Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2004 - VI ZR 95/03

bei uns veröffentlicht am03.02.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 95/03 Verkündet am:
3. Februar 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Wasserrutsche (Röhrenrutsche)
in einem Schwimmbad.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 - OLG Dresden
LG Görlitz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. Februar 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der damals 9-jährige Kläger besuchte am 20. Oktober 1999 gemeinsam mit seiner Mutter und Bekannten das Hallenbad der Beklagten in G. Im Außenbereich dieses Bades befindet sich eine 46 m lange Wasserrutsche in Form einer komplett geschlossenen Röhre. Der Zugang erfolgt über eine in einem Rutschenturm gelegene Treppe. Der Auslauf mündet im Innenbereich des Bades. Am unteren Eingang zum Rutschenturm und oben etwa 4 m vor dem Einstieg zur Rutsche befinden sich Tafeln mit Benutzungshinweisen. Für im Eingangsbereich der Rutsche stehende Badegäste ist der weitere Rutschenbereich nicht einsehbar. Die Rutsche ist mit einer sensorgesteuerten Ampelanlage ausgestattet. Der Benutzer passiert unmittelbar nach dem Start eine Lichtschranke und schaltet damit die am Rutscheneingang installierte Ampel von Grün auf
Rot. Kurz vor dem Ende der Rutsche befindet sich eine zweite Lichtschranke, bei deren Passieren die Ampel wieder auf Grün geschaltet wird. Der Einstieg und der Auslauf der Rutsche können von der Schwimmeisterzentrale aus über eine Video-Überwachungsanlage eingesehen werden, die wahlweise Bilder des Rutscheneinstiegs, des Ausstiegs oder anderer Überwachungskameras zeigt. Die Schwimmeister können den Bereich der Rutsche persönlich aufsuchen oder mit Lautsprecherdurchsagen erreichen. Der Kläger, der die Rutsche nach seiner Behauptung bei Grün betreten und ordnungsgemäß benutzt hat, kollidierte innerhalb der Röhre mit einem anderen Badegast, einer älteren Dame. Er schlug nach dem Aufprall mit dem Gesicht auf der Rutsche auf. Dabei wurden zwei seiner bleibenden Schneidezähne mit den Wurzeln herausgerissen. Ein weiterer Schneidezahn brach ab. Die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 15.000 DM und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich materieller und weiterer immaterieller Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Die Berufung der Beklagten führte zur Klageabweisung. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Die Anlage der Rutsche entspreche der maßgeblichen DIN-Norm. Bei ordnungsgemäßer Benutzung durch alle Badegäste gewährleiste die sensorgesteuerte Ampel, daß sich immer nur eine Person in der Rutsche befinde, eine Kollisionsgefahr also ausgeschlossen
sei. Die Einhaltung der Regeln könne von den Bademeistern überwacht werden. Weitergehende Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen seien der Beklagten nicht zuzumuten. Zum einen resultiere nach allgemeiner Lebenserfahrung bei weitem nicht aus jeder Kollision eine ernstzunehmende Verletzung. Zum anderen würden mechanisch wirkende Einrichtungen, die so beschaffen sein müßten, daß sie von Badegästen, insbesondere von Kindern, nicht überwunden werden könnten, ihrerseits Unfallgefahren bergen (zum Beispiel durch Quetschungen). Zudem seien sie - ebenso wie eine weitergehende Beaufsichtigung der Badegäste - mit dem Charakter des Schwimmbades als Freizeiteinrichtung und dem Badebetrieb als Freizeitvergnügen nicht zu vereinbaren.

II.


Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte als Betreiberin des Schwimmbades verpflichtet ist, ihre Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteile vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N. und vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssiche-
rung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger , in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 m.w.N.).
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Maßstäbe bestimmt sich auch das Maß der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder. Die Anlagen einer Badeanstalt müssen so beschaffen sein, daß die Benutzer vor vermeidbaren Gefahren bewahrt bleiben. Das bedeutet, daß die Badegäste vor den Gefahren zu schützen sind, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen , von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1980 - VI ZR 11/79 - VersR 1980, 863, 864). Dem Betreiber eines Freibades obliegt neben seiner Verpflichtung zur Erfüllung der von den Besuchern abgeschlossenen Benutzungsverträge auch die deliktische (Garanten-)Pflicht, dafür zu sorgen, daß keiner der Besucher beim Badebetrieb durch solche Risiken zu Schaden kommt (Senatsurteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984). Wird das Schwimmbad - wie im Streitfall - nicht nur von Erwachsenen besucht, ist für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zudem in Betracht zu ziehen, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten; daher kann die Verkehrssicherungspflicht auch die Vorbeugung gegenüber solchem mißbräuchlichen Verhalten umfassen (Senatsurteile vom 21. Februar 1978 - VI ZR 202/76 - VersR 1978, 561 f. und vom 29. Januar 1980 - VI ZR 11/79 - aaO; BGH, Urteil vom 28. Juni 1962 - III ZR 37/61 - VersR 1962, 825, 826 f.).
2. Der Betrieb einer Wasserrutsche bringt vielfältige Gefahren mit sich. Neben Stürzen aus nach oben offenen Röhrenrutschen (vgl. OLG München, VersR 1974, 200) kommt es im Bereich der Wasserrutschen immer wieder dadurch zu Unfällen, daß Badegäste die Rutsche in falscher Körperlage benutzen (vgl. OLG Hamm, VersR 1979, 943; OLG Karlsruhe, VersR 1993, 709; OLG Saarbrücken mit NA-Beschluß des Senats vom 24. September 1996 - VI ZR 15/96 - VersR 1997, 377; vgl. auch Fritzweiler/Scheffen, SpuRt 1998, 148, 150 f.) oder aber in der Rutsche selbst oder am Rutschenauslauf mit anderen Benutzern zusammenstoßen (vgl. OLG Köln, VersR 1989, 159; KG, VersR 1990, 168; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Hamm, ZfS 1999, 50; OLG Köln mit NABeschluß des Senats vom 26. Juni 2001 - VI ZR 309/00 - VersR 2002, 859; OLG Stuttgart, NJW-RR 2003, 1531; OLG Celle, NJW-RR 2004, 20; LG Berlin, VersR 1994, 998; LG Aachen, ZfS 1995, 323; AG Friedberg, NJW-RR 1989, 738). Ursächlich hierfür können unterschiedliche Rutschtechniken und die damit einhergehenden voneinander abweichenden Rutschgeschwindigkeiten sein. Begünstigt werden Kollisionen häufig aber auch durch einen zu geringen Abstand zum Vordermann zu Beginn des Rutschvorgangs (vgl. Tücks, VersR 2000, 422, 423).
3. Es begegnet keinen Bedenken, daß das Berufungsgericht zur Feststellung von Inhalt und Umfang der die Beklagte bezüglich der Wasserrutsche treffenden Verkehrssicherungspflichten die DIN EN 1069-2 mit herangezogen hat. Auch wenn es sich bei DIN-Normen nicht um mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne hoheitlicher Rechtssetzung, sondern um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen des "DIN Deutschen Instituts für Normung e.V." handelt (vgl. Senatsurteil vom 10. März 1987 - VI ZR 144/86 - VersR 1987, 783, 784), so spiegeln sie doch den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wider und sind somit zur Be-
stimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen in besonderer Weise geeignet (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 338, 341 f. und vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - VersR 1980, 380, 382). Wie das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, entspricht die Anlage der Rutsche den Anforderungen der hier maßgeblichen DIN-Norm. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob die Beklagte alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Badegäste getroffen hat. Anerkannt ist nämlich , daß Bestimmungen wie Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften oder DIN-Normen im allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern enthalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041, jeweils m.w.N.).
4. Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt stets von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Das gilt auch für den Schutz der Besucher von Schwimmbädern (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - aaO, S. 984 f.). So richten sich Art und Umfang der gebotenen Sicherungsvorkehrungen u.a. nach der Größe und der Lage des Bades, der Überschaubarkeit der Anlage, dem Einsatz technischer Hilfsmittel (z.B. Videokameras), der Anzahl der Besucher und der hierdurch bedingten "Spitzenbelastungen" (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1979 - VI ZR 106/78 - VersR 1980, 67) und auch nach den Gefahren, die von einer besonderen Einrichtung wie hier der Röhrenrutsche deswegen ausgehen, weil ihre Benutzer beim Betreten den weiteren Rutschenverlauf nicht einsehen können. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß für den in die Rutsche einsteigenden Badegast die Gefahr eines Zusammenstoßes mit einem noch in der Rutsche befindlichen anderen Badegast nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar ist, weil er den Vordermann gegebenenfalls erst unmittelbar vor der
Kollision bemerkt; zu diesem Zeitpunkt ist ihm im allgemeinen ein Abbremsen nicht oder kaum mehr möglich, weil er in der Rutsche keinen Halt findet. Für den zuerst eingestiegenen Badegast ist die Gefahr eines Aufpralls des Hintermannes erst recht nicht vorhersehbar und kontrollierbar. Dieses Gefahrenpotential erfordert besondere Sicherungsvorkehrungen.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um ihrer besonderen Verkehrssicherungspflicht im Bereich der Wasserrutsche zu genügen. Die sowohl am unteren Eingang zum Rutschenturm als auch oben etwa 4 m vor dem Einstieg ausgehängte Rutschanleitung enthält eine Reihe von Verhaltensaufforderungen. So signalisiert eines der auf den Tafeln zu sehenden Piktogramme das - auch textlich wiedergegebene - Gebot, beim Rutschen Abstand zu halten. Kindern im Alter bis zu sechs Jahren ist die Benutzung untersagt. Ein weiteres Piktogramm fordert zusammen mit einem entsprechenden Text dazu auf, den Bereich des Rutschenauslaufs nach dem Rutschen unverzüglich zu verlassen. Neben der Anordnung von Verhaltensmaßregeln hat die Beklagte technische Vorkehrungen getroffen, die es den Schwimmeistern ermöglichen, von ihrer Zentrale aus den Rutscheneinstieg mittels einer Video-Kamera zu beobachten und die sich dort aufhaltenden Badegäste über Lautsprecher anzusprechen. Alle diese Maßnahmen zielen auf eine ordnungsgemäße und damit möglichst gefahrlose Benutzung der Wasserrutsche ab. Um deren Verkehrssicherheit noch weiter zu erhöhen und einen zeitlichen und räumlichen Abstand zwischen den Benutzern der Rutsche zu gewährleisten, hat die Beklagte diese mit einer sensorgesteuerten Ampelanlage ausgestattet, die so angelegt ist, daß die Freigabe (bei ordnungsgemäßer Benutzung) jeweils dann erfolgt, wenn der jeweilige Benutzer den Rutschenauslauf erreicht. Damit wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, daß die am Rutscheneingang wartenden Benutzer den weiteren Ver-
lauf der Röhre nicht einsehen können und deshalb für die Einhaltung eines ausreichenden Rutschabstandes ohne Ampel auf eine bloße Schätzung der seit dem Einstieg des Vordermannes verstrichenen Zeit angewiesen wären (vgl. OLG Köln, VersR 2002, aaO). Zum anderen werden mit dieser Technik - im Unterschied zu zeitgesteuerten Signalanlagen (vgl. dazu KG, aaO und AG Friedberg, aaO) - die für den Zeitpunkt der Freigabe der Rutsche bedeutsamen unterschiedlichen Rutschgeschwindigkeiten der Badegäste berücksichtigt.

b) Die vorhandenen Sicherungsvorkehrungen gewährleisten im Zusammenwirken ein relativ hohes Maß an Verkehrssicherheit. Sie können - wie der Streitfall zeigt - Unfälle durch Zusammenstöße in der Rutsche allerdings nicht gänzlich verhindern. Wenn ein Badegast bei Rot in die Rutsche einsteigt, wird nicht nur der erforderliche Sicherheitsabstand zu dessen Vordermann unterschritten , sondern gleichzeitig auch die Funktion der Signalgebung aufgehoben, denn die Ampel schaltet in diesem Fall schon in dem Moment auf Grün, in dem der Vordermann den Rutschenauslauf erreicht. Tatsächlich ist die Rutsche zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht frei, weil sich der "Rotlichtsünder" noch in der Röhre befindet. Der nächste Badegast läuft deshalb Gefahr, in der Rutsche mit dem "Rotlichtsünder" zu kollidieren. Betritt er die Rutsche zudem sehr schnell nach Aufleuchten des Grünlichts, und zwar bevor der "Rotlichtsünder" den Rutschenauslauf erreicht, kommt es ein weiteres Mal zu einer irreführenden Wirkung der Ampel, weil diese schon in dem Moment wieder auf Grün umschaltet, in dem der "Rotlichtsünder" die Lichtschranke am Rutschenauslauf passiert, während der nachfolgende Badegast sich noch in der Röhre befindet. Auf diese Weise kann bei einer entsprechend raschen Folge der Rutschenden das sinnvolle Funktionieren der Signalanlage infolge eines einzigen Rotlichtverstoßes theoretisch auf Dauer beeinträchtigt sein. Dazu bedarf es allerdings einer Verkettung unglücklicher Umstände. Ob der Verkehrssicherungspflichtige Vorkeh-
rungen zur Abwehr einer solchen doch eher fernliegenden Gefahr zu treffen hat, erscheint zweifelhaft. Anerkannt ist nämlich, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere zu gefährden, wäre unrealistisch (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt , daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO, vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 + 99/77 - VersR 1978, 1163, 1164 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015).
Im Streitfall ist indessen nicht eine mehrfache, sondern nur eine einmalige Fehlfunktion festgestellt. Die Gefahr, daß es dazu kommt, ist weniger fernliegend , denn hierzu bedarf es lediglich eines einzigen Rotlichtverstoßes. Mit der Möglichkeit, daß irgendwann einmal ein Badegast das Signal der Ampel mißachtet und zu früh in die Rutsche einsteigt, kann und muß der Verkehrssicherungspflichtige rechnen. Das gilt erst recht, wenn die Wasserrutsche - wie hier - nicht allein von Erwachsenen, sondern auch - oder sogar vorwiegend - von Kindern und Jugendlichen benutzt wird, die erfahrungsgemäß dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten , eine Erscheinung, die gerade in Schwimmbädern häufig zu beobachten ist. Deshalb gebietet die Verkehrssicherungspflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß ein Badegast bei Rotlicht in die Rutsche einsteigt und auf diese Weise sich und andere gefährdet.

c) Indessen gab es nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen für die Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt des Unfalls keine geeignete und zumutbare Möglichkeit, dieser Gefahr zu begegnen.
aa) Die Installation einer mechanisch wirkenden Sperre hat das Berufungsgericht mit Recht als nicht sachdienlich erachtet. Eine solche Einrichtung könnte nur dann verlangt werden, wenn sie die Sicherheit der Badegäste tatsächlich erhöhen würde. Das aber ist nicht gewährleistet, da eine solche Einrichtung , worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, ihrerseits neue Unfallgefahren mit sich bringen würde. Es liegt zum Beispiel nicht fern, daß Kinder versuchen könnten, die Sperre zu überwinden, um - vorschriftswidrig - zu mehreren gemeinsam zu rutschen. Dabei könnten sie sich an der Sperre klemmen oder auf andere Weise (z.B. durch Quetschungen) verletzen, womit die Unfallgefahr im Ergebnis lediglich verlagert würde.
bb) Eine geeignete Maßnahme, mit der sich Unfälle im Bereich der Rutsche weitgehend verhindern ließen, könnte eine lückenlose Beaufsichtigung der Badegäste am Rutscheneinstieg durch einen dort präsenten Bademeister sein. Die Gewährleistung einer solchen ununterbrochenen direkten Aufsicht „vor Ort“ war der Beklagten aber nicht zumutbar. Eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern ist nicht üblich und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1979 - VI ZR 106/78 - aaO; OLG Hamm, VersR 1979, 943; OLG Köln, VersR 1989, 159; KG, aaO, S. 168 f.; Tücks, aaO, S. 424). Dieser für die allgemeine Badeaufsicht entwickelte Grundsatz gilt auch für die Aufsicht an besonderen Einrichtungen des Bades, wie Sprungbrettern, Sprungtürmen und Wasserrutschen. In Schwimmbädern drohen an vielen Stellen Gefahren. Ihnen durch eine allgegenwärtige Aufsicht zu begegnen, ist weder geboten noch möglich. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führen kann (§ 823 Abs. 1 BGB), umfaßt nicht jede denkmögliche Sicherheitsmaßnahme. Ihr ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich er-
achtet (Senatsurteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO). Der Besucher eines Schwimmbades kann eine Badeaufsicht, aber keine lückenlose "Rundum"Kontrolle erwarten. Sie wird deshalb auch nicht geschuldet.
cc) Ein Unterlassen anderer denkbarer Sicherungsvorkehrungen kann der Beklagten im Streitfall nicht zum Vorwurf gereichen. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte hätte die Ampelanlage mit einem "Gedächtnis" ausstatten müssen, um sicherzustellen, daß sie nur auf Grün schaltet, wenn ebenso viele Personen, wie oben eingestiegen, unten aus der Röhre herausgekommen sind. Ob dies technisch möglich und mit zumutbarem Aufwand zu bewerkstelligen wäre, kann hier dahinstehen. Die Revision vermag nämlich weder Vortrag in den Tatsacheninstanzen dazu aufzuzeigen, daß eine solche Ampelschaltung oder anderweitige technische Sicherheitsvorkehrungen für Rutschen vor dem Unfall des Klägers, also im Jahre 1999, überhaupt zur Verfügung gestanden hätte, noch, daß der Beklagten ein Nachrüsten der Signalanlage mit einer solchen "intelligenten" Technik seinerzeit finanziell zumutbar gewesen wäre. Das Maß der im Streitfall erforderlichen Verkehrssicherheit bestimmt sich nicht nach dem heute Möglichen und eventuell Zumutbaren, sondern richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Schädigung. Ob eine sensorgesteuerte Ampelschaltung, wie sie hier installiert war, heute noch den Sicherheitserfordernissen genügt, ist deshalb nicht zu entscheiden.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


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(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)