Bundesgerichtshof Urteil, 17. Feb. 2004 - VI ZR 429/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall im April 1995, bei dem die Beklagte die zunächst angemeldeten Ansprüche durch Zahlung vom 2. Mai 1996 in vollem Umfang reguliert hatte.
1997 traten beim Kläger Folgebeschwerden auf. Im September 1998 wurde er auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt, was mit Gehaltseinbußen
verbunden war. Er wandte sich deshalb im Februar 1999 an die Beklagte; mit Schreiben vom 2. März 1999 verzichtete diese auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 2000. Im Juni 2000 gab die Beklagte ein chirurgisches Gutachten in Auftrag, das am 26. Oktober 2000 vorgelegt wurde. Sie übersandte das Gutachten am 7. Dezember 2000 dem Rechtsanwalt des Klägers, der mit ihrer Sachbearbeiterin einige Telefongespräche über die Ansprüche führte. Mit Schreiben vom 8. Februar 2001 bekräftigte die Beklagte ihren Standpunkt, daß aufgrund des Gutachtens vom 26. Oktober 2000 von einer unfallbedingten Umsetzung des Klägers nicht ausgegangen werden könne. Nach einem weiteren Telefonat erklärte sie mit Schreiben vom 21. Februar 2001 den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum Ende des Jahres 2001 "soweit diese bislang nicht eingetreten ist". Mit Schreiben vom 19. März 2001 übersandte der Kläger ihr eine ärztliche Bescheinigung und erinnerte mit Schreiben vom 4. und 8. Mai 2001 an die Bearbeitung. Die Beklagte berief sich mit Schreiben vom 14. Mai 2001 erneut auf das Gutachten vom 26. Oktober 2000, stellte jedoch dem Kläger anheim, ihr weitere Unterlagen zu übersenden. Am 9.Juli 2001 hat der Kläger die vorliegende Klage eingereicht, die der Beklagten am 16. Juli 2001 zugestellt worden ist. Das Landgericht hat die Klage auf die Einrede der Verjährung abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind mögliche weitere Schadensersatzansprüche verjährt. Die eingetretenen Folgeschäden seien voraussehbare Folgen der vom Kläger erlittenen Verletzungen. Die mit Kenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers anlaufende Verjährungsfrist umfasse deshalb auch die Schadensersatzansprüche wegen dieser Beschwerden. Die ursprüngliche Hemmung der Verjährung nach § 3 Nr. 3 Satz 2 PflVG habe mit dem Regulierungsschreiben der Beklagten vom 2. Mai 1996 geendet. Gleichzeitig habe die Zahlung am 2. Mai 1996 die Verjährung gemäß § 208 BGB a. F. unterbrochen und eine neue dreijährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt. Diese am 3. Mai 1996 neu angelaufene Verjährungsfrist sei bis zur Vollendung der Verjährung am 2. Mai 1999 nicht erneut gehemmt worden, auch wenn vor diesem Zeitpunkt Verhandlungen zwischen den Parteien geführt worden sein sollten. Denn aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 2. März 1999, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, habe bis zum 31. Dezember 2000 der Einrede der Verjährung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengestanden. In diesem Fall trete eine Hemmung durch wieder aufgenommene Verhandlungen nicht ein (Erman-Hefermehl, BGB, 9. Aufl., § 205 Rdn. 3). Die Erklärung habe keinen Einfluß auf den Lauf der Verjährungsfrist gehabt (§ 225 BGB a. F.). Die Berufung auf die Verjährung stehe auch nicht im Hinblick darauf, daß die Beklagte mit jenem Schreiben und dem vom 21. Februar 2001 den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt habe, inWiderspruch zu Treu und Glauben. Der auf einem Einredeverzicht beruhende Vertrauensschutz des Gläubigers sei nur solange gerechtfertigt, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände andauerten. Wenn der Verzicht - wie hier bis zum 31. Dezember 2000 - von vornherein befristet sei, könne der Gläubiger nach Ablauf der Befristung nicht mehr darauf vertrauen, daß der Schuldner die Einrede der Verjährung nicht erheben werde. Aus der Erklärung vom 21. Februar 2001 ergebe sich nichts anderes, da diese den Verzicht auf die Einrede der Verjährung für bereits verjährte Ansprüche ausgeschlossen habe. Da die Verjährung bereits am 3. Mai 1999 eingetreten sei, hätten auch die Verhandlungen im Dezember 2000 eine Hemmung der Verjährung nicht mehr bewirken können.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Da das Berufungsgericht offenläßt, ob vor der von ihm angenommenen Vollendung der Verjährung am 2. Mai 1999 Verhandlungen zwischen den Parteien geführt worden sind, ist für die revisionsrechtliche Beurteilung davon auszugehen, daß solche Verhandlungen geführt wurden. Bereits im Hinblick darauf rechtfertigen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht die rechtliche Beurteilung, die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche seien verjährt. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , wegen des am 2. März 1999 erklärten Verzichts auf Erhebungder Einrede der Verjährung habe eine Hemmung durch wiederaufgenommene Verhandlungen nicht eintreten können. Wie die Revision geltend macht, ergibt sich bereits aus einer früheren Entscheidung des erkennenden Senats, daß eine Hemmung der Verjährung wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien ungeachtet der Erklärung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu verzichten, möglich ist (vgl. § 852 Abs. 2 BGB a.F.). Der Senat hat nämlich ausgeführt, es spreche alles dafür, daß wegen schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien die Verjährungsfrist gehemmt gewesen sei (§ 852 Abs. 2 BGB), so daß auch ungeachtet des "Verjährungsverzichtes" im Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine Verjährung eingetreten sein konnte (vgl. Senatsurteil vom 10. März 1987 - VI ZR 88/86 - VersR 1987, 770, 771). Hiernach kommt eine Hemmung der Verjährung nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. trotz eines "Verjährungsverzichts" in Betracht. Der vorliegende Fall gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. Nur sie wird dem Sinn und Zweck eines vom Haftpflichtversicherer erklärten Verzichts auf Erhebung der Einrede der Verjährung gerecht. Ein solcher Einredeverzicht, wie er im Verlauf von Verhandlungen zwischen Haftpflichtversicherern und den Geschädigten häufig erklärt wird, verhindert nämlich nur, daß sich der Versicherer nach einem Scheitern von Verhandlungen, die über das Ende der Verjährungsfrist hinaus angedauert haben, mit Erfolg auf den Eintritt der Verjährung berufen kann. Er soll die Möglichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung offenhalten (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1978 - VI ZR 116/76 - VersR 1978, 423). Durch ihn wird jedoch eine sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebende Hemmung der Verjährungsfrist nicht berührt. Insofern hat das Berufungsgericht möglicherweise eine Formulierung im Kommentar von Erman mißverstanden, wonach keine Hemmung eintrete, wenn der Einrede der Verjährung die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe (vgl. Er-
man/Hefermehl, BGB, 10. Aufl., § 205 Rdn. 3). Zwar ist es richtig, daß eine nach Erklärung eines Verjährungsverzichts bestehende Einrede der unzulässigen Rechtsausübung für sich genommen nicht zu einer Hemmung der Verjährung führt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 126/90 - NJW 1991, 974, 975). Das bedeutet lediglich, daß ein befristeter Verjährungsverzicht den Ablauf der Verjährung unberührt läßt, rechtfertigt aber nicht die Folgerung des Berufungsgerichts, dass ein solcher Verzicht den Eintritt eines gesetzlichen Hemmungstatbestandes durch Aufnahme von Verhandlungen ausschließe. 2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen - auch ohne revisionsrechtliche Unterstellung - viel dafür spricht, eine Hemmung der Verjährung nach §§ 852 Abs. 2, 205 BGB a.F. anzunehmen. Das für den Beginn der Verjährungshemmung maßgebliche "Verhandeln" im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB a.F. ist weit zu verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt dafür jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben daher schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, daß dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2001 - VI ZR 208/00 – VersR 2001, 1255, 1256; vom 20. Februar 2001 - VI ZR 179/00 - VersR 2001, 1167; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99 - VersR 2001, 108, 110, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358).
Hier waren die Parteien schon vor der grundsätzlich im Mai 1999 ablaufenden Verjährungsfrist dadurch in Verhandlungen eingetreten, daß sich der Kläger im Februar 1999 an die Beklagte wandte und diese mit Schreiben vom 2. März 1999 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 2000 verzichtete. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht darauf an, ob der Kläger bereits im Februar 1999 konkrete Ansprüche bei der Beklagten geltend machte oder diese im Schreiben vom 5. Februar 1999 zunächst lediglich darum bat, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Der Begriff der "Verhandlungen" ist nicht nur auf Vergleichsverhandlungen beschränkt, so daß der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter unabhängig davon durch den mit Schreiben vom 2. März 1999 erklärten „Verjährungsverzicht“ zu der Annahme gelangen konnten, die Beklagte würde weitere Ansprüche prüfen und darüber verhandeln (vgl. dazu Senatsurteil vom 20. Juni 1969 - VI ZR 21/68 - VersR 1969, 857, 859). Dann wäre zu diesem Zeitpunkt eine Hemmung der Verjährung nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. eingetreten , für deren Beendigung das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Nach der Aufnahme von Verhandlungen zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten ist die Verjährung gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 852 Abs. 2 BGB a.F.). Ein solcher Abbruch von Verhandlungen muß wegen seiner Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Senatsurteile vom 5. November 2002 - VI ZR 416/01 - VersR 2003, 99, 100; vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97 - VersR 1998, 1295 und vom 19. Februar 1991 - VI ZR 165/90 - VersR 1991, 475). Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, daß der Ersatzpflichtige (derzeit) seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt (Senatsurteil vom 30. Juni 1998 - VI ZR 260/97 - aaO).
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß die Beklagte den Abbruch von Verhandlungen klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Vielmehr sprechen die tatsächlichen Feststellungen dafür, daß über den gesamten Zeitraum bis zur Klageerhebung die Berechtigung der Ansprüche inhaltlich geprüft und zwischen den Beteiligten verhandelt wurde.
III.
Nach alldem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Müller Wellner Diederichsen Stöhr ZollmoreResultsText
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Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Ist der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht zur Leistung verpflichtet, weil das Fahrzeug den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nicht entsprach oder von einem unberechtigten Fahrer oder von einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt wurde, kann der Versicherer den Dritten abweichend von § 117 Abs. 3 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht auf die Möglichkeit verweisen, Ersatz seines Schadens von einem anderen Schadensversicherer oder von einem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Soweit der Dritte jedoch von einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter Ersatz seines Schadens erlangen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers.
Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bei Beginn der Verjährung mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, so ist die Verjährung auch bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.
Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.