Bundesgerichtshof Urteil, 20. Jan. 2004 - VI ZR 46/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger wurde am 20. Juli 1988 als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt und ist seitdem querschnittgelähmt. Er hat ein Schmerzensgeld von 400.000 DM erhalten. Durch Urteil vom 20. März 1996 ist rechtskräftig festgestellt worden, daß die Beklagte ihm allen künftigen unfallbedingten materiellen Schaden zu ersetzen hat. Der Kläger hat vor dem Unfall abwechselnd sowohl seinen Pkw als auch sein Motorrad benutzt. Sein Pkw ist nach dem Unfall auf Kosten der Beklagten behindertengerecht umgebaut worden. Der Kläger begehrt nunmehr Ersatz der Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Motorrades in Höhe von 23.605,32in beiden Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Begehren des Klägers sei auf Ersatz eines Vermögensschadens gerichtet. Diesem Anspruch stehe der Abfindungsvergleich vom 11. Juni 1997 über die damals streitgegenständlichen materiellen Schadensersatzansprüche nicht entgegen, denn bei Abschluß dieses Vergleichs sei es noch nicht möglich gewesen, ein Motorrad behindertengerecht umzubauen. Diese Möglichkeit bestehe erst seit dem Jahr 2001. Grundlage der Leistungspflicht der Beklagten sei das im Vorprozeß ergangene Feststellungsurteil. Die Umbaumöglichkeit sei das Ergebnis einer zwischenzeitlich eingetretenen technischen Entwicklung. Eine Ersatzpflicht der Beklagten ergebe sich nicht aus § 249 Satz 2 BGB, denn der beabsichtigte Umbau des Motorrades diene weder der Wiederherstellung des bei dem Unfall zerstörten Krades noch der Wiederherstellung der Gesundheit des Klägers. Vielmehr seien die Umbaukosten der Schadensgruppe der vermehrten Bedürfnisse im Sinne von § 843 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Daß es sich nicht um ständig wiederkehrende Mehraufwendungen handele, stehe dem nicht entgegen, denn in besonders gelagerten Fällen könne ein Mehrbedarf auch durch einen nach den §§ 249, 251 BGB einmalig zu leistenden Schadensersatzbetrag abzugelten sein. Der Anspruch des Klägers sei aber deshalb unbegründet, weil die Beklagte bereits die Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Pkw getragen habe. Ein zusätzlicher Umbau auch des Motorrades sei nicht erforderlich, weil damit keine maßgeblichen Vorteile als Fortbewegungsmittel verbunden seien. Des-halb komme es auch nicht darauf an, ob der Kläger ausgesprochen Freude am Motorradfahren habe und vor dem Unfall sowohl einen Pkw als auch ein Motorrad genutzt habe.
II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. 1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Kläger mit seinem Begehren auf Ersatz der Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Motorrades einen Vermögensschaden unter dem Gesichtspunkt unfallbedingt vermehrter Bedürfnisse im Sinne von § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB geltend macht. Der Begriff der "Vermehrung der Bedürfnisse" umfaßt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats alle unfallbedingten Mehraufwendungen, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (Senatsurteile vom 20. Mai 1958 - VI ZR 130/57 - VersR 1958, 454; vom 30. Juni 1970 - VI ZR 5/69 - VersR 1970, 899; vom 25. September 1973 - VI ZR 49/72 - VersR 1974, 162 und vom 19. Mai 1981 - VI ZR 108/79 - VersR 1982, 238). Es muß sich demnach grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die dauernd und regelmäßig erforderlich sind und die zudem nicht - wie etwa Heilungskosten - der Wiederherstellung der Gesundheit dienen (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1955 - VI ZR 134/54 - VersR 1956, 22, 23 und vom 19. Mai 1981 - VI ZR 108/79 aaO). Zudem umfaßt der Begriff "vermehrte Bedürfnisse" in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur solche Mehraufwendungen, die dem Geschädigten im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und sich daher von den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicher Weise vor und nach einem Unfall anfallen (Senatsurteil vom 11. Februar 1992- VI ZR 103/91 - VersR 1992, 1235, 1236). So kommen als ersatzpflichtige Ko- sten zum Beispiel erhöhte Ausgaben für Verpflegung und Ernährung (Diät), Aufwendungen für Kuren und orthopädische Hilfsmittel sowie Pflegekosten und Kosten für Haushaltshilfen in Betracht (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 8. Aufl., Rdn. 264; Drees, VersR 1988, 784 ff., jeweils m.w.N.). Neben diesen wiederkehrenden Aufwendungen können aber auch einmalige Kosten zu ersetzen sein. So kann in besonders gelagerten Fällen ein Schaden nach §§ 249, 251 BGB auszugleichen sein, wenn durch die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels für den Verletzten dessen erhöhtes Bedürfnis für die Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden kann. Diese Voraussetzung kann etwa bei der Anschaffung eines Rollstuhls für einen Gehunfähigen oder einer elektronischen Schreibhilfe für einen Querschnittgelähmten erfüllt sein (Senatsurteil vom 19. Mai 1981 - VI ZR 108/79 - aaO). Im Einzelfall können auch die Aufwendungen für den Bau oder Ausbau eines der Behinderung angepaßten Eigenheims (Senatsurteil vom 19. Mai 1981 - VI ZR 108/79 - aaO; OLG Frankfurt, VersR 1990, 912; OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1449; OLG Stuttgart, VersR 1998, 366) oder die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs ersatzpflichtig sein, nämlich dann, wenn der Verletzte dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt wird, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen (Senatsurteil vom 30. Juni 1970 - VI ZR 5/69 - aaO; OLG München, VersR 1984, 245). Zu den typischen Aufwendungen, die in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unter dem Begriff "Vermehrung der Bedürfnisse" zusammengefaßt sind, können auch verletzungsbedingt erforderliche Mehraufwendungen für Kraftfahrzeuge gehören , z.B. die Kosten für den Einbau von Sonderausrüstungen oder die Ausstattung mit einem automatischen Getriebe (Senatsurteil vom 18. Februar 1992 - VI ZR 367/90 - VersR 1992, 618, 619). Ob derartige Aufwendungen im Ein-
zelfall vom Schädiger zu ersetzen sind, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die gemäß § 287 ZPO der tatrichterlichen Würdigung unterliegt (vgl. Senatsurteil vom 18. Februar 1992 - VI ZR 367/90 - aaO). 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger geltend gemachten Kosten für den behindertengerechten Umbau seines Motorrades seien keine "vermehrten Bedürfnisse" und deshalb nicht ersatzpflichtig, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Mehraufwendungen des Verletzten sind nur dann vom Schädiger zu ersetzen , wenn die Schädigung zu gesteigerten Bedürfnissen des Geschädigten geführt hat. Die Ersatzpflicht setzt mithin einen verletzungsbedingten Bedarf voraus. Dieser kann verschiedene Ursachen haben. Er kann - wie etwa bei Mehraufwendungen für Verpflegung oder bei der Anschaffung orthopädischer Hilfsmittel - eine unmittelbare Folge der Verletzung sein, er kann sich aber auch durch Hinzutreten weiterer Umstände ergeben, etwa dadurch, daß der Verletzte unfallbedingt auf einen Pkw angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz erreichen zu können. In diesem Fall beruhen die vermehrten Bedürfnisse auf dem Mobilitätsbedürfnis des Geschädigten. Dieser Gesichtspunkt kommt im Streitfall deshalb nicht zum Tragen, weil der Kläger bereits über einen behindertengerecht ausgerüsteten Pkw verfügt und ihm die Möglichkeit, daneben auch ein Motorrad zu benutzen, nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keinen maßgeblichen Mobilitätsvorteil verschaffen würde. Der Wunsch des Klägers, wieder nach Belieben - wie vor dem Unfall - zwischen Pkw und Motorrad wählen zu können, beruht nicht auf seinem Bedürfnis nach Wiederherstellung seiner früheren Mobilität, sondern entspricht seinem verständlichen und grundsätzlich auch berechtigten Bestreben nach
möglichst weitgehender Wiederherstellung der ursprünglichen Lebensqualität. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß der Geschädigte im Grundsatz so zu stellen ist, wie er ohne das schadenstiftende Ereignis stehen würde. Der Schadensersatzbetrag soll soweit wie möglich einen dem früheren möglichst gleichwertigen Zustand herstellen. Da dies bei irreversiblen körperlichen Beeinträchtigungen nicht möglich ist, hat der Schädiger dafür zu sorgen, daß die materielle Lebensqualität des Geschädigten nicht unter den früheren Standard sinkt (OLG Köln, VersR 1988, 61, 62; MünchKomm-BGB/Stein, 3. Aufl., § 843 Rdn. 39). Dieser Gesichtspunkt vermag im Streitfall jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten auch für den behindertengerechten Umbau des Motorrades zu begründen, zumal die mit der Querschnittlähmung verbundenen Beeinträchtigungen und Benachteiligungen, zu denen auch die entgangene Freude am Motorradfahren zählt, schon bei der Bemessung des an den Kläger gezahlten Schmerzensgeldes berücksichtigt worden sind. 3. Entgegen der Auffassung der Revision gibt der Vortrag des Klägers dazu, weshalb Motorradfahren für ihn gesundheitsfördernd sei, keinen Anlaß zur Einholung eines Sachverständigengutachtens. Sein Vorbringen erschöpft sich in allgemeinen Ausführungen, mit denen sich das Berufungsgericht bereits befaßt hat. Dessen Überlegungen sind aus revisionsrechtlicher Sicht (§ 287 ZPO) nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
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(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.
(2) Auf die Rente finden die Vorschriften des § 760 Anwendung. Ob, in welcher Art und für welchen Betrag der Ersatzpflichtige Sicherheit zu leisten hat, bestimmt sich nach den Umständen.
(3) Statt der Rente kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
(4) Der Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein anderer dem Verletzten Unterhalt zu gewähren hat.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)