Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2003 - X ZR 106/00

bei uns veröffentlicht am13.03.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 106/00 Verkündet am:
13. März 2003
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens sowie den
Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 6. März 2000 verkündete Schlußurteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte betreibt auf dem Gebiet einer niedersächsischen Gemeinde in einer Seenlandschaft einen Mobilheimplatz, der sich aus einem Campingplatz entwickelt hat.

Am 23. März 1976 schlossen der Beklagte und die Gemeinde in nota- rieller Form einen Erschließungsvertrag. Danach übernahm der Beklagte die Erschließung der Insel in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die Erschließung sollte die Herstellung des Straßennetzes, der Stromversorgung, der Wasserversorgung, der Schmutzwasserkanalisation nebst Anschluß an das örtliche System sowie die Herstellung eines Regenrückhaltebeckens umfassen. Die Gemeinde verpflichtete sich, sich mit 10 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands an der Maßnahme zu beteiligen. In § 7 vereinbarten der Beklagte und die Gemeinde ferner folgendes:
"Der Erschließungsträger der Campinginsel bzw. die Benutzer der Campinginsel sind berechtigt, die auf dieser Insel anfallenden Abwässer in die Kanäle der Gemeinde einzuleiten, ohne daß die Gemeinde berechtigt ist, hierfür Gebühren für den Anschluß und die Benutzung zu erheben."
In der Folgezeit führte der Beklagte die vereinbarte Erschließung durch. Lediglich ein besonderes Regenrückhaltebecken ließ er nicht herstellen. Das Regenwasser wird statt dessen in die vorhandenen Seen geleitet. Die auf der Insel anfallenden Abwässer werden mittels eigener Pumpen des Beklagten in das öffentliche Kanalisationssystem geleitet und hierüber entsorgt. Entsprechend der Regelung in § 7 des Vertrages vom 23. März 1976 zahlte der Beklagte hierfür nichts an die Gemeinde.
Im Jahre 1996 übertrug die Gemeinde dem Kläger, einem Zweckverband , durch schriftlichen Vertrag mit Wirkung vom 1. Juli 1996 die ihr obliegende Abwasserentsorgungspflicht nebst der Aufgabe der Beseitigung von Niederschlagwasser so wie den diesen Aufgaben dienenden Betrieb. Dabei wurde in § 8 dieses Vertrags folgendes vereinbart:
"(1) Der Wasserverband tritt zum Stichtag in sämtliche Verträge, die den übertragenen Betrieb betreffen, ein. Sämtliche Rechte aus diesen Verträgen werden an den Wasserverband abgetreten.
(2) Für die Vertragsübernahme ist in allen Fällen die Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner erforderlich. Die Vertragschließenden werden sich in gemeinsamer Abstimmung um die Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner bemühen.
...
(5) Die vorstehenden Bestimmungen gelten nicht für Abwasserbeseitigungsverträge. Für diese Verträge gilt folgendes: Der Wasserverband übernimmt die Verpflichtung aus Abwasserbeseitigungsverträgen zur vollständigen Entlastung der Gemeinde zum Stichtag. Die Rechte aus diesen Verträgen werden zum Stichtag an den Wasserverband abgetreten. Die Endabrechnung wird zum Stichtag von der Gemeinde durchgeführt."

Der Kläger entsorgt seitdem die auf dem Gemeindegebiet anfallenden Abwässer. Er setzte hiervon die Einwohner, einschließlich des Beklagten, in Kenntnis. Der Beklagte zahlte weder den dabei festgesetzten Abschlag noch später von dem Kläger erstellte Rechnungen über das Entgelt für die Entsorgung der auf der Campinginsel angefallenen Abwässer.
Der Kläger hat deshalb im Klagewege für die Entsorgung bis Dezember 1998 insgesamt 116.395,20 DM nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht über einen Teilbetrag in Höhe von 4.066,-- DM nebst Zinsen durch rechtskräftiges Teilurteil entschieden. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen, zunächst durch ein entsprechendes Versäumnisteilurteil, sodann durch Aufrechterhalten dieses Urteils.
Mit seiner Revision wendet sich der Kläger gegen dieses Schlußurteil und beantragt,
unter Aufhebung des Berufungsurteils auf seinen Einspruch hin das Versäumnisteilurteil vom 20. Dezember 1999 aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 57.433,01 112.329,20 DM) nebst Zinsen in näher angegebenem Umfang zu verurteilen.
Der Beklagte ist diesem Rechtsmittel entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Schlußurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Abschluß eines entgeltlichen Abwasserentsorgungsvertrags zwischen den Parteien durch schlüssiges Verhalten des Beklagten ebenso wie einen Zahlungsanspruch des Klägers aufgrund übergegangenen Rechts oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Beklagten verneint. Durch seinen Vertrag mit der Gemeinde habe der Kläger deren sich aus dem Erschließungsvertrag vom 23. März 1976 ergebende Rechte und Pflichten übernommen. In Anbetracht der Regelung in § 7 handele es sich bei dem Erschließungsvertrag um einen Abwasserbeseitigungsvertrag, so daß nach § 8 (5) des 1996 geschlossenen Vertrags der Kläger in das Vertragsverhältnis der Gemeinde mit dem Beklagten eingetreten sei. Deshalb habe der Beklagte davon ausgehen können und dürfen, daß sich für ihn die Bedingungen hinsichtlich der Abwasserentsorgung nicht veränderten.
2. Diese Argumentation geht davon aus, daß § 7 des Erschließungsvertrags eine Befreiung des Beklagten von Abwasserentsorgungsgebühren oder -entgelten für eine den hier streitigen Zeitraum einschließende Dauer von deutlich mehr als 20 Jahren beinhaltet und mit diesem Inhalt wirksam zustande gekommen ist. Letzteres kann jedoch - wie die Revision zu Recht geltend macht - aufgrund der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden. Da es damit zugleich an einer tragfähigen Grund-
lage für die weitere Würdigung des Berufungsgerichts fehlt, kann das angefochtene Schlußurteil keinen Bestand haben.

a) Zur Wirksamkeit und zur Geltungsdauer der Regelung in § 7 des Erschließungsvertrags hat das Berufungsgericht ausgeführt, diese verstoße nicht gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) vom 4. Februar 1973 (Niedersächsisches GVBl. S. 41), ein Verstoß gegen § 138 BGB sei nicht ersichtlich und eine Unwirksamkeit sei auch nicht deshalb gegeben, weil ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre. § 5 NKAG räume den Gemeinden nämlich die Möglichkeit ein, über die Gestaltung der Abwasserentsorgungsentgelte auch andere als die Abwasserentsorgungseinrichtung selbst betreffende Belange des Gemeinwesens zu fördern und zu unterstützen. Auch die vom Kläger selbst vorgetragene Absicht der Gemeinde, mit der Erschließung der Insel als Campingplatz den öffentlichen Fremdenverkehr zu beleben, habe deshalb durch das Absehen von Gebühren gefördert werden dürfen, zumal davon auszugehen sei, daß damit über die Steigerung der Wirtschaftskraft eine Erhöhung des Steueraufkommens der Gemeinde habe erreicht werden sollen, welches sich auf Grund § 7 des Erschließungsvertrags ergebende Abgabenausfälle zumindest habe kompensieren sollen. Die Würdigung des Gesamtumfangs der 1976 vereinbarten gegenseitigen Leistungen ergebe auch kein auffälliges Mißverhältnis. Der Beklagte habe die Erschließung mit Millionenaufwand finanziert und die Gemeinde von einer Vorfinanzierung befreit. Die Gemeinde habe sich mit nur 10 % an den Erschließungskosten beteiligt. Ein etwaiges Defizit an Gegenleistung des Beklagten werde jedenfalls dadurch aufgewogen, daß die Belebung des Fremdenverkehrs und hierüber die Kompensation des Abgaben-
ausfalls durch ein erhöhtes Steueraufkommen beabsichtigt gewesen seien. Das Kriterium der Fremdenverkehrsförderung sei auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz an sich schon ein ausreichender sachlicher Differenzierungsgrund. Der Erschließungsvertrag habe dem Beklagten Planungssicherheit und eine Kalkulationsgrundlage gegeben, so daß in Folge der langjährigen Durchführung - ohne daß die Gemeinde auch nur ansatzweise die Wirksamkeit in Zweifel gezogen habe - ein erheblicher Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei, der den Schutz des Beklagten vor einer Inanspruchnahme durch den Kläger jedenfalls so lange rechtfertige, wie sich die Grundlage des Erschließungsvertrags nicht wesentlich verändert habe. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, daß 1976 mittels einer nicht in die Vertragsurkunde aufgenommenen Nebenabrede die Kostenfreiheit bezüglich der Abwasserentsorgungsbeträge zeitlich begrenzt worden sei.

b) Bei dieser Würdigung sind die Beschränkungen, denen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Hinblick auf das Kommunalabgabenrecht unterliegen , nicht hinreichend beachtet.
(1) Die Gemeinde und der Beklagte haben am 23. März 1976 nach Inhalt und Bezeichnung einen Erschließungsvertrag geschlossen. Ein derartiges Geschäft stellt regelmäßig einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.2000 - V ZB 50/99, MDR 2000, 1270 zu dem § 123 Abs. 3 BBauG entsprechenden § 124 BauGB; vgl. auch Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 124 Rdn. 3 m.w.N.). Mangels gegenteiliger Feststellungen muß deshalb auch hier davon ausgegangen werden, daß die streitige Regelung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erschließungsvertrags vereinbart
wurde, und zwar angesichts des Zeitpunkts seines Zustandekommens im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erschließungsvertrags, auf den das damals geltende BBauG vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 341) anwendbar ist (vgl. § 123 Abs. 3 BBauG).
(2) Zu den grundlegenden Prinzipien öffentlich-rechtlichen Finanzgebarens , die aus Gründen der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zu beachten sind, gehören die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - III ZR 100/90, NJW 1992, 171, 173 m.w.N.). Es ist dafür zu sorgen , daß das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung der Daseinsvorsorge deckt (vgl. § 5 Abs. 2 NKAG), daß zwischen Leistung und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis besteht, die Gebühr insbesondere nicht in einem groben Mißverhältnis zu dem vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung steht (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 5.99, Buchholz 451.211; Beschl. v. 05.11.2001 - 9 B 50.01, NVwZ-RR 2002, 217), und schließlich daß bei gleichartig beschaffenen Leistungen des Trägers öffentlicher Verwaltung die Maßstäbe der Heranziehung in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so gewählt sind, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen in den Nutzungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Nutzern gewahrt bleibt (vgl. BVerwGE 50, 217).
(3) Hieraus leitet sich für den Streitfall ab, daß der Beklagte nicht in der geschehenen weitreichenden Weise von Abwasserentsorgungsgebühren befreit werden durfte. Da es um die Entsorgung des Abwassers aller Benutzer eines bestimmten Gemeindegebiets geht, bedeutete der mit § 7 des Erschlie-
ßungsvertrags vereinbarte Verzicht auf die Erhebung von Benutzungsgebühren eine echte Belastung anderer Nutzer der Abwasserentsorgungseinrichtung, die von der Gemeinde als Gebührenschuldner herangezogen wurden, und im Verhältnis zu dem Beklagten eine übermäßige Beanspruchung dieser anderen Nutzer durch den Träger öffentlicher Gewalt. Das ist unvereinbar mit dem aus Art. 3 GG folgenden Grundsatz der Gleichbehandlung (vgl. BVerwGE 112, 297). Von dieser Rechtsverletzung ist bei der revisionsrechtlichen Überprüfung im Streitfall auszugehen, weil das Berufungsgericht entgegenstehende Feststellungen nicht getroffen hat. Dafür, daß für die Gebühren, die ohne den Verzicht in § 7 des Erschließungsvertrags im Hinblick auf die Abwasserentsorgung für die vom Beklagten erschlossene Insel zu entrichten gewesen wären, eine Kompensation vorgesehen war, die sicherstellte, daß in diesem Umfang andere Nutzer nicht herangezogen wurden, fehlen nach dem im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Streitstoff jegliche Anhaltspunkte. Mit dem Wert, welcher der Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde möglicherweise zugeflossen ist, weil sie zum einen Pumpeinrichtungen für die vom Beklagten erschlossene Insel nicht einsetzen und unterhalten mußte, da dies der Beklagte übernommen hat, und weil die Gemeinde zum anderen Regenwasser aufgrund der Gestattung des Beklagten in die Seen einleiten durfte, hat sich das Berufungsgericht nicht befaßt. Soweit es Steuermehreinnahmen der Gemeinde als beachtenswerten Gesichtspunkt angesehen hat, hat das Berufungsgericht sich mit dem Hinweis begnügt, daß diese bezweckt gewesen seien. Darauf kann es in dem hier erörterten Zusammenhang jedoch nicht ankommen. Allenfalls bei Einnahmen, mit deren sicherer Erzielung gerechnet werden kann, erscheint es denkbar, eine infolge eines Gebührenverzichts gegenüber einem Nutzer anderweitig eintretende Belastung auszugleichen. Ob
und in welcher Höhe Steuermehreinnahmen bei realistischer Betrachtungsweise wirklich erwartet werden durften, hat das Berufungsgericht jedoch nicht geprüft. Außerdem sind keine Tatsachen festgestellt, die den Schluß zulassen, daß etwaige auf die Erschließung der Insel zurückgehende Steuermehreinnahmen ganz oder teilweise dem Gebührenaufkommen aus der Abwasserentsorgung tatsächlich zugeschlagen werden sollten, um eine das Gleichbehandlungsverbot verletzende zusätzliche Belastung der übrigen Nutzer der Abwasserentsorgungseinrichtung auszuschließen.
(4) Die mit § 7 des Erschließungsvertrags vereinbarte Befreiung von Benutzungsgebühren für die Entsorgung des auf der vom Beklagten erschlossenen Insel anfallenden Abwassers ist mithin als unvereinbar mit den maßgeblichen Grundsätzen des Abgabenrechts anzusehen. Das hat die Nichtigkeit dieser Regelung zur Folge. Die strikte Bindung an Recht und Gesetz ist im Abgabenrecht von besonderer und gesteigerter Bedeutung. Dies schließt es in aller Regel aus, daß Abgabengläubiger und Abgabenschuldner abweichende Vereinbarungen treffen, sofern das Gesetz dies nicht ausnahmsweise gestattet. Der Grundsatz, daß die Abgabenerhebung nur nach dieser Maßgabe und nicht aufgrund hiervon abweichender Vereinbarungen erfolgen kann, ist für einen Rechtsstaat so fundamental und für jeden rechtlich Denkenden so einleuchtend , daß seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist (vgl. BVerwGE 64, 361, 363; auch BVerwGE 8, 329, 330; 48, 166, 158; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Teil III, Kommunalabgaben § 1 Rdn. 56, 57 m.w.N.; Hillmann, Niedersächsisches Kommunalabgabenrecht, 3. Aufl., § 2 NKAG, Anm. 4, S. 19, 20).
(5) An einer gesetzlichen Ausnahmebestimmung, die den streitigen ver- traglichen Gebührenverzicht ermöglicht hätte, fehlt es. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts läßt sich eine solche Ausnahmeregelung nicht § 5 Abs. 1 Satz 3 NKAG entnehmen, dessen Geltung sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt und dessen Anwendung deshalb revisibel ist (§ 549 Abs. 1 ZPO a.F.). Das folgt aus § 2 NKAG. Danach sind die Abgaben aufgrund einer Satzung zu erheben. Die Erhebung von Benutzungsgebühren, die in § 5 NKAG näher geregelt ist, ist deshalb lediglich diejenige, die auf satzungsmäßiger Grundlage erfolgt. Die Satzung soll so beschaffen sein, daß das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung deckt (Satz 2). In der Satzung kann aber die Erhebung niedrigerer Gebühren vorgesehen sein, soweit an der niedrigeren Erhebung ein öffentliches Interesse besteht (Satz 3). Im Streitfall ist jedoch nicht festgestellt, daß der vertraglich vereinbarte Verzicht in § 7 des Erschließungsvertrags durch die Abwassergebührensatzung der Gemeinde gedeckt gewesen sei.
(6) Auch der vom Berufungsgericht für wesentlich gehaltene Umstand, daß der Beklagte sich zur Erschließung der Insel verpflichtet und von den beträchtlichen Erschließungskosten 90 % getragen hat, reicht nicht, um einen Ausnahmesachverhalt anzunehmen, der die mit § 7 des Erschließungsvertrags vereinbarte Gebührenbefreiung hätte rechtfertigen können. Das Berufungsgericht hat hiermit lediglich einen keinesfalls ungewöhnlichen Vorgang festgestellt. Er hat seinen Grund in den Regeln des beim Abschluß des Erschließungsvertrags geltenden Bundesbaugesetzes. Danach hatte im Falle einer den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs entsprechenden, die Voraussetzung einer baulichen Nutzung bildenden Erschließung, die nicht einem an-
deren oblag, die Gemeinde dafür zu sorgen, daß der beitragsfähige Erschließungsaufwand bis auf einen Eigenanteil nicht von ihr getragen werden muß (§§ 123 Abs. 1, Abs. 2, 127 Abs. 1, 129 Abs. 1 BBauG). Er mußte deshalb von den erschlossenen Grundstücken erhoben (§ 131 Abs. 1 BBauG) oder von dem getragen werden, dem die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag übertragen hat (§ 123 Abs. 3 BBauG). Zumal aus dem Umstand, daß der Beklagte die Erschließung der Insel übernommen hat, ohne weiteres auf ein Eigeninteresse des Beklagten an dieser Maßnahme geschlossen werden kann, kann mithin allein den festgestellten Umständen nicht entnommen werden, der Beklagte sei durch die festgestellte Pflicht, für die Erschließung zu sorgen, und ihre Erfüllung in besonderer Weise belastet gewesen. Das trifft auch im Hinblick auf den vom Berufungsgericht als gering bezeichneten Eigenanteil der Gemeinde sowie im Hinblick darauf zu, daß diese infolge der Übernahme der Erschließung der Insel durch den Beklagten die Finanzierung der Erschließungsmaßnahme und die Umlegung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands erspart hat. Denn der als Eigenanteil der Gemeinde vereinbarte Satz von 10 % lag ebenfalls im Rahmen der Vorgabe des Bundesbaugesetzes (§ 129 Abs. 1 a.E. BBauG) und die genannten Ersparnisse sind eine durchaus normale Folge der im Bundesbaugesetz vorgesehenen Alternative der Erschließung durch einen bestimmten Dritten. Die Wertung fällt schließlich auch nicht anders aus, wenn man miteinbezieht, daß die Gemeinde die Möglichkeit erlangt hat, den Umstand dieser Erschließung ihrer vom Berufungsgericht festgestellten Absicht entsprechend zur Belebung des Fremdenverkehrs zu nutzen. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls inwieweit auch ein derartiger Vorteil als durch die gesetzlichen Vorgaben bedingt und deshalb als im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich eingestuft werden muß. Da auch zu
seinem Wert im konkreten Fall Näheres nicht festgestellt ist, fehlt es nämlich schon an der nötigen Grundlage anzunehmen, jedenfalls dieses Vorteils wegen habe die Leistung des Beklagten ein Gewicht gehabt, das Anlaß bot, einen solch weitreichenden Verzicht zu vereinbaren, wie ihn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Auslegung dem § 7 des Erschließungsvertrags entnommen hat.
3. Auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die Inanspruchnahme der Leistungen des Klägers hinsichtlich des auf der Insel anfallenden Abwassers sei im vorliegenden Fall kein Verhalten des Beklagten gewesen, das zu einem entgeltlichen Abwasserentsorgungsvertrag zwischen den Parteien geführt habe, kann keinen Bestand haben.
Das folgt jedoch - entgegen der Meinung der Revision - nicht bereits daraus, daß in höchstrichterlicher Rechtsprechung wiederholt ausgesprochen worden ist, die Benutzung einer der öffentlichen Daseinsvorsorge zuzurechnenden Einrichtung bedeute, daß der Nutzer durch schlüssiges Handeln das Angebot des Betreibers zum Abschluß eines Benutzungsvertrags annehme, das darin liege, daß er die Einrichtung zur Benutzung zur Verfügung stelle (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.1982 - III ZR 159/80, NVwZ 1983, 58, 59; auch Urt. v. 19.01.1983 - VIII ZR 81/82, NJW 1983, 1777; Urt. v. 16.11.1990 - V ZR 297/89, NJW 1991, 564). Denn auch das Zustandekommen eines privatrechtlichen Vertrags durch schlüssiges Verhalten ist Tatfrage und hängt mithin von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Hierzu gehört im Streitfall nach dem bisher Ausgeführten, daß die Befreiung des Beklagten von der Zahlung von Abwasserentsorgungsentgelt unwirksam ist. Dies entzieht der bisherigen Würdigung des Berufungsgerichts die notwendige Grundlage.

4. Sollte das Berufungsgericht im weiteren Verlauf des Rechtsstreits das Zustandekommen eines entgeltlichen Abwasserentsorgungsvertrags zwischen den Parteien wiederum verneinen, müßte dem Kläger auf der Grundlage der übrigen bisherigen Feststellungen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zuerkannt werden.
5. Falls das Berufungsgericht jedoch - gegebenenfalls aufgrund ergänzenden Vortrags der Parteien - nach erneuter Prüfung des Streitstoffs Tatsachen feststellen kann, derentwegen der in § 7 des Erschließungsvertrags vereinbarte Verzicht der Gemeinde wirksam ist, wird das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung eines Zahlungsanspruchs aus übergegangenem Recht noch einmal der Frage nachzugehen haben, was der Kläger und die Gemeinde mit § 8 (5) des 1996 geschlossenen Vertrags übereinstimmend regeln wollten.
Wenn davon auszugehen ist, daß die Gemeinde die Abwasserentsorgung öffentlich-rechtlich geregelt hatte, ist nämlich schwer verständlich, warum die Vertragschließenden eine Bestimmung für Verträge getroffen haben sollten, welche die Abwasserentsorgung betreffen. Dann kann nämlich angenommen werden, daß es solche Verträge entweder gar nicht oder nur in einer ganz geringen Anzahl gab. Das läßt eine solch allgemeine Regelung, wie sie das Berufungsgericht § 8 (5) entnommen hat, nicht ohne weiteres sinnvoll erscheinen. Dies könnte die Deutung nahelegen, daß § 8 (5) des Vertrags zwischen dem Kläger und der Gemeinde von Abwasserbeseitigungsverträgen spricht, beruhe lediglich auf einer fehlerhaften Bezeichnung. Die Bedeutung der Regelung könnte sich deshalb in der Zusage, die Gemeinde von der Abwasserentsor-
gungspflicht zu entlasten, und in der Abtretung noch bestehender Forderungen gegen Gebührenschuldner erschöpfen. Diese Deutung stünde auch im Einklang mit der Unterscheidung, die durch § 8 (1) einerseits und § 8 (5) andererseits gemacht wird. Es wäre insbesondere erklärlich, warum in § 8 (5) von der in § 8 (2) erwähnten Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner nicht die Rede ist. Sie wäre in der Tat nicht erforderlich.
War hingegen die Abwasserentsorgung in der Gemeinde bei Abschluß des Vertrags im Jahr 1996 privatrechtlich geregelt, wäre es zwar eine zwanglose Auslegung, daß die Übernahme der bereits bestehenden privatrechtlichen Verträge gewollt und gemeint war. Diese zwanglose Sicht würde aber eine Regelung nicht ohne weiteres erfassen, die auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruht und abweichend von den privatrechtlichen Verträgen über die Abwasserentsorgung eine besondere Belastung des Klägers als des Übernehmers darstellen würde. Dies hätte möglicherweise eine besondere Erwähnung
des Vertrags des Beklagten mit der Gemeinde in deren Vertrag mit dem Kläger erwarten lassen, wenn auch im Hinblick auf diesen öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Übernahme gewollt gewesen wäre.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

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Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Baugesetzbuch - BBauG | § 131 Maßstäbe für die Verteilung des Erschließungsaufwands


(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungse

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 549 Revisionseinlegung


(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revisi

Baugesetzbuch - BBauG | § 124 Erschließungspflicht nach abgelehntem Vertragsangebot


Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2000 - V ZB 50/99

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 50/99
vom
6. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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Zur Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung aus einer Vorfinanzierungsvereinbarung
in einem Erschließungsvertrag mit einer Gemeinde ist das Verwaltungsgericht
zuständig.
BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Juli 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider,
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. Oktober 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 12.000 DM.

Gründe:

I.

Die beklagte Gemeinde schloß am 19. Oktober 1993 mit einer S. /Q. GmbH & Co. KG (im folgenden: S. /Q. KG oder Erschließungsträgerin ) einen Vertrag zur Erschließung des im Gemeindegebiet der Beklagten belegenen Wohngebiets "Am W. ". Nach vertraglicher Feststellung ist der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke dieses Wohngebiets. Die S. /Q. KG verpflichtete sich, die innere Erschließung des Wohngebiets vorzunehmen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages) und die Erschließungsanlagen an die beklagte Gemeinde zu übertragen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages), wobei diese auf das Beitragserhebungsverfahren verzichtete (§ 8 Abs. 1 des Vertrages). Die vollständige bzw. anteilige Übernahme der sog. äußeren Erschließungen "gegebenenfalls auch im Rahmen einer Zwischen- oder
Vorfinanzierung" (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) wird in § 11 des Vertrages geregelt. Er bestimmt:
"Ä ußere Erschließung (1) Dem Erschließungsträger ist bekannt, daß eine positive Bescheidung seiner Bauanträge zwingend die äußere Erschließung des Vertragsgebietes voraussetzt und die Gemeinde z. Zt. nicht in der Lage ist, die danach erforderlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. (2) Der Erschließungsträger ist deshalb zur Sicherung der schnellstmöglichen Realisierung seines Bauvorhabens bereit und berechtigt, auf eigene Kosten
a) die Wasserversorgung ........................................................... ................................................................................................
b) die Erdgasdruckleitung ........................................................... ................................................................................................
c) zur Energieversorgung ........................................................... ................................................................................................
d) den Gehweg und die Straße ................................................... ................................................................................................ herzustellen oder vorzufinanzieren. (3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 1 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden."
Mit Vertrag vom 19. Oktober 1994 präzisierten die Vertragsparteien diese Regelung. Der neu gefaßte § 11 des Vertrages enthält einzelne Regelungen zur äußeren Erschließung des Wohngebiets bezüglich Wasserversorgung, Erdgasdruckleitung, Elektroenergie, Gehwege und Straßen sowie Regenwasserabführung und der Abwasserableitung. Für letztere erfolgte eine Aufteilung der Gesamtkosten in "Anteil Gewerbegebiet" und "Wohngebiet" (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 2) an die sich eine "Verfahrensregelung" mit folgendem Inhalt anschließt :
"3.1. Die Gemeinde übernimmt die Planung und Realisierung der Schmutzwasserableitung nach Pkt. 2. Die Kosten werden durch eine "Erschließungssatzung der Gemeinde für das Wohngebiet und das Gewerbegebiet" anteilig auf die Gebiete umgelegt. 3.2. Die Gemeinde wird die anteiligen Kosten des Wohngebietes und des Gewerbegebietes auf die Grundstücke umlegen und die Grundstückseigentümer zur Zahlung der Erschließungsbeiträge heranziehen. 3.3. Zur Sicherung der Bauzeiten, nach Pkt. 3.4. erfolgt eine Vorfinanzierung von Projektierung und Bauleistungen durch den Erschließungsträger. Die Zahlungen erfolgen auf der Grundlage der mit den Ausführungsbetrieben und dem Ingenieurbüro bzw. der Stadt Sch. abzuschließenden Verträge durch den Erschließungsträger an die Gemeinde. 3.4. Zeitlicher Ablauf Baubeginn 01.09.1994 Bauende 30.10.1994 3.5. Die Rückzahlung der vorfinanzierten Anteile des Gewerbegebietes erfolgt durch die Gemeinde an den Erschließungsträger sofort nach Eingang der Zahlungen der Grundstückseigentümer des Gewerbegebietes. 3.6. Weitere Einzelheiten werden in einer noch zu beschließenden Erschließungs- und Beitragssatzung der Gemeinde geregelt.
(3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 2 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden. (5) Die anteiligen Kosten des Wohngebietes gemäß Abs. (2) sehen eine Kostenbeteiligung der Gemeinde nicht vor, auch bestehen zukünftig aus diesen Maßnahmen keine Forderungen des Erschließungsträgers an die Gemeinde."
Die Klägerin nimmt mit der Behauptung, sie sei mit der Erschließungsträgerin identisch, die Beklagte auf Zahlung nach § 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 in Anspruch (Teilklage). Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 61.860,58 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat u.a. die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen und in den Urteilsgründen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bejaht. Auf Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach aufrechterhaltener Rechtswegrüge der Beklagten durch Beschluß den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht H. verwiesen. Dagegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Klägerin.

II.


Die zulässige weitere Beschwerde (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; § 577 ZPO) ist unbegründet.
Das Berufungsgericht ist mit Recht auf Berufung der Klägerin in das Vorabverfahren eingetreten, da das Landgericht trotz ausdrücklicher Rechtswegrüge nicht vorab entschieden hatte (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) und es Anlaß sah, die weitere Beschwerde zuzulassen (BGHZ 131, 169; 132, 245, 247). An diese Zulassung ist der Senat gebunden (§ 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; BGHZ 120, 198).
Das Berufungsgericht bejaht rechtlich zutreffend für das vorliegende Verfahren den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es geht richtig und von der Beschwerde auch unbeanstandet davon aus, daß über Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. auch BVerwGE 42, 331, 332). Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der getroffenen vertraglichen Regelungen ist dabei der Schwerpunkt der Vereinbarung (vgl. BGHZ 56, 365, 373; 76, 16, 20; BVerwGE 22, 138, 140). Die Vertragsparteien haben eindeutig hinsichtlich der sog. inneren Erschließung einen Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB, also einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, abgeschlossen, mit dem die Erschließungsträgerin sich verpflichtete, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und ohne Gegenleistung auf die Gemeinde zu übertragen (§§ 2 ff des Vertrages vom 19. Oktober 1993). Soweit die Beschwerde dies unter Hinweis auf die notwendige Angemessenheit der Leistungen (§ 124 Abs. 3 Satz 1
BauGB) mit der Behauptung in Frage stellt, in dem Wohngebiet "AmW. " befänden sich auch "eine Vielzahl von Fremdanliegergrundstücken", ist das in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Die Frage nach der Rechtsnatur der vertraglichen Leistungen kann nicht davon abhängen, ob der von § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebene Rahmen eingehalten wurde. Im übrigen stellt der Vertrag vom 19. Oktober 1993 in § 1 Abs. 2 ausdrücklich fest, daß der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke innerhalb des Vertragsgebiets ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ohne daß die Beschwerde dagegen eine Rüge erhebt. Unrichtig ist ferner die Behauptung der Klägerin, die dem Erschließungsträger entstandenen Kosten hätten vereinbarungsgemäß durch Beitragserhebung refinanziert werden sollen. Eine solche Regelung ist nur im Rahmen der sog. äußeren Erschließung und nur im Rahmen der Vereinbarung zur Schmutzwasserableitung getroffen (§ 11 in der ergänzten Form). Im übrigen werden Erschließungsbeiträge für die in § 3 Abs. 1 des Vertrages von 1993 festgelegten Erschließungsmaßnahmen nicht nochmals erhoben (§ 8 Abs. 1 des Vertrages von 1993; § 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung).
Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Schwerpunkt der vertraglichen Regelung im Bereich der sog. inneren Erschließung sieht und die Regelung zur sog. äußeren Erschließung (§ 11 der Vertragsergänzung ) nur als Annex des Erschließungsvertrages betrachtet. Auch die Klägerin kann nicht bezweifeln, daß die sog. äußere Erschließung lediglich ein Mittel war, die positive Entscheidung über die Bauanträge für das Wohngebiet zu erreichen, und sie deshalb bereit und berechtigt war, bestimmte Erschließungsmaßnahmen herzustellen oder vorzufinanzieren (§ 11 Abs. 1 und 2 des ergänzten Vertrages), weil der Beklagten die notwendigen Mittel fehlten. Ebensowenig läßt sich in Frage stellen, daß die allenfalls privatrechtlich zu
bewertende Vorfinanzierungsregelung (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 des Ergänzungsvertrages ) für die von der beklagten Gemeinde herzustellende Schmutzwasserableitung (Klagegrundlage) nur einen geringfügigen Teilbereich der Regelungen in § 11 der Vertragsergänzung ausmacht. Hinsichtlich der Wasserversorgung, der Erdgasdruckleitung und der Elektroenergie wird lediglich auf die entsprechenden Verträge der Erschließungsträgerin mit den entsprechenden Versorgungsunternehmen verwiesen. Daß die beklagte Gemeinde an der Herbeiführung dieser Verträge mitbeteiligt war (§ 11 Abs. 3 der Vertragsergänzung ) ist ohne Bedeutung. Es kommt im Verhältnis zur beklagten Gemeinde insbesondere nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sich die Klägerin in gesonderten Verträgen mit Versorgungsunternehmen zur Kostenübernahme bereit erklärt hat. Hinsichtlich der Gehwege und Straßen sowie der Regenwasserabführung im Rahmen der äußeren Erschließung hat sich die Klägerin zur Herstellung auf eigene Kosten verpflichtet, ohne daß eine Erstattung durch die Beklagte vorgesehen ist (§ 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung). Daß diese Regelung den Charakter eines Erschließungsvertrages trägt, kann auch die Klägerin nicht ernsthaft bezweifeln. Für die Beurteilung der Rechtsnatur ist ohne Bedeutung, ob diese Regelung zulässig war oder nicht.
Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat mit rd. 1/5 des Hauptsachewerts bemessen (vgl. BGH, Beschlüsse v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077 und v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17 a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1). Soweit er früher vom vollen Hauptsachewert ausgegangen ist, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. auch schon Senatsbeschl. v. 30. September 1999, V ZB 24/99, NJW 1999, 3785, 3786).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. auch Senatsbeschl. v. 17. Juni 1993, V ZB 31/92, BGHR GVG § 17 a Abs. 4, Kostenentscheidung 1).
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.

(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.

(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.

(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.

(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.

(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.

(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem Revisionsgericht eingelegt. Die Revisionsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
§ 544 Absatz 8 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Revisionsschrift anzuwenden.

(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.

(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.

(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.

(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt.

(2) Die Erschließungsanlagen sollen entsprechend den Erfordernissen der Bebauung und des Verkehrs kostengünstig hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen benutzbar sein.

(3) Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht nicht.

(4) Die Unterhaltung der Erschließungsanlagen richtet sich nach landesrechtlichen Vorschriften.