vorgehend
Landgericht Dresden, 14 O 4322/01, 11.10.2002
Oberlandesgericht Dresden, 15 U 2009/02, 11.07.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 246/03 Verkündet am:
25. Oktober 2005
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis 8. August 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den
Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision des Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Juli 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagter) und ein weiterer im vorliegenden Rechtsstreit Beklagter waren Inhaber einer Holzbaufirma, die sie in Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben. Sie waren mit Bodenarbeiten in einem Laborraum des seinerzeitigen Arbeitgebers der Klägerin beauftragt, die sie im Dezember 2000 ausführten. Unter streitigen Umständen fiel die Klägerin, als sie vor endgültigem Abschluss der Arbeiten am 20. Dezember 2000 gegen 9:30 Uhr den Laborraum betrat, durch eine ungesicherte Bodenöffnung in das darunter liegende Geschoss. Nach dem Vortrag der Klägerin war diese durch eine Folie abgedeckt und deshalb nicht sichtbar. Sie nimmt die Beklagten we- gen der bei dem Sturz erlittenen Verletzungen auf Zahlung von Schmerzensgeld , Ersatz materiellen Schadens und Feststellung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der damalige Zustand der Räume nicht aufzuklären sei und deshalb eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht bejaht werden könne und zudem die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden wegen Erkennbarkeit der Gefahrenstelle treffe.
2
Das Berufungsgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1 durch Teil-, Grund- und Teilschlussurteil vom 3. Juni 2003 teilweise stattgegeben , nämlich dem Grunde nach zu einem Viertel, und insoweit die begehrte Feststellung getroffen (VI ZR 195/03). Durch das vorliegende Grund- und Schlussurteil vom 11. Juli 2003 hat es hinsichtlich des Beklagten zu 2 ebenso geurteilt und die Sache insgesamt an das Landgericht zurückverwiesen. Nach Zulassung der Revision durch den erkennenden Senat haben die Klägerin Revision und der Beklagte Anschlussrevision eingelegt.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich der grundsätzlichen Haftungs- und Mitverschuldensfrage gelte das, was in dem Urteil vom 3. Juni 2003 betreffend den Beklagten zu 1 ausgeführt sei. Der Beklagte zu 2 hafte in entsprechender Anwendung des § 31 BGB für das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln des Beklagten zu 1, das bei einer Tätigkeit für die Gesellschaft erfolgt sei.

II.

4
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
5
1. Die Revision der Klägerin macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht ihr Mitverschulden im Umfang von drei Vierteln ohne ausreichende Feststellungen und zudem unter Verkennung der Beweislast bejaht hat.
6
a) Zwar greift die Revision mit ihrer Auffassung, das Berufungsgericht habe der Zeugenaussage und dem Unfallbericht positiv entnehmen müssen, der mit Dämmwolle ausgefüllte Bereich sei mit der schwarzen Folie bedeckt gewesen, in unzulässiger Weise in die tatrichterliche Würdigung ein. Erfolg hat jedoch ihre Rüge, es sei nicht erkennbar, woraus das Berufungsgericht herleite, die Klägerin müsse auf das Dämmmaterial getreten sein.
7
Auch beanstandet die Revision mit Recht, ohne weitere Feststellungen zum Unfallhergang sei die Annahme eines weit überwiegenden Mitverschuldens von drei Vierteln nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Unfallstelle für das Laborpersonal frei zugänglich war. Die Klägerin habe den Raum zu einem Zeitpunkt betreten, in dem er nach den Mitteilungen ihres Arbeitgebers wieder habe betretbar sein sollen. Warnungen vor der Bodenöffnung habe es nicht gegeben. Die schwarze Folie war jedenfalls teilweise noch vorhanden. Auch wenn der geöffnete Bereich nur mit Dämmmaterial, nicht aber mit der Folie bedeckt war, kann ohne entgegenstehende Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, der Klägerin habe sich aufdrängen müssen, dass sie da, wo sie ging, nicht gefahrlos habe gehen können.
8
b) Bei dieser Sachlage beanstandet die Revision mit Recht die Verteilung der Beweislast durch das Berufungsgericht. Ersichtlich stützt das Berufungsgericht das Mitverschulden der Klägerin darauf, es sei nicht erwiesen, dass der Boden durchgehend mit schwarzer Folie bedeckt gewesen sei. Hieraus folgert es, dass die Klägerin grob fahrlässig auf das Dämmmaterial getreten sei. Indessen trägt grundsätzlich der Schädiger für die Anwendungsvoraussetzungen des § 254 BGB die Beweislast (vgl. Senatsurteile vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437, 438 und vom 29. September 1998 - VI ZR 296/97 - VersR 1998, 1428). Diese Beweislastverteilung hat das Berufungsgericht , ebenso wie das Landgericht, verkannt.
9
2. Die zulässige Anschlussrevision ist ebenfalls begründet. Sie macht mit Recht geltend, dass das Berufungsurteil nicht frei von Verfahrensfehlern ist.
10
a) Findet gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde statt, muss auch nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aus dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (Senatsurteil BGHZ 156, 216 ff.; st. Rspr., vgl. auch BGHZ 156, 97 ff. und BGH, Urteil vom 13. Juli 2005 - XII ZR 303/02 - zur Veröffentlichung bestimmt - beide teilweise noch zum alten Recht; ferner allgemein BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - NJW-RR 2004, 573 f. m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Berufungsbegehren der Klägerin wird nicht erkennbar. Auch wird nicht deutlich, auf welchen Sach- und Streitstand das Berufungsgericht die Bejahung des Mitverschuldens stützt, insbesondere von welchem konkreten Vortrag der Klägerin zum Unfallhergang es als Grundlage für die Beweiswürdigung ausgeht.
11
b) Verfahrensrechtlichen Bedenken begegnet es auch, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Beklagten jeweils durch Teilurteil entschieden hat. Besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, ist der Erlass eines Teilurteils gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen unzulässig (Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 - VersR 2004, 645, 646). Im vorliegenden Fall ist die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ersichtlich zu bejahen. Die Beurteilung der Haftungs- und der Mitverschuldensfrage hängt hinsichtlich beider Beklagter von der Beantwortung derselben Sach- und Rechtsfragen ab. Ob diese Gefahr durch das zweite Urteil ausgeräumt wurde, in dem die Sache wegen beider Beklagter an das Landgericht zurückverwiesen wurde, kann hier dahinstehen, weil das Urteil schon aus den vorgenannten Gründen aufzuheben ist.
12
c) Ohne Erfolg bleibt hingegen die Rüge der Anschlussrevision, das Berufungsgericht habe - insoweit abweichend von der Entscheidung des Landgerichts - zu Unrecht die Haftung der Beklagten für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bejaht. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hafteten als Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamtschuldner, und zwar der Beklagte zu 1, weil er die gefährliche Unfallstelle ohne Sicherungsmaßnahmen oder Warnungen für das in den Laborräumen arbeitende Personal verlassen habe, und der Beklagte zu 2, weil er als Gesellschafter für die analog § 31 BGB begründete Haftung der Gesellschaft für das Handeln des Beklagten zu 1 persönlich einzustehen habe (vgl. BGHZ 154, 88, 93 ff.), ist vom rechtlichen Ansatz her nicht zu beanstanden. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt die Anschlussrevision nicht auf.

III.

13
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Wellner Diederichsen Zoll Stöhr
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 11.10.2002 - 14 O 4322/01 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 11.07.2003 - 15 U 2009/02 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 31 Haftung des Vereins für Organe


Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2005 - XII ZR 303/02

bei uns veröffentlicht am 13.07.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 303/02 Verkündet am: 13. Juli 2005 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2004 - XI ZR 5/03

bei uns veröffentlicht am 13.01.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 5/03 Verkündet am: 13. Januar 2004 Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja.

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Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 303/02 Verkündet am:
13. Juli 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO n.F. §§ 543 Abs. 1 Nr. 2, 540 Abs. 1; ZPO a.F. 543 Abs. 1 und 2

a) Zu den Anforderungen an ein Berufungsurteil, gegen das (hier: nach erfolgreicher
Nichtzulassungsbeschwerde) die Revision stattfindet (Fortführung
von Senatsbeschluß BGHZ 156, 97 ff.).

b) Zur Notwendigkeit eines Tatbestandes und der Wiedergabe der zweitinstanzlichen
Anträge in einem der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde
unterliegenden Urteil in einem Berufungsverfahren, für das nach
§ 26 Nr. 5 EGZPO die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung
weitergelten.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2005 - XII ZR 303/02 - LG Berlin
AG Schöneberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 8. November 2002 aufgehoben. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Das Berufungsgericht hat auf mündliche Verhandlung vom 23. August 2002 ein Urteil des Amtsgerichts, das auf mündliche Verhandlung vom 1. November 2001 ergangen war, auf die Berufung der Klägerin geändert und die Beklagte zur Zahlung von weiteren 140.372,17 € nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten hat es zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Von der Darstellung des Tatbestandes hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf § 543 Abs. 1 BGB a.F. abgesehen. Ferner enthält das Urteil weder eine Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung oder auf Schriftsätze,
Protokolle und andere Unterlagen, noch gibt es die Berufungsanträge der Parteien wieder. Die Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, um das Berufungsurteil mit der beabsichtigten Revision in vollem Umfang anzugreifen. Nach deren Zulassung durch Senatsbeschluß vom 13. August 2003 (BGHZ 156, 97 ff.) verfolgt sie dieses Ziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß auf das Berufungsverfahren noch die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung anzuwenden waren. Denn die letzte mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht war noch vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden, so daß nach § 26 Nr. 5 EGZPO auch für die Abfassung des Berufungsurteils noch das alte Verfahrensrecht maßgebend war. Hingegen ist auf die Revision - ebenso wie schon zuvor auf die Nichtzulassungsbeschwerde - das neue Verfahrensrecht anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung, auf die das Berufungsurteil erging, nicht vor dem 1. Januar 2002 stattfand (§ 26 Nr. 7 EGZPO). Richtet sich das Berufungsverfahren - wie hier - nach dem am 31. Dezember 2001 geltenden Verfahrensrecht, bedarf es der Wiedergabe der Berufungsanträge und außerdem der Darstellung des Tatbestandes, zumindest aber
der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, wenn gegen das Berufungsurteil die Revision stattfindet, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. Gleiches gilt, wenn gegen deren Nichtzulassung in diesem Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde stattfindet (vgl. Senatsbeschluß vom 13. August 2003 aaO S. 100; BGHZ 156, 216 ff.; BGH, Urteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 360/02 - nicht veröffentlicht). Der vom Berufungsgericht in der Sache vertretene rechtliche Standpunkt kann nämlich nur bei Kenntnis des tatsächlichen Streitstoffes nachvollzogen werden. Ist aus dem Urteil nicht ersichtlich, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen, kann auch nicht überprüft werden, ob diese frei von Verfahrensfehlern getroffen wurden und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen des Berufungsgerichts im Einklang mit den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen stehen. Damit fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen, die dem Revisionsgericht auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin die Prüfung ermöglichen, ob das Berufungsgericht aus einem der in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Gründe die Revision hätte zulassen müssen. Ist dem Urteil nicht zuverlässig zu entnehmen, um welchen Sachverhalt es geht, kann dem Revisionsgericht nicht angesonnen werden, diesen selbst zu ermitteln und festzustellen, um abschließend beurteilen zu können, ob die Nichtzulassungsbeschwerde begründet ist. Die Ermittlung und Feststellung des Sachverhalts war bisher nicht Aufgabe des Revisionsgerichts (vgl. BGHZ 73, 248, 252) und kann es auch nach neuem Recht nicht sein. Denn auch nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Verfahrensrecht müssen die tatsächlichen Grundlagen, von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist, aus dem Berufungsurteil ersichtlich sein, um dem Revisionsgericht im Falle der Nichtzulas-
sung der Revision die Überprüfung auf die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO zu erlauben (vgl. Senatsbeschluß vom 13. August 2003 aaO S. 102; Zöller /Gummer ZPO 23. Aufl. § 540 Rdn. 6). 2. Dies gilt auch und erst recht für das Revisionsverfahren nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 543 ZPO a.F. ist ein mit der Revision angreifbares Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält (vgl. BGHZ 73, 248 ff.). Allerdings kann ausnahmsweise von einer Aufhebung und Zurückverweisung aus diesem Grunde abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung zweifelsfrei aus den Urteilsgründen ergeben (z.B. BGH, Urteile vom 1. Februar 1999 - II ZR 176/97 - WM 1999, 871 = NJW 1999, 1720 unter I 1 m.w.N. und vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - FamRZ 2003, 1273). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht gegeben.
a) Das angefochtene Berufungsurteil enthält nicht nur keinen Tatbestand, sondern nimmt nicht einmal auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug, so daß auch nicht § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. eingreift. Ist aber nach dieser Vorschrift schon die Bezugnahme auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung nur zulässig, wenn die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht hierdurch nicht wesentlich erschwert wird, kann es bei dem hier vorliegenden umfangreichen Streitstoff auch nicht genügen, wenn sich der vom Berufungsgericht zu Grunde gelegte Sachverhalt - wie hier - zwar möglicherweise weitgehend, aber jedenfalls nur mühsam und mosaiksteinartig aus den Entscheidungsgründen rekonstruieren läßt.
Insbesondere ist dem Berufungsurteil zwar zu entnehmen, daß die Beklagte der Klageforderung offenbar einen in einem Parallelverfahren geschlossenen Vergleich entgegenhält, und daß das Berufungsgericht diesen Vergleich anders auslegt als die erste Instanz. Da aber nicht einmal der Wortlaut und der Kontext dieses Vergleichs wiedergegeben werden, ist es schon nicht möglich, diese Auslegung nachzuvollziehen.
b) Hiervon abgesehen enthält das Berufungsurteil keine hinreichend zuverlässigen Angaben zu den Berufungsanträgen. Deren Aufnahme in das Berufungsurteil ist aber sogar nach dem neuen § 540 ZPO, der eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt, nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100 ff. und 156, 216, 218). Die angefochtene Entscheidung läßt allenfalls erahnen, aber nicht zuverlässig erkennen, was die Berufungsklägerin mit ihrem Rechtsmittel erstrebt hatte. Zwar könnte der Aussage, daß die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 474.544,11 DM Mietzins und Nebenkosten für die Zeit von November 1996 bis Februar 1998 habe, in Verbindung mit der einleitenden Aussage , daß die Berufung der Klägerin in Höhe von weiteren 274.544,11 DM begründet sei, durch Rückrechnung die Vermutung entnommen werden, daß das Amtsgericht der Klage (nur) in Höhe von 200.000 DM stattgegeben hatte. Dem steht aber entgegen, daß die Gründe der angefochtenen Entscheidung in sich widersprüchlich sind. Einerseits hält das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Mietzins und Nebenkosten in Höhe von 474.544,11 DM zuzüglich 2.360,80 DM kapitalisierter Zinsen bis zum 1. März 1998 für gerechtfertigt, spricht andererseits lediglich weitere 140.372,17 € = 274.544,10 DM nebst Zinsen ab 2. März 1998 zu. Schon deshalb läßt sich auch durch Rückrechnung, die im übrigen angesichts ihres hier erforderlichen Umfangs einem Revisionsgericht nicht angesonnen werden kann, nicht zuverlässig
ermitteln, in welcher Höhe die Klägerin in erster Instanz obsiegt hatte und welchen ursprünglich begehrten Betrag sie mit ihrem Rechtsmittel weiterverfolgte oder welchen Betrag sie gegebenenfalls im Wege der Klageerweiterung in zweiter Instanz insgesamt begehrte. Dies gilt insbesondere für den Betrag der offenbar in Höhe von mehr als 2.360,80 DM verlangten kapitalisierten Zinsen. Auch an Hand der ausgeworfenen Kostenquote läßt sich allenfalls die Größenordnung des Klagebegehrens überschlägig abschätzen. Das genügt nicht. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 5/03 Verkündet am:
13. Januar 2004
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
ZPO (2002) § 540
Zu den gemäß § 540 ZPO bestehenden Mindestanforderungen an den Inhalt eines
Berufungsurteils.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - LG Hamburg
AG Hamburg-Altona
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landesgerichts Hamburg vom 5. Dezember 2002 aufgehoben.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten Zinszahlung aus einem Darlehen, das sie ihm 1991 zur Beteiligung an einer Immobilienfonds Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewährt hat. Der Beklagte, der bei dem Abschluß des Darlehensvertrages durch die J.
GmbH (im folgenden: Treuhänderin) vertreten worden war, beruft sich u.a. darauf, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Die Treuhänderin habe als vollmachtlose Vertreterin gehandelt, da der mit ihr zum Erwerb der Beteiligung an der Immobilienfondsgesellschaft geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei.
Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juni 2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht, dessen Urteil die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge der Parteien nicht enthält, hat im wesentlichen ausgeführt :
Der Darlehensvertrag sei unwirksam, da der zwischen dem Be- klagten und der Treuhänderin geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei. Hieran ändere auch der Umstand nichts, daß einer der Geschäftsführer der Treuhänderin Rechtsanwalt sei. Die Vollmacht sei der Klägerin gegenüber auch nicht aus Rechtsscheingesichtspunkten als wirksam zu behandeln. Dabei könne dahinstehen, ob der Klägerin entsprechend ihrer Behauptung die notariell beurkundete Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei. § 172 BGB verwehre es dem Aussteller einer Vollmachtsurkunde zwar, sich darauf zu berufen, er habe die Vollmacht nicht erteilt oder widerrufen, helfe aber nicht über rechtliche Wirksamkeitshindernisse der Erklärung selbst hinweg. Auch eine Duldungsvollmacht liege nicht vor.

II.


Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es nicht erkennen läßt, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt hat (§§ 545 Abs. 1, 546 ZPO).
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß auf das Berufungsverfahren die Zivilprozeßordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die nach der Neufassung des § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO anstelle des Tatbestandes mögliche Bezugnahme auf die tat- sächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil aus.
2. Die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kann sich jedoch nicht auf den in zweiter Instanz gestellten Berufungsantrag erstrecken. Dieser ist auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen. Enthält das Berufungsurteil - wie hier - keine wörtliche Wiedergabe des Berufungsantrags, so muß es wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 3, vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02, WM 2003, 2424, 2425 und vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
An dieser Mindestvoraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsurteil enthält - obwohl das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat - nicht einmal den Hinweis darauf, daß die Klägerin ihren erstinstanzlichen Sachantrag unverändert weiterverfolgt (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar - VIII ZR 262/02 aaO und vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4). Auch die nur wenige Zeilen umfassende Wiedergabe neuen Vorbringens der Klägerin, deren Berufungsbegründung allein 36 Seiten umfaßt, ist so stark verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen, daß sie keinen hinreichenden Aufschluß gibt. Auch nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Verfahrensrecht ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt anhand der Akten selbst zu ermitteln und festzustellen (BGH, Urteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

III.


Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 aaO, vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4 und vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 aaO, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Es ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat sich der Senat veranlaßt gesehen, von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 76/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 2 und vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 5).
Für das weitere Verfahren vor dem Berufungsgericht weist der Senat darauf hin, daß sich das Berufungsurteil auch im Ergebnis mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung als fehlerhaft erweist. Wie der Senat - teilweise nach Erlaß des Berufungsurteils - wiederholt entschieden hat, sind die §§ 171, 172 BGB auch dann anwendbar, wenn die umfassende Bevollmächtigung des Treuhänders unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und gemäß § 134 BGB nichtig ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 25. März 2003 - XI ZR 227/03, WM 2003, 1064, 1065 f. und vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2333 m.w.Nachw.). Für die Frage der Rechtsscheinhaftung nach § 172 Abs. 1 BGB kommt es daher entscheidend darauf an, ob der finanzierenden Bank spätestens bei Abschluß des Darlehensvertrages die die Treuhän-
derin als Vertreterin des Darlehensnehmers ausweisende Vollmachtsurkunde im Original bzw. bei notarieller Beurkundung in Ausfertigung vorlag (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 2003 - XI ZR 289/02, WM 2003, 1710, 1711 und vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2333, jeweils m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht wird daher - sofern es erneut zu dem Ergebnis gelangt, der Treuhandvertrag verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz - die Frage zu klären haben, ob der Klägerin - wie sie behauptet - die Vollmacht vorlag. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wird das Berufungsgericht dem Vorbringen der Klägerin zur Duldungsvollmacht nachzugehen haben. Dieses kann nicht als unsubstantiiert angesehen werden.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

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