Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2006 - X ZR 175/01

bei uns veröffentlicht am11.04.2006
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 10/00, 19.04.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 175/01 Verkündet am:
11. April 2006
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Stretchfolienhaube
EPÜ Art. 56
Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer
Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen
, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten
Richtung zu erwarten sind.
BGH, Urt. v. 11. April 2006 - X ZR 175/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 ist wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 des europäischen Patents 0 399 540 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt worden ist.
Im Übrigen wird das Urteil des Bundespatentgerichts auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin zu 1 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 0 399 540 wird im Umfang des Patentanspruchs 3 und der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese auf Patentanspruch 3 rückbezogen sind, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der gerichtlichen Kosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten erster Instanz. Die übrigen Kosten erster Instanz tragen die Klägerin zu 1 zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
Die Klägerin zu 2 trägt ½ der bis zur Klagerücknahme entstandenen Verfahrensgebühren sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz. Von den übrigen Kosten zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1 9/10 und die Beklagte 1/10.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 25. Mai 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung P 39 17 110.8-27 vom 26. Mai 1989 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilen europäischen Patents 0 399 540 (Streitpatent), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mit einer Stretchfolienhaube sowie eine hiermit zu bildende Verpackungseinheit betrifft. Das Streitpatent wurde vom Europäischen Patentamt im Einspruchsverfahren beschränkt aufrecht erhalten.
2
In seiner geltenden Fassung (Streitpatentschrift EP 0 399 540 B2) umfasst das Streitpatent sieben Patentansprüche, von denen die Klägerin zu 1 die Ansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7, die Klägerin zu 2 die Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 7 angegriffen haben. In der Verfahrenssprache Deutsch haben die Patentansprüche 1 bis 3, 6 und 7 folgenden Wortlaut: "1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut/den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht") wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit einer Quernaht (13) versehen wird, deren Länge (= "Ideallänge") im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist wobei in Fällen, in denen die (Zuführ-)Breite (B) des Seitenfaltenschlauches (1) ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbe- reich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die aus dem Seitenfaltenschlauchabschnitt gebildete Haube (1') nach dem Legen der Quernaht (13) so gedehnt wird, dass das die Seitenflächen der Dehnfolienumhüllung bildende Folienmaterial an allen Seitenflächen im wesentlichen gleichmäßig gedehnt wird.
6. Ladeeinheit aus Stückgut, welches mit einer aus Dehnfolie (= "Stretchfolie") bestehenden Haube umhüllt ist, die aus einem Seitenfaltenschlauch gebildet ist, der einen um wenigstens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist , und der vor dem Dehnen (= "Stretchen") mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht versehen worden ist, gebildet mittels eines (Arbeits-)Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3 und/oder mittels einer Vorrichtung gemäß Ansprüchen 4 oder 5, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der ungedehnten Quernaht (13) wenigstens ca. 95 % der zur Quernaht (13) parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt.
7. Ladeeinheit nach Anspruch 6, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Länge (L) der Quernaht (13) im wesentlichen gleich der Breite (1) des Stückgutstapels (2) ist."
3
Beide Klägerinnen haben im Wesentlichen übereinstimmend geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus und die Erfindung werde nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sie sind des weiteren der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei, und berufen sich hierzu auf folgende Veröffentlichungen: - US-Patentschrift 4 050 219 (Anlage K1 der Klägerin zu 1, Anlage 4 der Klägerin zu 2); - Prospekt "Clearly the Best Alternative" des Unternehmens TNT (Anlage K12 der Klägerin zu 1, Anlage 5 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "Prospekt Clearly"); - Prospekt "TNT Stretch'n Shrink User Guide" (Anlage K13 der Klägerin zu 1, Anlage 6 der Klägerin zu 2; im Folgenden: "TNT User Guide"); - Prospekt "Stretch Packaging" der Kurt Lachenmeier A/S (Anlage K15 der Klägerin zu 1, Anlage 7 der Klägerin zu 2; im Folgenden : "Prospekt Lachenmeier").
4
Die Klägerin zu 1 hat weiter genannt: - deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052 (Anlage K2); - Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture!" aus der Zeitschrift "Modern Materials Handling", September 1976 (Anlage K17).
5
Ferner hat sie als Anlage K14 ein Videoband (englischer Text mit deutscher Übersetzung in Anlage K14a/b) zu den Akten gereicht und vorgetragen, dieses Videoband sei vor dem Prioritätstag des Streitpatents von Mitarbeitern von TNT Interessenten vorgeführt worden. Der in dem Videofilm sowie in den Prospekten gemäß Anlage K12 und K13 gezeigte Gegenstand sei durch TNT bereits vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Die Klägerin zu 2 hat den Prospekt "COMPTEX" (Anlage 8 a, K 21) in das Verfahren eingeführt.
6
Die Klägerinnen haben übereinstimmend beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 sowie 6 und 7 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
7
Die Klägerin zu 2 hat darüber hinaus beantragt, das Streitpatent auch im Umfang des Patentanspruchs 5 für nichtig zu erklären.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen, hilfsweise hat sie das Streitpatent nach Maßgabe der Hilfsanträge 1 bis 4 gemäß Anlagen 1 bis 3 zur Sitzungsniederschrift des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 verteidigt.
9
Die Beklagte hat die Vorveröffentlichung des Videos gemäß Anlage K14 bestritten und ist der Klage auch im Übrigen entgegengetreten.
10
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1, 3 und 5 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese Ansprüche auf die Patentansprüche 1, 3 oder 5 rückbezogen sind, für nichtig erklärt und die Klagen im Übrigen abgewiesen.
11
Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Klägerinnen Berufung eingelegt. Die Klägerin zu 2 hat im Berufungsrechtszug die Klage zurückgenommen. Die Beklagte hat erklärt, dass sie die Patentansprüche 3 und 5 nicht mehr verteidigt.
12
Die Beklagte beantragt, 1. das Urteil des Bundespatentgerichts vom 19. April 2001 dahingehend abzuändern, dass das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang seines Patentanspruches 1 sowie der Patentansprüche 6 und 7, soweit diese beiden Ansprüche auf den Patentanspruch 1 zurückbezogen sind, bestätigt wird (also insgesamt im Umfang seiner Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 7), und die Klagen im Übrigen abzuweisen ; 2. hilfsweise, den Patentanspruch 1 und die auf ihn zurückbezogenen Patentansprüche 6 und 7 mit der Maßgabe zu bestätigen , dass im Kennzeichen des Patentanspruches 1 (Sp. 10, Z. 42, der B2-Schrift) zwischen den Worten "... zu umhüllenden Stückgutes/Stückgutstapels (2) ist", und den Worten "wobei in Fällen..." die Worte "wobei die Länge (L) der Quernaht (13) wenigstens ca. 85 - 90 % der zu ihr parallelen Breite (I) des Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist; und" eingefügt werden.
3. Weiter hilfsweise verteidigt die Beklagte die Patentansprüche 1 und 2 in folgender Fassung:
"1. Verfahren zum Umhüllen von Stückgut/Stückgutstapeln (2) mit einer Haube (1') aus Stretchfolie, bei dem aus einem von einem Vorrat zugeführten, dehnbaren ("stretchbaren") Seitenfaltenschlauch (1), der im Bevorratungs- und Zuführzustand zwei einander parallele, eng benachbarte ersten Seitenflächen (4, 4) bestimmter (Zuführ-)Breite (B) sowie zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen (5, 5) aufweist und einen um wenigstens 10% geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut/der zu umhüllende Stapel (2) besitzt, vor dem Stretchen dadurch eine Haube (1') gebildet wird, dass der Seitenfaltenschlauch (1) mit Abstand zu seinem freien Ende mit einer Quernaht (13) abgeschweißt und hinter dem die Haube (1') bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt wird, wobei die Haube (1') zum Überziehen über das Stückgut /den Stückgutstapel (2) vollständig geöffnet und im we-
sentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt (= "gestretcht") wird, und wobei die Quernaht (13) in einer Länge (= "Ideallänge") ausgebildet werden soll, die im wesentlichen gleich der zur Quernaht (13) paralleler Breite (1) des zu umhüllenden Stückgutes /Stückgutstapels (2) ist, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Zuführbreite (B) des Seitenfaltenschlauches (1), die ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht (13) ist, vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens der obere Endabschnitt des (danach) die Haube (1') bildenden Abschnittes des Seitenfaltenschlauches (1) auf eine der Ideallänge der Quernaht (13) entsprechende Breite gebracht wird; und dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Seitenfaltenschlauch (1) vor dem Legen der Quernaht (13) wenigstens im oberen Endabschnitt auf eine Breite gebracht wird, die wenigstens ca. 95 % der zu ihr parallelen Breite (1) des Stückguts (2) beträgt."
sowie Patentanspruch 4 in der aus dem Schriftsatz vom 24. Januar 2006 ersichtlichen Fassung.
13
Im Übrigen beantragt die Beklagte, die Berufung der Klägerin zu 1 zurückzuweisen , das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist und der Klägerin zu 2 nach Rück- nahme der von ihr erhobenen Nichtigkeitsklage die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
14
Den zunächst mit Schriftsatz vom 12. November 2001 angekündigten zweiten Hilfsantrag hat die Beklagte nicht gestellt.
15
Die Klägerin zu 1 beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und das europäische Patent 0 399 540 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang des Anspruchs 2 und im Umfang der Ansprüche 6 und 7, soweit auf Anspruch 2 zurückbezogen, für nichtig zu erklären, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
16
Die Klägerin zu 1 vertritt die Auffassung, Patentanspruch 1 des Streitpatents beanspruche zwei verschiedene Lösungen. Die eine Lösung bestehe darin , dass der im Ursprungszustand gegenüber der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite schmalere Seitenfaltenschlauch vor dem Legen der Querschweißnaht so umgefaltet werde, dass seine Breite mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseite im Wesentlichen übereinstimme. Die dann gelegte Querschweißnaht sei zwangsläufig ebenfalls im Wesentlichen genauso lang wie die zu ihr parallelen Stapelseiten. Diese Lösung werde mit der Nichtigkeitsklage nicht angegriffen. Angegriffen werde die andere und wirtschaftlich interessante Lösung, nach der als Ausgangsmaterial ein Seitenfaltenschlauch verwendet werde, der von Haus aus eine Breite habe, die mit der Länge der zur Querschweißnaht parallelen Stapelseiten im Wesentlichen übereinstimme.
17
Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. Ing. D. G. F. , , eingeholt, das der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten des Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. D. A. , , vorgelegt.
18
Die Parteien haben nicht nachgelassene Schriftsätze zu den Akten gereicht , die dem Senat keine Veranlassung gegeben haben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Entscheidungsgründe:


19
Nachdem die Klägerin zu 2 ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen hat, ist das angefochtene Urteil wirkungslos, soweit Patentanspruch 5 für nichtig erklärt worden ist (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 269 Abs. 2, 3 ZPO). Dieser Patentanspruch ist allein von der Klägerin zu 2 angegriffen worden, nicht aber auch von der Klägerin zu 1.
20
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent bezüglich des Patentanspruches 3 nicht mehr verteidigt, was insoweit ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigerklärung führt (Sen.Urt. v. 12.10.2004 - X ZR 190/00, GRUR 2005, 233 - Paneelelemente m.N.). Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten begründet, weil nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden kann, dass der Gegenstand nach den Patentansprüchen 1 und 2 sowie nach den Patentansprüchen 6 und 7, soweit diese auf die Patentansprüche 1 und 2 rückbezogen sind, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). Insoweit ist die Nichtigkeitsklage der Klägerin zu 1 abzuweisen und ihre Berufung zurückzuweisen.
21
I. Patentanspruch 1 des Streitpatents betrifft ein Verfahren zum Umhüllen von Stückgut und Stückgutstapeln mittels eines schlauchförmigen Stretchfolienabschnitts.
22
1. Der Beschreibung des Streitpatents zufolge waren am Prioritätstag Verpackungsverfahren bekannt, bei denen das Stückgut mit Schrumpffolie umhüllt und nach dem Umhüllen mit Wärme beaufschlagt wird, wodurch sich die Folie unter Schrumpfung fest an das zu umhüllende Stückgut legt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0004). Ferner waren Wickelverfahren bekannt, bei denen Flachfolie um das zu umhüllende Stückgut gewickelt wird, sowie Verfahren, bei denen wenigstens eine Folienhaube über das zu umhüllende Stückgut gezogen und sodann an dieses geschrumpft wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0005). Das Streitpatent bezeichnet es als Nachteil der bekannten Schrumpffolienverfahren , dass bei ihnen eine Beaufschlagung mit Wärme zu erfolgen habe, was zu hohen Energiekosten führe, wegen der Beaufschlagung mit offener Flamme für bestimmte, insbesondere entflammbare Güter ungeeignet sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0006), aufgrund der erforderlichen Foliendicke einen hohen Materialeinsatz bedinge (Streitpatent Beschreibung Abs. 0007), als wenig umweltfreundlich angesehen werde, eine hohe Lärmbelästigung mit sich bringe (Streitpatent Beschreibung Abs. 0008) und schließlich ein Verkleben mit dem zu verpackenden Gut stattfinden könne (Streitpatent Beschreibung Abs. 0009).
23
Den weiteren Angaben der Beschreibung zufolge wurde diesen Nachteilen im Stand der Technik begegnet, indem an Stelle von Schrumpffolien Stretchfolien eingesetzt wurden, die keiner Wärmebeaufschlagung bedürfen und bei denen das Folienmaterial vor dem Umhüllen des zu verpackenden Stückguts gestretcht (gedehnt) wird (Streitpatent Beschreibung Abs. 0010). Insoweit war das Wickelstretchen bekannt, bei dem bahnförmige Stretchfolie um das zu umhüllende Gut gewickelt wird. An diesem Verfahren wird als nachteilig bezeichnet, dass die Ladungssicherheit unbefriedigend sei, weil entweder nur horizontale oder nur vertikale Spannkräfte entstünden. Umwickele man das Gut in beiden Richtungen, sei ein hoher Materialeinsatz erforderlich (Streitpatent Beschreibung Abs. 0011). Außerdem werde eine Flachfolie als Deckblatt benötigt (Streitpatent Beschreibung Abs. 0012). Ferner bezeichnet es das Streitpatent als nachteilig, dass die durch Wickelstretchen erhaltene Verpackung nicht hinreichend witterungsbeständig sei (Streitpatent Beschreibung Abs. 0013).
24
Die Beschreibung weist sodann darauf hin, dass bereits Verfahren entwickelt worden seien, bei denen das zu verpackende Gut mit einer Haube aus Stretchfolie überzogen werde. Bei diesen Verfahren, zu denen auch ein von der Beklagten und Wettbewerbern praktiziertes Verfahren gehöre, erfolge das Abschweißen des Folienabschnitts vor dem Stretchen und in einer Form, die praktisch der Bevorratungsbreite entspreche (Streitpatent Beschreibung Abs. 0014 bis 0017). Da die Schlauchfolie im nicht gestretchten Zustand bestimmungsgemäß nennenswert (z.T. ganz erheblich) kleiner sei als die Länge der Stirnseitenränder der zu umhüllenden Güter, werde die Schweißnaht bei dieser Arbeitsweise beim Stretchen zwangsläufig einer ganz erheblichen Dehnung unterworfen , und zwar nicht nur beim Querstretchen vor dem Umhüllen des Stapels , sondern auch danach, wenn die Haube fest am Stückgut anliege (Streitpatent Beschreibung Abs. 0018). Bei diesen Verfahren träten Probleme insbesondere an den Stellen auf, an denen die bei einer derartigen Schlauchfolien- haube im umhüllten Zustand zwangsläufig entstehenden Zipfel an der betreffenden Stirnseite des Stückgutstapels aufeinander lägen (Streitpatent, Beschreibung Abs. 0019).
25
Um dies zu vermeiden, sei bereits vorgeschlagen worden, die Folie vor dem Schweißen zu öffnen, horizontal zu stretchen und erst dann vom Folienvorrat abzutrennen und zu schweißen (deutsche Offenlegungsschrift 37 07 877). Dadurch ergebe sich eine Schweißnaht, deren Länge im Dehnungszustand vor dem Überziehen erheblich größer sei als die Länge der im umhüllten Zustand parallel zu der Schweißnaht verlaufenden Stirnseitenränder des zu umhüllenden Guts (Streitpatent Beschreibung Abs. 0020). Als nachteilig an diesem Verfahren sieht das Streitpatent an, dass die in dem Folienmaterial vorhandenen inneren Spannungen bei der beim Schweißvorgang erfolgenden Plastifizierung des Folienmaterials weitgehend verloren gingen, während sie im Übrigen Folienmaterial verblieben. Dadurch bestehe die Gefahr, dass es in den Grenzbereichen zwischen Schweißnaht und benachbartem Folienmaterial zu Ein- oder Abrissen kommen könne, insbesondere bei mehrfachem Umschlag der verpackten Güter (Streitpatent Beschreibung Abs. 0021).
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2. Diesem Nachteil soll durch die Lehre des Streitpatents abgeholfen und ein Verfahren bereitgestellt werden, bei dem die bisher im Schweißnahtbereich sowie in den benachbarten Bereichen auftretenden Probleme vermieden oder zumindest auf ein unschädliches Maß verringert werden.
27
Dies wird nach Patentanspruch 1 erreicht, indem wie folgt verfahren wird: 1. Zum Umhüllen von Stückgutstapeln wird eine Haube aus Stretchfolie gebildet.
2. Zum Bilden der Haube wird aus einem Vorrat dehnbarer ("stretchbarer") Seitenfaltenschlauch zugeführt, der im Bevorratungs - und Zuführzustand
a) zwei einander parallele, eng benachbarte Seitenflächen bestimmter (Zuführ-)Breite,
b) zwei dazwischen liegende, V-förmig nach innen gefaltete zweite Seitenflächen und
c) (vor dem Stretchen) einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut aufweist. 3. Die Haube wird vor dem Stretchen des Seitefaltenschlauchs zum Umhüllen des Stückguts (Stückgutstapels) gebildet. 4. Zum Bilden der Haube wird der Seitenfaltenschlauch
a) mit Abstand zu seinem freien Ende
b) mit einer Quernaht abgeschweißt, deren Länge ("Ideallänge" ) im Wesentlichen gleich der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts/Stückgutstapels ist, und
c) hinter dem die Haube bildenden Abschnitt von dem Vorrat abgetrennt. 5. Ist die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht, wird vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des (danach ) die Haube bildenden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht. 6. Nach dem Abtrennen des die Haube bildenden Abschnitts und der Bildung der Quernaht wird
a) die Haube zum Überziehen über das Stückgut (den Stückgutstapel ) vollständig geöffnet und

b) im Wesentlichen über die gesamte Länge auf das zum Überziehen erforderliche Maß gedehnt ("gestretcht"). 7. Die Dehnung erfolgt so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
28
Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend bekundet haben, versteht der Fachmann - ein Ingenieur , der auf einer Ingenieurschule, einer Fachhochschule oder einer technischen Universität eine Ausbildung auf dem Gebiet des Maschinenbaus erhalten hat, in der Regel über eine mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Förder- und Verpackungstechnik verfügt - und dem die Eigenschaften der zu verarbeitenden Folien entweder aus eigenem Wissen oder aufgrund von Informationen durch die Hersteller bekannt sind - die Angabe, die Quernaht der Stretchfolienhaube solle eine Länge aufweisen, die "im Wesentlichen" der Breite der zur Quernaht der Haube parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Stückguts oder Stückgutstapels entspricht, dahin, dass bei der Länge der Quernaht Toleranzen auftreten können, deren Ausmaß in Patentanspruch 1 offen gelassen ist. Daher legt der Fachmann diese Toleranzen, wenn er den Stapel so umhüllen will, dass keine vorstehenden Zipfel auftreten und übermäßige Spannungen in der Folie nach der Umhüllung des Stückguts vermieden werden, mit der erforderlichen und technisch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand machbaren Genauigkeit so fest, dass die Stretchfolienhaube nach dem Abschweißen der Quernaht und vor dem Überziehen des Stapels mit der Haube in einem solchen Maße gedehnt wird, dass sie sich unter Spannung der oberen Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich am Ende der Quernaht an das Stückgut anlegt.
29
Patentanspruch 1 enthält keine Anweisung, nach der der Seitenfaltenschlauch im Bevorratungs- und Zuführzustand eine bestimmte Breite aufzuweisen hat. Der Seitenfaltenschlauch des geschützten Verfahrens weist nach Merkmal 2 c zwar einen um mindestens 10 % geringeren Umfang als das zu umhüllende Stückgut auf. Wie die Erörterung des Patentanspruchs 1 mit den Parteien, dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Privatgutachter der Beklagten ergeben hat, ist in jedem Fall erforderlich, einen Seitenfaltenschlauch für die Durchführung des Verfahrens zu verwenden, der nach dem Öffnen und vor dem Stretchen der Folie mittels der dazu erforderlichen Finger oder dergleichen einen Umfang aufweist, der geringer ist als der Umfang der zu verpackenden Güter, damit nach dem Stretchen der Folie und dem Überziehen der Güter mit der gestretchten Haube Rückstellkräfte auftreten, die die Folie so um den Stapel legen, dass dieser mit Druck beaufschlagt wird und die verpackten Güter insbesondere während des Transports zusammengehalten werden. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass eine bestimmte Breite der Seitenfaltenschlauchfolie in ihrem Bevorratungs- und Zuführzustand geschützt ist. Denn auf welche Breite eine Seitenfaltenschlauchfolie, die den für die Umhüllung des Stückguts erforderlichen Umfang aufweist, gefaltet ist, bevorratet und dem Verfahren zugeführt wird, hängt davon ab, wie tief die V-förmigen und nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen (Merkmal 2 b) im Zuführzustand des Seitenfaltenschlauchmaterials ausgebildet sind. Je nach der Tiefe dieser Falten kann die Zuführbreite des den erforderlichen Umfang aufweisenden Schlauchmaterials im Bevorratungs- und Zuführzustand der der Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes entsprechen oder von ihr abweichen.
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Geschützt ist mithin ein Verfahren, bei dem Seitenfaltenschlauchfolie eines Mindestumfangs, der in Abhängigkeit von den zu umhüllenden Gütern steht, verwendet wird, und die im Zuführzustand auf beliebige Breite gefaltet sein kann. Die Haube aus diesem Folienmaterial wird vor dem Stretchen des Seitenfaltenschlauchs gebildet (Merkmal 3), indem das im Bevorratungszustand zusammengefaltete Folienmaterial in einer bestimmten Länge von dem Vorrat abgezogen (Merkmal 4 a) und dabei teilweise geöffnet wird. Die Beschreibung des Streitpatents weist den Fachmann in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das schlauchförmige Folienmaterial vor dem Abschweißen an seinem abzuschweißenden Endabschnitt so verformt wird, dass die beiden zueinander parallelen ersten Seitenflächen unter Verkleinerung oder Vergrößerung der V-förmigen, nach innen gefalteten zweiten Seitenflächen die gewünschte Länge der Schweißnaht aufweisen (Streitpatent Beschreibung Abs. 0027). Zwischen dem zusammengefalteten, in seinem Zuführzustand befindlichen Folienmaterial und dessen freiem Ende (Merkmal 4 a), in das die Mittel zum Abziehen und Stretchen der Folie eingreifen, liegt demzufolge ein Bereich, in dem der die Haube bildende Abschnitt des Folienmaterials eine vom Zuführund Bevorratungszustand abweichende Breite aufweist. In diesem Bereich wird der die Haube bildende Abschnitt mit einer Quernaht abgetrennt, deren Länge ("Ideallänge") im Wesentlichen gleich der parallelen Breite des zu umhüllenden Stückguts (Stückgutstapels) ist (Merkmal 4 b) und wobei das Abtrennen der Haube hinter dem die Haube bildenden Abschnitt erfolgt (Merkmal 4 c). Erst nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der fertigen Haube wird diese vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und auf das zum Überziehen des Guts erforderliche Maß gestretcht (Merkmal 6 b). Dabei erfolgt die Dehnung der fertigen Haube so, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Gut anlegen (Merkmal 7).
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Der Fachmann entnimmt daraus, dass er für die Ausführung des Verfahrens Schlauchmaterial mit dem erforderlichen Mindestumfang, in Relation zur Breite des zu verpackenden Gutes jedoch beliebiger Zuführbreite verwenden kann, wenn er den für die Bildung der Haube erforderlichen Folienabschnitt nach dem Abziehen der Folie von dem Vorrat und vor dem Stretchen der Haube an der Stelle mit einer Quernaht abschweißt, an der die Quernaht so lang bemessen ist, wie das zu umhüllende Gut breit ist (Merkmal 5). Auf diese Weise wird erreicht, dass die Länge der Quernaht nicht nur nach ihrem Abschweißen und Abtrennen vom Vorrat, sondern auch nach dem Stretchen und Umhüllen des zu verpackenden Gutes dessen Breite entspricht. Diese kann von der Breite gegebenenfalls verwendeter Paletten oder dergleichen abweichen und bei verschiedenen Gütern in den einzelnen Lagen unterschiedlich groß sein. Ist die Folie auf diese Weise auf die erforderliche Breite gebracht, die Quernaht in der erforderlichen Länge abgeschweißt und die dadurch gebildete Haube von dem Vorrat getrennt, wird die Haube vollständig geöffnet (Merkmal 6 a) und zur Umhüllung des zu verpackenden Gutes in dem erforderlichen Maß gestretcht.
32
Entgegen der von der Klägerin zu 1 vertretenen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörterten Auffassung ist mit Merkmal 5 kein gegenüber dem Merkmal 4 b selbständiges (alternatives) Verfahren geschützt. Denn das Verfahren nach Patentanspruch 1 lässt sich nicht in zwei alternative Verfahren aufspalten, bei denen im Verlauf des einen Verfahrens die Breite des Schlauchmaterials im Bevorratungszustand bereits der Breite der der Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts entspricht, so dass die Quernaht in der Bevorratungsbreite der Folie abgeschweißt und eine Anpassung der Länge der Quernaht an die Breite des zu umhüllenden Guts unterbleiben kann, wie dies nach den Angaben der Beschreibung im Stand der Technik praktiziert worden ist (Beschreibung Abs. 0017), und in ein alternatives Verfahren, in dem eine Anpassung in den Seitenlängen der Schlauchfolie erforderlich ist, um eine Quernaht in "Ideallänge" abzuschweißen. Merkmal 5, wonach dann, wenn die Zuführbreite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der abzuschweißenden Quernaht ist, vor dem Legen der Quernaht wenigstens der obere Endabschnitt des nach dem Abschweißen die Haube bil- denden Abschnitts des Seitenfaltenschlauchs auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite gebracht wird, enthält gegenüber Merkmal 4 b lediglich die zusätzliche Anweisung, dass es zur Erreichung der patentgemäßen Wirkungen, Zipfelbildung und übermäßige Spannungen im Bereich der Quernaht zu vermeiden, ausreicht, wenigstens den oberen Endabschnitt der Haube, an dem die Quernaht abgeschweißt wird, auf eine der Ideallänge der Quernaht entsprechende Breite zu bringen. Patentanspruch 1 enthält keine Angaben zu einem Umfalten der Seitenfaltenschlauchfolie, sondern weist den Fachmann an, die Quernaht in einer bestimmten Länge abzuschweißen (Merkmal 4 b), wobei es genügt, den Bereich des die Haube bildenden Abschnitts auf diese Länge zu bringen, an dem die Quernaht abgeschweißt wird. Die Angabe, "wenn die (Zuführ-)Breite des Seitenfaltenschlauchs ungleich der Ideallänge der zu bildenden Quernaht ist", lässt sich nicht dahin auslegen, wenn nach Merkmal 4 b verfahren werde, finde nur eine Folie Verwendung, die im Bevorratungszustand bereits auf die Breite der Ideallänge gefaltet sei, so dass eine Anpassung der Länge der Quernaht an das zu umhüllende Gut nicht erforderlich sei, und nur aus Merkmal 5 ergebe sich Schutz auch dafür, im Verlauf des Verfahrens die Länge der Quernaht auf die Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Guts einzustellen.
33
Soweit die Parteien darüber streiten, ob Patentanspruch 1 mit dem Merkmal 7, wonach die Dehnung der geöffneten Haube so erfolgt, dass sich die unteren Folienabschnitte an den Enden der Quernaht im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen, lediglich eine zwangsläufig eintretende Folge der patentgemäß ausgebildeten Quernaht oder ein eigenständiges Verfahrensmerkmal benennt, hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die Vermeidung von Zipfelbildung an den Enden der Quernaht regelmäßig mehr oder weniger deutlich eintritt , wenn die Quernaht die als Ideallänge bezeichnete Länge aufweist, und der Fachmann diese Wirkung durch ein stärkeres oder weniger starkes Stretchen der Haube optimieren kann.
34
II. Da die Auslegung des Patentanspruchs 1 ergibt, dass er ein einheitliches , nicht dagegen zwei alternative und voneinander unabhängige Verfahren zum Gegenstand hat, kann das Streitpatent nicht in der von der Klägerin erstrebten Weise teilweise für nichtig erklärt werden. Vielmehr ist das beanspruchte Verfahren in der Gesamtheit seiner Merkmale der Prüfung auf Patentfähigkeit zu Grunde zu legen. Da die Klägerin zu 1 beantragt hat, Patentanspruch 1 des Streitpatents für nichtig zu erklären, legt der Senat den Klageantrag der Klägerin bei dieser Sachlage dahin aus, dass sich die Klage gegen den Patentanspruch 1 insgesamt richtet, auch wenn die Klägerin erklärt hat, dass sich die Nichtigkeitsklage nicht gegen die von ihr als zweite Verfahrensvariante (Merkmal 5) bezeichnete Ausführungsform der beanspruchten Erfindung richten soll.
35
III. Der Nichtigkeitsgrund mangelnder Ausführbarkeit der Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ) liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin zu 1 nicht vor.
36
Welche Breite das zu verpackende Gut auf der der Quernaht parallelen Stirnseite hat, kann der Fachmann messen, so dass er die Länge der Schweißnaht entsprechend dieser Breite einstellen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin benennt Patentanspruch 1 die Breite, die zu messen ist, indem er sie als die "zur Quernaht parallele Breite" des zu umhüllenden Stückguts bezeichnet. Diese Breite ist, wie sich aus dem Ausführungsbeispiel entsprechend Fig. 3 des Streitpatents ergibt, die Breite des Stückguts oder Stückgutstapels , die parallel zu der abzuschweißenden Quernaht liegt.

37
Zu der Frage, wie das Verfahren ausgeführt werden kann, entnimmt der Fachmann dem - nicht angegriffenen - Patentanspruch 4, dass er die zum Öffnen und anschließenden Stretchen bestimmten Finger unter teilweisem Öffnen des Abschnitts der Seitenfaltenschlauchfolie, der später die Haube bildet, so weit in eine erste Betriebsstellung zu verfahren hat, bis sich eine Breite des Seitenfaltenschlauchs gleich oder geringfügig kleiner als die Breite des Stückgutstapels und damit im Wesentlichen gleich der Ideallänge der Quernaht ergibt. An dieser Stelle wird die Quernaht abgeschweißt. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist eine solche Führung der Mittel, mit denen der Folienabschnitt vom Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, dem Fachmann auch dann ohne weiteres möglich, wenn die Zuführbreite des Folienschlauchs größer als die Ideallänge der Quernaht ist. Denn der Fachmann erkennt, dass er in diesem Fall nicht - wie in der Ausführungsform der Erfindung nach Fig. 5 des Streitpatents dargestellt - vier Finger einsetzen muss, die in die vier äußeren Enden des gefalteten Folienschlauchs eingreifen und diesen unter Verzehr der V-förmig ausgebildeten Seiten öffnen, sondern zwei weitere Finger benötigt , die dafür sorgen, dass der V-förmig nach innen gefaltete Bereich der Schlauchfolie nicht verzehrt, sondern vergrößert wird, so dass sich die Zuführbreite des Schlauchmaterials verringert, bevor die Quernaht abgeschweißt, der Folienabschnitt abgetrennt und die Haube danach gestretcht wird.
38
Soweit die Klägerin zu 1 geltend gemacht hat, das Verfahren sei nicht ausführbar, weil das Streitpatent keine Mittel benenne, die verhindern, dass der Folienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube vom Vorrat herabfällt, und ein Nachreffen der teilweise geöffneten Haube vor dem Stretchen erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents bekannt geworden sei, übersieht sie, dass das Streitpatent keine Anweisung enthält, die in verschiedene Positionen verfahrbaren Finger oder dergleichen vor dem Ab- schweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube nur teilweise in den die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen zu lassen. Der Fachmann kann die Finger daher in der ersten Arbeitsposition so tief in den später die Haube bildenden Folienabschnitt eingreifen lassen, dass sie den später zu stretchenden Folienabschnitt insgesamt erfassen, und die Finger im ersten Arbeitsschritt nur so weit auseinanderfahren, wie dies zum Öffnen des Schlauchs für den Zweck, eine Quernaht mit der gewünschten Ideallänge zu bilden, erforderlich ist. Der die Haube bildende Folienabschnitt wird bei dem beanspruchten Verfahren erst nach dem Abschweißen der Quernaht vom Vorrat abgetrennt, so dass der die Haube bildende Folienabschnitt an der Bevorratung gehalten wird, bis die Finger oder dergleichen den Schlauchfolienabschnitt nach dem Abschweißen der Quernaht und dem Abtrennen der Haube von dem Vorrat in eine Kontur bringen, die der Kontur des zu umhüllenden Gutes entspricht.
39
IV. Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist auch nicht nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ für nichtig zu erklären ; der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.
40
Zur Feststellung, ob dieser Nichtigkeitsgrund (Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung) vorliegt, ist der Gegenstand des erteilten Patents mit der Gesamtheit des Inhalts der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu vergleichen und festzustellen, ob die ursprüngliche Offenbarung erkennen ließ, dass der geänderte Lösungsvorschlag dem Fachmann von vornherein als zur Erfindung gehörend offenbart worden ist, ohne dass den in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung formulierten Patentansprüchen die gleiche Bedeutung zukommt wie den Patentansprüchen des erteilten Patents (Sen. Urt. v. 5.7.2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 - Einkaufswagen II). Deshalb kann jedenfalls dann, wenn eine Ausführungsform der Erfindung in den ursprüngli- chen Unterlagen als besonders oder höchst bevorzugte Ausführungsform bezeichnet wird, diese zum Gegenstand des Hauptanspruchs gemacht werden.
41
In den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist offenbart, dass die Länge der Schweißnaht so gewählt wird, dass sie wenigstens ca. 85 bis 90 % der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu umhüllenden Stückgutes ist. Als bevorzugt werden wenigstens ca. 95 % dieser Länge genannt. Als höchst bevorzugt wird eine Länge der Schweißnaht bezeichnet , die im Wesentlichen gleich der Länge der im umhüllten Zustand zu ihr parallelen Stirnseitenränder des Stückguts ist (Erteilungsakten, ursprüngliche Unterlagen der Anmeldung, Beschreibung Seiten 8, 9 übergreifender Absatz; Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Beschreibung Seite 4, Zeilen 13 - 19). Daraus ist zu ersehen, dass eine Länge der Schweißnaht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, deren Länge jedenfalls ca. 85 % der parallelen Breite des zu umhüllenden Stapels beträgt, die aber auch so lang ausgebildet werden kann, dass sich ihre Länge über die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stückguts erstreckt. Als zur Erfindung gehörend sind damit Längen zwischen ca. 85 und 100% in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen offenbart.
42
Demgegenüber stellt die Angabe in Patentanspruch 1 der neuen europäischen Patentschrift, dass die Quernaht "im wesentlichen" gleich der Länge der zur Quernaht parallelen Breite des zu umhüllenden Gutes ist, eine Beschränkung des geschützten Gegenstandes dar. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Beklagten übereinstimmend ausgeführt haben, versteht der Fachmann unter Angaben wie "im wesentlichen" oder "ca." auf dem hier einschlägigen Gebiet, dass er bei der Ausübung von Verpackungsverfahren mittels Stretchfolien Toleranzen zu berücksichtigen hat, so dass die Länge der Quernaht nicht genau der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen muss, sondern so weit von ihr abweichen kann, dass die Länge der Haubenquernaht der Breite des zu verpackenden Gutes unter Berücksichtigung von Toleranzen entspricht. Patentanspruch 1 stellt daher keine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands über den in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörenden Bereich der Länge der Quernaht von jedenfalls 85 % und im Wesentlichen gleich der Breite des zu verpackenden Gutes dar, sondern eine Beschränkung auf die Ausführungsform, wie sie Gegenstand der höchst bevorzugten Ausführungsform der Erfindung nach den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung ist.
43
Aus Patentanspruch 2 des Streitpatents ergibt sich für den Fachmann nicht, dass die Quernaht über den ursprünglich offenbarten Bereich von mindestens 85 % der Breite des zu umhüllenden Gutes hinaus verkürzt werden kann. Da Patentanspruch 2 eine Ausführungsform der Erfindung nach Patentanspruch 1 darstellt, entnimmt er der Angabe von "ca. 95 %" vielmehr eine Grenze, über die hinaus die Quernaht - unter Berücksichtigung von Toleranzen - nicht verkürzt werden soll, damit die Wirkung eines Anlegens der Zipfel an den Enden der Quernaht auf das verpackte Gut erreicht und übermäßige Spannungen in diesem Bereich vermieden werden.
44
Soweit im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt das Merkmal, wonach der Seitenfaltenschlauch einen "um wenigstens 10 %" geringeren Umfang als das zu umhüllende Gut aufweisen soll, in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist, ergibt sich aus den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 2, Zeilen 35 - 40), dass Stretchfolienmaterial eine beachtliche Dehnung von im Allgemeinen wenigstens 10 % und mehr aufweist. Die Aufnahme des genannten Merkmals stellt damit eine ursprünglich offenbarte Einschränkung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung dar, nach der der Umfang des schlauchförmi- gen Stretchfolienabschnitts "kleiner als der Umfang des zu umhüllenden" Gutes sein sollte.
45
Soweit schließlich im Einspruchsverfahren das zusätzliche Merkmal aufgenommen worden ist, "dass die Folienhaube so gedehnt wird, dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen", ist bereits in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung Spalte 5, Zeile 46, bis Spalte 6, Zeile 23) darauf hingewiesen, dass sich bei dem höchst bevorzugten Verfahren, bei dem die Länge der Querschweißnaht im Wesentlichen gleich der zu ihr parallelen Stirnseitenränder des zu verpackenden Gutes ist, der Vorteil ergibt, dass sich die auftretenden Spannungen im Wesentlichen senkrecht zur Schweißnaht einstellen, so dass sich die unteren Folienabschnitte im V-förmigen Doppelungsbereich unter der Spannung der oberen Folienabschnitte an das Stückgut anlegen.
46
Beide Merkmale sind daher in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart; sie erweitern den beanspruchten Gegenstand nicht, sondern schränken ihn ein.
47
V. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist neu (Art. 54 EPÜ), da keine der Entgegenhaltungen dem Fachmann sämtliche seiner Merkmale offenbart.
48
1. In dem Artikel "Now - a stretch-film pack keeps out dirt and moisture" (Anlage K 17) wird eine Stretchfolienverpackung dargestellt, bei der Palettenladungen mit einem Sack aus Stretchfolie umhüllt werden. Es werden Seitenfaltensäcke verwendet, die etwa 10 % kleiner sind als die zu umhüllende Ladung und die von einem Vorrat abgezogen und abgeschnitten werden. Die Stretchfolie ist in ihrem Zuführzustand in Falten gelegt, wird von Fingern gerafft und durch Spreizen so gedehnt, dass der Seitenfaltensack über die Ladung passt. Der Artikel enthält weder in den schriftlichen Erläuterungen noch in den bildlichen Darstellungen Hinweise, dass mit ein und demselben Seitenfaltenschlauchmaterial Hauben mit einer Quernaht ausgebildet werden können, deren Länge der Breite der parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht , damit nach dem Umhüllen des Gutes schädliche Spannungen und abstehende Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden werden. Der Artikel befasst sich mit diesem Problem nicht.
49
2. Der "Prospekt Lachenmeier" (Anlage K 15) befasst sich mit Schrumpfrahmen /Haubenaufbringern (Typen A, B und C), aber auch mit Haubenstreckanlagen (Typ H, Abbildungen 1 bis 5). Die Haubenstreckanlagen arbeiten in der Weise, dass vier verschiedene Foliengrößen unter automatischem Folienwechsel zum Einsatz kommen können. Die Höhe des zu umhüllenden Gutes wird mittels Fotozellen gemessen. Ein vom Folienvorrat abgezogener Seitenfaltenschlauch wird mittels Vakuum geöffnet. Folienhalter werden in die offene Folie hinein geöffnet und verleihen dieser ein der Palettenladung entsprechendes Format, wobei, wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, der Fachmann erkennt, dass die Folie bei diesem Vorgang gestretcht wird. Erst danach wird die Folie verschweißt , auf die korrekte Länge zugeschnitten und über die Palettenladung gezogen. Hinweise darauf, dass beim Schweißen der Folie darauf zu achten ist, dass die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entsprechen soll, enthält der Prospekt nicht. In den Darstellungen der Bilder 4 und 5 ist zwar eine Quernaht zu erkennen , von der vermutet werden kann, dass sie der Breite der Stirnseiten des zu umhüllenden Stapels entsprechen könnte. Die Abbildung eines umhüllten Stapels auf der Titelseite und auf Seite 2 des Prospekts zeigt jedoch einen unregelmäßig gebildeten und mit dehnbarer Folie umhüllten Stapel, ohne dass sich aus dieser Abbildung entnehmen lässt, dass die Quernaht mit einer Länge ausgebildet ist, die der Breite der Stirnseite des umhüllten Guts entspricht.
50
3. Die in dem "Prospekt Clearly" der TNT Materials Handling (Anlage K 12) dargestellte Vorrichtung nebst Bedienanleitung und Videoaufzeichnung (Anlagen K 13 und K 14) verarbeitet bereits mit einer Quernaht versehene Hauben aus Stretchfolie, ohne dass aus der Beschreibung oder den Abbildungen erkennbar wäre, welche Länge die Quernaht der Haube im Verhältnis zur gegebenenfalls unterschiedlichen Breite der zu verpackenden Güter aufweist. Der Prospekt zeigt Folien mit Quernaht (Seite 2, Foto "Stretch") und umhüllte Stückgutstapel, bei denen die Länge der Haubenquernaht der Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des Stapels entsprechen könnte (Foto in der Mitte des Prospekts). Der Prospekt enthält aber auch Abbildungen von umhüllten Stückgutstapeln , bei denen Zipfel hochstehen (vorletzte Seite Abbildung 5 bei "easier and safer to use"). Maßnahmen, die Zipfelbildung durch Ausbildung der Haubenquernaht in einer bestimmten Länge zu vermeiden, werden nicht offenbart.
51
4. Aus dem "Comptex"- Prospekt (Anlage K 21) ist eine Vorrichtung zum Umhüllen von Stückgutstapeln zu ersehen, bei der stretchbare Seitenfaltenschlauchfolie verschiedener Größe zur Umhüllung von Stückgut verwendet wird. Die Folie wird von einem Vorrat abgezogen und durch Saugstiefel geöffnet. Vier Finger greifen in den Schlauch, auf denen die erforderliche Schlauchmateriallänge gerefft wird. Die Oberseite des Sacks wird verschweißt, der Sack vom Vorrat getrennt, gestretcht und auf die zu umhüllenden Güter abgesenkt. Hinweise, dass eine Quernaht in der Länge der Breite der Stirnseite des zu umhüllenden Gutes abgeschweißt wird, finden sich nicht. Die Abbildungen auf der Titelseite des Prospekts zeigen umhüllte Stapel, bei denen am Ende der Quernaht teils Zipfel hochstehen (oberes und rechtes Bild; Bild in der Mitte des Prospekts), teils aber auch nicht (Titelblatt linkes Bild).

52
5. Bei der in der US-Patentschrift 4 050 219 beschriebenen und im Prospekt "Comptex" (Anlage K 21) dargestellten Vorrichtung werden Güter mit elastischer Seitenfaltenschlauchfolie umhüllt (US-Patentschrift 4 050 219, vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 1, Zeile 7; Seite 5, Zeile 12; Fig. 2 a - 2 c). Zum Umhüllen von Paletten unterschiedlicher Größe werden Folien unterschiedlicher Größe bevorratet (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 6, Zeilen 1 - 14). Die Seitenfaltenschlauchfolie wird mittels Vakuumköpfen auseinandergezogen. Sodann greifen Finger in die Folie ein, denen der Schlauch zugeführt wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Mittels eines Schneid- und Schließmechanismus wird der Schlauch auf die erforderliche Länge zugeschnitten und geschlossen, wodurch die Bildung der Haube zum Abschluss gebracht wird (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 7, Zeilen 13 - 27). Danach werden die Finger auseinandergefahren , die Haube vollständig geöffnet und durch Dehnung auf eine Größe gebracht, in der die Haube auf das zu umhüllende Gut gezogen werden kann (vgl. Beschreibung deutsche Übersetzung Seite 8, Zeilen 1 - 10). Mit der Frage, wie lang die Quernaht der Haube zu bemessen ist, damit Zipfelbildung in den V-förmigen Doppelungsbereichen der Enden der Quernaht vermieden werden kann, befasst sich die Veröffentlichung nicht. In ihr ist daher auch nicht offenbart, beim Schließen der Haube eine Quernaht abzuschweißen, deren Länge der zur Quernaht parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes entspricht. Gleiches gilt für die deutsche Offenlegungsschrift 30 03 052, die keine Angaben dazu enthält, welche Länge die Quernaht im Verhältnis zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite des zu umhüllenden Gutes aufweisen soll.
53
VI. Der Senat hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewonnen, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahe gelegt worden ist (Art. 56 EPÜ).

54
Der Fachmann, der am Prioritätstag des Streitpatents die als solche bekannten Verpackungsverfahren mit Stretchfolienhauben verbessern wollte, bei denen Seitenfaltenschlauchfolie von einem Vorrat abgezogen und teilweise geöffnet wird, so dass Finger oder dergleichen in die Folie eingreifen können, die Folie sodann gerefft, zur Bildung einer Haube abgeschweißt, abgeschnitten, gestretcht und auf das zu umhüllende Gut gezogen wird, musste schon aufgrund einfacher Überlegungen erkennen, dass ein Mangel der bekannten Verfahren die bei diesen mehr oder weniger häufig zu beobachtende Zipfelbildung im Bereich der Enden der Quernaht ist. Das ergibt sich nicht nur aus den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen wie des Privatgutachters der Klägerin, sondern wird auch durch die zwar nachveröffentlichte, aber noch vor der Veröffentlichung des Streitpatents ausgegebene deutsche Offenlegungsschrift 38 24 577 belegt, in der beschrieben ist, dass beim Reffen der Folie über den Fingerelementen ein Folienabschnitt verbleibt, der nicht horizontal gestreckt wird, ein verschlechtertes Aussehen der Verpackung bewirkt und insbesondere deshalb nachteilig ist, weil er eine Angriffsfläche für Wind bietet, was zur Folge hat, dass beim Stapeln von verpackten Gütern eine Beschädigung der Oberfläche durch Gabelstaplerzinken kaum vermeidbar ist. Der Fachmann hatte daher am Prioritätstag des Streitpatents Veranlassung, darüber nachzudenken , wie der Bildung von hochstehenden Zipfeln auf mit Stretchfolie umhüllten Gütern begegnet werden kann.
55
Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf umhüllten Gütern und der Länge der Haubenquernaht in Relation zu der ihr parallelen Seite der verpackten Güter ein Zusammenhang bestehen könnte, ist dem druckschriftlich belegten Stand der Technik nicht zu entnehmen. Der Fachmann konnte allenfalls aus der bildlichen Darstellung bekannter Vorrichtungen und der mit ihnen hergestellten Umhüllungen mittelbar Anregun- gen erhalten, über einen derartigen Zusammenhang nachzudenken. Die Beweisaufnahme hat jedoch nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass die im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen und die mit ihnen hergestellten Verpackungseinheiten Anregungen in diese Richtung geboten haben.
56
Zwar enthalten die Prospekte "Stretch Packing" (Anlage K 15), "Clearly the Best Alternative" (Anlage K 12), der "Comptex"-Prospekt (Anlage K 21) sowie die US-Patentschrift 4 050 219 mit Fig. 1 Abbildungen, die umhüllte Güter zeigen, bei denen - jedenfalls auf den ersten Blick - die Länge der Quernaht im Wesentlichen der Breite der Stirnseite des verpackten Guts zu entsprechen scheint. Insbesondere die genannten Prospekte zeigen jedoch neben Abbildungen , bei denen hochstehende Zipfel auf dem umhüllten Gut nicht zu erkennen sind, auch solche Abbildungen, bei denen sie vorhanden sind. Der Fachmann ersieht daraus nur, dass mit den dort beschriebenen Vorrichtungen und den auf ihnen ausgeübten Verfahren, was die Bildung von hochstehenden Zipfeln auf der Oberseite der verpackten Güter betrifft, uneinheitliche Ergebnisse erzielt werden. Wie der gerichtliche Sachverständige und der Privatgutachter der Klägerin übereinstimmend dargelegt haben, ist auch durch Messungen und Berechnungen nicht festzustellen, ob diese unterschiedlichen Ergebnisse auf die Art und Weise der Ausbildung der Haubenquernaht zurückzuführen sind. Aus den Darstellungen kann daher nicht geschlossen werden, der Fachmann hätte ihnen einen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Länge der Quernaht, der Breite der parallelen Stirnseite des Guts und dem Auftreten störender Zipfelbildung auf dem umhüllten Gut entnehmen können. Von einem Fachmann wird zwar erwartet, dass er die auf seinem Fachgebiet üblichen Routineversuche durchführt, so dass Lösungen, die auf diesem Wege gefunden werden, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen können (BGH Beschl. v. 28.4.1966 - Ia ZB 9/65 , BlPMZ 1966, 234, 235 - Abtastverfahren, insoweit nicht in GRUR 1966, 583 abgedruckt). Der Senat hat jedoch nicht feststellen können, dass der Fachmann durch die genannten Abbildungen auf den Weg gewiesen worden sein könnte, durch praktische Versuche auszuprobieren, ob sich die Bildung von Zipfeln durch Abschweißen einer Quernaht bestimmter Länge vermeiden lässt. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte ergeben, die den Schluss zulassen, dass den genannten Abbildungen ein solcher Offenbarungsgehalt zukommen könnte, so dass dahinstehen kann, ob die Anregung zu solchen Versuchen die Erfindung selbst hätte nahelegen können.
57
Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten zwar ausgeführt , der Fachmann hätte am Prioritätstag Versuche angestellt und durch systematische Schritte ermittelt, ob und wie sich die Länge der Quernaht im Verhältnis zu den Proportionen der zu verpackenden Güter auswirkt. Dass solche Erwägungen angestellt wurden, ist aus dem Stand der Technik zu ersehen, da in den bekannten Vorrichtungen jedenfalls teilweise Folien bevorratet wurden, die unterschiedliche Breiten aufwiesen und es daher bereits erlaubten, Abschnitte vom Vorrat abzuschweißen und abzutrennen, die unterschiedlich breit waren und deshalb auch zur Herstellung von Hauben mit Quernähten unterschiedlicher Breite führten. Auf diese Weise konnten bereits zu kurze Quernähte , die beim Stretchen und Ziehen der Haube auf das Gut reißen oder sonst Schaden nehmen können, vermieden werden. Den genannten Abbildungen kann jedoch die Offenbarung eines Zusammenhangs zwischen dem Hochstehen von Zipfeln auf den verpackten Gütern und der Länge der Quernaht, der Anlass zu praktischen Versuchen in dieser Richtung geben könnte, nicht entnommen werden. Von einem Hinweis in diese Richtung kann nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil dem Fachmann im Stand der Technik Abbildungen begegnet sind, die eine Länge der Quernaht zeigen, die bis zum Rand des zu verpackenden Gutes zu reichen scheint. Denn die Abbildungen zeigen nebeneinander auf das Gut gezogene Hauben, bei denen sowohl Zipfelbildung als auch keine Zipfelbildung zu erkennen ist. Sie sind daher mehrdeutig und können dem Fachmann auch die Annahme nahe legen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Länge der Haubenquernaht, der zu ihr parallelen Breite der Stirnseite der umhüllenden Güter und der unerwünschten Zipfelbildung gibt, und dass der Umstand, dass in einigen Darstellungen verpackter Güter Zipfel an den Enden der Quernaht vermieden sind, also andere Ursachen als eine bestimmte Relation der Länge der Quernaht zur Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der verpackten Güter hat. In Betracht kommt, dass aufstehende Zipfel im Bereich der Enden der Quernaht, wenn sie als störend empfunden worden sind, angeschweißt, angeklebt oder auf sonstige Weise niedergelegt worden sind, was der gerichtliche Sachverständige als eine naheliegende und mit einfachen Mitteln zu verwirklichende Lösung bezeichnet hat, zu der ein Fachmann bei der Suche nach einer Lösung des Problems greifen werde. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die im Zeitrahmen des Streitpatents veröffentlichen Vorschläge zur Beseitigung der Zipfel. Wie sich aus der zwar nachveröffentlichten, aber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Streitpatent angemeldeten Lehre nach der deutschen Offenlegungsschrift 39 24 577 ergibt, wurde zur Zeit der Anmeldung des Streitpatents vorgeschlagen, der als störend empfundenen Zipfelbildung durch Zuschweißen der Folienabschnitte an den Enden der Quernaht entgegenzuwirken.
58
Es kann dahinstehen, ob der Fachmann vor dem Hintergrund dieser Problemlösungen überhaupt noch Veranlassung hatte, nach weiteren Wegen zu suchen, wie unerwünschte Spannungen in der Quernaht und Zipfelbildung an den Enden der Haubenquernaht zu beseitigen waren, insbesondere, wie dieses Problem ohne gegenüber den bekannten Verfahren zusätzliche Verfahrensschritte und ohne zusätzlichen Aufwand bezüglich der zum Umhüllen der zu verpackenden Güter erforderlichen Vorrichtung bereits in seiner Entstehung vermieden werden konnte. In der Beweisaufnahme sind keine Anhaltspunkte für die Annahme zu Tage getreten, dass Anlass dazu bestanden hätte, mit den bekannten Vorrichtungen eine Abstimmung der Länge der abzuschweißenden Quernaht auf die Breite der zu ihr parallelen Stirnseite der zu umhüllenden Güter vorzunehmen. Allein aus dem Bestreben des Fachmanns, erkannte Probleme bereits in ihrer Entstehung zu vermeiden und sie nicht, wenn sie aufgetreten sind, zu beseitigen, kann nicht hergeleitet werden, dass vom Fachmann Versuche in einer bestimmten Richtung zu erwarten sind. Deshalb kann nicht mit der für die Verneinung des Beruhens des beanspruchten Verfahrens auf erfinderischer Tätigkeit hinreichenden Sicherheit angenommen werden, dass der Fachmann aus dem Nacharbeiten der Umhüllung von Gütern mit den im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen Anhaltspunkte gewonnen haben könnte, Versuche durchzuführen, bei denen die Wirkung von Quernähten ausprobiert wird, deren Länge in unterschiedlicher Relation zur Breite der Stirnseite der zu umhüllenden Güter steht.
59
Da nicht festgestellt werden kann, dass dem Fachmann das erfindungsgemäße Verfahren durch den Stand der Technik nahegelegt war, hat Patentanspruch 1 in seiner geltenden Fassung Bestand.
60
VII. Das Verfahren nach Patentanspruch 2 unterscheidet sich von dem Verfahren nach Patentanspruch 1 dadurch, dass die Mindestlänge der Quernaht kleiner als bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 gewählt und mit mindestens 95 % der Breite der parallelen Stirnseite des zu verpackenden Guts quantifiziert wird. Das Verfahren stellt eine zweckmäßige weitere Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 dar und hat mit diesem Bestand.
61
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 100, 269 Abs. 3 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Kirchhoff
Vorinstanz:
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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2005 - X ZR 30/02

bei uns veröffentlicht am 05.07.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 30/02 Verkündet am: 5. Juli 2005 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Okt. 2004 - X ZR 190/00

bei uns veröffentlicht am 12.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 190/00 Verkündet am: 12. Oktober 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein .
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2006 - X ZR 175/01.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2007 - X ZR 173/02

bei uns veröffentlicht am 09.01.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 173/02 Verkündet am: 9. Januar 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Sept. 2007 - X ZR 27/04

bei uns veröffentlicht am 11.09.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 27/04 Verkündet am: 11. September 2007 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ : n

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2007 - X ZR 100/05

bei uns veröffentlicht am 23.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 100/05 vom 23. Oktober 2007 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Sachverständigenablehnung II ZPO § 406 Zur Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen

Referenzen

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 190/00 Verkündet am:
12. Oktober 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Paneelelemente
Es spricht für erfinderische Tätigkeit, wenn der Fachmann die Funktionen bekannter
Bauteile eines Erzeugnisses ändern muß, um eine vereinfachte Konstruktion
und damit eine Kostenersparnis zu erzielen, und der Stand der Technik
zu einem solchen veränderten Konzept keine Anregung liefert.
BGH, Urt. v. 12. Oktober 2004 - X ZR 190/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. Juni 2000 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt: Das deutsche Patent 43 37 743 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß seine Patentansprüche folgende Fassung erhalten: 1. Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft, und mit Befestigungsklammern (10) mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt.
2. Wand- oder Deckenverkleidung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Tiefe der Nut (4) mindestens der Tiefe der Feder (6) entspricht.
3. Wand- oder Deckenverkleidung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß an wenigstens einer der beiden Kanten (3, 5) der zwischen der Nut (4) oder der zusätzlichen Nut (9) und der Rückseite verlaufende Kantenabschnitt (8) dem Nutgrund näher benachbart ist als der zwischen der Nut (4) oder der zusätzlichen Nut (9) und der Vorderseite (2) verlaufende Kantenabschnitt (7).
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ¾ und die Beklagte ¼.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 5. November 1993 angemeldeten deutschen Patents 43 37 743 (Streitpatents). Wegen des Wortlauts der drei Patentansprüche, mit denen das Streitpatent erteilt worden ist, wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat unter Klageabweisung im übrigen das Streitpatent, das die Beklagte nicht in weitergehendem Umfang verteidigt hat, dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:
"Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft,
und mit Befestigungsklammern (10) mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt."
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den Antrag weiter, das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen, wobei sie das Streitpatent nur noch mit folgendem Anspruch 1 verteidigt, auf den sich die Ansprüche 2 und 3 rückbeziehen sollen:
"Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen (1) mit jeweils einer Vorder- und einer Rückseite, sowie mit zwei gegenüberliegenden Kanten (3, 5), von denen die eine Kante (3) eine Nut (4) und die andere Kante (5) eine Feder (6) zum Zusammenwirken mit der Nut (4) eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, aufweist, wobei die Feder (6) gegenüber der Vorderseite (2) nach hinten versetzt angeordnet ist, und mit einer zusätzlichen Nut (9) in der die Feder (6) aufweisenden Kante (5), die parallel zur Feder zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements verläuft, und mit Befestigungsklammern (10)
mit jeweils zwei entgegengesetzten Flügeln (12), deren einer sich in die zusätzliche Nut (9) erstreckt, wobei der Abstand zwischen den beiden Flügeln (12) die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt."
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dipl.-Holzwirt Prof. Dr. P. G. , R. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung hat nur Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nicht mehr verteidigt, was insoweit ohne weitere Sachprüfung zur Nichtigerklärung führt (vgl. Sen.Urt. v. 4.6.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe [insoweit nicht in BGHZ 133, 57]). Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung und Beweisaufnahme hat der Senat hingegen nicht die Überzeugung gewonnen, daß der von der Beklagten verteidigte Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
I. Das Streitpatent betrifft in der zulässigerweise verteidigten Fassung eine Wand- oder Deckenverkleidung mit Paneelelementen und diese verbindenden Befestigungsklammern.
Die Beschreibung erläutert unter Bezugnahme auf das 1976 erschienene Buch "Reparieren leicht gemacht" (D 1), daß Paneelelemente als Nut- und Feder -Bretter, -Leisten oder -Riemen bekannt seien, bei denen die Breite der Federn größer sein könne als die Tiefe der Nut, so daß zwischen zwei gleichartigen Paneelelementen eine sichtbare Fuge erzielt werde. Der gerichtliche Sachverständige hat dem zutreffend entnommen, daß das Streitpatent unter Paneelen anders als die DIN 68 740 nicht nur oberflächenveredelte, z.B. furnierte Holzwerkstoffe versteht, sondern gleichermaßen Profilbretter aus Vollholz.
Das Streitpatent befaßt sich mit dem Problem, wie bei derartigen Paneelelementen in möglichst einfacher und kostengünstiger Weise unterschiedlich breite sichtbare Fugen erzielt werden können.
Im Stand der Technik seien, so heißt es in der Streitpatentschrift weiter, hierzu zum einen je nach gewünschter Fugenbreite unterschiedlich gestaltete Nut- und Federleisten verwendet worden. Zum anderen zeige die D 1 gleichartige Leisten mit beidseitiger Nut mit eingesetzter (Fremd-) Feder (auch Nut-NutVerbindungen genannt), bei denen die Breite der sichtbaren Nut durch die Federbreite und durch zusätzlich verwendete Metallklammern vorgegeben werde, die mittels zweier entgegengesetzter Flügel eine gleichmäßig breite Nut zwischen zwei benachbarten Leisten und damit deren parallele Ausrichtung sicherstellten. Diese Paneelart ermögliche zwar die Ausbildung verschieden breiter Fugen unter Verwendung der gleichen Leisten, erfordere dazu jedoch unterschiedlich breite Federn sowie entsprechende Befestigungsklammern, was - ähnlich wie bei unterschiedlich gestalteten Leisten - entsprechenden Platzbedarf für Lagerhaltung und Produktpräsentation bedinge.
Zur Vermeidung dieser Nachteile lehrt das Streitpatent folgende Merkmalskombination :
1. Die Wand- oder Deckenverkleidung besteht aus
a) Paneelelementen mit Vorder- und Rückseite sowie zwei gegenüberliegenden Kanten und
b) Befestigungsklammern.
2. Von den gegenüberliegenden Kanten weist
a) die eine Kante eine Nut und
b) die andere Kante eine Feder sowie eine zusätzliche Nut auf.
3. Die Feder
a) ist gegenüber der Vorderseite des Paneelelements nach hinten versetzt angeordnet und
b) zum Zusammenwirken mit der Nut eines gleichartigen Paneelelements dergestalt, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt, ausgebildet.
4. Die zusätzliche Nut verläuft
a) zwischen der Feder und der Rückseite des Paneelelements und
b) parallel zur Feder(ebene).
5. Die Befestigungsklammern weisen zwei entgegengesetzte Flügel auf,

a) von denen einer sich in die zusätzliche Nut erstreckt und
b) deren Abstand voneinander die herzustellende Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen bestimmt.
Wie der Sachverständige anschaulich in der nebenstehend wiedergegebenen Anlage 13 seines Gutachtens (Bilder 16a - 16e) dargestellt hat und Merkmal 3 b zum Ausdruck bringt, können erfindungsgemäß zwei benachbarte Paneelelemente in unterschiedlichen Abständen voneinander so angeordnet werden, daß die Feder des einen nicht bis (annähernd) zum Grund in die Nut des anderen eingreift, die Feder jedoch gleichwohl in der Nut eingesteckt bleibt. Infolgedessen wird der Abstand zwischen den benachbarten Elementen und damit die Breite der sichtbaren Fuge durch die Befestigungsklammer festgelegt, da der Abstand zwischen den Flügeln dieser Klammer die Breite der Fuge vorgibt. Damit ermöglicht es die erfindungsgemäße Ausbildung, für Wandverkleidungen mit unterschiedlich breiter Fuge gleichartige Paneelele-
mente zu verwenden und allein die Befestigungsklammern entsprechend der gewünschten Fugenbreite zu variieren.
II. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Bundespatentgericht eine Wandverkleidung mit den Merkmalen 1 bis 5 zu Recht für neu erachtet.
1. Die in D 1 gezeigten Wandverkleidungen sind zuvor bereits in den Unterlagen des Gebrauchsmusters 1 954 172 (D 5) beschrieben. Dabei zeigt nur das Ausführungsbeispiel nach Figur 2a und der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2b eine Nut-Feder-Verbindung, bei der die "andere" Kante des Paneelelements eine Feder aufweist. Jedoch fehlt es bereits an einer zusätzlichen Nut in der "anderen" Kante im Sinne der Merkmale 2 b und 4. Die übrigen Ausführungsbeispiele haben entweder überhaupt keine Nut-Feder-Verbindung oder eine solche in Form einer Nut-Nut-Verbindung (Figur 6), wobei auch hier wiederum keine zusätzliche Nut vorhanden ist, da die Befestigungsklammer auf beiden Seiten in dieselbe Nut eingreift, die auch zur Herstellung der Nut-FederVerbindung dient.

2. Die deutsche Offenlegungsschrift 30 12 041 (D 2) betrifft ein Paneel für eine Innenwandbekleidung mit einer sichtseitigen Randfeder, das an
dem einen Längsrand einteilig mit dem Paneel ausgebildet ist und mit einer in dem gegenüberliegenden Längsrand ausgebildeten Nut, wobei die Längsränder in einem stumpfen Winkel gegenüber der Sichtfläche nach innen zeigen, wie die nachfolgend abgebildeten Figuren 1 und 2 veranschaulichen. Die Randfeder ist durch eine Hinterschneidung des einen Längsrandes, die Nut durch eine Ausnehmung des anderen Längsrandes gebildet, wobei in die Hinterschneidung und die Nut ein sich zur Längsrichtung und parallel zur Querrichtung der Paneele erstreckender Schlitz eingearbeitet ist, der zur Aufnahme einer Befestigungsklammer mit zwei entgegengesetzten Flügeln dient. Die Feder ist jedoch nicht zum Zusammenwirken mit der Nut eines gleichartigen Paneelelements dergestalt ausgebildet, daß die Feder auch bei unterschiedlich bestimmter Fugenbreite in der Nut eingesteckt bleibt (Merkmal 3 b). Eine derartige Ausbildung kommt bei dem vorbekannten Paneelelement nicht in Betracht, da bei einer Vergrößerung der Fugenbreite Nut und Feder nicht mehr ineinandergriffen und zudem das durch mit der besonderen Ausgestaltung der Fuge angestrebte "balkenartige Erscheinungsbild" zerstört würde.

3. Von den in dem 1983 erschienenen Werk von Pracht, Möbel und Innenausbau - Handbuch der Holzkonstruktion (D 9), gezeigten Wandbekleidungen weisen nur die nachfolgend gezeigten Beispiele eine Verbindung benachbarter Paneele durch eine in eine Nut in der gegenüberliegenden Kante eingreifende Feder an der anderen Kante und eine Befestigungsklammer auf. Die Klammern haben jedoch keine zwei voneinander beabstandeten, entgegengesetzten Flügel, sondern sind, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nach dem Verständnis der Fachmanns einflüglig. Zudem ist auch keine zusätzliche Nut im Sinne der Merkmale 2 b und 4 erkennbar. Vielmehr sind die im oberen Beispiel gezeigten Zacken an dem von der Nut wegweisenden Teil der Klammer ersichtlich und wie auch der Sachverständige hervorgehoben hat, dazu bestimmt, zur Verbindung zwischen Paneel und Klammer in das Holz eingepreßt zu werden. Beim
unteren Beispiel fehlt es überhaupt an einem Eingriff der Klammer in die mit der Feder versehene Paneelkante.

4. Die nach der Behauptung der Klägerin vorveröffentlichte "STABA Sonderkrallenliste" (D 10) zeigt tabellarisch verschiedene als Fugenkrallen bezeichnete Befestigungsklammern im Sinne des Streitpatents. Soweit in der ersten Zeile ("INFO") deren Einsatz zur Verbindung von Paneelelementen dargestellt ist, sind nur Nut-Nut-Verbindungen erkennbar.
5. Der übrige Stand der Technik liegt vom Gegenstand des Streitpatents noch weiter ab und bedarf daher keiner Erörterung.
III. Wie das Bundespatentgericht ist auch der Senat nicht überzeugt, daß der Stand der Technik dem Fachmann den im Berufungsverfahren noch verteidigten Gegenstand des Streitpatents nahegelegt hat, so daß es zu seiner Bereitstellung keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft hätte.
1. Als zuständigen Fachmann hat das Bundespatentgericht einen an einer Fachschule ausgebildeten Holztechniker angesehen. Der Gebrauchsmustersenat des Bundespatentgerichts hat auf einen Schreinermeister mit ent-
sprechender Ausbildung und Erfahrung auch auf dem Gebiet des Verlegens von Paneelelementen abgestellt (Beschl. v. 13.1.1999 - 5 W (pat) 417/98). Demgegenüber hat der gerichtliche Sachverständige zwar erläutert, daß in größeren Innenausbaubetrieben für Planungs- und Entwicklungsaufgaben zum Anmeldezeitpunkt auch Diplom-Ingenieure (FH) der Holztechnik eingesetzt worden seien. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat jedoch ergeben , daß es sich bei den in Betracht kommenden Betrieben mehrheitlich um mittlere und kleine Betriebe gehandelt hat, in denen die Fortentwicklung bekannter Techniken vornehmlich nicht an einer Hochschule ausgebildeten Praktikern - einem Meister oder Techniker, gegebenenfalls auch einem erfahrenen Gesellen - oblegen hat. Von dem Wissensstand und den Tätigkeiten dieses Personenkreises ist daher für die weitere Beurteilung auszugehen.
2. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu II ergibt, wird bei den im Stand der Technik bekannten Nut-Feder-Verbindungen im Sinne des Streitpatents (d.h. solchen, die nicht Nut-Nut-Verbindungen mit eingesetzter Feder sind) die Breite der sichtbaren Fuge durchweg durch die Tiefe der Nut und die korrespondierende Breite der bis (annähernd) in den Nutgrund eingreifenden Feder bestimmt. Demzufolge hat der Fachmann, wenn er unterschiedlich breite sichtbare Fugen mit solchen Verbindungen realisieren wollte, die NutFeder -Verbindung entsprechend angepaßt. Weder das Vorbringen der Parteien noch die eingehende Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hat hervorgebracht, was den Fachmann hätte veranlassen sollen, hiervon abzugehen.
Insbesondere vermittelten hierzu diejenigen bekannten Lösungen keine Anregung, bei denen die Paneelelemente - sei es zusätzlich zu einer NutFeder -Verbindung im Sinne des Streitpatents, sei es in Kombination mit einer
Nut-Nut-Verbindung - mit einer Befestigungsklammer versehen worden sind. Denn die Befestigungsklammer erscheint immer - wie ihr Name auch sagt - als Befestigungselement, das der Befestigung der Paneelelemente an der Unterkonstruktion dient, und nicht als "Abstandshalter", d.h. als ein Element, das der Fachmann verwendet hätte, um allein damit die Breite der sichtbaren Fuge zwischen zwei benachbarten Paneelelementen festzulegen. Vielmehr entsprach es, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats erläutert hat, der Praxis, bei Nut-Nut-Verbindungen unterschiedlich breiten Sichtfugen auch dann durch entsprechend unterschiedlich breite Einsatzfedern Rechnung zu tragen, wenn theoretisch der Abstand allein durch - in unterschiedlichen Breiten bekannte - Befestigungsklammern hätte bestimmt werden können, obwohl auf der Hand lag, daß dies den notwendigen Umfang und damit auch die Kosten der Lagerhaltung erhöhte. Schon wegen dieser Wahl der Federbreite nach der gewünschten Fugenbreite kann entgegen der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vertretenen Auffassung auch nicht angenommen werden, daß es für den Fachmann nahegelegen hätte, bei einer solchen NutNut -Verbindung die Fremdfeder durch die Ausbildung einer Feder an einem der beiden Paneelelemente zu ersetzen, da dies bedeutet hätte, anstelle der unterschiedlich breiten Fremdfedern - mit entsprechend größerem Aufwand - unterschiedliche Paneelelemente herstellen und vorhalten zu müssen.
Um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, mußte der Fachmann daher die Funktion der Nut-Feder-Verbindung einerseits und der Befestigungsklammer andererseits neu konzipieren. Insbesondere die Nut-FederVerbindung verliert ihre herkömmliche Bedeutung, da die Feder nicht mehr, wie es bis dahin geschehen ist, in den Nutgrund eingeführt wird (wenn auch im Hinblick auf die zu berücksichtigende Quellung des Holzes nur annähernd). Ohne einen konkreten Anstoß hierzu läßt sich nicht feststellen, daß ein solches ver-
ändertes Konzept für den Fachmann nahegelegen hätte. Vielmehr spricht es für erfinderische Tätigkeit, wenn der Fachmann die Funktionen bekannter Bauteile eines Erzeugnisses ändern muß, um eine vereinfachte Konstruktion und damit eine Kostenersparnis zu erzielen, und der Stand der Technik zu einem solchen veränderten Konzept keine Anregung liefert (vgl. Sen.Urt. v. 23.1.1990 - X ZR 75/87 - Feuerschutzabschluß, zu III 3 der Entscheidungsgründe, bei juris nachgewiesen , insoweit in GRUR 1991, 522 nicht abgedruckt; Sen.Urt. v. 14.3.1978 - X ZR 18/73; Liedl 1978/80, 19, 48 ff.; auszugsweise auch in Mitt. 1978, 136, 137 - Erdölröhre).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in der Entgegenhaltung D 5 in Figur 4 eine Deckenverkleidung gezeigt ist, deren Elemente nicht durch Federn, sondern nur durch Klammern verbunden sind, die nach der Beschreibung (S. 11 f.) insbesondere für offene Fugen gedacht sind und als "Abstandskrallen" bezeichnet werden, die bei Entlüftungs- und Akustikdecken verwendet werden sollen. Wie das Bundespatentgericht und der gerichtliche Sachverständige sieht auch der Senat keinen Anhalt dafür, daß der Fachmann dieser im übrigen dem Gegenstand des Streitpatents fernstehenden Deckenverkleidung Anregungen für die Ausgestaltung von Paneelelementen mit NutFeder -Verbindung entnommen hätte.
Schließlich beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die Löschung des Gebrauchsmusters 93 16 939 durch den Beschluß des Bundespatentgerichts vom 13. Januar 1999, dem sie entnehmen möchte, daß das Streitpatent erst recht nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könne. Aus der Löschung des Gebrauchsmusters läßt sich schon deshalb nichts zugunsten der Klägerin herleiten , weil weder der der Eintragung zugrundegelegte noch der im Löschungsverfahren verteidigte Schutzanspruch die Merkmale 3 b und 5 b enthalten hat.

IV. Mit Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung haben auch die Patentansprüche 2 und 3 Bestand, die die Beklagte mit der Maßgabe verteidigt, daß sie sich ihrerseits nicht auf ein Paneelelement nach dem erteilten, sondern auf eine Wand- oder Deckenverkleidung nach dem zuletzt noch verteidigten Patentanspruch 1 rückbeziehen sollen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 30/02 Verkündet am:
5. Juli 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Einkaufswagen II
EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. c; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3
Zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der
erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und
deshalb der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m.
Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist die durch die Patentansprüche definierte
Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung zu
vergleichen. Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit
das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren
umfaßt. Den mit der Anmeldung ursprünglich formulierten Patentansprüchen
kommt im Rahmen des Erteilungsverfahrens keine eine weitergehende Offenbarung
in der Beschreibung einschränkende Bedeutung zu.
BGH, Urt. v. 5. Juli 2005 - X ZR 30/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. November 2001 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 0 199 274 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 199 274 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Offenlegungsschrift 35 15 069 vom 26. April 1985 angemeldet worden ist.
Es betrifft einen "Transportwagen" und umfaßt sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
"Transportwagen, der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Ware vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist, wobei in seinem Griffbereich ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist, das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Münzschloß im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet ist und sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff abstützt."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und sei deshalb für nichtig zu erklären.
Das Bundespatentgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. H.
schriftliches ein Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund , der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ, Art. 123 Abs. 2 EPÜ), liegt vor.
1. Das Streitpatent betrifft einen Transportwagen, wie er beispielsweise als Einkaufswagen in Supermärkten zum Einsatz kommt, wo er von Kunden auf Pfandbasis benutzt werden kann. Mehrere solcher Wagen können ineinandergeschoben und aneinandergekoppelt werden. Die Koppelungseinrichtung ist im
Griffbereich des Wagens angeordnet und weist ein Münzschloß auf, in das die Pfandmünze eingesteckt werden kann. Damit betätigt der Kunde - meistens unter Verwendung einer Kette - eine Steckverbindung zum nächsten Wagen und kann einen Wagen von den übrigen trennen.
Die Lehre des Streitpatents befaßt sich mit der Anordnung des Münzschlosses an einer geeigneten Stelle des Wagens.
Die Streitpatentschrift geht davon aus, daß es bei Wagensammel- und Ausleihsystemen durch die den Einkaufswagen eigentümliche Form nicht einfach sei, die Münzschlösser an geeigneten Stellen anzubringen, nämlich so, daß sowohl das Ineinanderschieben als auch die bequeme Handhabung des Einkaufswagens erhalten bleibe (Sp. 1 Z. 26-31).
Bei der Lösung nach der deutschen Offenlegungsschrift 25 54 916 bestehe die Schwierigkeit darin, daß das Münzschloß wegen seiner Größe teilweise in den Ladebereich des Korbs rage, so daß beim Beladen von der Griffseite des Einkaufswagens aus die Ware immer um das Münzschloß herum bewegt werden müsse (Sp. 1 Z. 31-39). Die in der deutschen Offenlegungsschrift 29 00 367 und dem deutschen Gebrauchsmuster 81 21 677 beschriebenen Münzschlösser seien kleiner und ließen sich am Griff des Einkaufswagens befestigen ; es bestehe jedoch die Gefahr, daß sie entweder mit Absicht um die Griffachse verdreht würden oder daß sie sich im Laufe der Zeit lockerten und ihre Lage veränderten (Sp. 1 Z. 39-49). Die Münzschlösser nach Art des deutschen Gebrauchsmusters 81 21 677 würden mittig am Griff des Einkaufswagens angebracht und ragten dadurch bei einem mit einem Kindersitz ausgestatteten Wagen störend in diesen Kindersitz hinein (Sp. 1 Z. 49-53). Der Nach-
teil der in der deutschen Offenlegungsschrift 33 24 962 vorgeschlagenen Münzschlösser bestehe schließlich darin, daß diese außen an den Korbseitenwänden befestigt würden, was beispielsweise beim Passieren des engen Durchgangs an der Kasse zu Schwierigkeiten führen könne (Sp. 1 Z. 54-63).
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die geschilderten Nachteile zu vermeiden und das Münzschloß so anzuordnen, daß es den für ein im Wagen mitzuführendes Kleinkind vorgesehenen Raum nicht verkleinere, daß das Be- und Entladen der zur Aufnahme der Ware vorgesehenen Einrichtung nicht behindert werde, daß es ferner nicht mutwillig in seiner Lage veränderbar sei und daß sich schließlich seine Lage im Laufe der Zeit nicht durch Gebrauchseinflüsse von selbst ändere (Sp. 1 Z. 64 - Sp. 2 Z. 8). Das Streitpatent schlägt dazu einen Transportwagen vor,
1. der in einen gleichgearteten Transportwagen einschiebbar und mit einer zur Aufnahme von Waren vorgesehenen Einrichtung ausgestattet ist,
2. wobei im Griffbereich des Transportwagens ein mit einer Kopplungseinrichtung versehenes Münzschloß angeordnet ist,
3. das auf Pfandbasis ein gegenseitiges An- und Abkoppeln von Transportwagen mit oder ohne Inanspruchnahme einer Sammelstelle erlaubt;
4. das Münzschloß ist
4.1 im Bereich eines der beiden Grifftragarme angeordnet und
4.2 stützt sich sowohl am Grifftragarm als auch am Griff ab.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung trifft keine näheren Aussagen dazu, wo das Münzschloß "im Bereich" der beiden Grifftragarme anzuordnen ist. Beansprucht ist daher nicht nur eine Anordnung des Münzschlosses oberhalb der beiden Grifftragarme, sondern jede beliebige Anordnung in deren Bereich , also auch auf gleicher Höhe oder unterhalb der Grifftragarme, sofern die Anordnung nur in räumlicher Nähe zu den Grifftragarmen erfolgt.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung geht damit über den Inhalt der Anmeldung hinaus, denn Anordnungen in gleicher Höhe und unterhalb des Grifftragarms sind nicht Teil der Offenbarung der Anmeldung; die in den ursprünglichen Unterlagen offenbarte Lehre ist auf eine Anordnung des Schlosses unmittelbar oberhalb eines Griffarms beschränkt.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist durch die Anmeldung offenbart , was sich dem Fachmann des Betreffenden Gebietes der Technik ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt (so für die Rechtslage in Deutschland vor 1978 BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I m.w.N.).
Zur Feststellung, ob der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ vorliegt, ist der Gegenstand des
erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Gegenstand des Patents ist die durch die Patentansprüche definierte Lehre. Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne daß dabei den Patentansprüchen eine gleich hervorragende Bedeutung zukommt (Sen.Urt. v. 03.12.1991 - X ZR 101/89, GRUR 1992, 157, 158 f. - Frachtcontainer; Sen.Urt. v. 21.09.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn). Entscheidend ist, ob die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen ließ, der geänderte Lösungsvorschlag solle von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt werden.
Der Gegenstand der Anmeldung darf im Erteilungsverfahren bei der Aufstellung des Patentanspruchs daher anders formuliert beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung de s Gegenstands der Anmeldung führen (Sen. BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Unterlagen nicht erkennen kann, daß die darin enthaltene Offenbarung von vornherein ihn als zur Erfindung gehörend erkennen ließ (vgl. Sen.Beschl. v. 05.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Beschl. v. 11.09.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung; vgl. ferner EPA - T 255/88, EPOR 1992, 87 - Befestigungsvorrichtung für Fassadenelemente; EPA - T 192/89, EPOR 1990, 287 - Dispositif d' homogénisation; EPA - T 270/89, EPOR 1991, 540 - Splash bar method). Eine solche Zuordnung ist für die im erteilten Patentanspruch bezeichnete Anordnung des Münzschlosses nicht zu erkennen.
In den Anmeldungsunterlagen wird die Aufgabe der Erfindung wie in der Streitpatentschrift angegeben. Zur Lösung dieser Aufgabe gibt die Anmeldung eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme an. Soweit die Beschreibung sich mit Angaben zur Lage des Schlosses befaßt, sind der Anmeldung wiederum nur Hinweise zu einer Anordnung in dieser Weise zu entnehmen (S. 4 Z. 23 ff.), wobei sich die Einschränkung, daß die beschriebene Anordnung bevorzugt sei, zwanglos mit der Anordnung auf der Seite des Wagens in Verbindung bringen läßt. Dem entspricht auch der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1, wonach der Einkaufswagen allein dadurch gekennzeichnet sein soll, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme angeordnet ist. Hierzu wird in der Beschreibung ausgeführt, das Münzschloß werde in einem Bereich angeordnet, der nicht anderweitig bereits für die Funktion oder für das Bewegen des Einkaufswagens vonnöten sei (S. 3 Z. 5 ff.).
Der Senat folgt dem gerichtlichen Sachverständigen, soweit dieser ausgeführt hat, der Fachmann, bei dem es sich um einen Techniker mit Konstruktionserfahrungen handele, entnehme der Anmeldung, daß das Münzschloß im Bereich Grifftragarm/Griff anzuordnen ist, damit es sich sowohl an einem der beiden Grifftragarme als auch am Griff abstützen kann. Dies kommt in Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung durch Verwendung der Worte "im Bereich eines der beiden Grifftragarme" zum Ausdruck. Darin erschöpfen sich die Angaben in der Anmeldung über die erfindungsgemäße Anordnung des Münzschlosses jedoch nicht.
Denn solche Anordnungen, bei denen zwar eine solche Abstützung möglich ist, das Münzschloß sich jedoch in gleicher Höhe oder unter dem Griff-
tragarm befindet, entnahm der Fachmann nicht den Anmeldungsunterlagen. Diese geben nicht nur an, daß die Anordnung des Münzschlosses dadurch gekennzeichnet sei, daß ein wesentlicher Teil des Münzschlosses unmittelbar über einem der Grifftragarme angeordnet ist; allein ein solche Lage findet sich auch in sämtlichen Abbildungen. Neben dem Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgage durch eine Anordnung eines wesentlichen Teils des Münzschlosses unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme (S. 3 Z. 1-3), wird als besonderer Vorteil hervorgehoben, daß durch die Inanspruchnahme des seitlich über dem Griff befindlichen Raums zur Unterbringung des Münzschlosses der unter dem Griff befindliche Bereich zum Zwecke des Ineinanderschiebens mehrerer Einkaufswagen voll erhalten bleibt und das Be- und Entladen des Korbs nicht nachteilig beeinflußt wird (S. 3 Z. 22-29). Auch bei der Erläuterung der Zeichnungen wird an verschiedenen Stellen stets betont, daß der wesentliche Teil des Münzschlosses, so die Kopplungseinrichtung und die Geldeinwurf - und -ausgabeöffnung, sich über dem Grifftragarm befinden (S. 4 Z. 23-32; S. 7 Z. 1-5; S. 7 Z. 13-16). Soweit in der weiteren Beschreibung eine Anordnung "im Bereich" der Grifftragarme angesprochen wird, ist dem keine beliebige Lage im Verhältnis zu den Grifftragarmen zu entnehmen; es handelt sich hier jedoch um die Verwendung sprachlicher Alternativen zur Bezeichnung des gleichen Gegenstandes. Daß weiterhin eine unmittelbare Lage oberhalb des Grifftragarms gefordert wird, ergibt sich auf S. 5 Z. 20 etwa daraus, daß der angesprochene Schacht, der das eigentliche Münzschloß trägt, in seiner Kontur dem Grifftragarm angepaßt wird und diesen bei der Befestigung des Schlosses aufnimmt. Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang zudem jeweils auf die Abbildungen, die das Schloß allein in einer Lage unmittelbar oberhalb des Grifftragarms zeigen. Das gilt auch für die auf S. 8 angesprochenen Bereiche.

Der Fachmann hatte im Zeitpunkt der Anmeldung auch keine Veranlassung , diese Aussagen in den Anmeldungsunterlagen zu relativieren und die Anordnung des Münzschlosses mit einem wesentlichen Teil unmittelbar über einem der beiden Grifftragarme nur als eine mögliche Anordnung anzusehen. Wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargestellt hat, war angesichts der damaligen Größe der Münzschlösser, wie in den Zeichnungen der Anmeldung dargestellt, eine Behinderung beim Ineinanderschieben der Wagen die Folge, wenn eine andere Anordnung des Schlosses als im wesentlichen über einem der Grifftragarme, insbesondere eine solche unterhalb eines der Grifftragarme, gewählt worden wäre. Danach war eine solche andere Anordnung nicht Teil der Offenbarung, wie sie in den Anmeldungsunterlagen Ausdruck gefunden hat. Sie war für den Fachmann aus der Anmeldung nicht zu entnehmen. Da sie von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dagegen umfaßt wird, ist dieser auf einen Gegenstand gerichtet, von dem der Fachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennen konnte, daß er von vornherein vom Schutzbegehren umfaßt sein sollte.
Daher geht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Streitpatents über den Gegenstand der Anmeldung hinaus mit der Folge, daß das Streitpatent für nichtig zu erklären ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.