vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 51/03, 28.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 27/06 Verkündet am:
22. Dezember 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hubgliedertor I
Eine unzulässige Erweiterung liegt vor, wenn der Gegenstand des Patents sich
für den Fachmann erst aufgrund eigener, von seinem Fachwissen getragener
Überlegungen ergab, nachdem er die ursprünglichen Unterlagen zur Kenntnis
genommen hatte.
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 27/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen
und die Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die von der Nebenintervenientin unterstützte Berufung der Beklagten gegen das am 28. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen, mit Ausnahme der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten, welche die Nebenintervenientin zu tragen hat.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war bis zum 7. November 2006 eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 39 04 918 (Streitpatents), das ein "Hubgliedertor" betrifft. Seitdem ist die H. KG B. , die dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten ist, als neue Inhaberin des Streitpatents eingetragen.

2
Das Streitpatent nimmt die österreichische Prioritätsanmeldung 391/88 vom 18. Februar 1988 in Anspruch. Aus ihm ist durch Teilung unter anderem das deutsche Patent 39 43 782 hervorgegangen, welches Gegenstand eines parallel vor dem Senat unter dem Aktenzeichen X ZR 28/06 geführten Nichtigkeitsberufungsverfahrens ist. Das Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung 8 Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente, die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind, wobei das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen in seitlichen Führungsbahnen gleitet, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen, an dem oberen (unteren) Rand (5) jedes Torelements (1) ein zahnartiger Vorsprung (7) vorgesehen ist und an dem unteren (oberen) Rand (6) zumindest eine dem Vorsprung des benachbarten Elements (1') angepasste Vertiefung (13) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet , dass der zahnartige Vorsprung (7) eine von der Vorderfläche (8) des Elements (1) ausgehende, bis zur Zahnspitze (9) ansteigende (abfallende) Vorderflanke (10) und eine von der Zahnspitze bis zu Hinterfläche (11) des Elements (19) abfallende (ansteigende ) Hinterflanke (12) aufweist, wobei beim Verschwenken der Elemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt."
3
Die Klägerin hat das Streitpatent mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen und darin geltend gemacht, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den Inhalt der beim Patentamt ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Sie hat zudem vorgebracht, dass das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn u.a. die deutsche Offenlegungsschrift 37 26 699 A1 (Anlage
6) - als nach § 3 Abs. 2 PatG zu berücksichtigender Stand der Technik - sowie die US-Patentschriften 2 372 792 (Anlage 7) und 3 891 021 (Anlage 16) bildeten, nicht patentfähig sei, und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhalten hat:
5
a) In Patentanspruch 1 werden hinter die Worte "dadurch gekennzeichnet , dass der" die Worte "bezüglich der Tormittenebene im wesentlichen symmetrische" eingefügt.
6
b) An diesen Patentanspruch 1 schließen sich mit unmittelbarem oder mittelbarem Rückbezug die Patentansprüche 2 bis 7 an.
7
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
8
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.
9
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. F. , Fachhochschule R. , Leiter des Studiengangs Produktionstechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


10
Die zulässige, von der Nebenintervenientin unterstützte Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent zu Recht teilweise für nichtig erklärt.
11
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Hubgliedertor. Bei diesen werden die Torelemente im Umlenkbereich vom horizontalen zum vertikalen Verlauf gegenseitig verschwenkt, so dass sich deren obere bzw. untere Ränder zunächst voneinander entfernen und dann wieder zusammenkommen. Hierbei besteht die Gefahr, dass Finger eines Benutzers eingeklemmt werden und es zu Verletzungen kommt.
12
Nach den Angaben des Streitpatents waren zwar, etwa aus der österreichischen Patentschrift 382 423, Möglichkeiten bekannt, derartige Verletzungen zu vermeiden. Diese waren jedoch verhältnismäßig kostspielig in der Herstellung oder aus optischen Gründen unerwünscht. Der deutschen Offenlegungsschrift 21 06 063 und der österreichischen Patentschrift 369 129 konnte zwar entnommen werden, die einander zugewandten Ränder von Torelementen abzustufen , um im Bereich der Schließstelle eine bessere Wärmedämmung zu erreichen. Dabei war jedoch kein Fingerschutz vorgesehen.
13
Aus der US-Patentschrift 3 941 180 war es nach den weiteren Erläuterungen des Streitpatents bekannt, bei einem Hubgliedertor die Vorderflanke eines zahnartigen Vorsprungs konvex gekrümmt bis zur Zahnspitze ansteigend auszubilden. Der Fuß des zahnartigen Vorsprungs endete allerdings auf einer horizontalen Schwelle, auf der sich bei fluchtenden Torelementen ein am Ende der gegenüberliegenden Vertiefung des benachbarten Torelements ausgebildeter Fuß abstützte. Hierbei war es möglich, dass bei sich schließendem Tor ein Finger des Benutzers zwischen die Schwelle und den Fuß geriet.
14
Weitere Ausführungen von Hubgliedertoren, bei denen die Gefahr bestand , dass Finger eingeklemmt werden, waren aus den US-Patentschriften 2 871 932 und 3 967 671 bekannt.
15
2. Durch das Streitpatent soll ein Hubgliedertor geschaffen werden, bei dem eine gute Abdichtung zwischen den Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente vermieden werden.
16
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung ein Hubgliedertor, dessen Merkmale wie folgt unterteilt werden können: (1) Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente (1), die mittels Gelenken (2), Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen (a) miteinander verbunden sind; (2) das Tor gleitet mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen (3), in seitlichen Führungsbahnen (4), die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen; (3) an dem oberen (unteren) Rand (5) jedes Torelementes (1) ist ein zahnartiger Vorsprung (7) vorgesehen; (4) an dem unteren (oberen) Rand (6) jedes Torelementes (1) ist zumindest eine dem Vorsprung des benachbarten Torelementes (1) angepasste Vertiefung (13) vorgesehen; (5) der zahnartige Vorsprung (7) weist eine von der Vorderfläche (8) des Torelementes (1) ausgehende, bis zur Zahnspitze (9) ansteigende (abfallende) Vorderflanke (10) auf; (6) der zahnartige Vorsprung (7) weist eine von der Zahnspitze (9) bis zur Hinterfläche (11) des Torelementes (1) abfallende (ansteigende) Hinterflanke (12) auf; (7) beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) tritt bloß ein Öffnungsabstand (d) auf, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt.
17
4. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt in schematischer Seitenansicht ein Hubgliedertor, das eine Mehrzahl von tafelförmigen Torelementen (1) aufweist, die mittels Gelenken (2) um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind. Das Tor gleitet dabei mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen (3), in seitlichen Führungsbahnen (4), die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung in eine horizontale Offenstellung führen (Merkmale 1 und 2).


18
In den anschließend eingerückten Figuren 2 bis 5 der Zeichnungen des Streitpatents sind beispielhaft Torelemente (1) in unterschiedlichen Ausgestaltungen abgebildet, bei denen an dem oberen Rand (5) ein zahnartiger Vorsprung (7) und an dem unteren Rand (6) eine dem Vorsprung des benachbarten Torelementes (1) (nicht gezeigt in Figur 4) angepasste Vertiefung (13) vorgesehen sind (Merkmale 3 und 4).


19
Wie durch die Figuren 2 bis 6 veranschaulicht, weist der zahnartige Vorsprung (7) eine von der Vorderfläche (8) des Torelementes (1) ausgehende, bis zur Zahnspitze (9) ansteigende Vorderflanke (10), und eine von der Zahnspitze (9) bis zur Hinterfläche (11) des Torelementes (1) abfallende Hinterflanke (12) auf (Merkmale 5 und 6). Aus Sicht des Fachmanns, bei dem es sich um einen Ingenieur des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Hubgliedertoren handelt, grenzt sich die Lehre des Streitpatents mit den Vorgaben des Merkmals 5 von der im Stand der Technik aus der US-Patentschrift 3 941 180 bekannten Ausgestaltung ab, bei der die Gefahr von Fingerquetschungen bestand, weil der Fuß des zahnartigen Vorsprungs auf einer horizontalen Schwelle endete, auf die sich bei Schließen des Tores und nach Erreichen des Umlenkpunktes ein am Ende der gegenüberliegenden Vertiefung des benachbarten Torelements ausgebildeter Fuß zubewegte, um sich dort in der Geschlossen-Stellung abzustützen (vgl. Streitpatentschrift, Abs. 5). Dieser Gefahr wird nach Merkmal 5 dadurch begegnet, dass die die ansteigende Vorderflanke - ohne Zwischenschaltung einer horizontalen Fläche, auf welcher ein Finger mit Einklemmgefahr abgelegt werden könnte - unmittelbar von der Vorderfläche des Torelementes ausgeht. In den Vorteilsangaben der Beschreibung heißt es hierzu erläuternd , dass die von der Vorderfläche des Torelementes ansteigende Vorderflanke zur Folge hat, dass im Öffnungsbereich eingreifende Finger leicht abrutschen und nicht im gefährlichen Bereich "hängenbleiben" (Streitpatentschrift, Abs. 9, 13 a.E.).
20
So wie sich dem Fachmann im Hinblick auf die Vorderflanke des zahnartigen Vorsprungs erschließt, dass diese unmittelbar von der Vorderfläche des Torelementes ausgeht, ergibt sich für ihn im Hinblick auf die Hinterfläche, dass diese erfindungsgemäß von der Zahnspitze unmittelbar bis zur Hinterfläche des Torelementes abfallen soll. Zwar erkennt der Fachmann, dass die Gefahr eines "Hängenbleibens" von Fingern auf der Hinterseite des Tores nicht besteht, weil die die Torelemente miteinander verbindenden Gelenke, Scharniere oder dergleichen an der Hinterfläche angeordnet sind und deshalb bei Umlenkung des Tores auf dieser Seite kein Öffnungsbereich entstehen kann. Dessen ungeachtet enthält Merkmal 6 jedoch keinen Anhalt dafür, dass sich - im Unterschied zu den Vorgaben des Merkmals 5, die einen unmittelbaren Übergang von der Vorderfläche zur Vorderflanke vorschreiben - an die abfallende Hinterflanke des zahnartigen Vorsprungs nicht direkt die Hinterfläche des Torelementes anschließen muss, sondern etwa eine dazwischen angeordnete horizontale Fläche an der Stirnseite des Torelementes möglich ist. Vielmehr sieht der Wortlaut des Merkmals 6 ausdrücklich vor, dass die Hinterflanke des zahnartigen Vorsprungs bis zur Hinterfläche abfällt, so wie es nach Merkmal 5 erforderlich ist, dass die ansteigende Vorderflanke von der Vorderfläche des Torelements aus- geht. Der Fachmann wird zu diesem Verständnis auch deshalb gelangen, weil ansonsten, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, Merkmal 6 lediglich eine Selbstverständlichkeit beschreiben würde, weil die Hinterflanke des zahnartigen Vorsprungs zwangsläufig an der Hinterseite des Torelementes enden muss (Gutachten, S. 23, 35).
21
Die Verzahnung zwischen den Torelementen bewirkt zudem eine gute Abdichtung durch das Tor im geschlossenen Zustand und ist mit einem Zentriereffekt verbunden, der Toleranzen der Elemente und/oder der seitlichen Führungen ausgleichen kann (Streitpatentschrift, Abs. 9).
22
Darüber hinaus soll eine gute gegenseitige Abstützung der Elemente gewährleistet sein, die sich insbesondere auswirken kann, wenn einzelne Elemente durch Einschneiden von Glaslichten geschwächt sind (Streitpatentschrift , Abs. 9). Aus Sicht des Fachmanns haben daher der zahnartige Vorsprung des einen Torelementes und die an diesen angepasste Vertiefung des anderen Torelementes auch geeignet zu sein, sich gegenseitig abzustützen (vgl. auch Gutachten, S. 22, 31).
23
Schließlich ist vorgesehen, dass beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt (Merkmal 7). Dabei wird - wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt hat (Gutachten , S. 10) - der Fachmann unter dem Öffnungsabstand (d) den Abstand verstehen, der bei einem gegenseitigen Verschwenken zweier benachbarter Torelemente zwischen der oberen Kante des zahnartigen Vorsprungs des einen Torelementes und der Vorderflanke des anderen Torelementes entsteht, solange die obere Kante des Vorsprungs von der Vorderflanke der Vertiefung abgedeckt wird. Wird die obere Kante des Vorsprungs nicht mehr von der Vorderflanke der Vertiefung abgedeckt, liegt der in Merkmal 7 genannte Öffnungsabstand in dem direkten Abstand zwischen der vorderen Unterkante der Vertiefung und der oberen Kante des Vorsprungs. Denn dieses sind die beiden Situationen , in denen die Gefahr besteht, dass Finger des Benutzers im Öffnungsbereich zweier benachbarter Torelemente eingeklemmt werden können. Entsprechend wird in der Beschreibung des Streitpatents im Hinblick auf die oben wiedergegebene beispielhafte Darstellung in Figur 3 ausgeführt, dass z.B. durch eine entsprechende Einstellung der Schwenkachse (a) ein derart kleiner Abstand (von etwa 4 mm) eingestellt werden könne, dass keine Finger zwischen die Ränder benachbarter Elemente gelangen und verletzt werden können (Streitpatentschrift, Abs. 13).
24
II. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
25
1. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen , ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (Sen.Urt. v.

21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Unzulässige Erweiterung; v. 23.10.2007 - X ZR 104/06 Tz. 14).
26
Der Gegenstand der Anmeldung kann daher im Erteilungsverfahren bei der Formulierung des Anspruchs anders gefasst werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung führen (BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen ließ (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II). Das ist jedoch bei Patentanspruch 1 des Streitpatents der Fall.
27
2. Dem Fachmann wird in den Anmeldungsunterlagen an keiner Stelle offenbart, dass Gegenstand der Erfindung auch ein Hubgliedertor sein soll, bei dem der zahnartige Vorsprung, der an dem oberen (unteren) Rand eines jeden Torelementes vorgesehen ist, auch nicht "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgestaltet sein kann.
28
In der allgemeinen Beschreibung der Anmeldung wird dem Fachmann ausgehend von Angaben zum Stand der Technik mitgeteilt, dass es ein Ziel der Erfindung ist, ein Hubgliedertor zu schaffen, bei dem eine gute Abdichtung zwischen den Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente vermieden werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 41 ff.). Dieses Ziel soll sich nach den weiteren Erläuterungen der allgemeinen Beschreibung mit einem Hubgliedertor der im Stand der Technik bekannten Art (entspricht einem Hubgliedertor nach Maßgabe der Merkmale 1 und 2 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung) erreichen lassen, "bei wel- chem erfindungsgemäß an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelementes ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung vorgesehen ist" sowie weitere Merkmale (diese sind identisch mit den Merkmalen 5, 6 und 7 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung) vorhanden sind (Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 46 ff.).
29
Der Fachmann wird in der Anmeldung sodann dahin belehrt, dass es die erfindungsgemäße Ausgestaltung der oberen bzw. unteren Ränder der Torelemente ermöglicht, die Schwenkachse so zu legen, dass sich auch im Bogenbereich der Führungsbahnen bloß ein geringer Öffnungsabstand zwischen benachbarten Torelementen, beispielsweise 4 mm, ergibt, wodurch Finger nicht versehentlich in den Öffnungsbereich gelangen können. Neben weiteren sich unzweifelhaft nicht auf die "im Wesentlichen symmetrische" Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs beziehenden Vorteilsangaben wird dem Fachmann zudem erläutert, dass die symmetrische Ausbildung zu einer Produktionsvereinfachung besonders bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, da diese dann völlig gleich ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung , Sp. 1, Z. 60 ff.).
30
Die in den Figuren 4 bis 6 (entsprechen den oben wiedergegebenen Figuren 4 bis 6 des Streitpatents) gezeigten und in der Beschreibung der Anmeldung erläuterten Ausführungsbeispiele weisen aus Sicht des Fachmanns einen streng symmetrischen zahnartigen Vorsprung auf. Dem steht auch, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung bestätigt hat, nicht entgegen, dass bei der Darstellung in Figur 4 die beiden das Torelement bildenden Blechschalen in den Überlappungsbereichen des zahnartigen Vorsprungs am oberen Rand bzw. der entsprechenden Vertie- fung am unteren Rand geringe Symmetrieabweichungen aufweisen. Denn dem Fachmann wird in der Beschreibung gerade im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert, dass die Blechschalen (16, 17) zur Vereinfachung der Herstellung völlig identisch ausgebildet sein können (Streitpatentanmeldung , Sp. 3, Z. 24 ff.). Zudem ist diesem aufgrund seines Fachwissens geläufig, dass die Elementschalen hinreichend flexibel sind, um im montierten Zustand des Elements einen praktisch symmetrischen Formzustand anzunehmen.
31
Bei der in den Figuren 2 und 3 gezeigten Ausgestaltung ist an der Vorderseite eine Ausnehmung (15) im Bereich der benachbarten Elemente (1, 1') vorgesehen, um - wie in der Beschreibung erläutert wird (Streitpatentanmeldung , Sp. 3, Z. 12 ff.) - das Erscheinungsbild des geschlossenen Tores zu verbessern. Die Ausnehmung wird einerseits durch die abgeschrägte vorderseitige Kante des oberen Elementes und andererseits durch die im unteren Bereich abgeflachte vorderseitige Flanke des zahnartigen Vorsprungs des unteren Elementes gebildet. Da nur die vorderseitige, nicht aber auch die rückseitige Flanke in ihrem unteren Bereich abgeflacht ist, ist der zahnartige Vorsprung nicht völlig symmetrisch ausgebildet. Der Fachmann wird in dieser Ausgestaltung jedoch ein Beispiel für einen im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung erkennen.
32
Kein einziges der in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Ausführungsbeispiele zeigt jedoch ein Hubgliedertor, dessen Torelemente nicht zumindest einen solchermaßen bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen oder gar streng symmetrisch ausgestalteten zahnartigen Vorsprung aufweisen.

33
In Patentanspruch 1 der Anmeldung ist dann ebenfalls vorgesehen, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. Die weiteren Patentansprüche 2 bis 7 der Anmeldung nehmen mittelbar oder unmittelbar Bezug auf Patentanspruch 1 und beinhalten damit als auf diesen bezogene Unteransprüche gleichermaßen das Merkmal, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. In Patentanspruch 6 wird darüber hinaus gefordert, dass jedes Element (1, 1') aus zwei identisch ausgebildeten Blechschalen (16, 17) besteht, was eine bezüglich der Tormittenebene streng symmetrische Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs impliziert.
34
3. a) Die Beklagte und die Nebenintervenientin meinen demgegenüber, der Fachmann werde erkennen, dass die im Wesentlichen bezüglich der Tormittenebene symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs allein dazu diene, Produktionsvereinfachungen zu ermöglichen, weil die Blechschalen dann völlig gleich ausgebildet werden können, während durch eine solche Ausbildung nichts zur Lösung der weiteren der Erfindung zugrundeliegenden Probleme - insbesondere dem Problem des Fingerklemmschutzes - beigetragen werde. Es sei daher nicht notwendig, dieses Teilmerkmal im Hauptanspruch zu belassen. Vielmehr betreffe selbiges einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex, der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden könne.
35
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen, dass nach den Angaben der Beschreibung erst die streng symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs zu einer Produktionsvereinfachung, insbesondere bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, weil diese dann "völlig gleich" ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 9 ff.; Patentanspruch 6), so wie dies in der Anmeldung im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert wird (vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Ist der zahnartige Vorsprung jedoch zur Tormittenebene nicht streng symmetrisch, sondern lediglich "im Wesentlichen" symmetrisch ausgebildet, so wie dies in den Figuren 2 und 3 gezeigt und in der Beschreibung der Anmeldung erläutert wird, bedarf es unterschiedlicher Arbeitsvorgänge, um die beiden Schalen für ein Torelement herzustellen. Für den Fachmann ergab sich daraus, dass nach dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung mit dem Merkmal des bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprungs erfindungsgemäß nicht ausschließlich Produktionsvereinfachungen erreicht werden sollen und es sich infolgedessen dabei auch nicht um einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex handelt, der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden kann.
36
b) Die Beklagte und die Nebenintervenientin sind des Weiteren der Ansicht , dass der Fachmann bei einer Analyse der Anmeldung habe erkennen können, dass die Symmetrie kein notwendiges Merkmal sei, wenn Fingerverletzungen vermieden werden sollen. Zudem habe der Fachmann feststellen können, dass der maximale Verschwenkwinkel bis zu dem Öffnungsabstand, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, bei allen in den Ursprungsunterlagen angedeuteten Ausführungsformen der Erfindung besonders groß wird, wenn der Vorsprung gerade nicht symmetrisch ist. Zu einer solchen kritischen Analyse des Inhalts der Ursprungsunterlagen sei der Fachmann dadurch ver- anlasst worden, dass diese neben einer formelhaften Wiedergabe des ursprünglich vorgelegten Anspruchs keine Erläuterungen zum erfinderischen Beitrag der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs enthielten.
37
Auch mit diesem Vorbringen vermögen die Beklagte und die Nebenintervenientin nicht durchzudringen. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt, dass der maximal zulässige Verschwenkwinkel (das heißt der Winkel, bei dem der Öffnungsabstand (d) zwischen der Vorderflanke der Vertiefung bzw. der vorderen Unterkante der Vertiefung des einen Torelementes und der oberen Kante des zahnartigen Vorsprungs des anderen Torelementes nur so groß ist, dass das Einklemmen eines Fingers ausgeschlossen ist [beispielsweise maximal 4 mm ist, vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 60 ff.]) bei einer nicht-symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs im Vergleich mit einem symmetrischen Vorsprung verkleinert oder vergrößert werden kann (Gutachten, S. 11 ff., 15, 18). Dies hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten dadurch veranschaulicht, dass er beispielhaft ein Torelement mit einem bezüglich der Tormittenebene symmetrischen zahnartigen Vorsprung, bei dem der Winkel der geraden Flanken auf beiden Seiten 60° beträgt, mit Torelementen verglichen hat, bei denen die vorderseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde, und Torelementen gegenüber gestellt hat, bei denen die hinterseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde. Wie sich aus der nachfolgend wiedergegebenen zeichnerischen Darstellung ergibt, verkürzt sich im Vergleich mit der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs der Verschwenkwinkel bei den Beispielen, bei denen die Vorderflanke geneigt wurde, und vergrößert sich der Verschwenkwinkel bei den Beispielen, bei denen die Hinterflanke geneigt wurde (Gutachten, S. 11):
38
Vor diesem Hintergrund erschloss es sich dem Fachmann, wie sich aus den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, dass die symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs kein notwendiges Merkmal ist, um Fingerverletzungen zu vermeiden.
39
Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen jedoch, dass der Fachmann diese Erkenntnisse nicht dem Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen entnehmen konnte, sondern sich selbige dem Fachmann nach Kenntnisnahme der Anmeldung erst aufgrund eigener von seinem Fachwissen getragener Überlegungen erschlossen haben. Denn in den Anmeldungsunterlagen findet sich weder ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass auch Torelemente mit einem bezüglich der Tormittenebene nicht im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung zur Erfindung gehören sollen, noch handelte es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit, die aus Sicht des Fachmanns ohne weiteres "mitgelesen" worden ist. Vielmehr hat auch der Sachverständige im Termin bestätigt, dass der Fachmann die Ausführungen in der Anmeldung zunächst als solche hinnahm und erst durch auf die Anmeldung aufbauende eigenständige Erwägungen zu dem Schluss gelangen konnte, dass die erfindungsgemäß angestrebten Ziele auch mit einer nicht im Wesentlichen symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs erreicht werden können, zumal der Fachmann im Bereich der Produktionstechnik allgemein dazu neigt, symmetrische nicht-symmetrischen Formgestaltungen vorzuziehen.
40
Hinzu kommt, dass es nach den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus Sicht des Fachmanns jedenfalls bei geraden Flanken durchaus sinnvoll war, den Verschwenkwinkel nicht zu groß werden zu lassen, weil dann ein ungünstiger größerer Abstand zwischen der Vorderflanke des Vorsprungs des einen Torelementes und der korrespondierenden Flanke der Vertiefung des anderen Torelementes entsteht (vgl. jeweils den Abstand (k) bei den oben wiedergegebenen, aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen stammenden beispielhaften Darstellungen der symmetrischen und der zur Hinterseite geneigten zahnartigen Vorsprünge). Daher stellte die symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs auch aus allgemein fachlicher Sicht einen guten Kompromiss dar, um einerseits den maximalen Kantenabstand nicht zu groß werden zu lassen und dabei gleichzeitig einen ausreichend großen maximalen Verschwenkwinkel zu ermöglichen (Gutachten, S. 15, 18).

41
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 97, 101 ZPO.
Scharen RichteramBundesger ichtshof Gröning AsendorfistinRuhestandgetretenundkanndeshalbnicht unterschreiben. Scharen Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.09.2005 - 2 Ni 51/03 -

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(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

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(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird dur

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bei uns veröffentlicht am 23.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 104/06 Verkündet am: 23. Oktober 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 28/06

bei uns veröffentlicht am 22.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 28/06 Verkündet am: 22. Dezember 2009 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 27/06.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2013 - X ZR 130/11

bei uns veröffentlicht am 09.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 130/11 Verkündet am: 9. April 2013 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Nov. 2010 - X ZR 97/08

bei uns veröffentlicht am 16.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 97/08 Verkündet am: 16. November 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgericht

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2009 - X ZR 28/06

bei uns veröffentlicht am 22.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 28/06 Verkündet am: 22. Dezember 2009 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - X ZR 79/09

bei uns veröffentlicht am 27.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 79/09 Verkündet am: 27. April 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Referenzen

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 28/06 Verkündet am:
22. Dezember 2009
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hubgliedertor II
Eine Passage in der Beschreibung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen
gewesen ist, kann nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung
begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs
des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin
verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt.
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen
und die Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die von der Nebenintervenientin unterstützte Berufung der Beklagten gegen das am 29. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin zu 3 wird das am 29. September 2005 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das deutsche Patent 39 43 782 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht:
a) Patentanspruch 1 Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente, die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind, wobei das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen in seitlichen Führungsbahnen gleitet, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossen- stellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen, wobei an dem oberen Rand (5) jedes Torelements (1) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze bis zur Hinterfläche (11) des Elementes abfallende Hinterflanke (12) aufweist, wobei an dem unteren Rand (6) des Torelements eine in der Geschlossenstellung dem Vorsprung des benachbarten Torelements aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen ist, und wobei beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorsprung (7) zahnartig und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet ist, dass die Vertiefung (13) an den Vorsprung (7) angepasst ist und dass das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen ist, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen der Elemente (1, 1') zu liegen kommt.

b) An Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 6 mit unmittelbarem oder mittelbarem Rückbezug an.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zu 3 zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 3 und die Beklagte haben die Gerichtskosten, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 3 und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten jeweils zur Hälfte zu tragen.

Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 1 und 2 auferlegt.
Die Klägerin zu 3 und die Nebenintervenientin haben die durch die Nebenintervention verursachten Kosten jeweils zur Hälfte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war bis zum 7. November 2006 eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 39 43 782 (Streitpatents), das ein "Hubgliedertor" betrifft. Seitdem ist die H. KG B. , die dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetreten ist, als neue Inhaberin des Streitpatents eingetragen.
2
Das Streitpatent ging am 17. Februar 1989 durch Teilung aus der Stammanmeldung 39 04 918.3 (Streitpatentanmeldung) hervor und nimmt die österreichische Prioritätsanmeldung 391/88 vom 18. Februar 1988 in Anspruch. Das Patent 39 04 918 ist Gegenstand eines vor dem Senat unter dem Akten- zeichen X ZR 27/06 geführten Nichtigkeitsberufungsverfahrens. Das Streitpatent erlosch am 17. Februar 2009 infolge Ablaufs der Schutzdauer.
3
In der erteilten Fassung umfasst das Streitpatent sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "Hubgliedertor, mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente, die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind, wobei das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen in seitlichen Führungsbahnen gleitet, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen, wobei an dem oberen Rand (5) jedes Torelements (1) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze abfallende Hinterflanke (12) aufweist, wobei an dem unteren Rand (6) des Torelements eine in der Geschlossenstellung dem Vorsprung des benachbarten Torelements aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen ist, und wobei dem Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, dadurch gekennzeichnet, dass der Vorsprung (7) zahnartig ausgebildet ist, dass die Vertiefung (13) an den Vorsprung (7) angepasst ist und dass das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen ist, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen der Elemente (1, 1') zu liegen kommt."
4
Die Klägerinnen bzw. ihre Rechtsvorgänger haben das Streitpatent mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen und geltend gemacht, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den Inhalt der beim Patentamt ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Sie haben zudem vorgebracht, dass das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn unter anderem die US-Patentschriften 2 372 792 (Anlage K 7) und 3 891 021 (Anlage K 3) bildeten , nicht patentfähig sei, und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
5
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent durch Urteil vom 29. September 2005 dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es die aus dem Tenor des hiesigen Urteils ersichtliche Fassung erhielt, allerdings mit dem Unterschied , dass in Patentanspruch 1 hinter dem Wort "Führungsbahn (4)" zusätzlich noch die Worte "zumindest über einen Teil des Schwenkbereichs" eingefügt worden sind.
6
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerin zu 3 und die Beklagte , die von der Nebenintervenientin unterstützt wird, mit ihren jeweiligen Berufungen.
7
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen. Hilfsweise beantragen die Beklagte und die Nebenintervenientin, das Streitpatent in der erteilten Fassung mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass in Patentanspruch 1 - auch mit Wirkung für die unmittelbar oder mittelbar darauf zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 - das Teilmerkmal "zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels" gestrichen wird (Hilfsantrag 1), zusätzlich das Teilmerkmal "bis zur Hinterfläche (11) des Elementes" zwischen die Worte "und eine von der Spitze" und "abfallende Hinterflanke (12)" eingefügt wird (Hilfsantrag
2) und weiter zusätzlich das Teilmerkmal "und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet" zwischen die Worte "dass der Vorsprung (7) zahnartig" und "ist" eingefügt wird (Hilfsantrag 3).


8
Die Klägerin zu 3 beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
9
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. F. , Fachhochschule R. , Leiter des Studiengangs Produktionstechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


10
Die zulässige Berufung der Beklagten, die von der Nebenintervenientin unterstützt worden ist, hat keinen Erfolg. Die zulässige Berufung der Klägerin zu 3 bleibt ganz überwiegend erfolglos. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent im Wesentlichen zu Recht teilweise für nichtig erklärt.
11
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Hubgliedertor. Bei diesen werden die Torelemente im Umlenkbereich vom horizontalen zum vertikalen Verlauf gegenseitig verschwenkt, so dass sich deren obere bzw. untere Ränder zunächst voneinander entfernen und dann wieder zusammenkommen. Hierbei besteht die Gefahr, dass Finger eines Benutzers eingeklemmt werden und es zu Verletzungen kommt.
12
Nach den Angaben des Streitpatents waren zwar, etwa aus der österreichischen Patentschrift 382 423, Möglichkeiten bekannt, derartige Verletzungen zu vermeiden. Diese umzusetzen war jedoch verhältnismäßig kostspielig in der Herstellung oder aus optischen Gründen unerwünscht. Der deutschen Offenlegungsschrift 21 06 063 und der österreichischen Patentschrift 369 129 konnte entnommen werden, die einander zugewandten Ränder von Torelementen abzustufen , um im Bereich der Schließstelle eine bessere Wärmedämmung zu erreichen. Dabei war jedoch kein Fingerschutz vorgesehen.
13
Weitere Ausgestaltungen, die aus den US-Patentschriften 3 198 242 und 3 941 180 bekannt waren, waren nach den Erläuterungen des Streitpatents verschleißanfällig, aufwändig bei der Montage oder insbesondere bei großen Verschwenkwinkeln unzureichend hinsichtlich des Fingerklemmschutzes.
14
2. Durch das Streitpatent soll ein einfach montierbares Hubgliedertor geschaffen werden, bei dem eine gute und zuverlässige Abdichtung zwischen den einzelnen Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente auch bei größeren Verschwenkwinkeln vermieden werden.
15
3. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung ein Hubgliedertor, dessen Merkmale wie folgt unterteilt werden können: (1) Hubgliedertor mit einer Mehrzahl tafelförmiger Torelemente (1), die mittels Gelenken, Scharnieren oder dergleichen um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind; (2) das Tor gleitet mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen, in seitlichen Führungsbahnen, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen; (3) an dem oberen Rand (5) jedes Torelementes (1) ist ein Vorsprung (7) vorgesehen, der eine bis zur Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze (9) abfallende Hinterflanke (12) aufweist; (4) an dem unteren Rand (6) des Torelementes ist eine in der Geschlossenstellung den Vorsprung des benachbarten Torelementes aufnehmende Vertiefung (13) vorgesehen; (5) beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) tritt zumindest über einen Teil des Verschwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auf, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt; (6) der Vorsprung (7) ist zahnartig ausgebildet; (7) die Vertiefung (13) ist an den Vorsprung (7) angepasst; (8) das Gelenk des Scharniers (14) ist vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente (1, 1') zu liegen kommt.
16
4. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt in schematischer Seitenansicht ein Hubgliedertor, das eine Mehrzahl von tafelförmigen Torelementen (1) aufweist, die mittels Gelenken (2) um horizontal verlaufende Schwenkachsen miteinander verbunden sind. Das Tor gleitet dabei mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen (3), in seitlichen Führungsbahnen (4), die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung in eine horizontale Offenstellung führen (Merkmale 1 und 2).


17
In den nachfolgend eingerückten Figuren 2 und 3 der Zeichnungen des Streitpatents ist beispielhaft ein zahnartig ausgebildetes Torelement (1) abgebildet , bei dem an dem oberen Rand (5) ein Vorsprung (7) vorgesehen ist, der eine bis zu einer Spitze (9) ansteigende Vorderflanke und eine von der Spitze (9) abfallende Hinterflanke aufweist, und bei dem an dem unteren Rand (6) eine den Vorsprung des benachbarten Torelementes (1) aufnehmende und an diesen angepasste Vertiefung (13) vorgesehen sind (Merkmale 3, 4, 6 und 7).


18
Die patentgemäße Ausgestaltung der oberen bzw. unteren Ränder der Torelemente ermöglicht es, die Schwenkachse (a) so anzuordnen, dass beim Verschwenken der Torelemente im Bogenbereich der Führungsbahn (4) zumindest über einen Teil des Schwenkwinkels bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt (Merkmal 5, vgl. auch Streitpatentschrift , Sp. 2, Z. 27 ff.).
19
Wie in den Figuren 2 und 3 außerdem beispielhaft veranschaulicht wird, ist das Gelenk des Scharniers (14) vollständig in der hinteren Ausnehmung (20) aufgenommen, wodurch die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente zu liegen kommt (Merkmal 8). Dabei sind aus Sicht des Fachmanns, bei dem es sich um einen Ingenieur des Maschinenbaus mit Fachhochschulabschluss und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion von Hubgliedertoren handelt, im Zusammenhang mit der Lehre des Streitpatents unter dem Gelenk des Scharniers die Bauteile zu verstehen, die unmittelbar die Wirkach- se (= Schwenkachse) bilden. Im Falle der in den Figuren 2 und 3 gezeigten Ausführungsform sind dies beispielsweise der Bolzen und die Rolle, welche unmittelbar die Gelenkigkeit des Scharniers bewirken und vollständig in einer hinteren Ausnehmung aufgenommen sind, so dass sie vor den Hinterflächen der Elemente liegen. Hingegen sind die Scharnierlappen, die hinter den Hinterflächen der Elemente angeordnet sind, zwar als Teil des Scharniers anzusehen , gehören aber nicht mehr zu dessen Gelenk.
20
Mit dem Begriff des Vorsprungs ist, wie der gerichtliche Sachverständige im Termin erläutert hat, dessen Spitze bzw. mit dem Begriff der Vertiefung deren tiefste Stelle gemeint. Das ergibt sich aus Sicht des Fachmanns bereits ohne weiteres aus der zahnartigen bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischen Ausgestaltung des Vorsprungs mit einer bis zur Spitze ansteigenden Vorder- und einer von der Spitze abfallenden Hinterflanke bzw. einer den derart ausgestalteten Vorsprung aufnehmenden Vertiefung (vgl. Merkmale 3, 4 und 6) und dem erfindungsgemäßen Bestreben, im Bogenbereich der Führungsbahnen einen geringen Öffnungsabstand zwischen benachbarten Torelementen zu erreichen, damit die Finger der Benutzer darin nicht eingeklemmt werden können (vgl. Merkmal 5). In diesem Verständnis wird der Fachmann bestärkt, wenn es in der Beschreibung weiterhin erläuternd heißt, dass dadurch, dass die Schwenkachse benachbarter Torelemente innerhalb der hinteren Ausnehmung gelegen ist, also der Zahnspitze angenähert wurde, diese Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden können, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt öffnet, der zu Fingerverletzungen führen könnte (Streitpatentschrift, Sp. 2, Z. 34 ff.).

21
5. In der Fassung des ersten Hilfsantrags der Beklagten hat Merkmal 5 abweichend von der erteilten Fassung folgenden Wortlaut: (5) Beim Verschwenken der Torelemente (1, 1') im Bogenbereich der Führungsbahn (4) tritt bloß ein Öffnungsabstand (d) auf, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt.
22
Der Öffnungsabstand (d) muss also in der Fassung des ersten Hilfsantrags beim Verschwenken der Torelemente nicht nur (wie noch in der eingetragenen Fassung von Patentanspruch 1) "zumindest über einen Teil", sondern im gesamten Bogenbereich der Führungsbahn (4) einen Öffnungsabstand (d) aufweisen, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt.
23
6. Der zweite Hilfsantrag der Beklagten übernimmt Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags, wobei zusätzlich Merkmal 3 in Abänderung der eingetragenen Fassung wie folgt lautet: (3) An dem oberen Rand (5) jedes Torelementes (1) ist ein Vorsprung (7) vorgesehen, der eine bis zur Spitze (9) ansteigende Vorderflanke (10) und eine von der Spitze (9) bis zur Hinterfläche (11) des Elementes abfallende Hinterflanke (12) aufweist.
24
Nach der Lehre von Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags ist dem Fachmann die Ausgestaltung der von der Spitze abfallenden Hinterflanke nicht mehr freigestellt, sondern diese muss bis zur Hinterfläche abfallen, so wie dies bei der in den Figuren 2 und 3 exemplarisch gezeigten Ausführungsform der Fall ist, bei welcher die Hinterflanke von der Spitze aus betrachtet zunächst in einem steileren und dann in einem flacheren Winkel bis zur Hinterfläche abfällt. Ein Abfallen der Hinterflanke von der Spitze bis zur Hin- terfläche des Elementes kann hingegen aus Sicht des Fachmanns nicht mehr angenommen werden, wenn beispielsweise die Hinterflanke auf einer in etwa horizontalen Stufe endet, an die sich die vertikale Hinterseite des Torelementes anschließt. Denn eine solche in etwa horizontale Stufe stellt sich, wie auch der gerichtliche Sachverständige im Termin bestätigt hat, im Rahmen der Lehre des Streitpatents weder als abfallende Flanke des nach Merkmal 6 "zahnartigen" Vorsprungs noch als Hinterfläche des Torelements dar.
25
7. Der dritte Hilfsantrag der Beklagten baut auf Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags auf, wobei zusätzlich Merkmal 6 in Abweichung der erteilten Fassung folgenden Inhalt hat: (6) Der Vorsprung (7) ist zahnartig und bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet.
26
Danach ist die Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprunges nicht mehr beliebig, sondern dieser muss bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet sein, was eine streng symmetrische Ausbildung einschließt. Das in den oben wiedergegebenen Figuren 2 und 3 des Streitpatents beispielhaft gezeigte Torelement setzt sich aus zwei identischen Blechschalen zusammen (Streitpatentschrift, Sp. 3, Z. 47 ff., Unteranspruch 5) und verfügt infolgedessen über einen streng symmetrisch ausgebildeten zahnartigen Vorsprung. Eine solche Ausgestaltung weist den Vorteil einer vereinfachten Herstellung auf (Streitpatentschrift, aaO). Der Fachmann erkennt, dass es bei einer lediglich "im Wesentlichen" symmetrischen Ausgestaltung des Vorsprungs nicht notwendigerweise auf den mit identisch geformten Blechschalen verbundenen Vorteil einer vereinfachten Herstellung ankommt, sondern bei dieser auch kleinere Abweichungen möglich sind, wie sie etwa notwendig werden können, wenn vorrangig ein verbessertes äußeres Erscheinungsbild des Hubtores auf der Vorderseite erreicht werden soll.
27
II. 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung sowie in der Fassung des ersten und des zweiten Hilfsantrags der Beklagten geht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
28
a) Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents (bzw. des Patents in der verteidigten Fassung) mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Beschreibung und Zeichnungen mit heranzuziehen sind. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegehren mit umfasst werden sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Unzulässige Erweiterung).
29
Der Gegenstand der Anmeldung kann daher im Erteilungsverfahren bei der Formulierung des Anspruchs anders gefasst werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung führen (BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen ließ (Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II; v.

23.10.2007 - X ZR 104/06 Tz. 14). Das ist jedoch bei Patentanspruch 1 in den genannten Fassungen der Fall.
30
b) Dem Fachmann wird in den Anmeldungsunterlagen an keiner Stelle offenbart, dass Gegenstand der Erfindung auch ein Hubgliedertor sein soll, bei dem der zahnartige Vorsprung, der an dem oberen (unteren) Rand eines jeden Torelementes vorgesehen ist, nicht "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet sein kann, so wie dies in Patentanspruch 1 (Merkmal 6) des Streitpatents in der eingetragenen Fassung und in der Fassung des ersten und des zweiten Hilfsantrags der Beklagten vorgesehen ist.
31
In der allgemeinen Beschreibung der Anmeldung wird dem Fachmann ausgehend von Angaben zum Stand der Technik mitgeteilt, dass es ein Ziel der Erfindung ist, ein Hubgliedertor zu schaffen, bei dem eine gute Abdichtung zwischen den Elementen gegeben ist und Fingerverletzungen im Umlenkbereich der Torelemente vermieden werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 41 ff.). Dieses Ziel soll sich nach den weiteren Erläuterungen der allgemeinen Beschreibung mit einem Hubgliedertor der im Stand der Technik bekannten Art (entspricht einem Hubgliedertor nach Maßgabe der Merkmale 1 und 2 des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung) erreichen lassen, "bei welchem erfindungsgemäß an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelementes ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung vorgesehen ist" sowie weitere Merkmale vorhanden sind (Streitpatentanmeldung , Sp. 1, Z. 46 ff.).
32
Der Fachmann wird in der Anmeldung sodann dahin belehrt, dass es die erfindungsgemäße Ausgestaltung der oberen bzw. unteren Ränder der Torele- mente ermöglicht, die Schwenkachse so zu legen, dass sich auch im Bogenbereich der Führungsbahnen bloß ein geringer Öffnungsabstand zwischen benachbarten Torelementen, beispielsweise 4 mm, ergibt, wodurch Finger nicht versehentlich in den Öffnungsbereich gelangen können. Neben weiteren sich unzweifelhaft nicht auf die "im Wesentlichen symmetrische" Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs beziehenden Vorteilsangaben wird dem Fachmann zudem erläutert, dass die symmetrische Ausbildung zu einer Produktionsvereinfachung besonders bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, da diese dann völlig gleich ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung , Sp. 1, Z. 60 ff.).
33
Die in der Anmeldung in den Figuren 4 bis 6 wie folgt gezeigten und in der Beschreibung erläuterten Ausführungsbeispiele weisen einen symmetrischen zahnartigen Vorsprung auf. Ergänzend heißt es zu dem in Figur 4 gezeigten Ausführungsbeispiel in der Beschreibung, dass die Blechschalen (16, 17) völlig identisch ausgebildet sein können, was zu einer Vereinfachung der Herstellung führt (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Dem steht auch, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt und bei seiner Anhörung bestätigt hat, nicht entgegen, dass bei der Darstellung in Figur 4 die beiden das Torelement bildenden Blechschalen in den Überlappungsbereichen des zahnartigen Vorsprungs am oberen Rand bzw. der entsprechenden Vertiefung am unteren Rand geringe Symmetrieabweichungen aufweisen. Denn dem Fachmann wird in der Beschreibung gerade im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert, dass die Blechschalen (16, 17) zur Vereinfachung der Herstellung völlig identisch ausgebildet sein können (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Zudem ist diesem aufgrund seines Fachwissens geläufig, dass die Elementschalen hinreichend flexibel sind, um im montierten Zustand des Elements einen praktisch symmetrischen Formzustand anzunehmen.
34
Bei der in den Figuren 2 und 3 der Anmeldung wie folgt gezeigten Ausgestaltung ist an der Vorderseite eine Ausnehmung (15) im Bereich der benachbarten Elemente (1, 1') vorgesehen, um - wie in der Beschreibung erläutert wird (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 12 ff.) - das Erscheinungsbild des geschlossenen Tores zu verbessern. Die Ausnehmung wird einerseits durch die abgeschrägte vorderseitige Kante des oberen Elementes und andererseits durch die im unteren Bereich abgeflachte vorderseitige Flanke des zahnartigen Vorsprungs des unteren Elementes gebildet. Da nur die vorderseitige, nicht aber auch die rückseitige Flanke in ihrem unteren Bereich abgeflacht ist, ist der zahnartige Vorsprung nicht völlig symmetrisch ausgebildet. Der Fachmann wird in dieser Ausgestaltung jedoch ein Beispiel für einen im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung erkennen.
35
Kein einziges der in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Ausführungsbeispiele zeigt jedoch ein Hubgliedertor, dessen Torelemente nicht zumindest einen im Wesentlichen symmetrisch ausgestalteten zahnartigen Vorsprung aufweisen.


36
In Patentanspruch 1 der Anmeldung ist dann ebenfalls vorgesehen, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. Die weiteren Patentansprüche 2 bis 7 der Anmeldung nehmen mittelbar oder unmittelbar Bezug auf Patentanspruch 1 und beinhalten damit als auf diesen bezogene Unteransprüche gleichermaßen das Merkmal, dass an dem oberen (unteren) Rand jedes Torelements ein bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischer zahnartiger Vorsprung ausgebildet sein soll. In Patentanspruch 6 wird darüber hinaus gefordert, dass jedes Element (1, 1') aus zwei identisch ausgebildeten Blechschalen (16, 17) besteht, was eine bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs impliziert.
37
c) (1) Die Beklagte und die Nebenintervenientin meinen demgegenüber, der Fachmann werde erkennen, dass die im Wesentlichen bezüglich der Tormittenebene symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs allein dazu diene, Produktionsvereinfachungen zu ermöglichen, weil die Blechschalen dann völlig gleich ausgebildet werden können, während durch eine solche Ausbildung nichts zur Lösung der weiteren der Erfindung zugrundeliegenden Probleme - insbesondere dem Problem des Fingerklemmschutzes - beigetragen werde. Es sei daher nicht notwendig, dieses Teilmerkmal im Hauptanspruch zu belassen. Vielmehr betreffe selbiges einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex , der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden könne.

38
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen, dass nach den Angaben der Beschreibung erst die streng symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs zu einer Produktionsvereinfachung, insbesondere bei der Herstellung jedes Elementes aus zwei Blechschalen führt, weil diese dann "völlig gleich" ausgebildet werden können (Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 9 ff.; vgl. auch Patentanspruch 6), so wie dies in der Anmeldung im Hinblick auf das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel erläutert wird (vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 24 ff.). Ist der zahnartige Vorsprung jedoch zur Tormittenebene nicht streng symmetrisch, sondern lediglich "im Wesentlichen" symmetrisch ausgebildet, so wie dies in den Figuren 2 und 3 gezeigt und in der Beschreibung der Anmeldung erläutert wird, bedarf es unterschiedlicher Arbeitsvorgänge um die beiden Schalen für ein Torelement herzustellen. Für den Fachmann ergab sich daraus, dass nach dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung mit dem Merkmal des bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprungs erfindungsgemäß nicht ausschließlich Produktionsvereinfachungen erreicht werden sollen und es sich infolgedessen dabei auch nicht um einen selbständigen, unabhängigen Erfindungskomplex handelt, der ohne weiteres vom Hauptanspruch abgetrennt werden kann.
39
(2) Die Beklagte und die Nebenintervenientin sind des Weiteren der Ansicht , dass der Fachmann bei einer Analyse der Anmeldung habe erkennen können, dass die Symmetrie kein notwendiges Merkmal sei, wenn Fingerverletzungen vermieden werden sollen. Zudem habe der Fachmann feststellen können, dass der maximale Verschwenkwinkel bis zu dem Öffnungsabstand, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt, bei allen in den Ursprungsunterlagen angedeuteten Ausführungsformen der Erfindung besonders groß wird, wenn der Vorsprung gerade nicht symmetrisch ist. Zu einer solchen kritischen Analyse des Inhalts der Ursprungsunterlagen sei der Fachmann dadurch veranlasst worden, dass diese neben einer formelhaften Wiedergabe des ursprünglich vorgelegten Anspruchs keine Erläuterungen zum erfinderischen Beitrag der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs enthielten.
40
Auch mit diesem Vorbringen vermögen die Beklagte und die Nebenintervenientin nicht durchzudringen. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten bestätigt, dass der maximal zulässige Verschwenkwinkel (das heißt der Winkel, bei dem der Öffnungsabstand (d) zwischen der Vorderflanke der Vertiefung bzw. der vorderen Unterkante der Vertiefung des einen Torelementes und der oberen Kante des zahnartigen Vorsprungs des anderen Torelementes nur so groß ist, dass das Einklemmen eines Fingers ausgeschlossen ist [beispielsweise maximal 4 mm ist, vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 1, Z. 60 ff.]) bei einer nicht-symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs im Vergleich mit einem symmetrischen Vorsprung verkleinert oder vergrößert werden kann (Gutachten, S. 20 ff., 24, 27). Dies hat der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten dadurch veranschaulicht, dass er beispielhaft ein Torelement mit einem bezüglich der Tormittenebene symmetrischen zahnartigen Vorsprung, bei dem der Winkel der geraden Flanken auf beiden Seiten 60° beträgt, mit Torelementen verglichen hat, bei denen die vorderseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde, und Torelementen gegenüber gestellt hat, bei denen die hinterseitige Flanke des Vorsprungs um 5° bzw. 10° geneigt wurde. Wie sich aus der nachfolgend wiedergegebenen zeichnerischen Darstellung ergibt, verkürzt sich im Vergleich mit der symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs der Verschwenkwinkel bei den Beispielen, bei denen die Vorderflanke geneigt wurde, und vergrößert sich bei den Beispielen, bei denen die Hinterflanke geneigt wurde (Gutachten, S. 20):
41
Vor diesem Hintergrund erschloss es sich dem Fachmann, wie sich aus den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, dass die bezüglich der Tormittenebene symmetrische bzw. im Wesentlichen symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs kein notwendiges Merkmal ist, um Fingerverletzungen zu vermeiden.
42
Die Beklagte und die Nebenintervenientin übersehen jedoch, dass der Fachmann diese Erkenntnisse nicht dem Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Unterlagen entnehmen konnte, sondern sich selbige ihm nach Kenntnisnahme der Anmeldung erst aufgrund eigener von seinem Fachwissen getragener Überlegungen erschlossen haben. Denn in den Anmeldungsunterlagen findet sich weder ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass auch Torelemente mit einem bezüglich der Tormittenebene nicht im Wesentlichen symmetrischen zahnartigen Vorsprung zur Erfindung gehören sollen, noch handelte es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit, die aus Sicht des Fachmanns ohne weiteres "mitgelesen" worden ist. Vielmehr hat auch der gerichtliche Sachverständige im Termin bestätigt, dass der Fachmann die Ausführungen in der Anmeldung zunächst als solche hinnahm und erst durch auf die Anmeldung aufbauende eigenständige Erwägungen zu dem Schluss gelangen konnte, dass die erfindungsgemäß angestrebten Ziele auch mit einer nicht im Wesentlichen symmetrischen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs erreicht werden können, zumal der Fachmann im Bereich der Produktionstechnik allgemein dazu neigt, symmetrische nicht-symmetrischen Formgestaltungen vorzuziehen.
43
Hinzu kommt, dass es nach den weiteren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus Sicht des Fachmanns jedenfalls bei geraden Flanken durchaus sinnvoll war, den Verschwenkwinkel nicht zu groß werden zu lassen , weil dann ein ungünstiger größerer Abstand zwischen der Vorderflanke des Vorsprungs des einen Torelementes und der korrespondierenden Flanke der Vertiefung des anderen Torelementes entsteht (vgl. jeweils den Abstand (k) bei den oben wiedergegebenen, aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen stammenden beispielhaften Darstellungen der symmetrischen und der zur Hinterseite geneigten zahnartigen Vorsprünge). Daher stellte die symmetrische Gestaltung des zahnartigen Vorsprungs auch aus allgemein fachlicher Sicht einen guten Kompromiss dar, um einerseits den maximalen Kantenabstand nicht zu groß werden zu lassen und dabei gleichzeitig einen ausreichend großen maximalen Verschwenkwinkel zu ermöglichen (Gutachten, S. 24, 27).

44
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten und Nebenintervenientin geht nicht in unzulässiger Weise über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
45
a) Die Klägerin zu 3 meint, der Fachmann habe den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht entnehmen können, dass das Gelenk des Scharniers "vollständig" in der hinteren Ausnehmung aufgenommen sei (Merkmal 8). Für den Fachmann sei nicht erkennbar gewesen, dass dieses Teilmerkmal zur Erzielung der angestrebten Wirkung von Vorteil sei. Eine weitere unzulässige Erweiterung sei darin zu sehen, dass Merkmal 8 während des Erteilungsverfahrens dahin geändert worden sei, dass "die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert" sei. Die ursprünglichen Unterlagen enthielten keine Offenbarung hinsichtlich des Abstandes der Schwenkachse zu dem Vorsprung. Die beanspruchte Annäherung der Schwenkachse an den Vorsprung ergebe sich auch nicht zwangsläufig aus dem Versatz der Schwenkachse vor die Hinterfläche der Elemente. Vielmehr könne ein solcher Versatz auch zu einer Vergrößerung des Abstandes zur Spitze des Vorsprungs führen.
46
Die Argumente der Klägerin zu 3 greifen nicht durch. In der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung wird dem Fachmann im Hinblick auf die in Figur 5 (die identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 2 des Streitpatents ist) gezeigte Ausführung erläutert, dass diese nicht nur an der Vorderseite eine Ausnehmung 15 aufweist, sondern auch an der Hinterseite eine Ausnehmung 20 vorgesehen ist (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 40 ff.). Sodann heißt es, dass "diese hintere Ausnehmung 20 ..., wie ersichtlich, das Gelenk eines Scharniers 14 aufnehmen [kann], wodurch die Schwenkachse a vor die Hinter- fläche 11 der Elemente 1, 1' zu liegen kommt" (Streitpatentanmeldung, Sp. 3, Z. 42 ff.). Zutreffend ist, dass an dieser Stelle nicht ausdrücklich offenbart wird, dass das Scharniergelenk vollständig von der hinteren Ausnehmung aufgenommen wird. Dies ergibt sich jedoch für den Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige im Termin erläutert hat, ohne weiteres aus dem Bezug zur Figur 5 der Anmeldung, welche ein vollständig von der hinteren Ausnehmung 20 aufgenommenes Scharniergelenk zeigt. Denn zum Offenbarungsgehalt gehört auch, was der Fachmann aus den Zeichnungen als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmen kann (Sen.Urt v. 21.4.2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 933 - Druckmaschinen-Temperierungssystem II).
47
Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Figur 5 wie auch bei den anderen Zeichnungen der Anmeldungsunterlagen um eine schematische Darstellung handelt (vgl. Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 19 ff.). Denn, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat (Gutachten, S. 34), erkennt der Fachmann aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrungen , dass in Abhängigkeit von den verschiedenen Faktoren der konkreten Ausgestaltung (z.B. die Breite des Torblattes, die Höhe des Vorsprungs, der erforderliche Verschwenkwinkel der Torelemente, die Größe des Gelenks, etc.) die in Figur 5 der Anmeldung gezeigte vollständige Aufnahme der Schwenkachse durch die hintere Ausnehmung eine mögliche Lösung für die Anordnung der Schwenkachse ist.
48
Zutreffend weist die Klägerin zu 3 darauf hin, dass die Anmeldungsunterlagen keine Angaben zum Abstand zwischen der Schwenkachse (a) und dem Vorsprung infolge der vollständigen Anordnung des Scharniergelenks in der hinteren Ausnehmung enthalten. Zudem ist ihr darin zuzustimmen, dass die Verlegung der Schwenkachse (a) vor die rückseitige Kante (11) der Torelemente - bei rein theoretischer Betrachtungsweise - nicht zwangsläufig eine Annäherung der Schwenkachse (a) an den Vorsprung (7) zur Folge hat. Wie jedoch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat (Gutachten, S. 34), erschloss es sich dem Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse, dass ein Versatz, der die Schwenkachse vom Vorsprung entfernt, die Gefahr des Fingereinklemmens erhöht, weil sich dadurch der maximale Kantenabstand vergrößert und der maximal zulässige Verschwenkwinkel verkleinert, weshalb dieser eine solche Lösung nicht in Betracht zog. Daher war es für ihn - bei Beachtung der mit der Erfindung angestrebten Ziele - sehr wohl zwangsläufig, dass mit der vollständigen Aufnahme des Scharniergelenks in der hinteren Ausnehmung (20) eine Annäherung der Schwenkachse (a) an den Vorsprung (7) einhergeht und zu gehen hat.
49
b) Die Klägerin zu 3 vertritt zudem die Ansicht, dass der Gegenstand des Streitpatents dadurch unzulässig erweitert worden sei, dass in dessen Beschreibung folgender weiterer Absatz aufgenommen worden sei: "Dadurch, dass die Schwenkachse benachbarter Torelemente innerhalb der hinteren Ausnehmung gelegen ist, also der Zahnspitze angenähert wurde, können benachbarte Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt, der zu Verletzungen führen könnte, öffnet" (Streitpatent, Sp. 2, Z. 34 ff.).
50
Wie bereits ausgeführt, ist zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung der Gegenstand des Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Dabei wird der Gegenstand des Patents durch die Patentansprüche bestimmt, wobei Beschreibung und Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche mit heranzuziehen sind (§ 14 PatG). Eine Passage in der Beschreibung oder eine Zeichnung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen ist, kann demnach nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt (ähnlich zur Schutzbereichserweiterung nach § 22 Abs. 1 Alt. 2 PatG: Benkard/Rogge, PatG, 10. Aufl., § 22 PatG Rdn. 21 a.E.).
51
Das ist bei der von der Klägerin zu 3 beanstandeten Einfügung nicht der Fall. Diese Stelle, die nicht in den ursprünglichen Unterlagen enthalten war, bezieht sich auf das Merkmal 8 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, wonach durch die vollständige Aufnahme des Scharniergelenks (14) in der hinteren Ausnehmung (20) die Schwenkachse (a) dem Vorsprung (7) bzw. der Vertiefung (13) angenähert ist und vor die Hinterflächen (11) der Torelemente (1, 1') zu liegen kommt. Insoweit ist ihr zu entnehmen, dass durch die mit der Verlegung der Schwenkachse in die hintere Ausnehmung einhergehende Annäherung der Schwenkachse an die Zahnspitze (des Vorsprungs) benachbarte Torelemente vergleichsweise stark abgewinkelt werden können, ohne dass sich hinter dem Zahn ein größerer Spalt öffnet, der zu Verletzungen führen könnte (vgl. Streitpatentschrift, Sp. 2, Z. 34 ff.).
52
Die beanstandete Angabe führt nicht deshalb zu einer unzulässigen Erweiterung , weil hierin ausdrücklich auf die Zahnspitze des Vorsprungs als Bezugspunkt für die Annäherung der Schwenkachse Bezug genommen wird, während in Merkmal 8 lediglich die Annäherung der Schwenkachse an den Vorsprung bzw. die Vertiefung erwähnt wird. Denn wie bereits dargelegt, wird Merkmal 8 bereits im Rahmen der Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents vom Fachmann dahin verstanden, dass sich die Schwenkachse der Zahnspitze des Vorsprungs annähert, so dass aus der nach § 14 Satz 2 PatG gebotenen Heranziehung des eingefügten Absatzes kein anderes, eine unzulässige Erweiterung begründendes Verständnis des in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Gegenstandes folgen kann.
53
Wie der gerichtliche Sachverständige zudem bestätigt hat (Gutachten, S. 35 i.V.m. S. 29 ff.), ermöglicht es eine Annäherung der Lage der Schwenkachse an die Zahnspitze tatsächlich, den Verschwenkwinkel bei einem vorgegebenen Öffnungsabstand zu vergrößern. Ein erweiterndes Verständnis des Merkmals 8 bzw. der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags ergibt sich auch daraus nicht.
54
c) Die Klägerin zu 3 meint schließlich, dass in der Hinzufügung der Figur 3 in das Streitpatent sowie in der Umformulierung des Beschreibungsteils in Spalte 3, Zeilen 25 - 35 des Streitpatents eine unzulässige Erweiterung zu sehen sei.
55
Auch insoweit kann ihr nicht beigetreten werden. Zutreffend ist, dass die Figur 3 des Streitpatents als solche nicht zu den Figuren der ursprünglichen Unterlagen gehört. Die Anmeldung enthält vielmehr die Figur 5, welche identisch mit der oben wiedergegebenen Figur 2 des Streitpatents ist, sowie darüber hinaus unter anderem die Figuren 2 und 3, welche nachfolgend wiedergegeben werden:
56
Die Figur 3 des Streitpatents entspricht also insoweit der Figur 3 der Anmeldung, als diese ein Torelement, welches in einer vorhergehenden Figur in geschlossenem Zustand gezeigt wird, in verschwenkter Position darstellt. Figur 3 des Streitpatents weicht insoweit von Figur 3 der Anmeldung ab, als nicht eine Figur 2 der Anmeldung entsprechende Figur in verschwenkter Position gezeigt wird, sondern eine Figur 2 des Streitpatents (die wiederum mit Figur 5 der Anmeldung identisch ist) entsprechende Figur in verschwenkter Position. Mit dieser Abweichung sind Detailunterschiede in der Darstellung verbunden, wie etwa eine stärker geneigte Anordnung des oberen Torelementes bzw. ein größerer Verschwenkwinkel bei Figur 3 des Streitpatents (ca. 50°) im Vergleich mit Figur 3 der Anmeldung (ca. 45°). Diese Unterschiede gehen jedoch nicht über das hinaus, was für den Fachmann bereits in der ursprünglichen Anmeldung in den Figuren 2, 3 und 5 sowie in der Beschreibung (Streitpatentanmeldung , Sp. 3, Z. 42 ff.) zu erkennen war, weil sie Folge des einfachen Verschwenkens des oberen Torabschnitts aus Figur 5 der ursprünglichen Anmeldung sind, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat (Gutachten, S. 36). Erst recht ergibt sich daraus kein erweiterndes Verständnis der Lehre aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten.
57
Gleiches gilt auch für die von der Klägerin zu 3 beanstandete Umformulierung. Zutreffend ist, dass sich diese Stelle in den ursprünglichen Unterlagen auf Figur 3 der Anmeldung bezogen hat, während diese nunmehr die mit dieser nicht identische Figur 3 des Streitpatents betrifft. Diesbezüglich wird im Wesentlichen erläutert, dass bei einem Verschwenken der Elemente im Bogenbereich der Führungsschienen 4 nur ein geringer Öffnungsabstand (d) entsteht, der verhindert, dass Finger zwischen die Ränder benachbarter Elemente gelangen und verletzt werden können, wobei dieser Effekt durch die ansteigende Flanke 10 unterstützt wird (vgl. einerseits: Streitpatentanmeldung, Sp. 2, Z. 68 ff. und andererseits: Streitpatent, Sp. 3, Z. 25 ff.). Diese Erläuterungen treffen gleichermaßen für die Figur 3 der Anmeldung wie für die (veränderte) Figur 3 des Streitpatents zu. Ein erweitertes Verständnis des Gegenstandes aus Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrages erwächst daraus nicht.
58
III. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrages der Beklagten erweitert nicht unzulässig den Schutzbereich des Streitpatents (§§ 81, 22 Abs. 1 Alt. 2 PatG).
59
Die Klägerin zu 3 meint, eine unzulässige Schutzbereichserweiterung liege vor, weil das in Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags in Merkmal 6 aufgenommene Teilmerkmal, dass der zahnartige Vorsprung bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet ist, im erteilten Patent weder in der Beschreibung noch in den Figuren offenbart sei.


60
In dieser Bewertung kann ihr im Ergebnis nicht zugestimmt werden.
61
Der Patentinhaber kann sein Patent im Nichtigkeitsverfahren beschränken. Er darf aber weder dessen Schutzbereich erweitern, noch an die Stelle der ihm erteilten patentgeschützten Erfindung eine andere setzen. Die Einfügung eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist nicht zulässig, wenn es dort zwar erwähnt, in seiner Bedeutung für die im Anspruch definierte Erfindung jedoch nicht erkennbar ist. Mit anderen Worten muss dieses Merkmal in der Beschreibung als zu der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Erfindung gehörig zu erkennen sein. Andernfalls würde sich der Patentanspruch dann nicht mehr auf die ursprünglich beanspruchte Erfindung beziehen , sondern auf ein davon wesensverschiedenes "Aliud", was vor allem mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht mehr vereinbar wäre (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; vgl. auch Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; jeweils m.w.N.).
62
In dem hier zu entscheidenden Fall wird der Schutzbereich durch die Ergänzung des Merkmals 6, dass der Vorsprung nicht nur "zahnartig", sondern darüber hinaus auch "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet sein soll, nicht erweitert, weil dadurch die Verwirklichung der in Patentanspruch 1 geschützten Lehre an eine zusätzliche Bedingung geknüpft wird.
63
Durch die Einfügung des Teilmerkmals wird aber auch an die Stelle der patentgeschützten Erfindung kein "Aliud" gesetzt. Zutreffend weist die Klägerin zu 3 darauf hin, dass weder der Beschreibung des Streitpatents in der erteilten Fassung noch dessen Zeichnungen unmittelbar eine Ausgestaltung entnommen werden kann, bei welcher der zahnartige Vorsprung der Torelemente bezüglich der Tormittenebene symmetrisch mit unwesentlichen Abweichungen ausgebildet ist. Allerdings wird in der Beschreibung im Hinblick auf das in den Figuren 2 und 3 des Streitpatents gezeigte erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel erwähnt und ist Gegenstand von Unteranspruch 5, dass die Blechschalen, aus denen die Torelemente hergestellt sein können, "völlig identisch" ausgebildet sein können, was zu einer Vereinfachung der Herstellung führt (Streitpatent , Sp. 3, Z. 47 ff.; Sp. 5, Z. 10 ff.). Dies impliziert aus Sicht des Fachmanns - im Sinne einer vorteilhaften Ausführung nach dem erteilten Patent - die bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausbildung des zahnartigen Vorsprungs der Torelemente. Entsprechend weist auch das in den Figuren 2 und 3 des Streitpatents in geschlossenem und verschwenktem Zustand beispielhaft gezeigte Torelement einen bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrisch ausgebildeten Vorsprung auf. Entnimmt der Fachmann also einerseits Patentanspruch 1, dass die Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs der Torelemente in das freie Belieben des Anwenders gestellt wird, und wird er andererseits durch einen Unteranspruch, die Beschreibung und die Zeichnungen dahin belehrt, dass die bezüglich der Tormittenebene exakt symmetrische Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs vorteilhaft sein kann, so erschließt es sich ihm auch als zur Erfindung gehörend und stellt es kein "Aliud" dar, den Vorsprung bezüglich der Tormittenebene "lediglich" im Wesentlichen symmetrisch auszubilden.
64
IV. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten ist neu (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1, 3 PatG).


65
a) Die Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags wird nicht durch die US-Patentschrift 2 372 792 (Anlage K 7) aus dem Jahr 1945 offenbart, weil der Fachmann dieser die Merkmale 2 und 8 nicht entnehmen kann. Die Entgegenhaltung zeigt in den nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 25 und 26 den Verbindungsbereich von Hubgliedertoren (Sektionaltoren) wie sie als Überkopf-Konstruktion für Garagen oder andere vergleichbare Gebäude verwendet werden können.


66
Für den Fachmann folgt aus der Erwähnung der Überkopf-Konstruktion für Garagen oder andere vergleichbare Gebäude auch implizit, dass das Tor mit Hilfe von Führungszapfen oder -rollen, in seitlichen Führungsbahnen, die das Tor aus einer vertikalen Geschlossenstellung über einen Bogen in eine horizontale Offenstellung führen. Die einzelnen aus Holz bestehenden Torelemente (89, 90) sind jeweils mit einem Scharnier (91) auf der Innenseite anein- ander befestigt. An den Stirnseiten der Elemente sind Metallprofile angeschlagen , über die zwischen den angrenzenden Paneelen im Anschluss an konvex oder konkav ausgebildete Oberflächenbereiche eine Nut-Feder-Verbindung ausgebildet ist. Entsprechend ist an dem oberen Rand jedes Torelements (90) ein zahnartiger Vorsprung (95) vorgesehen und weist der untere Rand jedes Torelements (89) eine dem Vorsprung des benachbarten Torelements angepasste Vertiefung (93) auf (vgl. Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 29 ff.). Der zahnartige Vorsprung ist jedoch in etwa bogenförmig und damit nicht im Wesentlichen symmetrisch ausgebildet (Merkmal 6). Beim Verschwenken der Torelemente (89, 90) im Bogenbereich der Führungsbahn ist der Öffnungsspalt, wie aus Figur 26 und der Beschreibung (Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 38 ff.) hervorgeht, so gering, dass ein Einklemmen des Fingers ausgeschlossen ist. Der zahnartige Vorsprung (95) verfügt auch über eine bis zur Zahnspitze ansteigende Vorderflanke (95a) und eine von der Spitze abfallende Hinterflanke. Letztere fällt jedoch nicht bis zur vertikalen Hinterfläche des Torelementes ab, sondern endet auf einer horizontalen Fläche, welche durch den stirnseitigen Abschluss des Torelementes bzw. des an dieses angeschlagenen Metallprofils gebildet wird (Merkmal 3). Das Gelenk des Scharniers (91) ist auf der Hinterfläche der Torelemente angeordnet und wird somit nicht vollständig von einer hinteren Ausnehmung aufgenommen (Merkmal 8). Zudem offenbart die Entgegenhaltung nicht, wie das Hubgliedertorblatt in der Torkonstruktion geführt ist (Merkmal 2).
67
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 geht auch nicht aus der USPatentschrift 3 891 021 (Anlage K 3) hervor. Dieser Veröffentlichung konnte der Fachmann ein Hubgliedertor mit den Merkmalen 1 und 2 entnehmen, wie sich ohne weiteres aus den nachfolgend gezeigten Figuren 1 bis 4 ergibt:
68
Am oberen Rand weisen die Torelemente (panel sections 24, 26, 28) einen lippenartig geformten Abschnitt (lip portion 36) auf, während sie am unteren Rand über einen schulterartig geformten Abschnitt (shoulder portion 42) verfügen. Wie aus Figur 3 der Entgegenhaltung ersichtlich, haben der lippenartig und der schulterartig geformte Abschnitt (lip portion 36, shoulder portion 42) einen gleich dimensionierten bogenförmigen Querschnitt und greifen in zusammengesetztem Zustand derart ineinander, dass der schulterartig geformte Abschnitt (shoulder portion 42) auf dem lippenartig geformten Abschnitt (lip portion 36) gleiten kann (vgl. Anlage K 3, Sp. 6, Z. 24 ff.). Der lippenartige Abschnitt (lip portion 36) des Torelementes (panel section 26) ist zwar ein Vorsprung , aber nicht "zahnartig" und erst recht nicht "bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch" ausgebildet (Merkmal 6). Der schulterartige Abschnitt (shoulder portion 42) des Torelementes (panel section 24) ist keine dem Vorsprung des benachbarten Torelementes angepasste Vertiefung (Merkmal 7), weil diese, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, of- fensichtlich nicht zur gegenseitigen Abstützung des jeweils benachbarten Torelements geeignet sind (Gutachten S. 31). Darüber hinaus sind zwar der Bolzen und die Zylinder des Scharniergelenks (hinge pin 74, barrel portions 72, 74) von der Ausnehmung (recess 40) aufgenommen (vgl. auch Anlage K 3, Sp. 3, Z. 35 ff.; Patentanspruch 1 c, Sp. 8, Z. 55 f.; Figur 2), nicht aber die Kanten des Scharniers sowie dessen rückwärtige Flächen, die auf den Rückfronten der Torelemente (panel section 24, 26) angeordnet sind, so dass das Gelenk des Scharniers im Ergebnis nur teilweise in der hinteren Ausnehmung aufgenommen ist. Zudem führt die teilweise Aufnahme des Gelenks in die hintere Aussparung (recess 40) aufgrund der in den Figuren 2 und 5 gezeigten zentrischen Anordnung des bogenförmigen Vorsprungs (lip portion 36) und der Bauteile des Scharniers (hinge pin 74, barrel portions 72, 74) zu keiner Annäherung an den Vorsprung. Eine solche Annäherung wird nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen (Gutachten S. 44) erst durch eine Verringerung des Radius des Vorsprungs bewirkt.
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2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des 3. Hilfsantrags wird auch nicht durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt (§§ 81, 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1 PatG)
70
Ausgehend von der in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift 2 372 792 gezeigten und in deren Beschreibung erläuterten Ausgestaltung ergab es sich für den Fachmann nicht, den zahnartigen Vorsprung (95) nach Maßgabe der Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags umzugestalten. Der Fachmann sah sich bereits deshalb nicht dazu veranlasst, die Hinterflanke des zahnartigen Vorsprungs (95) von der Zahnspitze bis zur Hinterfläche des Elementes abfallen zu lassen (Merk- mal 3) bzw. den zahnartigen Vorsprung (95) bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch auszubilden (Merkmal 6), weil die in der Entgegenhaltung offenbarte Lösung es bereits aufgrund der in etwa bogenförmigen Ausgestaltung des zahnartigen Vorsprungs (95) und der diesem entsprechenden Ausnehmung (93) vorteilhaft ermöglicht, dass beim Verschwenken der Torelemente (89, 90) im Bogenbereich der Führungsbahn bloß ein Öffnungsabstand (d) auftritt, der das Einklemmen eines Fingers ausschließt (vgl. Anlage K 7, S. 6, l. Sp., Z. 45 ff.). Der gerichtliche Sachverständige hat dies durch seine Angabe in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass im Hinblick auf den Fingerschutz wie auf die zuverlässige Abdichtung aus fachlicher Sicht keinerlei Defizite der aus dem US-Patent bekannten Stirnseitengestaltung zu erkennen waren.
71
Dem steht auch nicht entgegen, dass dem Fachmann in dem 1983 bekannt gemachten deutschen Gebrauchsmuster 83 01 609 (Anlage K 11) im Hinblick auf benachbarte Rollladenelemente mitgeteilt wird, dass die Ausgestaltung der oberen Stirnseite der Elemente mit von der Spitze beidseits bis zur Vorder- bzw. Hinterfläche abfallenden Flächen verhindert, dass Wasser, das zwischen die Flächen gelangt ist, durch die Neigung der Flächen wieder ablaufen kann. Denn zum Einen verhindert bereits der an der Vorderseite angeordnete zahnartige Vorsprung (95) des in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift gezeigten Elementes, dass beim gegenseitigen Verschwenken der Elemente überhaupt Wasser den Bereich hinter dem zahnartigen Vorsprung erreichen kann. Aber selbst wenn es der Fachmann gleichwohl noch, den Gedanken aus dem deutschen Gebrauchsmuster aufgreifend, für erforderlich gehalten haben sollte, die hintere Flanke des zahnartigen Vorsprungs (95) in Abänderung der Offenbarung aus der US-Patentschrift bis zur Hinterfläche des Ele- mentes abfallend auszugestalten, hätte er immer noch keine Veranlassung gehabt , den zahnartigen Vorsprung bezüglich der Tormittenebene im Wesentlichen symmetrisch auszugestalten.
72
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Feststellungen dazu, ob es für den Fachmann nahegelegen hat, wenigstens das Gelenk des Scharniers (91) des in den Figuren 25 und 26 der US-Patentschrift gezeigten Elementes so anzuordnen, dass es vollständig in einer hinteren Ausnehmung aufgenommen ist (Merkmal 8).
73
V. Der Klägerin zu 3 kann auch nicht in dem - erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten - Argument zugestimmt werden, dass der Beklagten ein Rechtsschutzinteresse an der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags unter dem Gesichtspunkt der Doppelpatentierung fehle, wenn das Patent 39 04 918, dem die Stammanmeldung zugrunde liegt, aus der das vorliegende Streitpatent durch Teilung hervorgegangen ist, in dem zu dem hiesigen Verfahren parallelen Berufungsnichtigkeitsverfahren X ZR 27/06 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 vom Senat aufrechterhalten wird.
74
Zwar hat der Senat am Tag der Verkündung des hiesigen Urteils in dem parallelen Berufungsnichtigkeitsverfahren X ZR 27/06 die Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 zurückgewiesen und damit das Patent in dieser Fassung aufrechterhalten. Die Klägerin zu 3 übersieht in ihrer Argumentation jedoch, dass von einer Doppelpatentierung schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil sich einerseits Patentanspruch 1 des Patents 39 04 918 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 und Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents in der Fassung des 3. Hilfsantrags der Beklagten darin unterscheiden, dass in erstgenanntem gefordert wird, dass der am oberen Rand jedes Torelementes befindliche zahnartige Vorsprung eine von der Vorderfläche des Torelementes ausgehende , bis zur Zahnspitze ansteigende (abfallende) Vorderflanke aufweist, während in letztgenanntem lediglich vorgesehen ist, dass die Vorderflanke bis zur Spitze ansteigt. Nach der Lehre aus Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents ist es also dem Fachmann freigestellt, die Vorderflanke des zahnartigen Vorsprungs nicht von der Vorderfläche des Torelementes ausgehen zu lassen, sondern etwa von einer horizontalen Randfläche am oberen Rand des Torelementes.
75
Andererseits lehrt allein Patentanspruch 1 des hiesigen Streitpatents, das Gelenk des Scharniers vollständig in der hinteren Ausnehmung aufzunehmen , wodurch die Schwenkachse dem Vorsprung bzw. der Vertiefung angenähert ist und vor der Hinterfläche der Torelemente zu liegen kommt. Der Lehre aus Patentanspruch 1 des Patentes 39 04 918 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 28. September 2005 steht es also nicht entgegen, das Gelenk des Scharniers nicht vollständig in die hintere Ausnehmung aufzunehmen , so wie dies beispielsweise in den oben wiedergegebenen Figuren 2, 3 und 6 der Streitpatentanmeldung gezeigt ist, welche identisch mit den Figuren 2, 3 und 6 des Patents 39 04 918 sind.

76
Es ist mithin weder eine Identität des Gegenstandes von Patentanspruch 1 des Patentes 39 04 918 mit dem des Streitpatentes festzustellen, noch ist dies umgekehrt der Fall. Der Tatbestand der Doppelpatentierung ist nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund kann es mangels Entscheidungsrelevanz dahingestellt bleiben, ob der Kläger im Nichtigkeitsverfahren bei eingeschränkter Verteidigung des Streitpatents durch den Beklagten überhaupt zulässigerweise geltend machen kann, dass dem Beklagten das Rechtsschutzinteresse an der eingeschränkten Aufrechterhaltung des Patents unter dem Gesichtspunkt der Doppelpatentierung fehlt (vgl. zum fehlenden Rechtsschutzinteresse an einer mehrfachen identischen Patentierung im Erteilungsverfahren: Sen.Beschl. v. 14.3.2006 - X ZB 5/04, GRUR 2006, 748, 750 - Mikroprozessor; Benkard/ Melullis, PatG, 10. Aufl., § 1 PatG, Rdn. 74i).

77
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 97, 91, 92, 101 ZPO.
Scharen RichteramBundesger ichtshof Gröning AsendorfistinRuhestandgetretenundkanndeshalbnicht unterschreiben. Scharen Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 29.09.2005 - 2 Ni 9/04

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird durch Klage eingeleitet. Die Klage ist gegen den im Register als Patentinhaber Eingetragenen oder gegen den Inhaber der Zwangslizenz zu richten. Die Klage gegen das ergänzende Schutzzertifikat kann mit der Klage gegen das zugrundeliegende Patent verbunden werden und auch darauf gestützt werden, daß ein Nichtigkeitsgrund (§ 22) gegen das zugrundeliegende Patent vorliegt.

(2) Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des Patents kann nicht erhoben werden, solange ein Einspruch noch erhoben werden kann oder ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Klage auf Erklärung der Nichtigkeit des ergänzenden Schutzzertifikats kann nicht erhoben werden, soweit Anträge nach § 49a Abs. 4 gestellt werden können oder Verfahren zur Entscheidung über diese Anträge anhängig sind.

(3) Im Falle der widerrechtlichen Entnahme ist nur der Verletzte zur Erhebung der Klage berechtigt.

(4) Die Klage ist beim Patentgericht schriftlich zu erheben. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die Gegenpartei beigefügt werden. Die Klage und alle Schriftsätze sind der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen.

(5) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sind anzugeben. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfang, so hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Das gerichtliche Aktenzeichen eines das Streitpatent betreffenden Patentstreits und dessen Streitwert sollen angegeben werden.

(6) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Kosten des Verfahrens Sicherheit; § 110 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend. Das Patentgericht setzt die Höhe der Sicherheit nach billigem Ermessen fest und bestimmt eine Frist, innerhalb welcher sie zu leisten ist. Wird die Frist versäumt, so gilt die Klage als zurückgenommen.

(1) Das Patent wird auf Antrag (§ 81) für nichtig erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe vorliegt oder der Schutzbereich des Patents erweitert worden ist.

(2) § 21 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 104/06 Verkündet am:
23. Oktober 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 12. Juli 2006 unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war zuletzt Inhaberin des deutschen Patents 37 14 115 (Streitpatents), das im Verlauf des Berufungsverfahrens durch Ablauf der Schutzdauer erloschen ist. Es umfasste sieben Ansprüche, von denen allein der erste mit der Nichtigkeitsklage angegriffen wird. Dieser lautet: "1. Münzschloss mit einer Kopplungseinrichtung, zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, das auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln frei stehender Transportwagen untereinander und/oder ein An- und Abkoppeln von Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt mit dieser Sammelstelle verbunden sind, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Münzschloss mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind."
2
Nach den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sollte der kennzeichnende Teil von Patentanspruch 1 lauten: "Münzschloss …, g e k e n n z e i c h n e t durch folgendes Merkmal: das Münzschloss ist zumindest mit einem Schiebegriffabschnitt ausgestattet."
3
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommen wird, hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage insoweit für nichtig erklärt, als es im kennzeichnenden Teil über folgende Fassung hinausgeht: "Münzschloss …, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Münzschloss mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind, w o b e i im Falle eines Schie- begriffabschnitts ein Endbereich der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts ist und wobei im Fall von zwei Schiebegriffabschnitten zwei Endbereiche die Endbereiche der Schiebegriffabschnitte sind."
5
Gegen das Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Die Klägerin erstrebt mit ihrem weiterverfolgten erstinstanzlichen Hauptantrag sowie mit einem zusätzlichen Hilfsantrag eine weitergehende Teilnichtigerklärung des Streitpatents; die Beklagte begehrt mit ihrem Rechtsmittel die Abweisung der Klage. Beide Parteien beantragen, das jeweilige Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:



6
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage, während das Rechtsmittel der Klägerin ohne Erfolg bleibt.
7
I. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents zulässig, weil die Klägerin von der Beklagten als Patentverletzerin in Anspruch genommen wird und sie deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st. Rspr., vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 24.4.2007 - X ZR 201/02, Mitt. 2007, 269 - Verpackungsmaschine

).


8
II. Der Nichtigkeitsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG i. V. mit § 22 PatG ist weder in dem vom Bundespatentgericht im angefochtenen Urteil angenommenen , noch in dem von der Klägerin mit der Berufung erstrebten Umfang gegeben.
9
1. Das Streitpatent betrifft ein Münzschloss mit einer Kopplungseinrichtung zum Anbau an Transportwagen, insbesondere an Einkaufswagen, die auf Pfandbasis ein An- und Abkoppeln von Transportwagen ermöglicht, die mit einer fest installierten Sammelstelle direkt oder über weitere Transportwagen indirekt verbunden oder vereinzelt abgestellt worden sind. Die Streitpatentschrift führt aus, Münzschlösser zur Befestigung an solchen Transportwagen seien zwar bekannt; durch die diesen Wagen eigentümliche Form sei es aber nicht einfach, diese Schlösser an geeigneter Stelle so anzubringen, dass die Wagen sowohl problemlos ineinander geschoben als auch bequem gehandhabt werden könnten. Ein Münzschloss etwa entsprechend der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 rage aufgrund seiner Größe teilweise in den Ladebereich des Einkaufskorbs hinein, so dass die eingekaufte Ware beim Verstauen im Korb von der Griffseite des Wagens her immer um das Münzschloss herum bewegt werden müsse. Andere Münzschlösser seien zwar kleiner und ließen sich an dem im rückwärtigen Bereich des Einkaufswagens befindlichen Griff auch befestigen. Jedoch würden etwa Schlösser nach Art des deutschen Gebrauchsmusters 81 21 677 mittig am Griff so befestigt, dass sie, wenn die Einkaufswagen mit einem Kindersitz ausgestattet seien, störend in den Bereich dieses Sitzes hineinragten. Der Nachteil der in der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 gezeigten Schlösser bestehe darin, dass sie außen an den Korbseitenwänden befestigt werden müssten, wodurch der seitliche Platzbedarf des Wagens zunehme. Schließlich müssten alle diese Münzschlösser mit Hilfe von Befestigungselementen an den Transportwagen angebracht werden. Bei Massenartikeln wie Einkaufswagen summiere sich die pro Wagen für die Schlossmontage erforderliche Zeit zu einem kostenträchtigen Zeitaufwand.
10
Nach der Streitpatentschrift soll die Erfindung einerseits die zum Anbringen eines Münzschlosses anfallende Montagezeit auf ein Minimum reduzieren, andererseits sollen der Raum für ein beispielsweise in einem Einkaufswagen mitgeführtes Kleinkind durch das Münzschloss nicht in unzumutbarer Weise verkleinert und das Be- und Entladen eines Transportwagens nicht behindert werden.
11
Dazu schlägt Patentanspruch 1 vor, dass das mit einer nicht näher beschriebenen Kopplungseinrichtung zum An- und Abkoppeln von Einkaufs- und sonstigen Transportwagen versehene Münzschloss 1. mit einem oder mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist und 2. dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt sind.
12
Die nachfolgend abgebildeten Figuren der Streitpatentschrift zeigen: ein Münzschloss mit zwei Schiebegriffabschnitten (Figur 1), ein Münzschloss mit einem Schiebegriffabschnitt (Figur 2) und eine Befestigungsmöglichkeit des Münzschlosses an einem Transportwagen (Figur 3):
13
2. Der Gegenstand des Streitpatents geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus.
14
a) Der Gegenstand der Anmeldung darf bei der Aufstellung des Patentanspruchs abweichend von den ursprünglichen Unterlagen formuliert und beschränkt werden. Den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG füllen entsprechende Änderungen erst aus, wenn der Gegenstand der Anmeldung erweitert oder ein aliud an die Stelle der angemeldeten Erfindung gesetzt wird (BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer); der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, der nicht von vornherein als zur Erfindung gehörend von den Anmeldungsunterlagen umfasst war (Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49 ff. - Drehmomentübertragungseinrichtung; Sen.Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 f. - Einkaufswagen II). Ob ein solcher Fall vorliegt, ist durch Vergleich des Gegenstands des erteilten Patents mit den ursprünglichen Unterlagen zu ermitteln. Darin offenbart ist alles, was sich dem fachkundigen Leser ohne Weiteres aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen erschließt (Sen.Urt. v. 22.5.2007 - X ZR 56/03, Mitt. 2007, 411 Tz. 12 - injizierbarer Mikroschaum). Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche formulierte technische Lehre. Ihr Gehalt ist durch Auslegung unter Heranziehung der Beschreibung zu ermitteln (§ 14 Satz 2 PatG). Durch die Berücksichtigung der Beschreibung soll sichergestellt werden, dass der tatsächliche Sprachgebrauch des Patents hinreichend beachtet und dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Patentschriften im Hinblick auf die in ihnen verwendeten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen können und dass die Beschreibung gleichsam als Wörterbuch dienen kann (BGHZ 150, 149, 155 f. - Schneidmesser I; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 14 Rdn. 22; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 14 Rdn. 67).
15
b) Der in Patentanspruch 1 formulierte Lösungsvorschlag überschreitet den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht.
16
aa) Das in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Münzschloss bezieht sich, anders als es der allgemeine Sprachgebrauch zunächst erwarten lässt, nicht isoliert auf die auf Pfandbasis funktionierende Kopplungseinrichtung für die Transportwagen. Den Teil des Münzschlosses, in dem diese Kopplungseinrichtung untergebracht ist, bezeichnet das Streitpatent durchgängig als "Münzschlossgehäuse". Das Münzschloss i. S. des Streitpatents stellt demgegenüber ein komplexes Bauelement dar, welches aus dem die Kopplungseinrichtung aufnehmenden Münzschlossgehäuse und einem oder zwei Schiebegriffabschnitten besteht, die entweder direkt an das Gehäuse angeformt oder - nach einer Ausführung (Anspruch 4) - lösbar daran befestigt sind. Dieses einheitliche Bauteil ist dafür vorgesehen, in einem Arbeitsgang quer an den seitlich an der Rückseite des Transportwagens angebrachten Tragarmen bzw. deren Schlaufen montiert zu werden. Die Verwendung eines solchen integralen Bauteils, das zwei funktionale Erfordernisse - Abkopplungsmöglichkeit des Wagens gegen Pfand einerseits und Schiebevorrichtung andererseits - gleichermaßen erfüllt, soll die in der Beschreibung dargelegten technischen Probleme lösen, namentlich den Zeitaufwand für das Anbringen eines separaten Münzschlosses einzusparen helfen. Das gilt auch für Ausführungen nach Unteranspruch 4 des Streitpatents, wonach die Schiebegriffabschnitte nach dieser Ausführungsform lösbar - die Beschreibung spricht beispielsweise von bajonettartigen Verschlüssen (Sp. 3 Z. 52-60) - mit dem Münzschlossgehäuse verbunden sein können. Damit will das Streitpatent nur eine Konstruktions- und Herstellungsvariante für das - nach wie vor integral verstandene - Münzschloss anbieten.
17
bb) Für das Verständnis der im Merkmal 2 der obigen Merkmalsgliederung bezeichneten "Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen" ergibt sich aus dem Münzschlossbegriff des Streitpatents, dass der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts zwangsläufig immer zugleich Endbereich des (einheitlichen) Münzschlosses ist. Liegt das Münzschlossgehäuse nach einer bevorzugten Ausführungsform mittig zwischen zwei symmetrisch angeordneten Schiebegriffabschnitten, so sind unter den Endbereichen des Münzschlosses die Endbereiche dieser beiden Schiebegriffabschnitte zu verstehen. Ist aus Platzgründen eine seitliche Anbringung des Schlosses am Transportwagen erforderlich und deshalb am Münzschlossgehäuse lediglich ein Schiebegriffabschnitt vorgesehen, so dass beide Hände einer den Wagen schiebenden Person auf einer Seite neben dem Münzschloss Platz finden (vgl. Beschreibung Sp. 2 Z. 46-54), sind die Endbereiche des Münzschlosses im Sinne von Patentanspruch 1 zum einen der Endbereich des (einzigen) Schiebegriffabschnitts und zum anderen der Endbereich des Münzschlossgehäuses. Ein Münzschloss, das in dieser Weise lediglich mit einem Schiebegriff ausgestattet ist, wird, wie Figur 2 des Streitpatents zeigt, an der dem Griffabschnitt abgewandten Seite mit dem äußeren Ende des Münzschlossgehäuses am Transportwagen befestigt.
18
cc) Soweit es die Befestigung des Münzschlosses betrifft, erfasst der Gegenstand des Patents diese beiden Modalitäten. Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht angenommen, in Patentanspruch 1 fehle gegenüber der ursprünglichen Offenbarung das Merkmal, dass Endbereiche des Münzschlosses zur Befestigung an den Transportwagen bestimmt seien, wobei im Falle eines Schiebegriffabschnitts ein Endbereich der Endbereich eines Schiebegriffabschnitts sei und im Fall von zwei Schiebegriffabschnitten zwei Endbereiche die Endbereiche dieser Schiebegriffabschnitte seien.
19
Die vom Bundespatentgericht angenommene Diskrepanz zwischen dem Inhalt von Patentanspruch 1 und den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen besteht nicht. Was als Merkmal 2 in den endgültigen Patentanspruch aufgenommen wurde, ist vollständig und als zur Erfindung gehörend in diesen Unterlagen enthalten und war deshalb Gegenstand der ursprünglichen Offenbarung. Die Aufnahme dieses Merkmals in den Text des Patentanspruchs hat deshalb weder den Gegenstand der Anmeldung erweitert noch ist dadurch an die Stelle der angemeldeten Erfindung (partiell) eine andere gesetzt worden.
20
In den ursprünglichen Unterlagen ist entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts nicht allein die Befestigung des Münzschlosses an den Endbereichen der Schiebegriffe offenbart, sondern auch die Befestigung des Münzschlossgehäuses (direkt) am Transportwagen. In den Erläuterungen zu Figur 3 (vgl. Offenlegungsschrift Sp. 4 Z. 48-68) wird zunächst die Befestigung eines Schiebegriffabschnitts beschrieben und danach ausgeführt, das Münzschloss werde mit beiden Endbereichen jeweils auf die beschriebene Art und Weise an den Griffkappen und damit am Einkaufswagen befestigt (aaO Z. 64-68). Das Bundespatentgericht will diese Passage nur als Offenbarung der Befestigung von Schiebegriffabschnitten gelten lassen, nicht aber auch als Offenbarung für die Anbringung des Schlosses an der Gehäuseseite direkt am Transportwagen. Für eine solche Einschränkung bietet der Wortlaut der Anmeldung jedoch weder Raum noch Veranlassung. Da ein Münzschloss mit einem Schiebegriffabschnitt (Figur 2) schon ursprünglich vorgesehen war und bei einer solchen Ausführung ein Endbereich zwangsläufig im Endbereich des Münzschlossgehäuses besteht, bezieht sich der Vorschlag, das Schloss mit beiden Endbereichen auf die beschriebene Art und Weise am Wagen zu befestigen, zwanglos und unmittelbar auch auf die direkte Befestigung des Münzschlossgehäuses am Wagen. Ins Detail gehende Anweisungen dazu, wie das Befestigungselement am Schlossgehäuse auszugestalten ist, waren nicht erforderlich. Die in Anmeldung und Streitpatent offenbarte Befestigung des Münzschlosses am Wagen ist ohnehin nur beispielhaft angeführt und nicht wesentlich für die Bestimmung des Gegenstands von Patentanspruch 1. Sie bleibt in erster Linie dem Fachmann überlassen, der das Befestigungsproblem ohne Einsatz schöpferischer Tätigkeit zu lösen weiß.
21
3. Das Begehren der Klägerin, das Streitpatent im Umfang ihres erstinstanzlichen Hauptantrags für nichtig zu erklären, ist nicht gerechtfertigt. Die Klägerin stellt zwar nicht in Abrede, dass ein Münzschloss mit nur einem Schiebegriffabschnitt ursprünglich offenbart ist, ist aber gleichwohl mit dem Bundespatentgericht der Auffassung, der in den Anmeldungsunterlagen verwendete Begriff der Endbereiche bezeichne ausschließlich Endbereiche von Schiebegriffabschnitten. Sie will daraus herleiten, Patentanspruch 1 dürfe ohne Verstoß gegen das Erweiterungsverbot nur ein Münzschloss unter Schutz stellen, das mit zwei Schiebegriffabschnitten ausgestattet ist, deren beide dem Schlossgehäuse abgewandten Endbereiche zur Befestigung am Transportwagen bestimmt sind. Dem kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil, wie ausgeführt (insb. II. 2. b) cc)), die Prämisse der Klägerin nicht zutrifft, der ursprünglichen Anmeldung sei kein zur Befestigung am Transportwagen geeigneter Endbereich des Münzschlosses (i. S. des Streitpatents) zu entnehmen. Im Übrigen kann ein dem Gegenstand des Streitpatents entsprechendes Münzschloss nicht an einer Seite mit dem Endbereich des Münzschlossgehäuses zur Befestigung am Transportwagen bestimmt sein und gleichzeitig mehrere Schiebegriffabschnitte haben, sondern es hat dann zwangsläufig nur einen solchen Griffabschnitt.
22
4. Aus den gleichen Gründen bleibt auch der von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. mit § 121 Abs. 2 PatG.

Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.07.2006 - 4 Ni 43/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 30/02 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Einkaufswagen II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. c; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3
Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der
erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und
deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m.
Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist die durch die Patentansprüche definierte
Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu
vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit
das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren
umfaßt. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen
kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung
in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 30/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. November 2001 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 199 274 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 199 274 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Offenlegungsschrift 35 15 069 vom 26. April 1985 angemeldet worden ist.
Es betrifft einen "Transportwagen" und umfaßt sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
"Transportwagen, der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Ware vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist, wobei in seinem Griffbereich ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist, das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Münzschloß im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet ist und sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff abstützt."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und sei deshalb für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. H.
schriftliches ein Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund , der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ, Art. 123 Abs. 2 EPÜ), liegt vor.
1. Das Streitpatent betrifft einen Transportwagen, wie er beispielsweise als Einkaufswagen in Supermärkten zum Einsatz kommt, wo er von Kunden auf Pfandbasis benutzt werden kann. Mehrere solcher Wagen können ineinandergeschoben und aneinandergekoppelt werden. Die Koppelungseinrichtung ist im
Griffbereich des Wagens angeordnet und weist ein Münzschloß auf, in das die Pfandmünze eingesteckt werden kann. Damit betätigt der Kunde - meistens unter Verwendung einer Kette - eine Steckverbindung zum nächsten Wagen und kann einen Wagen von den übrigen trennen.
Die Lehre des Streitpatents befaßt sich mit der Anordnung des Münzschlosses an einer geeigneten Stelle des Wagens.
Die Streitpatentschrift geht davon aus, daß es bei Wagensammel- und Ausleihsystemen durch die den Einkaufswagen eigentümliche Form nicht einfach sei, die Münzschlösser an geeigneten Stellen anzubringen, nämlich so, daß sowohl das Ineinanderschieben als auch die bequeme Handhabung des Einkaufswagens erhalten bleibe (Sp. 1 Z. 26-31).
Bei der Lösung nach der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 bestehe die Schwierigkeit darin, daß das Münzschloß wegen seiner Größe teilweise in den Ladebereich des Korbs rage, so daß beim Beladen von der Griffseite des Einkaufswagens aus die Ware immer um das Münzschloß herum bewegt werden müsse (Sp. 1 Z. 31-39). Die in der deutschen Offenlegungsschrift 29 00 367 und dem deutschen Gebrauchsmuster 81 21 677 beschriebenen Münzschlösser seien kleiner und ließen sich am Griff des Einkaufswagens befestigen ; es bestehe jedoch die Gefahr, daß sie entweder mit Absicht um die Griffachse verdreht würden oder daß sie sich im Laufe der Zeit lockerten und ihre Lage veränderten (Sp. 1 Z. 39-49). Die Münzschlösser nach Art des deutschen Gebrauchsmusters 81 21 677 würden mittig am Griff des Einkaufswagens angebracht und ragten dadurch bei einem mit einem Kindersitz ausgestatteten Wagen störend in diesen Kindersitz hinein (Sp. 1 Z. 49-53). Der Nach-
teil der in der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 vorgeschlagenen Münzschlösser bestehe schließlich darin, daß diese außen an den Korbseitenwänden befestigt würden, was beispielsweise beim Passieren des engen Durchgangs an der Kasse zu Schwierigkeiten führen könne (Sp. 1 Z. 54-63).
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die geschilderten Nachteile zu vermeiden und das Münzschloß so anzuordnen, daß es den für ein im Wagen mitzuführendes Kleinkind vorgesehenen Raum nicht verkleinere, daß das Be- und Entladen der zur Aufnahme der Ware vorgesehenen Einrichtung nicht behindert werde, daß es ferner nicht mutwillig in seiner Lage veränderbar sei und daß sich schließlich seine Lage im Laufe der Zeit nicht durch Gebrauchseinflüsse von selbst ändere (Sp. 1 Z. 64 - Sp. 2 Z. 8). Das Streitpatent schlägt dazu einen Transportwagen vor,
1. der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Waren vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist,
2. wobei im Griffbereich des Transportwagens ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist,
3. das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt;
4. das Münzschloß ist
4.1 im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet und
4.2 stützt sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff ab.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung trifft keine näheren Aussagen dazu, wo das Münzschloß "im Bereich" der beiden Grifftragarme anzuordnen ist. Beansprucht ist daher nicht nur eine Anordnung des Münzschlosses oberhalb der beiden Grifftragarme, sondern jede beliebige Anordnung in deren Bereich , also auch auf gleicher Höhe oder unterhalb der Grifftragarme, sofern die Anordnung nur in räumlicher Nähe zu den Grifftragarmen erfolgt.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung geht damit über den Inhalt der Anmeldung hinaus, denn Anordnungen in gleicher Höhe und unterhalb des Grifftragarms sind nicht Teil der Offenbarung der Anmeldung; die in den ursprünglichen Unterlagen offenbarte Lehre ist auf eine Anordnung des Schlosses unmittelbar oberhalb eines Griffarms beschränkt.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich dem Fachmann des Betreffenden Gebietes der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt (so für die Rechtslage in Deutschland vor 1978 BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I m.w.N.).
Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist der Gegenstand des
erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne daß dabei den Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt (Sen.Urt. v. 03.12.1991 - X ZR 101/89, GRUR 1992, 157, 158 f. - Frachtcontainer; Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, der geänderte Lösungsvorschlag solle von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt werden.
Der Gegenstand der Anmeldung darf im Erteilungsverfahren bei der Aufstellung des Patentanspruchs daher anders formuliert beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung de s Gegenstands der Anmeldung führen (Sen. BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Unterlagen nicht erkennen kann, daß die darin enthaltene Offenbarung von vornherein ihn als zur Erfindung gehörend erkennen ließ (vgl. Sen.Beschl. v. 05.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Beschl. v. 11.09.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung; vgl. ferner EPA - T 255/88, EPOR 1992, 87 - Befestigungsvorrichtung für Fassadenelemente; EPA - T 192/89, EPOR 1990, 287 - Dispositif d' homogénisation; EPA - T 270/89, EPOR 1991, 540 - Splash bar method). Eine solche Zuordnung ist für die im erteilten Patentanspruch bezeichnete Anordnung des Münzschlosses nicht zu erkennen.
In den Anmeldungsunterlagen wird die Aufgabe der Erfindung wie in der Streitpatentschrift angegeben. Zur Lösung dieser Aufgabe gibt die Anmeldung eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme an. Soweit die Beschreibung sich mit Angaben zur Lage des Schlosses befaßt, sind der Anmeldung wiederum nur Hinweise zu einer Anordnung in dieser Weise zu entnehmen (S. 4 Z. 23 ff.), wobei sich die Einschränkung, daß die beschriebene Anordnung bevorzugt sei, zwanglos mit der Anordnung auf der Seite des Wagens in Verbindung bringen läßt. Dem entspricht auch der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1, wonach der Einkaufswagen allein dadurch gekennzeichnet sein soll, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme angeordnet ist. Hierzu wird in der Beschreibung ausgeführt, das Münzschloß werde in einem Bereich angeordnet, der nicht anderweitig bereits für die Funktion oder für das Bewegen des Einkaufswagens vonnöten sei (S. 3 Z. 5 ff.).
Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen, soweit dieser ausgeführt hat, der Fachmann, bei dem es sich um einen Techniker mit Konstruktionserfahrungen handele, entnehme der Anmeldung, daß das Münzschloß im Bereich Grifftragarm/Griff anzuordnen ist, damit es sich sowohl an einem der beiden Grifftragarme als auch am Griff abstützen kann. Dies kommt in Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung durch Verwendung der Worte "im Bereich eines der beiden Grifftragarme" zum Ausdruck. Darin erschöpfen sich die Angaben in der Anmeldung über die erfindungsgemäße Anordnung des Münzschlosses jedoch nicht.
Denn solche Anordnungen, bei denen zwar eine solche Abstützung möglich ist, das Münzschloß sich jedoch in gleicher Höhe oder unter dem Griff-
tragarm befindet, entnahm der Fachmann nicht den Anmeldungsunterlagen. Diese geben nicht nur an, daß die Anordnung des Münzschlosses dadurch gekennzeichnet sei, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der Grifftragarme angeordnet ist; allein ein solche Lage findet sich auch in sämtlichen Abbildungen. Neben dem Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgage durch eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme (S. 3 Z. 1-3), wird als besonderer Vorteil hervorgehoben, daß durch die Inanspruchnahme des seitlich über dem Griff befindlichen Raums zur Unterbringung des Münzschlosses der unter dem Griff befindliche Bereich zum Zwecke des Ineinanderschiebens mehrerer Einkaufswagen voll erhalten bleibt und das Be- und Entladen des Korbs nicht nachteilig beeinflußt wird (S. 3 Z. 22-29). Auch bei der Erläuterung der Zeichnungen wird an verschiedenen Stellen stets betont, daß der wesentliche Teil des Münzschlosses, so die Kopplungseinrichtung und die Geldeinwurf - und -ausgabeöffnung, sich über dem Grifftragarm befinden (S. 4 Z. 23-32; S. 7 Z. 1-5; S. 7 Z. 13-16). Soweit in der weiteren Beschreibung eine Anordnung "im Bereich" der Grifftragarme angesprochen wird, ist dem keine beliebige Lage im Verhältnis zu den Grifftragarmen zu entnehmen; es handelt sich hier jedoch um die Verwendung sprachlicher Alternativen zur Bezeichnung des gleichen Gegenstandes. Daß weiterhin eine unmittelbare Lage oberhalb des Grifftragarms gefordert wird, ergibt sich auf S. 5 Z. 20 etwa daraus, daß der angesprochene Schacht, der das eigentliche Münzschloß trägt, in seiner Kontur dem Grifftragarm angepaßt wird und diesen bei der Befestigung des Schlosses aufnimmt. Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang zudem jeweils auf die Abbildungen, die das Schloß allein in einer Lage unmittelbar oberhalb des Grifftragarms zeigen. Das gilt auch für die auf S. 8 angesprochenen Bereiche.

Der Fachmann hatte im Zeitpunkt der Anmeldung auch keine Veranlassung , diese Aussagen in den Anmeldungsunterlagen zu relativieren und die Anordnung des Münzschlosses mit einem wesentlichen Teil unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme nur als eine mögliche Anordnung anzusehen. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargestellt hat, war angesichts der damaligen Größe der Münzschlösser, wie in den Zeichnungen der Anmeldung dargestellt, eine Behinderung beim Ineinanderschieben der Wagen die Folge, wenn eine andere Anordnung des Schlosses als im wesentlichen über einem der Grifftragarme, insbesondere eine solche unterhalb eines der Grifftragarme, gewählt worden wäre. Danach war eine solche andere Anordnung nicht Teil der Offenbarung, wie sie in den Anmeldungsunterlagen Ausdruck gefunden hat. Sie war für den Fachmann aus der Anmeldung nicht zu entnehmen. Da sie von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dagegen umfaßt wird, ist dieser auf einen Gegenstand gerichtet, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen konnte, daß er von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt sein sollte.
Daher geht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Streitpatents über den Gegenstand der Anmeldung hinaus mit der Folge, daß das Streitpatent für nichtig zu erklären ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.