggestellt werden kann. Dieser vorbestimmte Betrag gewährleistet , dass die Kette zuverlässig in Eingriff mit einem Zahn des größeren Kettenrads gebracht und der Gangwechsel vom kleineren zum größeren Kettenrad problemlos vollzogen werden kann. Entspricht ein Paar der äußeren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn (11), gelangt der Zahn zwischen diesen in Eingriff. Entspricht ein Paar der inneren Gliedplatten dem ersten Schaltzahn, kommt nicht der - weniger große - Zwischenraum zwischen diesem Paar mit dem ersten Schaltzahn, sondern erst der Zwischenraum der dem Paar nachfolgenden Paar äußerer Gliedplatten mit dem zweiten Schaltzahn (12) in Eingriff (vgl. Sp. 3 Z. 49 bis Sp. 4 Z. 2, Sp. 10 Z. 33-40 [Übersetzung S. 5 dritter Abs., S. 15 zweiter Abs.]). Dabei gilt es zu verhindern, dass die dem größeren Kettenrad zugewandte innere Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn aufreitet ("riding on the first tooth") (Sp. 5 Z. 43-50, Sp. 6 Z. 8-16 [Übersetzung S. 8 dritter Abs., S. 9 erster Abs.]). Die Kettenführungsfläche muss dementsprechend einerseits tief genug für den Eingriff des ersten Schaltzahns zwischen einem Paar der äußeren Gliedplatten sein, darf aber andererseits nicht so tief sein, dass es zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem Zahn kommt. Dieses Anforderungsprofil schließt solche Ausführungsformen ein, bei denen die Kettenführungsfläche eine geringere Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte aufweist. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn eine solche Tiefe Voraussetzung dafür wäre, überhaupt zu den vorgenannten Steuerungsverhältnissen zu gelangen. Derartiges ist der Patentbeschreibung jedoch nicht zu entnehmen und erscheint auch in technischer Hinsicht nicht plausibel, da die Dicke der Kettenglieder allenfalls einer von mehreren Faktoren - etwa neben der Materialdicke der Kettenräder und der Gestaltung der Schaltzähne - sein kann, die Einfluss darauf haben, welche Tiefe die Kettenführungsfläche im Einzelfall zum Erzielen der erwünschten Steuerungsverhältnisse aufweisen muss.
30
Kettenführungsflächen mit geringerer Tiefe als die Dicke einer Gliedplatte vom Schutzbereich des Klagepatents auszunehmen - wie es das Berufungsgericht unter Verweis auf den Sachverständigen unternommen hat -, lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, mit der in Merkmal h1 vorgesehenen Aufnahme einer ganzen Gliedplatte solle eine definierte (Radial-) Führung in der Kettenradebene durch Formschluss mit der Führungsebene ermöglicht werden. Weder das der Erfindung zugrunde liegende Problem noch die sonstige Patentbeschreibung rechtfertigen eine solche einschränkende Betrachtung. Dem Klagepatent geht es in erster Linie um die Beseitigung der Nachteile, die sich im Stand der Technik daraus ergeben, dass die Kette bei der für den Gangwechsel zum größeren Kettenrad erforderlichen Querbewegung senkrecht zur Kettenradebene - also axial und nicht radial - durch dessen innere Oberfläche störend abgelenkt wird. Lediglich im Rahmen der Beschreibung der Ausführungsalternative , die Kettenführungsfläche durch einen Ausschnitt ("cutout") zu bilden, wird dargelegt, die Bewegung der Kette könne geführt sein und ein abgestufter Bereich 4a ("stepped portion 4a") die Gliedplatte beim Versetzen aufnehmen (Sp. 6 Z. 19-23 [Übersetzung S. 9 zweiter Abs.]). Der Abstufung mag hierbei der technische Sinn zukommen, in radialer Hinsicht eine gewisse Abstützung der Gliedplatte herbeizuführen und so einem Herausrutschen der Gliedplatte aus der Kettenführungsfläche entgegenzuwirken. Zum einen handelt es sich bei der Abstufung und den mit ihr eröffneten radialen Führungsmöglichkeiten der Kette jedoch nicht um einen notwendigen Bestandteil des patentgemäßen Gegenstandes. Zum anderen hat sich die Tiefe der Abstufung an der oben beschriebenen - allein im Mittelpunkt der patentgemäßen Lehre stehenden - Führung der Kette senkrecht zur Kettenradebene zu orientieren, was bedeutet , dass als Folge der Abstufung keine Tiefe der Kettenführungsfläche erreicht werden darf, die zu einem Aufreiten einer inneren Gliedplatte auf dem ersten Schaltzahn führen kann. Dies kann je nach den gegebenen Verhältnissen erfordern, die Abstufung geringer ausfallen zu lassen als die Dicke einer Gliedplatte. Dafür, dass umgekehrt wegen der Abstufung und der mit ihr verbundenen Wirkungen die Möglichkeiten der axialen Führung der Kette auf Kettenführungsflächen mit einer bestimmten Mindesttiefe - etwa entsprechend der Dicke einer Gliedplatte - beschränkt sein sollen, fehlt es hingegen an jedem Anhaltspunkt.
31
Merkmal h1 ist schließlich auch nicht in der Weise zu verstehen, dass mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte eine radiale Abstützung entlang der ganzen Führungsfläche erreicht werden soll. Die Antriebskette wird beim Gangwechsel schräg zum größeren Kettenrad gestellt. Die Gliedplatten bewegen sich demgemäß nicht mehr parallel zum größeren Kettenrad, sondern in einem bestimmten Winkel (axial) auf das Kettenrad zu. Patentgemäß ist deshalb vorgesehen, die Tiefe der Kettenführungsfläche stufenweise zu verändern oder sie über ihre gesamte Länge hinweg schräg verlaufen zu lassen (Sp. 7 Z. 11-16 [Übersetzung S. 10 vierter Abs.]), was einschließt, die Schräge auf der Höhe der nicht vertieften inneren Kettenradoberfläche beginnen zu lassen. Danach unterfallen aber auch solche Ausführungsformen der technischen Lehre des Klagepatents, bei denen eine radiale Abstützung nur partiell stattfindet, sei es, weil die Gliedplatte aufgrund ihrer vorgegebenen Schräglage nur in ihrem vorderen Bereich hinreichend tief in die Kettenführungsfläche eintauchen kann, sei es, weil die sich gestuft oder durchgehend schräg vertiefende Führungsfläche nur bereichsweise eine Tiefe erreicht, die eine technisch nennenswerte radiale Abstützung erlaubt.
32
Zieht man diese Auslegung für die Verletzungsprüfung heran, bedarf es für die Verneinung einer identischen (wortsinngemäßen) Benutzung des Merkmals h1 tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob die radiale Begrenzung der Kettenführungsfläche derart gestaltet ist, dass der für die Aufnahme einer ganzen Gliedplatte erforderliche Raum nicht vorhanden ist. Tragfähige Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Seine Annahme, die Kettenführungsfläche sei kürzer als eine ganze Gliedplatte, beruht ersichtlich auf dem Fehlverständnis, die Gliedplatte müsse nicht nur über ihre gesamte Länge, sondern auch in ihrer Tiefe vollständig aufgenommen werden. Soweit es ausführt, die Kettenführungsfläche sei unterhalb des Zahnes (10) schmaler als eine ganze Gliedplatte, ergibt sich nicht, welche einer Verwirklichung des Merkmals h1 entgegenstehende Konsequenzen dies haben soll. Insbesondere erscheint nicht ausgeschlossen, dass als schmaler lediglich ein Bereich bezeichnet wird, in dem die Gliedplatte (partiell) über den Boden der Führungsfläche hinausragt, ohne dass die erfindungsgemäße Führungsfunktion aufgehoben wird. Unter Beachtung der obigen Auslegung des Klagepatents wird das Berufungsgericht deshalb die für die Beantwortung der Frage einer identischen Benutzung des Merkmals h1 erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu Gestaltung und Funktion der angegriffenen Ausführungsformen neu zu treffen haben.
33
3. Rechtsfehlerhaft sind auch die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine Verwirklichung des Merkmals h1 mit abgewandelten (äquivalenten ) Mitteln verneint hat.
34
a) Die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich erfordert zunächst, dass sie das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I).
35
Wie die Auslegung von Patentanspruch 1 ergeben hat, wird mit der Aufnahme einer ganzen Gliedplatte in der Führungsfläche erreicht, dass die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten (axialen) Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegt werden kann. Die Kette wird nicht durch ein Anstoßen an der nicht vertieften inneren Oberfläche des größeren Ketten- rads störend abgelenkt. Ist bei den angegriffenen Ausführungsformen die Begrenzung der Kettenführungsfläche kleiner gestaltet als der Gliedplattenumriss, kann dies zur Folge haben, dass die Gliedplatte mit der nicht vertieften Oberfläche des größeren Kettenrads in Kontakt kommt. Ein solcher Kontakt schlösse eine Gleichwirkung aus, wenn er die Gliedplatte daran hinderte, sich schräg in die Führungsfläche zu stellen und auf diese Weise die Kette um einen durch die Tiefe der Führungsfläche vorbestimmten Betrag in Richtung zum größeren Kettenrad zu führen. Dass derartige Verhältnisse bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht unter Verweis auf die Ausführungen des Sachverständigen meint, eine Behinderung der axialen Querbewegung der Kette werde bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht vollständig, sondern lediglich in einem verringerten Umfang vermieden, rechtfertigt dies die Verneinung einer Patentverletzung mit abgewandelten Mitteln schon deshalb nicht, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine patentrechtliche Gleichwirkung schon bei im Wesentlichen die patentgemäßen Wirkungen erzielenden Gestaltungen gegeben ist (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 - X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 914 - Spannschraube; Urt. v. 28.6.2000 - X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 - Bratgeschirr - m.w.N.). Solche Wirkungen erscheinen nicht von vornherein durch jede Art von Verkleinerung oder Verkürzung der Kettenführungsfläche ausgeschlossen. Welche konkreten Verhältnisse insoweit bei den angegriffenen Ausführungsformen vorliegen , bedarf allerdings ebenfalls tatrichterlicher Feststellungen, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können. Hierzu wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit haben.
36
b) Gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Ausführungsformen die erfindungsgemäßen Wirkungen erzielen, wird es weiter zu prüfen haben, ob seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigten, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden (BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I). War - was nach dem Vorstehenden naheliegt - auch dies der Fall, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Überlegungen , die der Fachmann hierzu anstellen musste, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zog (BGHZ 150, 149, 154 - Schneidmesser I). Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage (Sen.Urt. v. 22.11.2005 - X ZR 81/01, GRUR 2006, 313, 316 - Stapeltrockner). Bei ihrer Beantwortung ist der in der gelehrten vollständigen Aufnahme zum Ausdruck kommende Lösungsgedanke zu beachten, die Kettenführungsfläche groß genug zu gestalten, um die Kette zuverlässig um einen vorbestimmten Betrag in Richtung zur Oberfläche des größeren Kettenrads bewegen zu können (vgl. Sp. 6 Z. 2-8 [Übersetzung S. 8 letzter Abs.]). Abweichungen, die aufgrund ihrer Geringfügigkeit und räumlichen Lage (noch) nicht zu einem Kontakt der Gliedplatte mit der unvertieften Oberfläche des Kettenrads führen, der die Kette in technisch bedeutsamer Weise an der Bewegung um den vorbestimmten Betrag hindern kann, stehen mit diesem Gedanken grundsätzlich in Einklang. Aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ergibt sich nichts anderes. Die Anweisung, eine ganze Gliedplatte aufzunehmen, stellt eine verbale Umschreibung des geschützten Gegenstandes dar, die insgesamt auslegungsbedürftig ist und der von vornherein nicht das Maß an Eindeutigkeit und Exaktheit zukommt , welches der Fachmann mit technisch eindeutig definierten Zahlen- oder Maßangaben (z.B. Winkel-, Mengen- oder Gewichtsangaben) verbindet. Ohne Stütze in der Patentbeschreibung kann Merkmal h1 daher nicht der Sinngehalt beigemessen werden, einen Grenzwert anzugeben, den es im Zweifel exakt einzuhalten gilt und der Abweichungen generell nicht mehr als gleichwertig gegenüber dem geschützten Gegenstand erscheinen lässt.
37
IV. Gelangt das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Merkmale f bis f2 und h1 wortsinngemäß bzw. mit äquivalenten Mitteln verwirklicht sind, wird es die Prüfung nachzuholen haben, ob die angegriffenen Ausführungsformen auch das zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Merkmal f3 aufweisen.
38
Schließlich wird das Berufungsgericht gegebenenfalls der von ihm offengelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Einwand der Beklagten durchgreift , eine von den angegriffenen Ausführungsformen verwirklichte äquivalente Lösung stelle mit Rücksicht auf den Stand der Technik keine patentfähige Erfindung dar (vgl. BGHZ 98, 12 - Formstein).
Melullis Mühlens Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.07.2003 - 21 O 7147/01 -
OLG München, Entscheidung vom 12.05.2005 - 6 U 4259/03 -

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 13/06
vom
8. Juli 2008
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend die Einspruchssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Momentanpol II
Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen
gilt nichts anderes als für die Auslegung der in einem Patentanspruch
verwendeten Begriffe und dessen Lehre zum technischen Handeln.
BGH, Beschl. v. 8. Juli 2008 - X ZB 13/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens sowie den Richter Gröning

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Patentinhabers wird der Beschluss des 8. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 16. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber des am 18. Oktober 1988 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 14. März 1988 angemeldeten und am 28. Januar 2003 erteilten (Veröffentlichung der Erteilung: 12. Juni 2003) deutschen Patents 38 35 367 (Streitpatents). Es betrifft ein mit einem Schlepper verbindbares und mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattetes Mähwerk und umfasst 40 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "1. Mähwerk, das mit einem Schlepper verbindbar ist, mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks , welches Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Ausgleichsvorrichtung derart ausgebildet ist, dass die Schwenkachse (2) des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft, und dass die Ausgleichsvorrichtung Lenker (9, …) aufweist, wobei mindestens einer der Lenker (9, …) sich in geneigter Lage von vorne oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin erstreckt und in Betriebsstellung der Momentanpol bzw. die Schwenkachse derart ist, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse (2) ausweicht."
2
Gegen das Patent haben die Einsprechenden Einspruch eingelegt und sich dafür unter anderem auf den Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) berufen. Das Einspruchsverfahren ist vor dem Bundespatentgericht durchgeführt worden.
3
Der Patentinhaber hat das Streitpatent in erster Linie in seiner erteilten Fassung und hilfsweise mit einem durch Merkmale des Anspruchs 6 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ergänzten Patentanspruch 1 verteidigt.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen. Dagegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Patentinhabers , deren Zurückweisung die Einsprechenden beantragen.
5
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung uneingeschränkt statthaft (§ 147 Abs. 3 Satz 5 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 in Verbindung mit § 100 Abs. 1 PatG) und auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel, das die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision eröffnet (st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 172, 108 - Informationsübermittlungsverfahren I), führt zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht.
6
2. Der Streitpatentschrift zufolge sind im Stand der Technik an Schlepper angebaute oder angehängte Mähwerke bekannt, die beim Arbeitseinsatz je nach Geländeformation gegenüber dem Schlepper auf- und abbewegt werden. Als nachteilig erweise sich, wie in der Beschreibung weiter ausgeführt wird, dass die Mähwerke bei unebenen Böden zu Nickbewegungen gezwungen würden , die zu ungleichmäßiger Schnitthöhe führten, bzw., dass die Mähwerke sich im Betrieb schräg stellten und die Schneidwerkzeuge vorne in den Boden eindrängen , wodurch eine unbefriedigende Arbeitsqualität geliefert werde und Beschädigungen an der Grasnarbe und an der Maschine die Folge sein könnten. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, diese Nachteile zu vermeiden und das Schneidwerk unabhängig von den Bewegungen des Schleppers dem Bodenverlauf anzupassen, so dass auch plötzlich auftretende Hindernisse leicht überwunden werden können. Dazu stellt Patentanspruch 1 ein Mähwerk unter Schutz, 1. das mit einem Schlepper verbunden werden kann und 2. mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattet ist, die 2.1 Lenker aufweist, 2.2 so ausgebildet ist, dass die Schwenkachse des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft, 2.3 Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, und wobei 3. mindestens einer der Lenker sich in geneigter Lage von vorn oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin erstreckt und 4. in Betriebsstellung der Momentanpol bzw. die Schwenkachse derart ist, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht.
7
Nach dem Hilfsantrag soll sich der Schutz auf ein Mähwerk mit den Merkmalen 1 sowie 3 und 4 beziehen, bei dem die Ausgleichsvorrichtung (2) 2.1 Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, 2.2 als Gelenkviereck so ausgebildet ist, dass 2.1.1 dessen Basis von einem Teil des Anbaubocks (8), 2.1.2 die Schwinge von einem Teil des Mähwerkrahmens (70) und 2.1.3 deren Lenker (9, …) durch Koppelglieder gebildet werden, die 2.1.4 das Schneidwerk mit dem Anbaubock verbinden und 2.1.5 dass der Schnittpunkt der verlängert gedachten Koppelglieder auf der ideellen Schwenkachse des Schneidwerks liegt und den Momentanpol bildet und 2.1.6 die Schwenkachse (2) des Schneidwerks (1, 23) durch einen unterhalb der Ebene der Schneidmesser (23) angeordneten Momentanpol verläuft.
8
Die in Anmeldungsunterlagen und Patentschrift identische Figur 2 zeigt ein Ausführungsbeispiel:
9
3. Das Bundespatentgericht hat eine unzulässige Erweiterung angenommen und zur Begründung ausgeführt: Dem schriftlichen Teil der Anmeldungsunterlagen könne zwar entnommen werden, wo die ideelle Schwenkachse der Höhe nach verlaufe, daraus ergebe sich aber noch nicht die genaue Lage oder Lagemöglichkeit dieser Achse, so dass die Zeichnung zur Auslegung heranzuziehen sei. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Ausgestaltungen bezüglich Richtungsführung, Anstellung und Anlenkung der Lenker zeigten sämtliche Ausführungsbeispiele, die eine Quer-Ausgleichsvorrichtung zum Gegenstand hätten (Fig. 1, 2 sowie 14-17), immer wieder einen auf der Schwenkachse (2) liegenden Schnittpunkt in der Mitte unterhalb des Mähkreisels. Für einen Fachmann , einen Fachhochschulingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Aufhängungen für landwirtschaftliche Geräte, sei dies daher ersichtlich diejenige Position für eine virtuelle Schwenkachse, die zunächst zweifelsfrei als zur Erfindung gehörend offenbart sei. Darüber hinaus könne die textliche Offenbarung einer Schwenkachse "unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks" bzw. "in der Nähe der Aufstandsfläche des Mähwerks" noch einen gewissen Spielraum für die Positionierung dieser Achse schaffen bis hin zu einer Verschiebung etwas nach vorne oder hinten im Rahmen der Grenzen der Aufstandsfläche des Mähwerks (31). Eine unbegrenzte Verschiebbarkeit der Schwenkachse über diese geometrische Fläche hinaus, wie dies nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bzw. nach dem Hilfsantrag möglich sei, könne aufgrund der Offenbarungslage in den ursprünglichen Unterlagen nicht als für einen maßgeblichen Durchschnittsfachmann erfindungswesentlich offenbarte Lehre erachtet werden. Vielmehr müsste ein Hauptanspruch zumindest dahin beschränkt werden, dass die Schwenkachse unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks angeordnet sei.
10
4. Der Gegenstand des Streitpatents geht entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus.
11
a) Das Bundespatentgericht hat aus der Verwendung der Begriffe "unterhalb der Arbeitsebene" (Merkmal 3.3 des Hauptanspruchs) bzw. "unterhalb der Ebene der Schneidmesser" (Merkmal 3.4 des Hilfsantrags) für die vom Gegenstand des Hauptanspruchs abgedeckten Positionen der Quer-Schwenkachse hergeleitet, dass diese durch beliebige Punkte unterhalb oder außerhalb des Mähwerks verlaufen könne, und zwar vorn, soweit die Lenkerneigung von vorn oben nach hinten unten dies noch erlaube bis weit über das hintere Ende des Mähwerks hinaus. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird vom Patentinhaber auch nicht beanstandet.
12
b) Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung der Patentansprüche abweichend von den ursprünglichen Unterlagen formuliert werden. Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG füllen entsprechende Änderungen erst aus, wenn der Gegenstand der Anmeldung erweitert oder ein Aliud an die Stelle der angemeldeten Erfindung gesetzt wird; der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, der nicht von vornherein als zur Erfindung gehörend von den Anmeldungsunterlagen umfasst war. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch Vergleich des Gegenstands des erteilten Patents mit den ursprünglichen Unterlagen zu ermitteln. Darin offenbart ist alles, was sich dem fachkundigen Leser ohne Weiteres aus der Gesamtheit der Unterlagen erschließt ; Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche formulierte technische Lehre, deren Gehalt durch Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung zu ermitteln ist (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 23.10.2007 - X ZR 104/06, m.w.N. in Tz. 14).
13
c) aa) Die vom Patentgericht im Einspruchsverfahren vorgenommene Auslegung der Anmeldungsunterlagen unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Zwar teilen die Anmeldungsunterlagen nicht den Rechtsnormcharakter (vgl. BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel; 172, 120 - Kettenradanordnung) des erteilten Schutzrechts. In ihnen offenbart sich jedoch die technische Lehre, die zur Schutzrechtserteilung angemeldet wird und unter Schutz gestellt werden soll. Welchen Inhalt sie hat, kann sachgerecht nur unter Anwendung der für die Auslegung des erteilten Patents geltenden objektiven Maßstäbe (vgl. Melullis, FS für Ullmann, S. 503, 505) erfolgen.
14
bb) Grundlage der Auslegung eines Patents bildet zwar das fachmännische Verständnis von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs. In tatsächlicher Hinsicht ist dies jedoch nur insoweit von Bedeutung, als es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können. Das Verständnis des Patentanspruchs selbst durch den Durchschnittsfachmann ist dagegen unmittelbarer tatsächlicher Feststellung regelmäßig entzogen (BGHZ 164, 261 - Seitenspiegel ). Für die Feststellung des Offenbarungsgehalts der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen gilt nichts anderes.
15
d) Die an diesen Maßstäben orientierte Auslegung ergibt nicht die vom Bundespatentgericht angenommene horizontale Beschränkung für die Positionen der Schwenkachse auf den Raum unterhalb der Aufstandsflächen der Mähwerke in Gestalt von Mähtrommeln oder - kreiseln.
16
aa) Der Entscheidung des Bundespatentgerichts liegt zur Geometrie die Annahme zugrunde, wonach sich die Stellung des Momentanpols, durch den die ideelle Schwenkachse verläuft, jedenfalls bei der allein noch unter Schutz gestellten, lenkergeführten Ausgleichsvorrichtung horizontal verändert, wenn die Vorderseite des Schneidwerks auf ein Hindernis trifft und nach oben und hinten ausweicht (Merkmal 5). In den Anmeldungsunterlagen kommt dies in der Beschreibung zu Figur 14 zum Ausdruck. Danach stellt der durch den Schnittpunkt der beiden Verlängerungen der Koppelglieder (Merkmal 2.1.3 des Hilfsantrags ) gebildete Momentanpol die "augenblickliche" Querschwenkachse dar (Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 42 ff.).
17
bb) Für den Verlauf der genauen Lage oder Lagemöglichkeit dieser Schwenkachse hat das Bundespatentgericht den Zeichnungen einen Stellen- wert beigemessen, der ihnen - unabhängig von der Frage der Bedeutung von Ausführungsbeispielen für die Patentauslegung (vgl. dazu Sen.Urt. v. 12.12.2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 - Schussfädentransport; v. 12.2.2008 - X ZR 153/05 - Mehrgangnabe) - nach der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen nicht zukommt. Dass die Schwenkachse bei den Figuren, die lenkergeführte Ausführungen zeigen, mittig unterhalb der Mähkreisel verläuft, beruht ersichtlich darauf, dass Ausgleichsvorrichtungen bei waagerechter Stellung dieser Mähwerke gezeigt werden und die Aufhängungspunkte der Ausgleichsvorrichtungen - mit Ausnahme der Figur 15 - gleichschenklige Trapeze bilden, so dass der Momentanpol i. S. des Streitpatents geometrisch zwangsläufig zentral im Schnittpunkt der verlängerten Schenkel der Trapeze liegt. Für Figur 15 gilt insoweit allein die Besonderheit, dass die Ausgleichsvorrichtung besonders konstruiert ist, ohne dass sich das auf die Position der Schwenkachse in waagerechter Ruhestellung auswirkte. Dem Bundespatentgericht kann zwar darin zugestimmt werden, dass die in den Figuren offenbarte mittige Position dem Spektrum der zur Erfindung gehörenden Positionen der Schwenkachse zuzurechnen ist. Aus fachmännischer Sicht ist die Position des Momentanpols und der Schwenkachse in waagerechter Stellung der Schneidwerke jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Nach dem Gegenstand der Anmeldung kommt es vielmehr darauf an, welchen Wanderungsbewegungen der Momentanpol , durch den die Schwenkachse läuft, unterliegt, wenn die Mähkreisel die waagerechte Position - etwa bei Auftreffen auf ein Hindernis (Merkmal 4) - verlassen. Das zeigen die Figuren nicht. Sie geben dem Fachmann vielmehr lediglich einen Überblick über die unterschiedlichen Aufhängungsmöglichkeiten für die Schneidwerke.
18
cc) Dem Bundespatentgericht kann nicht darin beigepflichtet werden, dass die häufige textliche Erwähnung einer Schwenkachse "in der Nähe" bzw.
"unterhalb der Aufstandsfläche des Mähwerks" (lediglich) noch einen gewissen Spielraum für die Positionierung dieser Achse schafft.
19
Aus Sicht des Fachmanns besteht in Anbetracht des Inhalts der Anmeldungsunterlagen technisch-physikalisch keine Veranlassung, in der Formulierung des Anspruchs 3 Anhaltspunkte für eine Beschränkung der angemeldeten Lehre hinsichtlich des horizontalen Verlaufs der Schwenkachse auf den Raum unterhalb der Mähkreisel zu sehen.
20
Nach Anspruch 1 der Anmeldeunterlagen verläuft die Schwenkachse quer zur Fahrtrichtung unterhalb einer die Schwenkbewegung zulassenden Quer-Ausgleichsvorrichtung. Diese Angabe beschreibt allein und ganz allgemein , wo die Schwenkachse vertikal verläuft, nämlich "unterhalb einer … QuerAusgleichsvorrichtung". Anhaltspunkte dafür, diesen Angaben in Anspruch 1 den Sinngehalt einer horizontalen Beschränkung beizulegen, sind nicht ersichtlich und auch das Bundespatentgericht hat solche nicht gesehen.
21
Das fachmännische Bestreben geht dahin, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (Sen.Urt. v. 23.10.2007 - X ZR 275/02 Tz. 19). Insoweit besteht keine Veranlassung, den horizontalen Verlauf der Schwenkachse in dem in den Anmeldungsunterlagen formulierten Anspruch 3 auf die Fläche unterhalb der Mähtrommeln zu begrenzen. Die Anmeldungsunterlagen enthalten in ihrer Gesamtheit keine Anhaltspunkte dafür, dass die offenbarte Lehre insbesondere hinsichtlich des Merkmals 4 auf diesen Ausschnitt begrenzt sein soll. Mangels solcher beschränkenden Anhaltspunkte ist aus fachmännischer Sicht deshalb davon auszugehen, dass der horizontale Verlauf der Schwenkachse nach der Lehre des Patents nur den Schranken unterliegen soll, die erfindungsgemäßen Ausführungen aus technisch-physikalischen Gründen gesetzt sind. Das ist die Abfolge aller Momentanpole, die sich im Verlauf von Ausweichbe- wegungen i. S. von Merkmal 4 als Schnittpunkte der ideell verlängerten beiden Koppelglieder bis zur technisch maximal möglichen Lenkerneigung bilden. Die Lenkerneigung ist dadurch begrenzt, dass zumindest einer der Lenker schräg von oben nach unten verläuft und verlaufen muss, weil sich sonst kein Momentanpol unterhalb der Quer-Ausgleichsvorrichtung bilden kann.
22
dd) Die Anmeldungsunterlagen so zu verstehen, dass sich der Begriff "unterhalb" in Anspruch 3 lediglich auf die vertikale Position der Schwenkachse und nicht auch auf die horizontale, bezieht, ist keine Auslegung unterhalb des Wortlauts im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts. Die Auslegung ergibt, dass die Präposition "unterhalb" in der Lexikografie dieser Unterlagen (vgl. dazu BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I) ausschließlich vertikal zu verstehen ist. Das entspricht im Übrigen auch nach allgemeinem Sprachgebrauch einem möglichen Sinngehalt dieser Präposition; diese kann allein eine lediglich vertikale Position beschreiben und muss nicht zusätzlich eine horizontale Ausdehnung einschließen.
23
ee) Diese Auslegung der Anmeldungsunterlagen steht nicht in Widerspruch zu Feststellungen des Beschwerdegerichts, an die die Rechtsbeschwerdeerwiderung das Rechtsbeschwerdegericht gebunden sehen möchte. Das Bundespatentgericht hat im Zusammenhang mit seiner Auslegung keine Feststellungen zu Gesichtspunkten wie den objektiven technischen Gegebenheiten, dem Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, ihren Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen und ihrer methodischen Herangehensweise getroffen. Nur daran wäre der Senat, wie ausgeführt (oben II.3.c)bb), gebunden.
24
III. Die Sache ist danach zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 108 PatG).
25
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.05.2006 - 8 W (pat) 302/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 84/09
vom
8. Oktober 2009
in dem selbständigen Beweisverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In einem selbständigen Beweisverfahren kann dem Sachverständigen auch die Frage
vorgelegt werden, ob Schäden und Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer
bzw. Bewohner - aus sachverständiger Sicht - erkennbar waren.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2009 - V ZB 84/09 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller werden der Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. April 2009 aufgehoben und die Beschlüsse der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 und vom 17. Februar 2009 abgeändert.
Unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im Übrigen wird die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des in dem Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2008 bestimmten Sachverständigen auch über folgende Fragen angeordnet: "3. Hätte der Eigentümer und/oder Bewohner des in der Antragsfrage zu Ziff. 1 näher bezeichneten Hauses die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden dieses Hauses aus sachverständiger Sicht bemerken können oder bemerken müssen, insbesondere vor dem 24. Mai 2006? Falls ja, auf Grund welcher Umstände hätte der Eigentümer/Bewohner die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit aus sachverständiger Sicht bemerken können bzw. müssen ? 10. Waren die Schäden an der Dachisolierung des in Ziff. 1 genannten Gebäudes und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer oder Bewohner dieses Hauses bereits vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar bzw. musste er diese erkennen? 13. Waren die Schornsteindurchfeuchtung und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer/Bewohner des in Ziff. 1 genannten Gebäudes vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar oder musste er diese erkennen? 14. ...War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems [scil. Kanalanschluss] bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden? War diese Verstopfung bzw. Versetzung für den Eigentümer bzw. Bewohner der in Ziff. 1 bezeichneten Immobilie vor dem 24. Mai 2006 aus sachverständiger Sicht erkennbar?" Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Antragsteller kauften von der Antragsgegnerin mit notariellem Vertrag vom 24. Mai 2006 ein Hausgrundstück. Sie machen Feuchtigkeits- und andere Schäden geltend, die ihrer Ansicht nach bereits bei Abschluss des Vertrags vorhanden waren. Diese möchten sie durch ein Sachverständigengutachten feststellen lassen. Das Landgericht hat die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens zu elf der insgesamt 15 in dem Antrag formulierten Fragen und dem ersten Teil der Frage 14 angeordnet. Die Einholung des Sachverständigengutachtens auch zu den Fragen 3, 10, 13 und dem zweiten Teil der Frage 14 hat es abgelehnt. Diese Fragen lauten: "3. Hätte der Eigentümer und/oder Bewohner des in der Antragsfrage zu Ziff. 1 näher bezeichneten Hauses die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden dieses Hauses bemerken können oder bemerken müssen, insbesondere vor dem 24. Mai 2006? Falls ja, auf Grund welcher Umstände hätte der Eigentümer /Bewohner die Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit bemerken können bzw. müssen? 10. Waren die Schäden an der Dachisolierung des in Ziff. 1 genannten Gebäudes und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer oder Bewohner dieses Hauses bereits vor dem 24. Mai 2006 erkennbar bzw. musste er diese erkennen? 13. Waren die Schornsteindurchfeuchtung und/oder deren Auswirkungen auf die übrige Bausubstanz für den Eigentümer/Bewohner des in Ziff. 1 genannten Gebäudes vor dem 24. Mai 2006 erkennbar oder musste er diese erkennen? 14. ...War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems [scil. Kanalanschluss] bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden? War diese Verstopfung bzw. Versetzung für den Eigentümer bzw. Bewohner der in Ziff. 1 bezeichneten Immobilie vor dem 24. Mai 2006 erkennbar ?"
2
Der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit folgender Ergänzung teilweise abgeholfen: "Der Sachverständige soll jeweils feststellen, wie sich die zu begutachtenden Schäden und Mängel (Durchfeuchtung bzw. Feuchtigkeit in den Wänden und/oder Außenwänden, Verstopfung der Drainage, Schäden an der Dachisolierung, Schornsteindurchfeuchtung, Verstopfung bzw. Versetzung des Rohrsystems) bemerkbar machen."
3
Das Oberlandesgericht hat ihr durch die nachfolgende Ergänzung des Anordnungsbeschlusses und des Abhilfebeschlusses teilweise weiter abgeholfen : "Ziff. 14 des Beschlusses vom 15. Dezember 2008 [d. i. Anordnungsbeschluss ] wird um folgenden Satz ergänzt: War die Verstopfung bzw. Versetzung dieses Rohrsystems bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden ? Ziff. 1 des Beschlusses vom 17. 2. 2009 [d. i. die oben referierten Ergänzung ] wird nach "bemerkbar machen" wie folgt ergänzt: "... und waren diese Umstände bereits vor dem 24. Mai 2006 vorhanden?"
4
Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsteller, die die Einholung des Sachverständigengutachtens auch zu den zurückgewiesenen Teilen ihrer Fragen erreichen wollen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, hinsichtlich des zurückgewiesenen Teils der Beweisfragen lägen die Voraussetzungen für die Anordnung eines Beweisverfahrens nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass zu besorgen sei, dass das Beweismittel verloren gehe oder seine Benutzung erschwert werde. Die Frage nach der Erkennbarkeit der behaupteten Schäden und Mängel für bestimmte Personen stelle keine zulässige Beweisfrage dar. Sie beziehe sich weniger auf den Zustand der jeweiligen Sache als vielmehr auf die Fähigkeit der im Beweisantrag bezeichneten Personen, einen bestimmten Zustand wahrzunehmen. Dazu könne das Gutachten eines Bausachverständigen keine Aussagen machen. Außerdem unterliege diese Frage in erster Linie der Beurteilung des Gerichts.

III.

6
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
1. Das Beschwerdegericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass der Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens hinsichtlich der zurückgewiesenen Teile der Beweisfragen nicht nach § 485 Abs. 1 ZPO zuläs- sig ist. Insoweit ist nicht zu besorgen, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird.
8
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens aber nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Die Antragsteller haben nämlich ein rechtliches Interesse daran, dass der Zustand des verkauften Hauses auch in dieser Hinsicht festgestellt wird. Diese Feststellung ist für die Prüfung etwaiger Ansprüche von wesentlicher Bedeutung. Außerdem kann sie der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen.
9
a) Die zurückgewiesenen Teile der Fragen sind tauglicher Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens.
10
aa) Sie schieden als solche allerdings aus, wenn sie im Kern auf die Beantwortung von Rechtsfragen zielten oder hinausliefen. Das selbständige Beweisverfahren hat in der hier maßgeblichen Fallgestaltung die Feststellung des tatsächlichen Zustands einer Sache zum Gegenstand. Als vorweggenommene Beweisaufnahme (vgl. MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 402 Rdn. 10) dient sie wie jede Beweisaufnahme der Aufklärung von Tatsachen, nicht der Beantwortung von Rechtsfragen (dazu: Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 401 Rdn. 1). Richtig ist auch, dass die Frage nach der Erkennbarkeit von Sachverhalten vor allem für die Beantwortung der Rechtsfragen von Bedeutung ist, ob die im Verkehr gebotene Sorgfalt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) angewandt worden ist oder ob Arglist (vgl. § 444 BGB) vorliegt. Die Beantwortung dieser Rechtsfragen ist Aufgabe des Gerichts, nicht des Sachverständigen.
11
bb) Deren Beantwortung wird indessen entscheidend durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt. Diese sind einem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglich. Der Sachverständige kann in diesem Rahmen auch dazu befragt werden, ob es besonderer Fähigkeiten oder tatsächlicher Möglich- keiten bedarf, um einen bestimmten Schaden oder Mangel zu erkennen. Denn auch das gehört zu den tatsächlichen Grundlagen der von dem (Prozess-) Gericht zu beantwortenden Rechtsfragen. Das Gericht wird bei seiner freien Würdigung des Beweisergebnisses indessen nicht nur die Einschätzung des Sachverständigen zu berücksichtigen haben. Es muss in seine Würdigung auch einbeziehen , ob die tatsächlichen Grundlagen, von denen der Sachverständige ausgegangen ist, bestritten sind und was die Beweisaufnahme hierzu erbracht hat. Die Verteilung der Aufgaben zwischen dem Sachverständigen einerseits und dem Gericht anderseits ist in der Formulierung der Beweisfragen klarzustellen.
12
b) Die Frage nach der Erkennbarkeit von Bauschäden und Mängel von Gebäuden gehört, anders als das Beschwerdegericht meint, auch zu dem fachlichen Aufgabenbereich eines Bausachverständigen. Sie zielt nämlich erkennbar nicht darauf ab, die intellektuellen oder Wahrnehmungsfähigkeiten bestimmter Personen aufzuklären. Es geht vielmehr darum festzustellen, ob sich die zu prüfenden Schäden und Mängel dem Bewohner des Hauses mit den ihm typischerweise zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten von selbst erschließen oder ob es dazu besonderer Fähigkeiten oder Anstrengungen bedarf. Gegenstand der Begutachtung ist dabei nicht, wie das Beschwerdegericht offenbar meint, der Beobachter, sondern der Zustand des Gebäudes und die Aussagekraft der festzustellenden Schäden und Mängel. Deshalb hat das Landgericht in seiner Abhilfeentscheidung zu Recht auch die Frage danach zugelassen, wie sich die zu untersuchenden Schäden und Mängel bemerkbar machen. Nichts anderes gilt für die letztlich nur noch offene Frage danach, ob die Einordnung solcher Anzeichen besonderer Fachkunde oder tatsächlicher Erkenntnismöglichkeiten bedarf.

IV.

13
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des anschließenden Rechtsstreits (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2002, VIII ZB 97/02, NJW 2003, 1322, 1323; Senat, Beschl. v. 21. Oktober 2004, V ZB 28/04, NJW 2005, 294), bei deren Verteilung gegebenenfalls in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO berücksichtigt werden könnte, dass die Verteidigung der Antragsgegnerin gegen die Rechtsmittel im Beweisverfahren erfolglos war. Ansonsten kommt eine Erstattung der Kosten nur aus materiellrechtlichen Gesichtspunkten oder unter den Voraussetzungen des § 494a ZPO in Betracht.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 15.12.2008 - 2 OH 22/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.04.2009 - 15 W 17/09 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins sowie die Hinzuziehung von Sachverständigen anordnen. Es kann zu diesem Zweck einer Partei oder einem Dritten die Vorlegung eines in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Gegenstandes aufgeben und hierfür eine Frist setzen. Es kann auch die Duldung der Maßnahme nach Satz 1 aufgeben, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist.

(2) Dritte sind zur Vorlegung oder Duldung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.

(3) Die Vorschriften, die eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstand haben, sind entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.