Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2008 - VI ZR 223/07

bei uns veröffentlicht am03.06.2008
vorgehend
Landgericht Köln, 5 O 488/05, 05.12.2006
Oberlandesgericht Köln, 20 U 175/06, 31.08.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 223/07 Verkündet am:
3. Juni 2008
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht bei einer Trampolinanlage.
BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 31. August 2007 wird zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers wird das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der am 7. Juni 1967 geborene Kläger macht gegen den Beklagten zu 1 als Inhaber und die Beklagte zu 2 als vor Ort tätige Geschäftsführerin einer Freizeitanlage materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit einem Unfall vom 2. Oktober 2004 geltend, den er bei der Benutzung einer Trampolinanlage erlitten hat.
2
Am Unfalltag besuchte der Kläger mit seiner Familie und einer Geburtstagsgesellschaft die Freizeitanlage, zu der ein "Indoor-Spielplatz" mit einer Trampolinanlage gehört, auf welcher mehrere Personen gleichzeitig auf verschiedenen Trampolinfeldern, zwischen denen Schaumstoffmatten liegen, springen können.
3
An der Anlage befinden sich Hinweisschilder, die unter anderem folgende "Wichtige Hinweise" enthalten: "A) Um Verletzungen zu verhindern, nicht mit den Ellenbogen abstützen und keine Kopfsprünge machen.
B) Beim Springen darauf achten, dass sich die Zunge nicht zwischen den Zähnen befindet.
C) Bevor man Saltos ausführt, sollte man sich zuerst mit dem Trampolin vertraut machen.
D) Beim Ausführen von Saltos sollte man die Beine möglichst gestreckt halten, um einen Rückschlag (Knie ins Gesicht) beim Aufprall zu vermeiden.
E) Keine Übungen durchführen, wenn man sich nicht sicher fühlt.
F) Die Anlage kann von Kindern ab vier Jahren und von Erwachsenen benutzt werden. …"
4
Der Kläger benutzte die Trampolinanlage und landete bei dem Versuch eines Salto vorwärts nicht auf den Beinen, sondern auf dem Rücken. Bei dem Aufprall brach er sich das Genick und ist seitdem querschnittgelähmt.
5
Das Landgericht hat mit einem Grund- und Teilurteil die Zahlungsklage des Klägers unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Unfallschäden zu 50 % - vorbehaltlich eines Rechtsübergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte - zu ersetzen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen aller Parteien hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen sie ihre Anträge weiter, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagten hafteten dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schäden , da sie Saltosprünge auf der Trampolinanlage nicht generell unterbunden oder zumindest nicht deutlicher auf die besonderen Gefahren von Saltosprüngen hingewiesen hätten. Gerade bei einem solchen Kinderspielgerät, welches für Kinder ab vier Jahren frei gegeben sei und ohne besondere Aufsicht benutzt werden könne, rechne der Benutzer nicht damit, dass auch bei einer nicht fern liegenden Benutzung erhebliche Verletzungsrisiken bestünden. Diese Pflichtverletzung sei für den Unfall zumindest mitursächlich gewesen. Das Landgericht habe zu Recht ein hälftiges Mitverschulden des Klägers angenommen. Unabhängig davon, ob der Kläger die besondere Gefährlichkeit und erhebliche Verletzungsgefahr bei Saltosprüngen erkannt habe und sie ihm in der fraglichen Situation bewusst gewesen sei, habe er - obwohl er in der Benutzung eines Trampolins ungeübt gewesen sei und sich mit dem Gerät nur kurz vertraut gemacht habe - einen schwierigen Sprung versucht, den er nicht beherrscht habe. Mit der nahe liegenden Gefahr, dass er bei einem Misslingen des Saltos unglücklich aufkommen könne und in diesem Fall auch die Abfederung durch Matten oder Sprungtuch erhebliche Verletzungen nicht verhindern könne, habe er sich offenbar nicht auseinandergesetzt. Hierin liege ein nicht unerhebliches Mitverschulden , welches das Landgericht zu Recht mit 50 % bewertet habe. Dem Mitverschuldenseinwand stehe nicht entgegen, dass der Kläger vor den spezifischen Gefahren eines Saltosprunges nicht durch Hinweise der Beklagten gewarnt worden sei. Die Annahme eines anspruchsmindernden Mitverschuldens nach § 254 BGB sei auch nicht aus Rechtsgründen wegen des Schutzzwecks der von den Beklagten verletzten Pflicht ausgeschlossen.

II.

7
A. Zur Revision der Beklagten:
8
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagten dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schäden haften.
9
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - welcher das Berufungsgericht folgt - ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234 und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - VersR 2007, 659, 660, jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Gren- zen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteile vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO, jeweils m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO; vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083, 1084 und vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO).
10
Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739; BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - X ZR 87/06 - NJW 2007, 2549, 2551; OLG Köln, VersR 2002, 859, 860; OLG Celle, NJW 2003, 2544). Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spielbzw. Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann. Bei einem Spielgerät, das für Kinder (ab vier Jahren ) frei gegeben ist und ohne besondere Aufsicht benutzt werden konnte, muss ohne ausdrücklichen Hinweis grundsätzlich nicht damit gerechnet werden, dass es bei bestimmungsgemäßer Benutzung zu lebensgefährlichen Verletzungen kommen kann.
11
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten - aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten mit Recht bejaht.
12
a) Zwar wies die Trampolinanlage nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine konstruktiven oder technischen Mängel auf und entsprach den einschlägigen DIN-Normen. Das Berufungsgericht hat jedoch ohne Rechtsfehler eine Pflichtverletzung der Beklagten darin gesehen, dass sie Saltosprünge auf der Trampolinanlage nicht generell unterbunden oder nicht zumindest deutlicher auf die besonderen Gefahren von - missglückten - Saltosprüngen hingewiesen haben.
13
b) Nach den vom Berufungsgericht aufgrund eines Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen, die insoweit zwischen den Parteien unstreitig geworden sind, bedürfen schwierige Sprünge wie Saltosprünge auf einem Trampolin besonderer Übung und Erfahrung, wobei missglückte Sprünge - insbesondere durch ungeübte Personen - auch dann zu schweren Verletzungen führen können, wenn der Benutzer auf dem Sprungtuch und nicht auf den zwischen den einzelnen Trampolinen befindlichen Matten landet. Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annehmen, dass der Benutzer einer solchen Anlage, die für Kinder ab vier Jahren und Erwachsene frei gegeben ist und nicht über Sicherheitseinrichtungen wie Gurte o. ä. verfügt, nicht damit rechnen müsse, dass es bei bestimmungsgemäßer Nutzung - wozu entsprechend den "Wichtigen Hinweisen" auch Saltosprünge gehören - zu derart schwerwiegenden Verletzungen kommen kann.
14
c) Soweit die Beklagten im Revisionsverfahren geltend machen, der Kläger habe die angebrachten Warnhinweise nicht beachtet, weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass diese Warnhinweise unzureichend waren, weil sie gerade nicht vor den spezifischen, beim Kläger eingetretenen Gefahren missglückter Saltosprünge gewarnt haben. Sie enthielten unter C) lediglich die Empfehlung, bevor man Saltos ausführe, solle man sich zuerst mit dem Trampolin vertraut machen, und unter D) den Ratschlag, beim Ausführen von Saltos die Beine möglichst gestreckt zu halten, um einen Rückschlag (Knie ins Gesicht ) beim Aufprall zu vermeiden. Diese Hinweise vermittelten den Eindruck, dass Saltosprünge eine zwar anspruchsvollere, aber durchaus übliche und zulässige Übung bei der Benutzung des Trampolins seien und bei Beachtung des Ausführungshinweises unter D) auch bei einem missglückten Sprung keine schwerwiegenden Gefahren drohten.
15
Hieran vermag - entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten - weder der Hinweis unter E), keine Übungen durchzuführen, wenn man sich nicht sicher fühle, etwas zu ändern noch der - vom Berufungsgericht nicht ausdrücklich erwähnte - Hinweis, aus mangelnder Vorsicht, Müdigkeit und Missachtung der Regeln könne sich eine Turnübung in ein ungewolltes Unglück verwandeln. Denn diese ganz allgemein gehaltenen Hinweise machten einem Benutzer der Anlage nicht deutlich, dass ein missglückter Saltosprung zu lebensgefährlichen Verletzungen wie einem Genickbruch mit Querschnittlähmung führen kann.
16
d) Das Berufungsgericht hat auch nicht - wie die Revision der Beklagten meint - festgestellt, dass der Kläger die besondere Gefährlichkeit und erhebliche Verletzungsgefahr bei Saltosprüngen erkannt hätte, sondern es hat lediglich dem Kläger im Rahmen der Prüfung eines Mitverschuldens im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB vorgeworfen, er hätte die Gefahr eines missglückten Saltosprunges auch ohne ausdrücklichen Hinweis erkennen können (dazu unten unter B). Das Berufungsgericht hat darüber hinaus eine besondere Warnung vor Saltosprüngen auch nicht deshalb für entbehrlich gehalten, weil für jedermann selbstverständlich sei, dass Saltosprünge nur ausgeführt werden sollten, wenn der Betreffende diese sicher beherrscht. Für den unerfahrenen Benutzer war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nämlich nicht ohne weiteres erkennbar, ob das Trampolin die Ausführung von Saltosprüngen so erleichterte, dass sie auch ungeübteren Personen ohne größere Schwierigkeiten und Gefahren möglich waren. Diese Gefahr einer Selbstüberschätzung wurde im Streitfall noch dadurch verstärkt, dass die Risiken von Saltosprüngen durch den Hinweis auf die empfohlene Haltung eher verharmlost wurden und sich der Kläger durch Saltosprünge von Jugendlichen auf einem Nebenfeld, die aus seiner Sicht "total locker" aussahen, zu einem eigenen Sprungversuch hat verleiten lassen. Mit einem solchen Verhalten unerfahrener Benutzer muss der Betreiber einer solchen Anlage grundsätzlich rechnen.
17
e) Das Berufungsgericht ist weiterhin ohne Rechtsfehler davon ausgegangen , dass die Pflichtverletzung der Beklagten für die vom Kläger erlittene schwere Verletzung zumindest mitursächlich geworden ist. Bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, findet der Beweis des ersten Anscheins Anwendung, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324, 325; BGH, Urteil vom 18. Juli 2006 - X ZR 142/05 - NJW 2006, 3268, 3270). Im Streitfall besteht deshalb eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kläger bei einem entsprechenden Hinweis auf die besondere Verletzungsgefahr bei Saltosprüngen durch ungeübte Personen hinweisgerecht verhalten und von dem Sprung Abstand genommen hätte.
18
f) Schließlich hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei das erforderliche Verschulden der Beklagten im Sinne des § 276 BGB bejaht. Die Beklagten hätten sich als Verkehrssicherungspflichtige über die besonderen Gefahren dieses Spiel- bzw. Sportgerätes bei Saltosprüngen informieren müssen, bevor sie diese zuließen. Dabei vermag sie nicht zu entlasten, dass die Anlage den einschlägigen DIN-Normen entsprach und sowohl der Sachverständige als auch der TÜV die an den Anlagen angebrachten Hinweise als ausreichend angesehen haben. Abgesehen davon, dass sich die entsprechenden Ausführungen in erster Linie auf den konstruktiven und technischen Zustand der Anlage bezogen und der vom Gericht beauftragte Sachverständige selbst darauf hingewiesen hat, dass missglückte schwierige Sprünge auch bei einer Landung auf dem Sprungtuch schwere Verletzungen zur Folge haben können, handelt es sich bei DIN-Normen nicht um mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne hoheitlicher Rechtssetzung, sondern um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen des "DIN Deutschen Instituts für Normung e.V.", die regelmäßig keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber Schutzgütern Dritter aufstellen (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041). Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt vielmehr stets von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984, 985). Im Streitfall war es nahe liegend, dass die für Kinder ab 4 Jahren freigegebene Anlage auch von unerfahrenen und ungeübten Personen im Vertrauen auf eine relative Gefahrlosigkeit benutzt werden würde, ein Nachahmungseffekt eine Rolle spielen und es zu missglückten Sprüngen kommen kann. Deshalb waren die Beklagten verpflichtet, sich über die möglichen Folgen insbesondere schwieriger Sprünge zu erkundigen, bevor sie diese ohne entsprechenden Hinweis auf die Risiken zuließen.
19
B. Zur Revision des Klägers:
20
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses zum Nachteil des Klägers entschieden hat.
21
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Kläger treffe bei der Entstehung des Schadens ein hälftiges anspruchsminderndes Mitverschulden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
22
1. Zwar kann die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. etwa Senatsurteil vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05 - VersR 2007, 557, 558 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen hält aber die vom Berufungsgericht vorgenommene Quotelung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
23
2. Das Berufungsgericht durfte zwar ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass dem Kläger ein Verschulden gegen sich selbst angelastet werden kann, weil er - obwohl er in der Benutzung eines Trampolins ungeübt war und sich mit dem Gerät nur kurz vertraut gemacht hatte - einen schwierigen Sprung versucht hat, den er nicht beherrschte. Maßgebend für das Ausmaß des Mitverschuldens ist jedoch weniger die vom Kläger offensichtlich in Kauf genommene Gefahr, dass der Sprung misslingen könne, als vielmehr die Frage, ob für ihn erkennbar war, dass ein Misslingen des Sprungs zu schwersten Verletzungen wie einem Genickbruch mit Querschnittlähmung führen könne. In diesem Zusammenhang ist das Berufungsurteil nicht frei von Widerspruch. Während es bei der Frage der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten - rechtsfehlerfrei - davon ausgeht, dass gerade bei einem solchen Spielgerät, welches für Kinder ab vier Jahren frei gegeben ist und ohne besondere Aufsicht benutzt werden kann, der Benutzer nicht damit rechnen müsse, dass auch bei einer nach den "Wichtigen Hinweisen" bestimmungsgemäßen Benutzung erhebliche Verletzungsrisiken bestehen, lastet es dem Kläger im Rahmen eines Mitverschuldens an, er habe sich nicht mit der "nahe liegenden Gefahr" auseinandergesetzt , dass er sich bei einem Misslingen des Saltos erhebliche Verletzungen zuziehen könne, wobei sich das Risiko der besonderen Gefährlichkeit von Saltosprüngen für den Kläger als Erwachsenen aufgedrängt habe. Das Berufungsurteil enthält jedoch keine tatsächlichen Feststellungen dazu, weshalb für den Kläger erkennbar gewesen sein soll, dass weder das Sprungtuch noch die Matten eine ausreichende Abfederung gegen schwere Verletzungen bei missglückten Saltosprüngen böten. Feststellungen hierzu wird das Berufungsgericht nachzuholen haben. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 05.12.2006 - 5 O 488/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 31.08.2007 - 20 U 175/06 -

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

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(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
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BGHZ: nein
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 294/03 Verkündet am:
5. Oktober 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Wasserrutsche (Röhrenrutsche)
in einem Schwimmbad (Fortsetzung der Rechtsprechung in dem Senatsurteil vom
3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 = VersR 2004, 657 = NJW 2004, 1449).
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - OLG Celle
LG Stade
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. September 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die damals acht Jahre alte Klägerin benutzte im August 2001 in dem von der beklagten Gemeinde betriebenen Freibad die etwa 90 Meter lange kurvenreiche Großrutsche. Nach ihrem Vortrag erlitt sie Zahnschäden, als sie einem anderen noch in der Rutsche befindlichen Mädchen ausweichen wollte und dabei gegen die Wand der Rutsche geriet. Sie begehrt deshalb von der Beklagten Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens. Auf Schildern und Piktogrammen am Eingang der Rutsche und im Rutschbereich befinden sich Benutzungs- und Warnhinweise. Danach dürfen Kinder unter sieben Jahren die Rutsche nicht benutzen. Zugelassen ist die
Rutschposition "Rückenlage, Blick nach vorn". Eingehalten werden soll eine Wartezeit von mindestens 30 Sekunden. Die Klägerin hat geltend gemacht, vor dem Rutschen einige Zeit gewartet zu haben, die sie für 30 Sekunden gehalten habe. Nach der dritten Kurve habe sie ein dickeres Mädchen gesehen, das in der Rutsche festgehangen habe. Bei einem Ausweichversuch sei sie mit ihrem Gesicht gegen die Rutschenwand und das Mädchen gestoßen. Das Landgericht hat eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint und deshalb die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat mit dem Landgericht die Verletzung einer vertraglichen oder deliktischen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Gefahr von Unfällen in größeren Schwimmbadrutschen sei ernst zu nehmen und von den Schwimmbadbetreibern durch geeignete Maßnahmen auf ein angesichts der drohenden Gesundheitsbeeinträchtigungen vertretbares Maß zu reduzieren. Auf dieser Erkenntnis und Einschätzung der Sachlage beruhten denn auch die gefahrsteuernden Hinweise der Beklagten. Eine völlige Vermeidung der für den Benutzer kalkulierbaren Gefahren sei nicht geboten, da derartige Vergnügungseinrichtungen sozial akzeptiert und zur Steigerung der Schwimmbadattraktivität gewünscht würden. Der Betreiber müsse bei seinen
Gefahrsteuerungsmaßnahmen allerdings auch einen vorhersehbaren Missbrauch berücksichtigen. Eine Reservierung der Rutschenbenutzung für einzelne Personen, durch die allein Unfälle der behaupteten Art völlig vermieden werden könnten, sei bei Abwägung der Kosten- und Benutzungsnachteile gegen den mit Alternativmaßnahmen erreichbaren Rechtsgüterschutz nicht geboten. Die ständige Aufsicht eines - im Zweifel zusätzlichen - Bademeisters am Einstieg zur Rutsche könne schon aus Kostengründen nicht verlangt werden. Zeitweilige Benutzungssperren seien auch deshalb nicht geboten, weil die Benutzungsfrequenz unnötig stark reduziert wäre, wenn jeweils das Verlassen der Rutsche durch den Vorbenutzer abgewartet werden müsste; durch lange Wartezeiten wäre die Attraktivität der Rutsche erheblich eingeschränkt. Für die Behauptung der Klägerin, weitergehende Sicherungsmaßnahmen entsprächen inzwischen dem Stand der Technik, sei nichts ersichtlich; in einer DIN-Norm oder Euro-Norm - die für den Rutschenbetrieb einschlägige EN 1069 sei erst 1996 neu gefaßt worden - schlage sich dies nicht nieder. Es sei ausreichend, für einen zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Benutzern zu sorgen, wie es die Beklagte im Grundsatz richtig getan habe. Er schließe die Gefahr eines Zusammenstoßes regelmäßig aus, die insbesondere nach dem Verlassen der Rutsche im Wasserbecken bestehe. Der von der Beklagten festgelegte Abstand von 30 Sekunden sei angemessen, sollte aber tunlichst nicht unterschritten werden. Ein Aufrutschen sei zwar nicht auszuschließen , werde dann aber auf seltene Fälle beschränkt bleiben. Verletzungen durch den Aufprall nachfolgender Rutschenbenutzer seien nach vorausschauender Erwartung gering, wenn der nachfolgende Benutzer entsprechend den von der Beklagten aufgestellten Benutzungsvorgaben in Rückenlage mit den Füßen
voran rutsche. Dazu trage auch das insgesamt mäßige und im zweiten Teil der Rutsche, in dem sich der Unfall ereignet haben solle, geringe Röhrengefälle bei. Die Klägerin trage zweitinstanzlich selbst vor, daß ein früherer Unfall, der sich im Jahre 2000 zwischen zwei Kindern ereignet haben solle, nur zu leichten Verletzungen geführt habe. Der Sachverhalt in dem Fall OLG Köln VersR 2002, 859, der einen Unfall aus dem Jahre 1996 mit Querschnittslähmung des Vorausrutschenden betraf, weise Besonderheiten auf, die erheblich von den Gegebenheiten des vorliegenden Falles abwichen; dort sei ein Aufrutschen aufgrund der Umstände „nahezu an der Tagesordnung" gewesen. Der Ablauf der Wartezeit von 30 Sekunden sei zwar insbesondere für jüngere Kinder ohne vom Schwimmbadbetreiber gestellte technische Hilfsmittel schwer feststellbar, so daß diese Gefahrsteuerungsmaßnahme leer laufe, wenn die vorgeschriebene Wartezeit trotz Gutwilligkeit infolge fehlerhafter Zeitschätzung als verstrichen angesehen werde. Ob das Aufstellen einer Uhr zu verlangen sei, könne aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies zur Einhaltung der objektiven Verkehrssicherungspflicht erforderlich wäre, ließe sich daraus keine Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen im Streitfall ableiten. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin habe sich das vorausrutschende Mädchen "verkeilt", was schon für sich genommen auf eine Zeitverzögerung ihres Rutschvorgangs hindeute, die auch bei korrekter Einhaltung der Wartezeit von 30 Sekunden einen Zusammenstoß unvermeidbar gemacht habe. Daß es sich so verhalten habe, entspreche der eigenen Einschätzung der Klägerin, nach deren Vortrag die unter diesen Umständen nahe liegende Gefahr eines Aufpralls sich trotz Einhaltung der Wartezeit im vorliegenden Fall sogar verwirklicht habe. Das Fehlen einer Zeitanzeige sei also für den Unfall der Klägerin selbst dann nicht kausal geworden, wenn die Klägerin aus diesem Grund zu früh mit dem Rutschen begonnen haben sollte.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand. 1. Der erkennende Senat, hat die Voraussetzungen, die unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht an den Betrieb von Wasserrutschen zu stellen sind, bereits in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (VI ZR 95/03 - VersR 2004, 657 ff.) im einzelnen dargelegt. Danach ist der Betreiber eines Schwimmbades verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder müssen die Badegäste vor den Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind, wobei, wenn das Schwimmbad nicht nur von Erwachsenen besucht wird, für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auch in Betracht zu ziehen ist, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten. Auf die vielfältigen Gefahren, die sich aus dem Betrieb einer Wasserrutsche ergeben können und denen der Sicherungspflichtige nach Möglichkeit entgegenwirken muß, hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 3. Februar 2004 hingewiesen. Dort ist auch bereits ausgeführt, daß es keinen Bedenken begegnet, wenn der Tatrichter zur Feststellung von Inhalt und Umfang der den Schwimmbadbetreiber bezüglich einer Wasserrutsche treffenden Verkehrssicherungspflichten die DIN EN 1069 mit heranzieht, wie es das Berufungsgericht hier getan hat. 2. Danach gilt unter den im vorliegenden Einzelfall festgestellten Umständen Folgendes:

a) Das Berufungsgericht stellt fest, es sei nichts dafür ersichtlich, daß hier nach der DIN EN 1069 zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Dies wird von der Revision nicht beanstandet. Diese macht auch nicht geltend, es beruhe auf einem Fehler der Rutsche, daß sich das andere Mädchen darin "verkeilt" hatte.
b) Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daß der Unfall nach aller Wahrscheinlichkeit trotz Einhaltung der von der Beklagten vorgegebenen Wartezeit von 30 Sekunden geschehen ist, daß also das Fehlen möglicherweise erforderlicher Benutzerhilfen zur Zeitfeststellung nicht unfallursächlich geworden ist. Auch dem tritt die Revision nicht entgegen. Sie verweist vielmehr ausdrücklich auf den Vortrag der Klägerin, die vorgeschriebene Wartezeit eingehalten und die Rutsche ordnungsgemäß benutzt zu haben. Sie führt weiter aus, daß nach den Umständen nicht festgestellt werden kann, daß sich das andere Kind bei der Benutzung der Rutsche nicht ordnungsgemäß verhalten hat und deshalb hängen geblieben ist. Unter diesen Umständen kann die Revision mit ihren Ausführungen dazu, die Beklagte habe (weitere) Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung eines Fehlgebrauchs der Rutsche treffen müssen, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sich ein solch mögliches Versäumnis im Streitfall nicht ausgewirkt hat.
c) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß es unter den hier gegebenen Umständen in der Rutsche zu einem Zusammenstoß hintereinander rutschender Benutzer kommen kann. Es meint jedoch, daß die Sicherungsvorgaben der Beklagten gleichwohl ausreichen. Dabei stellt es auf Überlegungen der Finanzierbarkeit und der Benutzerfreundlichkeit, aber auch darauf ab, daß es bei Einhaltung der Regeln in Anbetracht des mäßigen bis geringen Röhrengefälles nach vorausschauender Erwartung allenfalls zu geringen Verletzungen kommen kann.
Jedenfalls im Hinblick auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt sind die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aufwand, den der Verkehrssicherungspflichtige zu treiben hat, richtet sich auch nach den möglichen Verletzungsfolgen, die den Benutzern einer Sportoder Freizeitanlage drohen. Daß es bei sportlichen Betätigungen oder sportähnlicher Freizeitbetätigung aus Unachtsamkeit, aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände oder auch wegen der solchen Aktivitäten häufig anhaftenden Gefahren zu Verletzungen kommen kann, ist allgemein bekannt und wird vom Großteil der Bevölkerung akzeptiert, der sich dadurch nicht von derartigen Betätigungen abbringen lässt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Sportoder Freizeitanlage, bei deren regelgerechter Benutzung lediglich kleinere Verletzungen drohen, müsse nicht durch kostenträchtige Maßnahmen weiter gesichert werden, begegnet - jedenfalls bei der gegebenen Sachlage - keinen durchgreifenden Bedenken. Daß die lückenlose Überwachung sämtlicher Rutschvorgänge durch Personal oder Einbau und Betrieb technischer Anlagen einen nicht unerheblichen Kostenaufwand erfordert, kann nicht zweifelhaft sein. Drohen von einer Anlage nur seltene und relativ geringe Gefahren, kann das Kostenargument auch bei der gebotenen Berücksichtigung der möglicherweise gefährdeten Rechtsgüter der Benutzer durchaus an Bedeutung gewinnen. Entsprechendes gilt für die Überlegung, den durch die Anlage vermittelten Freizeitspaß nicht durch Überregulierung allzu weit einzuschränken.
d) Die Auffassung der Revision, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei bei der hier in Frage stehenden Rutsche mit schweren Verletzungen zu rechnen, kann sich nicht auf im konkreten Fall festgestellte oder fehlerhaft nicht festgestellte Umstände stützen. Der Hinweis darauf, daß es in anderen - veröffentlichten Urteilen zugrundeliegenden - Fällen der Benutzung von Was-
serrutschen zu erheblichen Verletzungen gekommen ist, reicht nicht aus. Das Berufungsgericht geht ohne revisionsrechtlich beachtlichen Fehler davon aus, daß es auf der Rutsche der Beklagten bisher zu erheblichen Verletzungen nicht gekommen sei und wegen des geringen Gefälles voraussichtlich auch nicht kommen werde. Nicht zu beanstanden ist dabei der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daß eine Zahnverletzung, wie sie hier vorgekommen ist und wie sie jederzeit, etwa beim Zusammenprall spielender Kinder, beim Hinfallen oder einem unglücklichen Sprung ins Schwimmbecken vorkommen kann, nicht zu den schweren Verletzungen gehört, denen mit allen Mitteln und ohne Berücksichtigung des finanziellen Aufwandes begegnet werden muß.
e) Aus diesem Grund kann der Revision auch nicht dahin gefolgt werden, die Rutsche habe durch eine Videoanlage oder einen dauernd anwesenden Bademeister ständig überwacht werden müssen. Der erkennende Senat hat auch in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (aaO) bereits darauf hingewiesen, daß eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern nicht üblich und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht erforderlich ist. Daran ist festzuhalten.
f) Die Revision macht geltend, der Fall zeige, daß eine Wartezeit von 30 Sekunden nicht ausreiche, wenn der Vorausrutschende in der Bahn steckenbleibt. Sie meint deshalb, ungeachtet aller anderen Überlegungen habe die Wasserrutsche jedenfalls mit einer Ampelanlage ausgestattet werden müssen, die die Rutschbahn erst freigibt, wenn der Vorausrutschende den Gefahrenbereich verlassen hat. Ob eine Wasserrutsche mit einer die Rutschvorgänge steuernden Ampelanlage - wie sie in dem dem Senatsurteil vom 3. Februar 2004 zugrundeliegenden Fall vorhanden war - auszustatten ist, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der konstruktiven Gestaltung der
Rutsche und den den Benutzern drohenden Gefahren. Eine Ampelanlage oder eine vergleichbare technische Einrichtung für sämtliche Wasserrutschen zu fordern , ginge zu weit. Dabei ist nicht primär auf Kostengesichtspunkte und die Benutzerfreundlichkeit abzustellen. Besteht bei der „normalen“ Benutzung einer Rutsche, etwa wegen des steilen Gefälles oder wegen ihrer sonstigen konstruktiven Gestaltung, die ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen der Benutzer durch Aufrutschen, so wird eine Regelung des Benutzerverhaltens durch eine technische Einrichtung (oder gleichwertige Überwachungsmaßnahmen ausreichenden Personals) auch beim Anfall erheblicher Kosten unerläßlich sein. Eine ernsthafte Gefahr droht, wenn mit Unfällen im regelmäßigen Betrieb auch außerhalb des Bereichs der schicksalhaften Verkettung unglücklicher Umstände gerechnet werden muß. Davon kann nach den im Streitfall getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Die Rutsche der Beklagten weist danach ein mäßiges und im unteren Bereich, in dem der Unfall geschehen sein soll, ein geringes Gefälle auf, so daß eine regelmäßige ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen nicht besteht. Zu solchen ist es in der Vergangenheit auch nicht gekommen; nach dem Vortrag der Klägerin kam es lediglich im Jahr 2000 zu einem Unfall zwischen zwei Kindern, der zu leichteren Verletzungen geführt hat. Unter den hier vorliegenden Umständen genügt der Betreiber eines Schwimmbades seiner Pflicht, besondere Sicherungsvorkehrungen gegen die Gefahr des Aufrutschens zu treffen, wenn er - wie hier die Beklagte - den Rutschenden die Rutschhaltung und den zeitlichen Abstand - sowie die Verpflichtung zur sofortigen Räumung des Auslaufbereichs im Becken - mit ausreichender Deutlichkeit vorgibt. Daß im Streitfall die Hinweistafeln - auch im Hinblick auf die Freigabe der Rutsche für Kinder ab sieben Jahren - nicht ausreichend deutlich und verständlich gewesen sein könnten, legt die Revision nicht ausrei-
chend dar und ist auch nicht ersichtlich. Darauf käme es auch nicht an, weil die Klägerin selbst vorgetragen hat, sich den Hinweisen entsprechend verhalten zu haben.

III.

Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 274/05 Verkündet am:
6. Februar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich
vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit
einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergibt (hier: Schaden an einer
Brücke durch Brand von unter der Brücke abgestellten, mit Heu beladenen
Wagen).
BGH, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Februar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Oktober 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des Brandschadens an einer Brücke.
2
Die Brücke, deren Eigentümerin die Klägerin ist, ist Teil einer Bundesstraße. Unter der Brücke liegt der in der Gemeinde G. gelegene A-weg. Durch einen Wassergraben vom Weg getrennt, reicht eine gepflasterte Fläche bis ans Widerlager der Brücke. Die Fläche liegt einerseits stadtnah, da südlich ein Industriegebiet angrenzt, andererseits abgeschieden, da das einzige Wohnhaus in der Nähe zweihundert Meter entfernt ist und eine Sichtverbindung nicht besteht. An dem Widerlager der Brücke und an den Brückenpfeilern befinden sich mehrere Graffiti.
3
Am Freitag, dem 27. Juni 2003, abends gegen 22.00 Uhr fuhr der Beklagte vom A-weg über einen in Sichtweite der Brücke gelegenen Steg und eine Wiese auf die gepflasterte Fläche und stellte dort drei landwirtschaftliche Anhänger mit zuvor eingefahrenem, aufgrund des Wetters sehr trockenem Heu in Ballen für die Nacht unter, denn es war Regen vorhergesagt. Die für Samstag, den 28. Juni 2003, vorgesehene Abfuhr verzögerte sich jedoch. Die drei nebeneinander stehenden Heuwagen gingen am Samstagabend gegen 23.00 Uhr in Flammen auf. Beim Eintreffen der Feuerwehr schlugen die Flammen bereits gegen die Brückenkonstruktion, auf deren Unterseite sich auf ca. dreißig Quadratmetern eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Betonschicht löste. Die Brücke und ein Streckenabschnitt wurden daraufhin bis zum 29. Juni 2003 um 14.30 Uhr für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Die Brandursache konnte nicht geklärt werden.
4
Die Zufahrt zu der gepflasterten Fläche unter der Brücke ist nach dem Brand durch Pfähle gesperrt worden.
5
Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 36.993,85 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen Schadens, welcher der Klägerin aus dem Brandschaden vom 27. Juni 2003 an dem Brückenbauwerk noch entstehen wird, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz verneint.
7
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht, weil dem Beklagten keine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last falle. Die Gefahr einer fahrlässigen Inbrandsetzung des Heus durch Benutzer des A-weges oder durch die Brücke passierende Kraftfahrzeuginsassen, insbesondere durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen, sei an diesem Abstellort gering gewesen. Gleiches gelte für die Gefahr einer vorsätzlichen Inbrandsetzung. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, der Beklagte habe gewusst, dass der Platz unter der Brücke häufig von Jugendlichen als Treffpunkt benutzt werde, sei neu und bestritten und daher nicht zu berücksichtigen. Eine Selbstentzündung des Heus liege aufgrund dessen Trockenheit fern.
8
Ansprüche der Klägerin aus §§ 989, 990 bzw. § 992 BGB oder aus §§ 7, 18 StVG seien nicht gegeben.
9
§ 8 Abs. 2a Satz 3 Bundesfernstraßengesetz (künftig: FStrG) könne nicht analog herangezogen werden; das Abstellen der Anhänger sei keine Sondernutzung , sondern stelle eine Benutzung der Bundesfernstraße gemäß § 8 Abs. 10 FStrG dar.

II.

10
Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
11
1. Ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG besteht nicht. Auch Ansprüche aus §§ 989, 990, 992 BGB stehen der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu. Beides nimmt die Revision ausdrücklich hin.
12
2. Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler verneint. Der Brand der mit Heu beladenen Anhänger hat zwar die im Eigentum der Klägerin stehende Brücke beschädigt. Für diese Eigentumsverletzung war das Handeln des Beklagten ursächlich. Der Beklagte hätte jedoch nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er pflichtwidrig gehandelt hätte, als er die mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abstellte (vgl. Staudinger/Hager, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. A 9 f. und E 2 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., Vor § 823 Rn. 17 und § 823 Rn. 12 f.; Spindler in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 10; Raab, JuS 2002, 1041, 1048). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
13
a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
15
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Verkehrsteilnehmer - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: der Eigentümer angrenzender Bauwerke - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083).
16
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - aaO).
17
b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gehalten, vom Abstellen der mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abzusehen.
18
aa) Das Unterstellen der mit Heu beladenen Anhänger war - anders als in den den Entscheidungen OLG München (VersR 1974, 443 f.) und LG Mannheim (NJW-RR 1997, 921, 922) zugrunde liegenden Fällen - weder gesetzlich noch behördlich wegen möglicher Gefahren für die Brücke untersagt.
19
bb) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags der Parteien verneint, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergeben habe, es könnten Rechtsgüter anderer verletzt werden. Das wäre jedoch nach den dargestellten Grundsätzen Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht.
20
(1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass untergestellte, mit Heu beladene Anhänger objektiv eine Gefahrenquelle sein können, weil Heu grundsätzlich leicht entzündbar ist (vgl. etwa OLG Oldenburg, r+s 1999, 162 f.; OLG Hamm, NZV 1997, 309). Es ist revisionsrechtlich aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des konkreten Falles angenommen hat, für ein sachkundiges Urteil habe vorausschauend die Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern durch einen Brand der für zwei Nächte untergestellten Heuanhänger nicht nahe gelegen.
21
Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien vor dem Tatrichter angenommen, dass die Gefahr einer Selbstentzündung des Heus aufgrund der Trockenheit des Materials fern liegend war. Das beanstandet die Revision vergeblich als widersprüchlich. Allein dadurch, dass das Berufungsgericht die Realisierung der fernliegenden Möglichkeit einer Brandstiftung nicht ausschließen konnte, wurde diese nicht zu einer nahe liegenden Möglichkeit, deren Verwirklichung hätte verhindert werden müssen.
22
(2) Fern lag grundsätzlich auch die Gefahr einer Selbstentzündung der Anhänger (vgl. OLG München, NZV 1996, 199, 200).
23
(3) Das Berufungsgericht hat auch die Gefahr eines fahrlässigen InBrand -Setzens des Heus durch Dritte als nicht nahe liegend angesehen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Besonderheiten der Örtlichkeit für unwahrscheinlich hält, dass auf dem A-weg oder auf der Bundesstraße achtlos weggeworfene brennende oder glühende Zigarettenstummel oder sonstige Gegenstände bis zu den Anhängern gelangten. Übergangener Vortrag oder sonstige Umstände, die einer solchen Würdigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
24
(4) Die Gefahr einer vorsätzlichen Brandstiftung hat das Berufungsgericht aufgrund der Abgelegenheit der Örtlichkeit als vernachlässigbar angesehen. Das begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, da entsprechende Vorgänge für diese Örtlichkeit bisher nicht bekannt waren (vgl. OLG Oldenburg, r+s 2001, 107, 108; Wussow/Hemmerich-Dornick, UHR, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 75). Die Revision zeigt keine Umstände auf, denen der Tatrichter eine Pflicht des Beklagten hätte entnehmen müssen, aus dem Vorhandensein von - auch sonst häufigen - Graffiti gegenteilige Schlüsse zu ziehen.
25
(5) Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, dass typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, um so eher zu begegnen ist, je gewichtiger die drohenden Schäden sind (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO, 235 - je m.w.N.; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 411; Staudinger /Hager aaO, § 823 Rn. E 27). Die Revision zeigt jedoch nicht auf, dass die Gefahr einer Entzündung des Heus mit der Folge eines erheblichen Sachschadens an der Brücke und einer Verkehrsbehinderung typisch gewesen wäre. Zudem war die Verwirklichung einer solchen Gefahr innerhalb von nur zwei Tagen des Unterstellens wenig wahrscheinlich.
26
cc) Den weitergehenden und mit Parteivernehmung des Beklagten unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch neben den Anhängern habe Heu herumgelegen, hat das Berufungsgericht als verspätet nicht zugelassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe gewusst, dass die Fläche häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Revision ist hierin keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung und kein Verstoß gegen § 286 ZPO, sondern eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Zurückweisung verspäteten Vortrags zu sehen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten (§ 448 ZPO) lagen deshalb nicht vor.
27
3. Der Klägerin steht auch kein Ersatzanspruch aus § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG zu. Nach dieser Bestimmung hat bei Sondernutzung einer Bundesstraße der Erlaubnisnehmer alle Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen; zu diesen zählen grundsätzlich auch die Kosten für die Beseitigung von Schäden (vgl. Grupp in: Marschall/Schroeter /Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8 Rn. 35).
28
a) Die Bestimmung des § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG spricht schon nach ihrem Wortlaut nicht von einem Nutzer, sondern von einem Erlaubnisnehmer, und setzt deshalb nicht (nur) eine Sondernutzung voraus, sondern auch eine dafür erteilte Erlaubnis. Fehlt diese - wie vorliegend -, dann bestehen bei Beschädigung einer Bundesstraße keine (vertragsähnlichen) Schadensersatzansprüche nach dem Bundesfernstraßengesetz, sondern nur solche nach den allgemeinen Vorschriften.
29
b) Hier lag auch keine Sondernutzung (§ 8 Abs. 1 FStrG) vor. Eine solche wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nutzung der Bundesstraße über den Gemeingebrauch (§ 7 FStrG) hinaus erfolgte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und dieser beeinträchtigt würde oder werden könnte (vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 795, 800). Das ist hier nicht der Fall.
30
Die Nutzung von Flächen außerhalb der Verkehrsfläche richtet sich regelmäßig gemäß § 8 Abs. 10 FStrG ausschließlich nach bürgerlichem Recht (Grupp aaO, § 8 Rn. 46; Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts , Dissertation 2003, Seite 132 ff.). Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2a FStrG in solchen Fällen scheidet - entgegen der Ansicht der Revision - mangels einer gesetzlichen Regelungslücke aus.
31
c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Fläche unter der Brücke wegerechtlich Teil der Bundesfernstraße ist (vgl. § 1 Abs. 4 FStrG), was der Beklagte bestreitet. Nicht nachgegangen werden muss auch dem Vortrag des Beklagten, der hier in Rede stehende Platz sei über eine seit Jahren gebildete Zuwegung frei zugänglich gewesen. Träfe dies zu, könnte es sich - selbst wenn es sich wegerechtlich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte - um eine Fläche handeln, die jedenfalls tatsächlich der Allgemeinheit zum Verkehr offen stand und auf der verkehrsrechtlich die StVO gelten würde (vgl. Grupp aaO, § 1 Rn. 12; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 1 StVO Rn. 13).
32
Soweit nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter Beachtung dieser Rechtslage nicht auszuschließen ist, dass die Benutzung einer in fremdem Eigentum stehenden Fläche außerhalb des Verkehrsraumes ohne eine Erlaubnis durch den Träger der Straßenbaulast (vgl. Grupp aaO, § 8 Rn. 46 a. E) pflichtwidrig gewesen sein könnte, bedürfen die damit zusammenhängenden Fragen unter den Umständen des Streitfalles keiner abschließenden Entscheidung.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.04.2005 - 14 O 40/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.10.2005 - 13 U 110/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 274/05 Verkündet am:
6. Februar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich
vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit
einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergibt (hier: Schaden an einer
Brücke durch Brand von unter der Brücke abgestellten, mit Heu beladenen
Wagen).
BGH, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Februar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Oktober 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des Brandschadens an einer Brücke.
2
Die Brücke, deren Eigentümerin die Klägerin ist, ist Teil einer Bundesstraße. Unter der Brücke liegt der in der Gemeinde G. gelegene A-weg. Durch einen Wassergraben vom Weg getrennt, reicht eine gepflasterte Fläche bis ans Widerlager der Brücke. Die Fläche liegt einerseits stadtnah, da südlich ein Industriegebiet angrenzt, andererseits abgeschieden, da das einzige Wohnhaus in der Nähe zweihundert Meter entfernt ist und eine Sichtverbindung nicht besteht. An dem Widerlager der Brücke und an den Brückenpfeilern befinden sich mehrere Graffiti.
3
Am Freitag, dem 27. Juni 2003, abends gegen 22.00 Uhr fuhr der Beklagte vom A-weg über einen in Sichtweite der Brücke gelegenen Steg und eine Wiese auf die gepflasterte Fläche und stellte dort drei landwirtschaftliche Anhänger mit zuvor eingefahrenem, aufgrund des Wetters sehr trockenem Heu in Ballen für die Nacht unter, denn es war Regen vorhergesagt. Die für Samstag, den 28. Juni 2003, vorgesehene Abfuhr verzögerte sich jedoch. Die drei nebeneinander stehenden Heuwagen gingen am Samstagabend gegen 23.00 Uhr in Flammen auf. Beim Eintreffen der Feuerwehr schlugen die Flammen bereits gegen die Brückenkonstruktion, auf deren Unterseite sich auf ca. dreißig Quadratmetern eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Betonschicht löste. Die Brücke und ein Streckenabschnitt wurden daraufhin bis zum 29. Juni 2003 um 14.30 Uhr für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Die Brandursache konnte nicht geklärt werden.
4
Die Zufahrt zu der gepflasterten Fläche unter der Brücke ist nach dem Brand durch Pfähle gesperrt worden.
5
Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 36.993,85 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen Schadens, welcher der Klägerin aus dem Brandschaden vom 27. Juni 2003 an dem Brückenbauwerk noch entstehen wird, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz verneint.
7
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht, weil dem Beklagten keine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last falle. Die Gefahr einer fahrlässigen Inbrandsetzung des Heus durch Benutzer des A-weges oder durch die Brücke passierende Kraftfahrzeuginsassen, insbesondere durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen, sei an diesem Abstellort gering gewesen. Gleiches gelte für die Gefahr einer vorsätzlichen Inbrandsetzung. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, der Beklagte habe gewusst, dass der Platz unter der Brücke häufig von Jugendlichen als Treffpunkt benutzt werde, sei neu und bestritten und daher nicht zu berücksichtigen. Eine Selbstentzündung des Heus liege aufgrund dessen Trockenheit fern.
8
Ansprüche der Klägerin aus §§ 989, 990 bzw. § 992 BGB oder aus §§ 7, 18 StVG seien nicht gegeben.
9
§ 8 Abs. 2a Satz 3 Bundesfernstraßengesetz (künftig: FStrG) könne nicht analog herangezogen werden; das Abstellen der Anhänger sei keine Sondernutzung , sondern stelle eine Benutzung der Bundesfernstraße gemäß § 8 Abs. 10 FStrG dar.

II.

10
Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
11
1. Ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG besteht nicht. Auch Ansprüche aus §§ 989, 990, 992 BGB stehen der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu. Beides nimmt die Revision ausdrücklich hin.
12
2. Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler verneint. Der Brand der mit Heu beladenen Anhänger hat zwar die im Eigentum der Klägerin stehende Brücke beschädigt. Für diese Eigentumsverletzung war das Handeln des Beklagten ursächlich. Der Beklagte hätte jedoch nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er pflichtwidrig gehandelt hätte, als er die mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abstellte (vgl. Staudinger/Hager, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. A 9 f. und E 2 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., Vor § 823 Rn. 17 und § 823 Rn. 12 f.; Spindler in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 10; Raab, JuS 2002, 1041, 1048). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
13
a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
15
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Verkehrsteilnehmer - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: der Eigentümer angrenzender Bauwerke - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083).
16
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - aaO).
17
b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gehalten, vom Abstellen der mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abzusehen.
18
aa) Das Unterstellen der mit Heu beladenen Anhänger war - anders als in den den Entscheidungen OLG München (VersR 1974, 443 f.) und LG Mannheim (NJW-RR 1997, 921, 922) zugrunde liegenden Fällen - weder gesetzlich noch behördlich wegen möglicher Gefahren für die Brücke untersagt.
19
bb) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags der Parteien verneint, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergeben habe, es könnten Rechtsgüter anderer verletzt werden. Das wäre jedoch nach den dargestellten Grundsätzen Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht.
20
(1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass untergestellte, mit Heu beladene Anhänger objektiv eine Gefahrenquelle sein können, weil Heu grundsätzlich leicht entzündbar ist (vgl. etwa OLG Oldenburg, r+s 1999, 162 f.; OLG Hamm, NZV 1997, 309). Es ist revisionsrechtlich aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des konkreten Falles angenommen hat, für ein sachkundiges Urteil habe vorausschauend die Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern durch einen Brand der für zwei Nächte untergestellten Heuanhänger nicht nahe gelegen.
21
Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien vor dem Tatrichter angenommen, dass die Gefahr einer Selbstentzündung des Heus aufgrund der Trockenheit des Materials fern liegend war. Das beanstandet die Revision vergeblich als widersprüchlich. Allein dadurch, dass das Berufungsgericht die Realisierung der fernliegenden Möglichkeit einer Brandstiftung nicht ausschließen konnte, wurde diese nicht zu einer nahe liegenden Möglichkeit, deren Verwirklichung hätte verhindert werden müssen.
22
(2) Fern lag grundsätzlich auch die Gefahr einer Selbstentzündung der Anhänger (vgl. OLG München, NZV 1996, 199, 200).
23
(3) Das Berufungsgericht hat auch die Gefahr eines fahrlässigen InBrand -Setzens des Heus durch Dritte als nicht nahe liegend angesehen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Besonderheiten der Örtlichkeit für unwahrscheinlich hält, dass auf dem A-weg oder auf der Bundesstraße achtlos weggeworfene brennende oder glühende Zigarettenstummel oder sonstige Gegenstände bis zu den Anhängern gelangten. Übergangener Vortrag oder sonstige Umstände, die einer solchen Würdigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
24
(4) Die Gefahr einer vorsätzlichen Brandstiftung hat das Berufungsgericht aufgrund der Abgelegenheit der Örtlichkeit als vernachlässigbar angesehen. Das begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, da entsprechende Vorgänge für diese Örtlichkeit bisher nicht bekannt waren (vgl. OLG Oldenburg, r+s 2001, 107, 108; Wussow/Hemmerich-Dornick, UHR, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 75). Die Revision zeigt keine Umstände auf, denen der Tatrichter eine Pflicht des Beklagten hätte entnehmen müssen, aus dem Vorhandensein von - auch sonst häufigen - Graffiti gegenteilige Schlüsse zu ziehen.
25
(5) Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, dass typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, um so eher zu begegnen ist, je gewichtiger die drohenden Schäden sind (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO, 235 - je m.w.N.; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 411; Staudinger /Hager aaO, § 823 Rn. E 27). Die Revision zeigt jedoch nicht auf, dass die Gefahr einer Entzündung des Heus mit der Folge eines erheblichen Sachschadens an der Brücke und einer Verkehrsbehinderung typisch gewesen wäre. Zudem war die Verwirklichung einer solchen Gefahr innerhalb von nur zwei Tagen des Unterstellens wenig wahrscheinlich.
26
cc) Den weitergehenden und mit Parteivernehmung des Beklagten unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch neben den Anhängern habe Heu herumgelegen, hat das Berufungsgericht als verspätet nicht zugelassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe gewusst, dass die Fläche häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Revision ist hierin keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung und kein Verstoß gegen § 286 ZPO, sondern eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Zurückweisung verspäteten Vortrags zu sehen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten (§ 448 ZPO) lagen deshalb nicht vor.
27
3. Der Klägerin steht auch kein Ersatzanspruch aus § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG zu. Nach dieser Bestimmung hat bei Sondernutzung einer Bundesstraße der Erlaubnisnehmer alle Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen; zu diesen zählen grundsätzlich auch die Kosten für die Beseitigung von Schäden (vgl. Grupp in: Marschall/Schroeter /Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8 Rn. 35).
28
a) Die Bestimmung des § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG spricht schon nach ihrem Wortlaut nicht von einem Nutzer, sondern von einem Erlaubnisnehmer, und setzt deshalb nicht (nur) eine Sondernutzung voraus, sondern auch eine dafür erteilte Erlaubnis. Fehlt diese - wie vorliegend -, dann bestehen bei Beschädigung einer Bundesstraße keine (vertragsähnlichen) Schadensersatzansprüche nach dem Bundesfernstraßengesetz, sondern nur solche nach den allgemeinen Vorschriften.
29
b) Hier lag auch keine Sondernutzung (§ 8 Abs. 1 FStrG) vor. Eine solche wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nutzung der Bundesstraße über den Gemeingebrauch (§ 7 FStrG) hinaus erfolgte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und dieser beeinträchtigt würde oder werden könnte (vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 795, 800). Das ist hier nicht der Fall.
30
Die Nutzung von Flächen außerhalb der Verkehrsfläche richtet sich regelmäßig gemäß § 8 Abs. 10 FStrG ausschließlich nach bürgerlichem Recht (Grupp aaO, § 8 Rn. 46; Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts , Dissertation 2003, Seite 132 ff.). Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2a FStrG in solchen Fällen scheidet - entgegen der Ansicht der Revision - mangels einer gesetzlichen Regelungslücke aus.
31
c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Fläche unter der Brücke wegerechtlich Teil der Bundesfernstraße ist (vgl. § 1 Abs. 4 FStrG), was der Beklagte bestreitet. Nicht nachgegangen werden muss auch dem Vortrag des Beklagten, der hier in Rede stehende Platz sei über eine seit Jahren gebildete Zuwegung frei zugänglich gewesen. Träfe dies zu, könnte es sich - selbst wenn es sich wegerechtlich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte - um eine Fläche handeln, die jedenfalls tatsächlich der Allgemeinheit zum Verkehr offen stand und auf der verkehrsrechtlich die StVO gelten würde (vgl. Grupp aaO, § 1 Rn. 12; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 1 StVO Rn. 13).
32
Soweit nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter Beachtung dieser Rechtslage nicht auszuschließen ist, dass die Benutzung einer in fremdem Eigentum stehenden Fläche außerhalb des Verkehrsraumes ohne eine Erlaubnis durch den Träger der Straßenbaulast (vgl. Grupp aaO, § 8 Rn. 46 a. E) pflichtwidrig gewesen sein könnte, bedürfen die damit zusammenhängenden Fragen unter den Umständen des Streitfalles keiner abschließenden Entscheidung.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.04.2005 - 14 O 40/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.10.2005 - 13 U 110/05 -

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 274/05 Verkündet am:
6. Februar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich
vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit
einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergibt (hier: Schaden an einer
Brücke durch Brand von unter der Brücke abgestellten, mit Heu beladenen
Wagen).
BGH, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Februar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Oktober 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des Brandschadens an einer Brücke.
2
Die Brücke, deren Eigentümerin die Klägerin ist, ist Teil einer Bundesstraße. Unter der Brücke liegt der in der Gemeinde G. gelegene A-weg. Durch einen Wassergraben vom Weg getrennt, reicht eine gepflasterte Fläche bis ans Widerlager der Brücke. Die Fläche liegt einerseits stadtnah, da südlich ein Industriegebiet angrenzt, andererseits abgeschieden, da das einzige Wohnhaus in der Nähe zweihundert Meter entfernt ist und eine Sichtverbindung nicht besteht. An dem Widerlager der Brücke und an den Brückenpfeilern befinden sich mehrere Graffiti.
3
Am Freitag, dem 27. Juni 2003, abends gegen 22.00 Uhr fuhr der Beklagte vom A-weg über einen in Sichtweite der Brücke gelegenen Steg und eine Wiese auf die gepflasterte Fläche und stellte dort drei landwirtschaftliche Anhänger mit zuvor eingefahrenem, aufgrund des Wetters sehr trockenem Heu in Ballen für die Nacht unter, denn es war Regen vorhergesagt. Die für Samstag, den 28. Juni 2003, vorgesehene Abfuhr verzögerte sich jedoch. Die drei nebeneinander stehenden Heuwagen gingen am Samstagabend gegen 23.00 Uhr in Flammen auf. Beim Eintreffen der Feuerwehr schlugen die Flammen bereits gegen die Brückenkonstruktion, auf deren Unterseite sich auf ca. dreißig Quadratmetern eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Betonschicht löste. Die Brücke und ein Streckenabschnitt wurden daraufhin bis zum 29. Juni 2003 um 14.30 Uhr für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Die Brandursache konnte nicht geklärt werden.
4
Die Zufahrt zu der gepflasterten Fläche unter der Brücke ist nach dem Brand durch Pfähle gesperrt worden.
5
Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 36.993,85 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen Schadens, welcher der Klägerin aus dem Brandschaden vom 27. Juni 2003 an dem Brückenbauwerk noch entstehen wird, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz verneint.
7
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht, weil dem Beklagten keine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last falle. Die Gefahr einer fahrlässigen Inbrandsetzung des Heus durch Benutzer des A-weges oder durch die Brücke passierende Kraftfahrzeuginsassen, insbesondere durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen, sei an diesem Abstellort gering gewesen. Gleiches gelte für die Gefahr einer vorsätzlichen Inbrandsetzung. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, der Beklagte habe gewusst, dass der Platz unter der Brücke häufig von Jugendlichen als Treffpunkt benutzt werde, sei neu und bestritten und daher nicht zu berücksichtigen. Eine Selbstentzündung des Heus liege aufgrund dessen Trockenheit fern.
8
Ansprüche der Klägerin aus §§ 989, 990 bzw. § 992 BGB oder aus §§ 7, 18 StVG seien nicht gegeben.
9
§ 8 Abs. 2a Satz 3 Bundesfernstraßengesetz (künftig: FStrG) könne nicht analog herangezogen werden; das Abstellen der Anhänger sei keine Sondernutzung , sondern stelle eine Benutzung der Bundesfernstraße gemäß § 8 Abs. 10 FStrG dar.

II.

10
Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
11
1. Ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG besteht nicht. Auch Ansprüche aus §§ 989, 990, 992 BGB stehen der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu. Beides nimmt die Revision ausdrücklich hin.
12
2. Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler verneint. Der Brand der mit Heu beladenen Anhänger hat zwar die im Eigentum der Klägerin stehende Brücke beschädigt. Für diese Eigentumsverletzung war das Handeln des Beklagten ursächlich. Der Beklagte hätte jedoch nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er pflichtwidrig gehandelt hätte, als er die mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abstellte (vgl. Staudinger/Hager, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. A 9 f. und E 2 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., Vor § 823 Rn. 17 und § 823 Rn. 12 f.; Spindler in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 10; Raab, JuS 2002, 1041, 1048). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
13
a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
15
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Verkehrsteilnehmer - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: der Eigentümer angrenzender Bauwerke - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083).
16
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - aaO).
17
b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gehalten, vom Abstellen der mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abzusehen.
18
aa) Das Unterstellen der mit Heu beladenen Anhänger war - anders als in den den Entscheidungen OLG München (VersR 1974, 443 f.) und LG Mannheim (NJW-RR 1997, 921, 922) zugrunde liegenden Fällen - weder gesetzlich noch behördlich wegen möglicher Gefahren für die Brücke untersagt.
19
bb) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags der Parteien verneint, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergeben habe, es könnten Rechtsgüter anderer verletzt werden. Das wäre jedoch nach den dargestellten Grundsätzen Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht.
20
(1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass untergestellte, mit Heu beladene Anhänger objektiv eine Gefahrenquelle sein können, weil Heu grundsätzlich leicht entzündbar ist (vgl. etwa OLG Oldenburg, r+s 1999, 162 f.; OLG Hamm, NZV 1997, 309). Es ist revisionsrechtlich aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des konkreten Falles angenommen hat, für ein sachkundiges Urteil habe vorausschauend die Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern durch einen Brand der für zwei Nächte untergestellten Heuanhänger nicht nahe gelegen.
21
Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien vor dem Tatrichter angenommen, dass die Gefahr einer Selbstentzündung des Heus aufgrund der Trockenheit des Materials fern liegend war. Das beanstandet die Revision vergeblich als widersprüchlich. Allein dadurch, dass das Berufungsgericht die Realisierung der fernliegenden Möglichkeit einer Brandstiftung nicht ausschließen konnte, wurde diese nicht zu einer nahe liegenden Möglichkeit, deren Verwirklichung hätte verhindert werden müssen.
22
(2) Fern lag grundsätzlich auch die Gefahr einer Selbstentzündung der Anhänger (vgl. OLG München, NZV 1996, 199, 200).
23
(3) Das Berufungsgericht hat auch die Gefahr eines fahrlässigen InBrand -Setzens des Heus durch Dritte als nicht nahe liegend angesehen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Besonderheiten der Örtlichkeit für unwahrscheinlich hält, dass auf dem A-weg oder auf der Bundesstraße achtlos weggeworfene brennende oder glühende Zigarettenstummel oder sonstige Gegenstände bis zu den Anhängern gelangten. Übergangener Vortrag oder sonstige Umstände, die einer solchen Würdigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
24
(4) Die Gefahr einer vorsätzlichen Brandstiftung hat das Berufungsgericht aufgrund der Abgelegenheit der Örtlichkeit als vernachlässigbar angesehen. Das begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, da entsprechende Vorgänge für diese Örtlichkeit bisher nicht bekannt waren (vgl. OLG Oldenburg, r+s 2001, 107, 108; Wussow/Hemmerich-Dornick, UHR, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 75). Die Revision zeigt keine Umstände auf, denen der Tatrichter eine Pflicht des Beklagten hätte entnehmen müssen, aus dem Vorhandensein von - auch sonst häufigen - Graffiti gegenteilige Schlüsse zu ziehen.
25
(5) Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, dass typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, um so eher zu begegnen ist, je gewichtiger die drohenden Schäden sind (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO, 235 - je m.w.N.; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 411; Staudinger /Hager aaO, § 823 Rn. E 27). Die Revision zeigt jedoch nicht auf, dass die Gefahr einer Entzündung des Heus mit der Folge eines erheblichen Sachschadens an der Brücke und einer Verkehrsbehinderung typisch gewesen wäre. Zudem war die Verwirklichung einer solchen Gefahr innerhalb von nur zwei Tagen des Unterstellens wenig wahrscheinlich.
26
cc) Den weitergehenden und mit Parteivernehmung des Beklagten unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch neben den Anhängern habe Heu herumgelegen, hat das Berufungsgericht als verspätet nicht zugelassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe gewusst, dass die Fläche häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Revision ist hierin keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung und kein Verstoß gegen § 286 ZPO, sondern eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Zurückweisung verspäteten Vortrags zu sehen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten (§ 448 ZPO) lagen deshalb nicht vor.
27
3. Der Klägerin steht auch kein Ersatzanspruch aus § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG zu. Nach dieser Bestimmung hat bei Sondernutzung einer Bundesstraße der Erlaubnisnehmer alle Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen; zu diesen zählen grundsätzlich auch die Kosten für die Beseitigung von Schäden (vgl. Grupp in: Marschall/Schroeter /Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8 Rn. 35).
28
a) Die Bestimmung des § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG spricht schon nach ihrem Wortlaut nicht von einem Nutzer, sondern von einem Erlaubnisnehmer, und setzt deshalb nicht (nur) eine Sondernutzung voraus, sondern auch eine dafür erteilte Erlaubnis. Fehlt diese - wie vorliegend -, dann bestehen bei Beschädigung einer Bundesstraße keine (vertragsähnlichen) Schadensersatzansprüche nach dem Bundesfernstraßengesetz, sondern nur solche nach den allgemeinen Vorschriften.
29
b) Hier lag auch keine Sondernutzung (§ 8 Abs. 1 FStrG) vor. Eine solche wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nutzung der Bundesstraße über den Gemeingebrauch (§ 7 FStrG) hinaus erfolgte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und dieser beeinträchtigt würde oder werden könnte (vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 795, 800). Das ist hier nicht der Fall.
30
Die Nutzung von Flächen außerhalb der Verkehrsfläche richtet sich regelmäßig gemäß § 8 Abs. 10 FStrG ausschließlich nach bürgerlichem Recht (Grupp aaO, § 8 Rn. 46; Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts , Dissertation 2003, Seite 132 ff.). Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2a FStrG in solchen Fällen scheidet - entgegen der Ansicht der Revision - mangels einer gesetzlichen Regelungslücke aus.
31
c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Fläche unter der Brücke wegerechtlich Teil der Bundesfernstraße ist (vgl. § 1 Abs. 4 FStrG), was der Beklagte bestreitet. Nicht nachgegangen werden muss auch dem Vortrag des Beklagten, der hier in Rede stehende Platz sei über eine seit Jahren gebildete Zuwegung frei zugänglich gewesen. Träfe dies zu, könnte es sich - selbst wenn es sich wegerechtlich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte - um eine Fläche handeln, die jedenfalls tatsächlich der Allgemeinheit zum Verkehr offen stand und auf der verkehrsrechtlich die StVO gelten würde (vgl. Grupp aaO, § 1 Rn. 12; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 1 StVO Rn. 13).
32
Soweit nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter Beachtung dieser Rechtslage nicht auszuschließen ist, dass die Benutzung einer in fremdem Eigentum stehenden Fläche außerhalb des Verkehrsraumes ohne eine Erlaubnis durch den Träger der Straßenbaulast (vgl. Grupp aaO, § 8 Rn. 46 a. E) pflichtwidrig gewesen sein könnte, bedürfen die damit zusammenhängenden Fragen unter den Umständen des Streitfalles keiner abschließenden Entscheidung.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.04.2005 - 14 O 40/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.10.2005 - 13 U 110/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 189/05 Verkündet am:
16. Mai 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Vermieter einer Wohnung verstößt nicht gegen seine Verkehrssicherungspflicht,
wenn er die mit einem Glasausschnitt versehenen Zimmertüren der Wohnung, die
insoweit den baurechtlichen Vorschriften entspricht, bei einer Vermietung an eine
Familie mit Kleinkindern nicht mit Sicherheitsglas nachrüsten lässt.
BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - LG Siegen
AG Siegen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Mai 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die
Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 2. August 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die am 28. April 2001 geborene Klägerin nimmt den Beklagten als Vermieter der Wohnung ihrer Eltern auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch. Die Eltern der Klägerin sind seit 1. November 2001 Mieter einer 6-Zimmer-Wohnung in einem Anwesen des Beklagten , das im Jahre 1966 errichtet worden ist. Seit 1986 handelt es sich bei den Wohnungen um Sozialwohnungen im Sinne der §§ 4 und 5 des Wohnungsbindungsgesetzes , deren Bezug eine Personenzahl von 5 erfordert, damit von der Gemeinde ein entsprechender Berechtigungsschein ausgestellt wird. Die Familie der Klägerin lebt dort mit zwei Erwachsenen und drei Kleinkindern.
2
Am 22. März 2003 lief die Klägerin beim Spielen mit ihrer Schwester gegen eine in der Wohnung befindliche Kinderzimmertür. Die Tür bestand aus einem Holzrahmen mit einem Glasausschnitt, der im unteren Bereich in einer Höhe von 40 cm begann. Bei dem Glas handelte es sich nicht um Sicherheitsglas. Bei dem Unfall fiel die Klägerin mit Kopf und Schultern in die Scheibe. Dadurch gelangte ein winziges Teil aus der zerbrochenen und zersplitterten Scheibe in das linke Auge der Klägerin, wodurch die Klägerin die Sehkraft des linken Auges nahezu vollständig verlor.
3
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Zwar treffe den Vermieter grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Mieter einer Wohnung. Dabei habe der Verkehrssicherungspflichtige aber nur solche Gefahrenquellen zu beseitigen bzw. vor ihnen zu warnen, die von den Verkehrsteilnehmern trotz gebotener Eigensorgfalt nicht ohne weiteres erkennbar seien oder auf die sie sich nicht ohne weiteres einstellen könnten. Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht bestimmten sich nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs. Danach dürfe der Mieter einer Wohnung sich nicht darauf verlassen, dass Glasausschnitte in Zimmertüren mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Dahingehende baurechtliche Vorschriften hätten weder bei Errichtung der Wohnungen im Jahr 1966 noch bei Einzug der Familie der Klägerin noch zum Zeitpunkt des Unfalles existiert. Besondere Umstände, die eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verpflichtung des Verkehrssicherungspflichtigen erforderten, seien nicht erkennbar. Der Beklagte habe zwar gewusst, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt werde, habe aber nicht ernstlich damit rechnen müssen, dass ein Mieter "durch eine solche Scheibe" gehe. Es werde nicht behauptet, dass solche Vorfälle bereits zuvor vorgekommen seien. Zur Abwehr von Gefahren für die Kinder sei in erster Linie der Aufsichtspflichtige zuständig. Wenn die Eltern der Klägerin auf die Ausstattung mit Sicherheitsglas Wert gelegt hätten, hätten sie nachfragen oder die Tür entsprechend überprüfen müssen. Auch für einen Laien wäre eine Ausstattung mit Sicherheitsglas an der Stempelung erkennbar gewesen. Mieter könnten nicht davon ausgehen, dass Zimmertüren einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung mit Sicherheitsglas ausgestattet seien. Da der Gesetzgeber bis heute nicht die Ausstattung von Glastürausschnitten mit Sicherheitsglas verlange, handele es sich auch nicht um ein dringendes Sicherheitsbedürfnis, welches den Sicherungspflichtigen ausnahmsweise zu nachträglichen Maßnahmen verpflichtete.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Verstoß des Beklagten gegen die ihm als Vermieter obliegenden Verkehrssicherungspflichten verneint.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
7
2. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 276 Abs. 2 BGB n.F.) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen , die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Wohnungsvermieter - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: Mieter und deren Kinder - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
8
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO).
9
3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht eine Haftung des Beklagten verneint.
10
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass baurechtliche Vorschriften, nach denen Zimmertüren mit Glasausschnitten in Wohnun- gen mit Sicherheitsglas ausgestattet werden müssen, weder zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen im Jahre 1966 existierten, noch zum Zeitpunkt des Einzugs der Familie der Klägerin im Jahre 2001, noch zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2003. Nach § 40 Abs. 2 Bauordnung NW ist lediglich geregelt, dass Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, so zu kennzeichnen sind, dass sie leicht erkannt werden können. Für größere Glasflächen können zwar Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Verkehrs verlangt werden, wobei für Glasflächen , die bis zum Fußboden reichen, jedoch keine besonderen Eigenschaften des Glases vorgeschrieben sind, sondern lediglich eine entsprechende Markierung.
11
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelte es sich bei der Tür, an der sich die Klägerin verletzt hat, nicht um eine bis zum Fußboden herabreichende Glastür, sondern um eine Zimmertür mit einem Glasausschnitt, der erst in einer Höhe von 40 cm begann. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Zimmertür insoweit nicht den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften entsprochen habe.
12
Insofern ist der vorliegende Fall anders gelagert als derjenige, der dem Senatsurteil vom 31. Mai 1994 - VI ZR 233/93 - (VersR 1994, 996, 997) zugrunde lag. Dort war der Geschädigte im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses beim Hinuntergehen auf der letzten Stufe einer aus Marmorstufen bestehenden Treppe gestürzt und mit dem Arm in eine aus gewöhnlichem Fensterglas bestehende Verglasung einer Treppenhausaußenwand gefallen. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass in diesem Fall baurechtliche Vorschriften bestanden, die besondere Sicherheitsvorkehrungen geboten hätten. Nach § 36 Abs. 7 Bauordnung NW sind Fenster, die unmittelbar an Treppen liegen und deren Brüstungen unter der notwendigen Geländerhöhe liegen, zu sichern. Grund hierfür ist, dass bei einem Treppenhaus zum einen die Gefahr eines Hinabstürzens in die Tiefe und zum anderen eine größere Wahrscheinlichkeit besteht, dass dort jemand zu Fall kommt, wobei im damals entschiedenen Fall hiermit ernstlich zu rechnen war, weil auf der unteren Stufe der Treppe ein nur 1,25 m breites Podest bis zur Außenwand vorgelagert war und sich kurze Zeit zuvor ein Vorfall ereignet hatte, bei dem das Fensterglas der Außenwand zu Bruch gegangen war.
13
Im vorliegenden Fall lagen nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine besonderen Umstände vor, welche eine über die baurechtlichen Vorschriften hinausgehende Verkehrssicherungspflicht des Vermieters hinsichtlich der Zimmertüren begründen konnten. Insbesondere waren keine ähnlichen Vorfälle seit Vermietung der Wohnungen im Jahr 1966 bekannt. Allein aus der Kenntnis der Beklagten, dass die Wohnung von einer Familie mit drei Kleinkindern bewohnt wird, kann sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes ergeben. Entsprach nach den baurechtlichen Vorschriften die Mietwohnung im Hinblick auf ihre Ausstattung mit verglasten Wohnungsinnentüren der Normalbeschaffenheit, so oblag es den obhutspflichtigen Eltern der Klägerin zu entscheiden, ob sie unter den gegebenen Umständen eine solche Wohnung anmieten und für weitergehende (klein-)kindgerechte Schutzvorkehrungen sorgen wollten, wie sie auch in anderen Bereichen (z.B. Steckdosensicherungen , Schutzgitter, Kantenschutz etc.) üblich sind. Die Revision macht selbst nicht geltend, dass die Eltern der Klägerin bei der Anmietung einer im Jahre 1966 errichteten Wohnung damit rechnen konnten, dass die Innentürverglasungen aus Sicherheitsglas bestanden, zumal nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Ausstattung mit Sicherheitsglas auch für einen Laien erkennbar ist, weil sich an dem Glaseinsatz bei Sicherheitsglas ein entsprechender Stempel befindet. Mieteten die Eltern der Klägerin mit drei Kleinkindern eine Wohnung, die den geltenden baurechtlichen Sicherheitsvor- schriften im Hinblick auf die Wohnungsinnentüren entsprach, so konnte dies nicht dazu führen, dass sich die Verkehrssicherungspflichten des Vermieters dahingehend erhöhten, nunmehr besondere (klein-)kindgerechte Sicherheitsvorkehrungen einbauen zu müssen. Es mag zwar wünschenswert sein, in künftigen baurechtlichen Vorschriften zum Schutz von Kindern und älteren Menschen , bei denen eine erhöhte Gefahr besteht, dass sie in Wohnungen zu Fall kommen, den Einbau von Sicherheitsglas vorzusehen. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, treffen den Vermieter diesbezüglich im Regelfall keine erhöhten Verkehrssicherungspflichten.

III.

14
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
AG Siegen, Entscheidung vom 10.08.2004 - 13 C 372/04 -
LG Siegen, Entscheidung vom 02.08.2005 - 1 S 151/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 274/05 Verkündet am:
6. Februar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich
vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit
einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergibt (hier: Schaden an einer
Brücke durch Brand von unter der Brücke abgestellten, mit Heu beladenen
Wagen).
BGH, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Februar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Oktober 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des Brandschadens an einer Brücke.
2
Die Brücke, deren Eigentümerin die Klägerin ist, ist Teil einer Bundesstraße. Unter der Brücke liegt der in der Gemeinde G. gelegene A-weg. Durch einen Wassergraben vom Weg getrennt, reicht eine gepflasterte Fläche bis ans Widerlager der Brücke. Die Fläche liegt einerseits stadtnah, da südlich ein Industriegebiet angrenzt, andererseits abgeschieden, da das einzige Wohnhaus in der Nähe zweihundert Meter entfernt ist und eine Sichtverbindung nicht besteht. An dem Widerlager der Brücke und an den Brückenpfeilern befinden sich mehrere Graffiti.
3
Am Freitag, dem 27. Juni 2003, abends gegen 22.00 Uhr fuhr der Beklagte vom A-weg über einen in Sichtweite der Brücke gelegenen Steg und eine Wiese auf die gepflasterte Fläche und stellte dort drei landwirtschaftliche Anhänger mit zuvor eingefahrenem, aufgrund des Wetters sehr trockenem Heu in Ballen für die Nacht unter, denn es war Regen vorhergesagt. Die für Samstag, den 28. Juni 2003, vorgesehene Abfuhr verzögerte sich jedoch. Die drei nebeneinander stehenden Heuwagen gingen am Samstagabend gegen 23.00 Uhr in Flammen auf. Beim Eintreffen der Feuerwehr schlugen die Flammen bereits gegen die Brückenkonstruktion, auf deren Unterseite sich auf ca. dreißig Quadratmetern eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Betonschicht löste. Die Brücke und ein Streckenabschnitt wurden daraufhin bis zum 29. Juni 2003 um 14.30 Uhr für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Die Brandursache konnte nicht geklärt werden.
4
Die Zufahrt zu der gepflasterten Fläche unter der Brücke ist nach dem Brand durch Pfähle gesperrt worden.
5
Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 36.993,85 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen Schadens, welcher der Klägerin aus dem Brandschaden vom 27. Juni 2003 an dem Brückenbauwerk noch entstehen wird, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz verneint.
7
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht, weil dem Beklagten keine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last falle. Die Gefahr einer fahrlässigen Inbrandsetzung des Heus durch Benutzer des A-weges oder durch die Brücke passierende Kraftfahrzeuginsassen, insbesondere durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen, sei an diesem Abstellort gering gewesen. Gleiches gelte für die Gefahr einer vorsätzlichen Inbrandsetzung. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, der Beklagte habe gewusst, dass der Platz unter der Brücke häufig von Jugendlichen als Treffpunkt benutzt werde, sei neu und bestritten und daher nicht zu berücksichtigen. Eine Selbstentzündung des Heus liege aufgrund dessen Trockenheit fern.
8
Ansprüche der Klägerin aus §§ 989, 990 bzw. § 992 BGB oder aus §§ 7, 18 StVG seien nicht gegeben.
9
§ 8 Abs. 2a Satz 3 Bundesfernstraßengesetz (künftig: FStrG) könne nicht analog herangezogen werden; das Abstellen der Anhänger sei keine Sondernutzung , sondern stelle eine Benutzung der Bundesfernstraße gemäß § 8 Abs. 10 FStrG dar.

II.

10
Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
11
1. Ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG besteht nicht. Auch Ansprüche aus §§ 989, 990, 992 BGB stehen der Klägerin gegen den Beklagten nicht zu. Beides nimmt die Revision ausdrücklich hin.
12
2. Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler verneint. Der Brand der mit Heu beladenen Anhänger hat zwar die im Eigentum der Klägerin stehende Brücke beschädigt. Für diese Eigentumsverletzung war das Handeln des Beklagten ursächlich. Der Beklagte hätte jedoch nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er pflichtwidrig gehandelt hätte, als er die mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abstellte (vgl. Staudinger/Hager, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. A 9 f. und E 2 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., Vor § 823 Rn. 17 und § 823 Rn. 12 f.; Spindler in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 10; Raab, JuS 2002, 1041, 1048). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
13
a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
15
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Verkehrsteilnehmer - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: der Eigentümer angrenzender Bauwerke - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083).
16
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - aaO).
17
b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gehalten, vom Abstellen der mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abzusehen.
18
aa) Das Unterstellen der mit Heu beladenen Anhänger war - anders als in den den Entscheidungen OLG München (VersR 1974, 443 f.) und LG Mannheim (NJW-RR 1997, 921, 922) zugrunde liegenden Fällen - weder gesetzlich noch behördlich wegen möglicher Gefahren für die Brücke untersagt.
19
bb) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags der Parteien verneint, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergeben habe, es könnten Rechtsgüter anderer verletzt werden. Das wäre jedoch nach den dargestellten Grundsätzen Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht.
20
(1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass untergestellte, mit Heu beladene Anhänger objektiv eine Gefahrenquelle sein können, weil Heu grundsätzlich leicht entzündbar ist (vgl. etwa OLG Oldenburg, r+s 1999, 162 f.; OLG Hamm, NZV 1997, 309). Es ist revisionsrechtlich aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des konkreten Falles angenommen hat, für ein sachkundiges Urteil habe vorausschauend die Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern durch einen Brand der für zwei Nächte untergestellten Heuanhänger nicht nahe gelegen.
21
Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien vor dem Tatrichter angenommen, dass die Gefahr einer Selbstentzündung des Heus aufgrund der Trockenheit des Materials fern liegend war. Das beanstandet die Revision vergeblich als widersprüchlich. Allein dadurch, dass das Berufungsgericht die Realisierung der fernliegenden Möglichkeit einer Brandstiftung nicht ausschließen konnte, wurde diese nicht zu einer nahe liegenden Möglichkeit, deren Verwirklichung hätte verhindert werden müssen.
22
(2) Fern lag grundsätzlich auch die Gefahr einer Selbstentzündung der Anhänger (vgl. OLG München, NZV 1996, 199, 200).
23
(3) Das Berufungsgericht hat auch die Gefahr eines fahrlässigen InBrand -Setzens des Heus durch Dritte als nicht nahe liegend angesehen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Besonderheiten der Örtlichkeit für unwahrscheinlich hält, dass auf dem A-weg oder auf der Bundesstraße achtlos weggeworfene brennende oder glühende Zigarettenstummel oder sonstige Gegenstände bis zu den Anhängern gelangten. Übergangener Vortrag oder sonstige Umstände, die einer solchen Würdigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
24
(4) Die Gefahr einer vorsätzlichen Brandstiftung hat das Berufungsgericht aufgrund der Abgelegenheit der Örtlichkeit als vernachlässigbar angesehen. Das begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, da entsprechende Vorgänge für diese Örtlichkeit bisher nicht bekannt waren (vgl. OLG Oldenburg, r+s 2001, 107, 108; Wussow/Hemmerich-Dornick, UHR, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 75). Die Revision zeigt keine Umstände auf, denen der Tatrichter eine Pflicht des Beklagten hätte entnehmen müssen, aus dem Vorhandensein von - auch sonst häufigen - Graffiti gegenteilige Schlüsse zu ziehen.
25
(5) Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, dass typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, um so eher zu begegnen ist, je gewichtiger die drohenden Schäden sind (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO, 235 - je m.w.N.; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 411; Staudinger /Hager aaO, § 823 Rn. E 27). Die Revision zeigt jedoch nicht auf, dass die Gefahr einer Entzündung des Heus mit der Folge eines erheblichen Sachschadens an der Brücke und einer Verkehrsbehinderung typisch gewesen wäre. Zudem war die Verwirklichung einer solchen Gefahr innerhalb von nur zwei Tagen des Unterstellens wenig wahrscheinlich.
26
cc) Den weitergehenden und mit Parteivernehmung des Beklagten unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch neben den Anhängern habe Heu herumgelegen, hat das Berufungsgericht als verspätet nicht zugelassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe gewusst, dass die Fläche häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Revision ist hierin keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung und kein Verstoß gegen § 286 ZPO, sondern eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Zurückweisung verspäteten Vortrags zu sehen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten (§ 448 ZPO) lagen deshalb nicht vor.
27
3. Der Klägerin steht auch kein Ersatzanspruch aus § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG zu. Nach dieser Bestimmung hat bei Sondernutzung einer Bundesstraße der Erlaubnisnehmer alle Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen; zu diesen zählen grundsätzlich auch die Kosten für die Beseitigung von Schäden (vgl. Grupp in: Marschall/Schroeter /Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8 Rn. 35).
28
a) Die Bestimmung des § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG spricht schon nach ihrem Wortlaut nicht von einem Nutzer, sondern von einem Erlaubnisnehmer, und setzt deshalb nicht (nur) eine Sondernutzung voraus, sondern auch eine dafür erteilte Erlaubnis. Fehlt diese - wie vorliegend -, dann bestehen bei Beschädigung einer Bundesstraße keine (vertragsähnlichen) Schadensersatzansprüche nach dem Bundesfernstraßengesetz, sondern nur solche nach den allgemeinen Vorschriften.
29
b) Hier lag auch keine Sondernutzung (§ 8 Abs. 1 FStrG) vor. Eine solche wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nutzung der Bundesstraße über den Gemeingebrauch (§ 7 FStrG) hinaus erfolgte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und dieser beeinträchtigt würde oder werden könnte (vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 795, 800). Das ist hier nicht der Fall.
30
Die Nutzung von Flächen außerhalb der Verkehrsfläche richtet sich regelmäßig gemäß § 8 Abs. 10 FStrG ausschließlich nach bürgerlichem Recht (Grupp aaO, § 8 Rn. 46; Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts , Dissertation 2003, Seite 132 ff.). Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2a FStrG in solchen Fällen scheidet - entgegen der Ansicht der Revision - mangels einer gesetzlichen Regelungslücke aus.
31
c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Fläche unter der Brücke wegerechtlich Teil der Bundesfernstraße ist (vgl. § 1 Abs. 4 FStrG), was der Beklagte bestreitet. Nicht nachgegangen werden muss auch dem Vortrag des Beklagten, der hier in Rede stehende Platz sei über eine seit Jahren gebildete Zuwegung frei zugänglich gewesen. Träfe dies zu, könnte es sich - selbst wenn es sich wegerechtlich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte - um eine Fläche handeln, die jedenfalls tatsächlich der Allgemeinheit zum Verkehr offen stand und auf der verkehrsrechtlich die StVO gelten würde (vgl. Grupp aaO, § 1 Rn. 12; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 1 StVO Rn. 13).
32
Soweit nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter Beachtung dieser Rechtslage nicht auszuschließen ist, dass die Benutzung einer in fremdem Eigentum stehenden Fläche außerhalb des Verkehrsraumes ohne eine Erlaubnis durch den Träger der Straßenbaulast (vgl. Grupp aaO, § 8 Rn. 46 a. E) pflichtwidrig gewesen sein könnte, bedürfen die damit zusammenhängenden Fragen unter den Umständen des Streitfalles keiner abschließenden Entscheidung.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.04.2005 - 14 O 40/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.10.2005 - 13 U 110/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 87/06 Verkündet am:
12. Juni 2007
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 651c, 651f, 651g Abs. 1; BGB-InfoV § 6 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 Satz 1

a) Die Beeinträchtigung, die ein Reisender durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
des Reiseveranstalters erleidet, kann einen Reisemangel
darstellen.

b) Eine § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV genügende Verweisung des Reiseveranstalters
auf Prospektangaben über die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1
BGB muss zumindest einen Hinweis auf die Existenz von Ausschlussfristen
und auf deren Fundstelle im Prospekt enthalten.

c) Der Ersatz von Angaben über die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB in
der Reisebestätigung durch Verweisung auf den Prospekt setzt zumindest
bei einer Buchung im Reisebüro voraus, dass der Reiseveranstalter dem
Reisenden den Prospekt ausgehändigt hat.

d) Wenn der Reiseveranstalter seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist
des § 651g Abs. 1 BGB nicht erfüllt hat, besteht eine widerlegliche Vermutung
dafür, dass die Fristversäumung des Reisenden entschuldigt ist.

e) Die Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB ist entschuldigt
, soweit der Reisende gesundheitliche Spätschäden geltend macht, die
für ihn persönlich bis zum Fristablauf nicht vorhersehbar waren.

f) Ein Reisender, der die Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB mangels
Kenntnis seiner Ansprüche unverschuldet versäumt hat, braucht nach
Kenntniserlangung die Anspruchsanmeldung nur dann unverzüglich nachzuholen
, wenn der Reiseveranstalter ihn bei Vertragsschluss auf die Ausschlussfrist
hingewiesen oder wenn er sie anderweitig in Erfahrung gebracht
hatte (Fortführung von BGH, Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03). Dafür trägt
der Reiseveranstalter die Darlegungs- und Beweislast.
BGH, Urt. v. 12. Juni 2007 - X ZR 87/06 - OLG Celle
LG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterin Ambrosius und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juli 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Reiseveranstalter wegen eines im Urlaubsclub erlittenen Unfalls Minderung des Reisepreises, Ersatz von Heilbehandlungskosten , Schmerzensgeld und die Feststellung, dass die Beklagte ihr auch zukünftige Schäden aus dem Unfallereignis ersetzen muss.
2
Die Klägerin und ihre kleine Tochter verbrachten vom 19. bis 26. Mai 2004 einen bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaub im R. Club A. . Im Reisekatalog der Beklagten hieß es unter "Entertainment", dass dort unter anderem "amüsante Abendshows im Clubtheater" stattfinden würden. Am Abend des 24. Mai besuchten Mutter und Kind eine im Clubtheater stattfindende Animationsveranstaltung, bei der die Animateurin im Rahmen eines Wettendass -Spiels einem Kind die Wette anbot: "Wetten, dass es Deiner Mama nicht gelingt, in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einzusammeln?" Daraufhin begannen die Zuschauer, Schuhe auf die Bühne zu werfen. Dabei traf ein Schuh mit hohem, spitzem Absatz die in der ersten Reihe sitzende Klägerin am Hinterkopf. Die Klägerin verspürte Kopfschmerzen, Benommenheit, Übelkeit und Erbrechen. Gleich nach ihrer Rückkehr, am 27. Mai, suchte sie ihren Hausarzt auf, der eine Gehirnerschütterung diagnostizierte. Zwei Tage nach dieser Untersuchung klangen die Symptome ab, und nach einer weiteren Woche war die Klägerin völlig beschwerdefrei.
3
Ab Oktober 2004 erlitt die Klägerin Kopfschmerzattacken, und ab November zeigten sich bei ihr Sprachstörungen und Koordinationsstörungen, bei denen ihr Gegenstände aus der Hand fielen. Bei einer daraufhin von ihrem Hausarzt veranlassten Untersuchung im Krankenhaus diagnostizierten die dortigen Ärzte aufgrund eines Elektroenzephalogramms einen zu den Beschwerden der Klägerin passenden Herdbefund linkstemporal. Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 meldete die Klägerin daraufhin bei der Beklagten Ansprüche an.
4
Gestützt auf das Attest der Krankenhausärzte macht die Klägerin geltend , sie habe bei dem Vorfall am 24. Mai ein Schädel-Hirn-Trauma (contusio cerebri) mit kleiner Einblutung erlitten, das ein symptomatisches fokales Anfalls- leiden ausgelöst habe. Sie trägt vor, es sei noch nicht abzusehen, ob ihr Leiden ausheilen oder aber sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln werde.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin wegen Versäumung der einmonatigen Frist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen seien und für eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht keine Anhaltspunkte vorlägen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Deliktshaftung der Beklagten bejaht und der Klage bis auf die Reisepreisminderung stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf gänzliche Klageabweisung weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
8
Die Beklagte hafte für den Unfall aus Delikt wegen eines Verstoßes gegen ihre Verkehrssicherungspflicht. Die Pflicht des Reiseveranstalters zur Kontrolle des Leistungsträgers betreffe auch die Animation. Die Animation müsse so gestaltet werden, dass sie eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdung der Reisenden ausschließe. Das allgemeine Lebensrisiko realisiere sich erst außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit des Reiseveranstalters. Hier sei die Aufforderung der Animateurin für die Zuschauerreaktion des Schuhewerfens ursächlich und auch nicht derart fernliegend gewesen, dass sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht hätte. Die Verhinderung der Verletzung habe auch im Einwirkungsbereich der Animateurin gelegen. Sie hätte darauf hinweisen können und müssen, dass Schuhe nicht auf die Bühne geworfen werden dürften.
9
Eine vertragliche Haftung der Beklagten wegen eines Reisemangels sei zu verneinen, weil die Klägerin die einmonatige Frist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anmeldung ihrer Ansprüche versäumt habe. Diese Frist gelte hier unabhängig davon, ob die Beklagte gegen ihre diesbezügliche Hinweispflicht verstoßen habe. Denn ein etwaiger Verstoß wäre für die Fristversäumung der Klägerin nicht kausal geworden. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag dem Unfall zunächst keine weitere Bedeutung beigemessen und ihn vergessen habe , hätte sie auch in Kenntnis der Frist bis zu deren Ablauf keine Ansprüche geltend gemacht.
10
Die Verursachung des Gesundheitsschadens der Klägerin durch den Unfall und der Umfang dieses Schadens seien als unstreitig zu behandeln. Mit Rücksicht auf die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen sei das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend.
11
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in wesentlichen Teilen nicht stand. Die vom Berufungsgericht angenommene deliktische Haftung der Beklagten wird von seinen bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht getragen. Eine vertragliche Haftung, die in Betracht kommt, hängt davon ab, ob die Klägerin den Beweis für die Schadensursächlichkeit des Unfalls und für das Ausmaß ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung erbringen kann, die beide von der Beklagten wirksam bestritten sind.
12
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine deliktische Haftung der Beklagten wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht bejaht (§ 823 Abs. 1 BGB).
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Hotel bzw. den Club und seine Einrichtungen in erster Linie den Hotel- bzw. Clubbetreiber. Daneben hat auch der Reiseveranstalter eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betrifft die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit der Vertragshotels bzw. Ferienclubs. Es sind diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger , umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. nur Sen.Urt. v. 18.07.2006 - X ZR 142/05, RRa 2006, 206). Bietet der Reiseveranstalter auch die vom Leistungsträger vor Ort erbrachten Animationsleistungen als eigene Leistungen an, so erstreckt sich seine Verkehrssicherungspflicht auch auf diese (OLG Karlsruhe MDR 2004, 35).
14
b) Da hier die Beklagte aufgrund der Reisebeschreibung in ihrem Prospekt die Unterhaltungsveranstaltungen im Clubtheater als eigene Leistung schuldete, hat das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend diese Veranstaltungen der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten unterworfen (Sen.Urt. v. 14.12.1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188). Ein Rechtsfehler liegt jedoch darin , dass das Berufungsgericht im Folgenden ausschließlich auf das Verschulden der Animateurin abgestellt hat, nämlich auf ihre Pflicht, das Schuhewerfen zu untersagen. Die Animateurin war nicht bei der Beklagten angestellt, sondern gehörte zum Personal des Clubs. Das Berufungsgericht hat also der Beklagten das Verhalten einer Clubangestellten zugerechnet. Das steht, wie die Revision zu Recht rügt, nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , wonach der Leistungsträger des Reiseveranstalters und dessen Erfüllungsgehilfen nicht Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters im Sinne des § 831 BGB sind, weil es an der dafür notwendigen sozialen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit im Verhältnis zum Reiseveranstalter fehlt (BGH, Urt. v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298 ff., und ständig).
15
c) Ein eigenes Auswahl- oder Kontrollverschulden der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten oder ihrer Verrichtungsgehilfen hinsichtlich der Animationsveranstaltungen hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Der Reiseveranstalter, der einen Clubbetreiber sorgfältig ausgewählt hat, ist nicht verpflichtet, sich von diesem die geplanten Animationsspiele zur Genehmigung vorlegen zu lassen. Vielmehr darf ihm der Reiseveranstalter zunächst einmal insoweit Vertrauen schenken und sich darauf verlassen, dass er keine mit vermeidbaren Gefahren behafteten Spiele durchführen wird. Aus demselben Grund muss sich der Reiseveranstalter auch nicht jedes neue Spiel bei der ersten Durchführung ansehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr eine stichprobenartige Überprüfung des Animationsprogramms. Der Reiseveranstalter braucht also gegen vom Clubbetreiber angebotene Animationsveranstaltungen nur dann einzuschreiten, wenn er im Rahmen der von ihm zu verlangenden Stichproben die Gefährlichkeit eines Programmpunktes erkannt hat oder erkennen musste und deshalb Anlass zum Einschreiten hatte. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.
16
Eine deliktische Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist daher zu verneinen.
17
2. Eine vertragliche Haftung der Beklagten aus § 651f BGB kommt hingegen in Betracht.

18
a) Im Falle eines Reisemangels kann der Reisende Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat (§ 651f Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Danach ist die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet.
19
aa) Ihr Unfall stellte einen Reisemangel dar.
20
Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern (§ 651c Abs. 1 BGB). Ein Mangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird (Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., vor § 651c Rdn. 2). Da der Reiseveranstalter dem Reisenden aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren schuldet, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, fallen jedenfalls auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters , d.h. infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er einzustehen hat, unter den Mangelbegriff (Palandt/Sprau, aaO; OLG Celle RRa 2004, 156; OLG Düsseldorf RRa 2003, 14). Im vorliegenden Fall kommt es nicht auf die darüber hinausgehende Rechtsprechung des Senats an, dass allein die Realisierung einer objektiv vorhandenen Gefahr einen Mangel herbeiführt, ohne dass an dieser Stelle schon geprüft werden müsste, ob die Gefahr für den Reiseveranstalter erkennbar war (in diesem Sinne Sen.Urt. NJW 2000, 1188 unter 1.3.).
21
Denn nach Feststellung des Berufungsgerichts lag eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Verkehrssicherungspflicht bedeutet nicht, dass gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen getroffen werden müssen. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst vielmehr diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Urt. v. 16.05.2007 - VI ZR 189/05, NJW 2006, 2326; v. 16.02.2006 - II ZR 68/05, VersR 2006, 665). Dass dies hier der Fall war, hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Dies ergibt sich konkludent aus der Ansicht des Berufungsgerichts, die Animateurin hätte darauf hinweisen können und müssen, dass Schuhe nicht auf die Bühne geworfen werden dürften; diese Reaktion der Zuschauer sei nicht derartig fernliegend gewesen , dass sich damit bei einer hierauf beruhenden Verletzung nur das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht hätte. Damit hat das Berufungsgericht nicht bloß bejaht, dass die Animateurin das Schuhewerfen als naheliegende Reaktion vorhersehen konnte, sondern auch, dass sie auch mit der dadurch entstehenden Verletzungsgefahr für andere Zuschauer rechnen musste; denn die der Animateurin auferlegte Verbotspflicht konnte nur den Sinn haben, Verletzungen zu verhüten. Diese tatrichterliche Feststellung unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungsgesetze gewürdigt worden ist (st. Rspr. des BGH; vgl. nur Urt. v. 13.07.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768). Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich. Dass die Begründung des Berufungsgerichts sparsam ausgefallen ist, genügt hierfür nicht.
22
bb) Ist demnach von einem Reisemangel auszugehen, so hat die Beklagte den ihr nach § 651f Abs. 1 2. Halbs. BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht.
23
(1) Im Falle eines Reisemangels wird zu Lasten des Reiseveranstalters vermutet, dass er den Mangel zu vertreten hat (§ 276 BGB). Dem Reiseveranstalter steht jedoch der Entlastungsbeweis offen. Dazu muss er darlegen und im Bestreitensfalle beweisen, dass der Mangel auf einem Umstand beruht, den er nicht und den auch keiner seiner Erfüllungsgehilfen - zu denen sein Leistungsträger gehört - und keiner von den Erfüllungsgehilfen des Leistungsträgers verschuldet hat. Dabei muss der Reiseveranstalter für sämtliche ernstlich in Betracht kommenden Schadensursachen den Entlastungsbeweis erbringen (Sen.Urt. v. 09.11.2004 - X ZR 119/01, BGHZ 161, 79, 82, 84).
24
(2) Der Beklagten, die im Rahmen der hier zu prüfenden Haftung aus Vertrag demnach unter anderem den Beweis für ein fehlendes Verschulden der Animateurin als Erfüllungsgehilfin ihres Leistungsträgers führen müsste, ist dies nicht gelungen. Das Berufungsgericht hat ein fahrlässiges Fehlverhalten der Animateurin in rechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung festgestellt. Indem es eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit der Begründung bejaht hat, dass die Animateurin die Verletzungsgefahr vorausschauend hätte erkennen und durch den Hinweis, die Schuhe dürften nicht geworfen werden, hätte abwenden können, hat es gleichzeitig festgestellt, dass die Animateurin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und somit fahrlässig gehandelt hat (§ 276 BGB).
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b) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von einem Ausschluss vertraglicher Schadensersatzansprüche infolge Fristversäumung ausgegangen. Der Reisende hat allerdings einen Anspruch nach § 651f BGB innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen (§ 651g Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach Ablauf der Frist kann der Reisende Ansprüche nur noch durchsetzen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist (§ 651g Abs. 1 Satz 3 BGB). Letzteres war bei der Klägerin der Fall, weil die Beklagte sie pflichtwidrig nicht auf diese Ausschlussfrist hingewiesen hatte.
26
aa) Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV und nach § 651a Abs. 3 BGB muss die Reisebestätigung, die der Reiseveranstalter dem Reisenden bei oder unverzüglich nach Vertragsschluss auszuhändigen hat (§ 6 Abs. 1 BGB-InfoV), unter anderem Angaben über die nach § 651g BGB einzuhaltenden Fristen enthalten. Der Text der der Klägerin übergebenen Reisebestätigung erwähnte die einmonatige Ausschlussfrist nicht.
27
§ 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV besagt zwar, dass der Reiseveranstalter seine Verpflichtungen nach Abs. 2 auch dadurch erfüllen kann, dass er auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben verweist, die den Anforderungen nach Abs. 2 entsprechen. Die Beklagte hat indessen auch nicht auf diese Art ihre Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt.
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(1) Es fehlte schon an einer inhaltlich ausreichenden Verweisung auf den Prospekt. Dafür genügt nicht ein allgemeiner Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reiseveranstalters, wie er in der der Klägerin übermittelten Reisebestätigung enthalten war. Ein solcher Hinweis verfehlt den Gesetzeszweck, den Reisenden vor der einmonatigen Ausschlussfrist zu war- nen. Denn eine wirksame Warnung findet nicht statt, wenn die Ausschlussfrist als eine unter vielen Klauseln in den meist umfangreichen und klein gedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verborgen ist. Eine Verweisung im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV, welche die komplette Information über die Ausschlussfristen nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV ersetzt, muss zumindest einen Hinweis auf die Existenz von Ausschlussfristen und deren Fundstelle im Prospekt enthalten (Staudinger/J.Eckert, BGB, 2003, Anh. zu § 651a, § 6 BGBInfoV Rdn. 18).
29
(2) Außerdem setzt ein Ersatz der Warnung durch Verweisung auf den Prospekt im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 1 BGB-InfoV voraus, dass der Reiseveranstalter dem Reisenden den Prospekt zur Verfügung gestellt hat. Dass dies hier geschehen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zumindest bei einer Buchung, die, wie hier, im Reisebüro erfolgt, muss der Katalog dem Reisenden ausgehändigt worden sein; es genügt nicht, dass der Katalog in der Buchungsstelle einsehbar war (Tempel, RRa 2002, 186). Für die Aushändigung ist der Reiseveranstalter darlegungs- und beweispflichtig (Staudinger/J. Eckert, aaO). Dass die Beklagte dem genügt hat, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden; die Revision hat insoweit keine Rügen erhoben.
30
(3) Schließlich war die vorliegende Verweisung auch deshalb kein tauglicher Ersatz für die vorgeschriebene Angabe der Ausschlussfrist, weil sie zu klein und unauffällig gedruckt war, um eine Warnfunktion erfüllen zu können. Ein Hinweis auf Allgemeine Geschäftsbedingungen muss deutlich und bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit des Kunden ohne weiteres erkennbar sein (BGH, Urt. v. 18.06.1986 - VIII ZR 137/85, NJW-RR 1987, 112; Palandt/ Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305 Rdn. 29). Das war hier wegen des schwer lesbaren Kleinstdrucks nicht der Fall.
31
bb) Wegen des unterlassenen Hinweises auf die Ausschlussfrist kann die Klägerin trotz objektiver Fristversäumung ihre Schadensersatzansprüche noch geltend machen, weil sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 651g Abs. 1 Satz 3 BGB). Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
32
(1) Nach dem Willen des Gesetzgebers findet der Ausschluss der verspätet geltend gemachten Ansprüche des Reisenden seine Rechtfertigung darin , dass der Reiseveranstalter nach Ablauf eines Monats regelmäßig Schwierigkeiten haben wird, wenn er die Berechtigung der Mängelrüge überprüfen will. Weitere Nachteile können dem Reiseveranstalter dadurch entstehen, dass er Regressansprüche gegen Leistungsträger nicht mehr durchsetzen kann oder jedenfalls bei der Durchsetzung in Beweisnot gerät (Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung - Entwurf I -, BT-Drucks. 8/786, S. 32 sowie zum Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestags - Entwurf II -, BT-Drucks. 8/2343, S. 11). Dahinter steht der Gedanke der schnellen Beweissicherung: Der Reiseveranstalter soll kurzfristig erfahren, welche Gewährleistungsansprüche auf ihn zukommen, damit er alsbald die notwendigen Beweissicherungsmaßnahmen treffen, insbesondere die Erinnerung der Beteiligten und den Zustand von Hoteleinrichtungen festhalten kann (Sen.Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03, BGHZ 159, 350, 354).
33
Andererseits soll die den Reiseveranstalter privilegierende Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB zur Vermeidung von Härtefällen durch die Eröffnung eines Exkulpationsbeweises für den Reisenden entschärft werden. Dazu heißt es in der Begründung des ersten Gesetzesentwurfs: "Die Bestimmung des S. 3 ist mit den Erfordernissen eines angemessenen Kundenschutzes vereinbar. Dazu ist zu bemerken, dass die Geltendmachung der mängelbedingten Ansprüche durch die Anzeige nach S. 1 der Form und dem Inhalt nach denkbar erleichtert ist. Selbst wenn aber im Einzelfall die Frist versäumt wird, tritt der Ausschluss von Ansprüchen nur ein, wenn der Reisende die Fristversäumnis zu vertreten hat" (BT-Drucks. 8/786, S. 32). In der Begründung des zweiten Gesetzesentwurfs heißt es insoweit: "Die Ausschlussfrist tritt nur dann ein, wenn der Reisende die Unterlassung einer fristgerechten Anzeige zu vertreten hat (§ 276 BGB)" (BT-Drucks. 8/2343, S. 11).
34
Bei der demnach notwendigen Abwägung des Interesses des Reiseveranstalters an einer Begrenzung seiner Haftung gegen das Interesse des Reisenden am Ersatz der ihm entstandenen Schäden dürfen an den Entschuldigungsbeweis keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Die Ausschlussfrist stellt ein Privileg des Reiseveranstalters dar, das ihm eine im übrigen Zivilrecht weitgehend unbekannte Möglichkeit eröffnet, vor Ablauf der Verjährungsfrist leistungsfrei zu werden. Die vergleichbare Vorschrift des § 12 Abs. 3 VVG, die für den Ausschluss eine wesentlich längere Zeitspanne bestimmt (sechs Monate), soll im Hinblick darauf abgeschafft werden, dass das Interesse des Versicherers an baldiger Klarheit über die auf ihn zukommenden Ansprüche keine derartige Sonderregelung rechtfertige, die dem Versicherer die Möglichkeit gebe, die Verjährungsfrist zu Lasten des Vertragspartners einseitig zu verkürzen (Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, BT-Drucks. 16/3945, S. 6). Auch vor diesem Hintergrund gebietet das Ausmaß der Privilegierung des Reiseveranstalters, den Entschuldigungsbeweis des Reisenden, soll er ein wirksames Gegengewicht bilden, nicht kleinlich zu handhaben.
35
(2) Soweit ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit in Betracht kommt, ist zu prüfen, ob der Reisende diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein vernünftiger Kunde bei der Fristwahrung seiner Ansprüche gegen den Reiseveranstalter walten lässt. Da Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraussetzt, kommt es dabei darauf an, ob der Reisende die Versäumung der Anmeldefrist voraussehen konnte. Ob im Einzelfall den Reisenden kein Verschulden trifft, unterliegt im Wesentlichen der revisionsrechtlich nur beschränkt nachprüfbaren Würdigung des Tatrichters (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1992 - IV ZR 198/91, NJW 1992, 2233). Da hier indessen das Berufungsgericht die Möglichkeit der Exkulpation nicht gesehen und daher nicht geprüft hat, ob die Klägerin entschuldigt ist, und da außerdem insoweit keine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist, kann der Senat diese Prüfung selbst vornehmen (Sen.Urt. v. 19.04.2005 - X ZR 15/04, NJW 2005, 2766).
36
(3) Ein Verschulden der Klägerin ist zu verneinen.
37
(a) Eine schuldhafte Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet von vornherein aus, wenn der Reisende die Frist nicht kannte und auch nicht kennen musste. Diesbezüglich besteht eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Reisenden (weitergehend Staudinger/J.Eckert, BGB (2003), § 651g Rdn. 5, 20 m.w.N.), wenn er - wie hier - vom Reiseveranstalter nicht auf die Frist hingewiesen worden ist. Diese Vermutung folgt aus der in § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV und § 651a Abs. 3 BGB klar niedergelegten Wertung des Gesetzgebers, dass die Reisenden in der Regel die Ausschlussfrist nicht kennen und deshalb zu ihrem Schutz der Belehrung darüber bedürfen. Mit diesem Motiv des Gesetzgebers und dem Schutzzweck des Gesetzes wäre es nicht zu vereinbaren, wenn nicht belehrte Reisende den schwer zu führenden Beweis erbringen müssten, dass sie nicht auf andere Weise Kenntnis von der Ausschlussfrist erlangt haben. Aus demselben Grund kann auch die für das Versicherungsrecht aufgestellte Sorgfaltspflicht, dass der Versicherungsnehmer sich über den wesentlichen Inhalt der Vertragsbedingungen, darunter eine etwaige Ausschlussfrist, informieren muss (BGH NJW 1992, 2233), für § 651g Abs. 1 BGB nicht gelten. Ohne die Vermutung der unverschuldeten Unkenntnis des nicht belehrten Reisenden würde die gesetzliche Hinweispflicht des Reiseveranstalters nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB-InfoV, § 651a Abs. 3 BGB weitgehend leerlaufen.
38
(b) Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Klägerin sei nicht entschuldigt , weil sie zur unverzüglichen Nachholung der Anspruchsanmeldung verpflichtet gewesen sei, sich aber nach der Krankenhausuntersuchung am 18. November 2004 noch bis zum 10. Januar 2005 Zeit gelassen habe. Dieser Einwand ist unbehelflich, weil die Beklagte verkannt hat, dass, wie die Pflicht zur fristgerechten Anmeldung, so auch die Pflicht zur unverzüglichen Nachholung bei unverschuldeter Fristversäumung (Sen.Urt. v. 22.06.2004 - X ZR 171/03 unter II 2 a) nur verletzt sein kann, wenn zuvor der Anspruchsgegner seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist erfüllt oder der Anspruchssteller diese auf andere Weise in Erfahrung gebracht hatte. Nach dem hier festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte den Hinweis indes unterlassen und war die Ausschlussfrist der Klägerin auch nicht anderweitig bekannt. Auf die Erklärung der Klägerin, dass und weshalb sie ihren Anspruch erst im Januar 2005 anmelden konnte, kommt es daher nicht an.
39
(c) Im Übrigen wäre die Fristversäumung der Klägerin auch deshalb entschuldigt , weil sie das erst mehrere Monate nach dem Unfall symptomatisch gewordene fokale Anfallsleiden bis zum Ablauf der Frist nicht erkennen konnte.
40
(aa) Die Gefahr einer verspäteten Anspruchsanmeldung ist nur bei Kenntnis oder Erkennbarkeit des Schadensersatzanspruchs vorhersehbar. Unkenntnis des anspruchbegründenden Schadens ist daher ein Entschuldigungsgrund (BGHZ 159, 350, 358). Dies muss auch für gesundheitliche Spätschäden gelten, wenn dem Verletzten zwar die ursprüngliche Verletzung vor Fristablauf bekannt war, er aber die Folgeschäden persönlich nicht vorhersehen konnte.
Denn ein Reisender handelt weder sich selbst noch dem Reiseveranstalter gegenüber fahrlässig, wenn er im Glauben, die ihm bekannte Verletzung sei folgenlos ausgeheilt, den scheinbar harmlosen Unfall nicht aufbauschen will und deshalb auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zunächst verzichtet. Wollte man von dem Reisenden verlangen, auch wegen einer nach seinen persönlichen Erkenntnismöglichkeiten geringfügigen, folgenlos ausgeheilten Verletzung Schadensersatzansprüche anzumelden, würde man dem Reisenden nicht nur eine überzogene Sorgfalt gegenüber sich selbst aufbürden, sondern wäre auch dem Reiseveranstalter nicht gedient, der dann mit einer Vielzahl ansonsten unterbleibender im Ergebnis unnötiger Schadensersatz- und Feststellungsansprüche überzogen und zu einer Verwaltungskosten verursachenden Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts gezwungen würde. Hier fällt der vom Senat bereits in anderem Zusammenhang berücksichtigte Umstand ins Gewicht, dass die Überprüfung solcher Beanstandungen mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden ist und deshalb auf der Seite des Reiseveranstalters ein anzuerkennendes und schützenswertes Interesse daran besteht, diese Tätigkeiten nicht vergeblich in Gang zu setzen (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 97/99, BGHZ 145, 343, 349).
41
(bb) Die Klägerin konnte das später aufgetretene fokale Anfallsleiden nicht vorhersehen. Nach Feststellung des Berufungsgerichts war die Klägerin etwa 14 Tage nach dem Unfall völlig beschwerdefrei. Sie hatte deshalb keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Folgeschadens.
42
(cc) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verjährung deliktischer Schadensersatzansprüche wegen Spätfolgen ist auf § 651g Abs. 1 Satz 3 BGB nicht übertragbar. Diese Rechtsprechung besagt, dass die die Verjährungsfrist in Lauf setzende Kenntnis vom Schaden nicht gleichbedeutend ist mit Kenntnis von Umfang und Höhe des Schadens, sondern dass auch nachträg- lich auftretende Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Kenntnis vom Schaden für Fachleute als möglich vorhersehbar waren, von der allgemeinen Schadenskenntnis erfasst werden (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.11.1999 - VI ZR 37/99, NJW 2000, 8961 Rdn. 8). Sie stellt das Interesse des Schädigers an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in den Vordergrund und beruht auf der Annahme, dass es in aller Regel dem Geschädigten zuzumuten ist, schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden Erstschädigung sich durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen eine Verjährung zu sichern (Urt. v. 27.11.1990 - VI ZR 2/90 Rdn. 14, 19).
43
Diese Rechtsprechung ist aus doppeltem Grund nicht auf § 651g Abs. 1 Satz 3 BGB übertragbar. Zum einen wird dort, anders als bei dem Beginn der Verjährung, nicht auf die Kenntnis des Schadens (§ 852 BGB a.F.), sondern auf das Verschulden des Reisenden abgestellt. Bei Fahrlässigkeit kommt es also auf dessen persönliche Erkenntnismöglichkeiten an, nicht etwa, soweit es um die Vorhersehbarkeit gesundheitlicher Spätfolgen geht, auf die Wissensmöglichkeiten seiner behandelnden Ärzte oder gar außenstehender medizinischer Sachverständiger. Zum anderen wäre es nicht gerechtfertigt, den Anwendungsbereich des dem Geschädigten nachteiligen Gedankens der Schadenseinheit noch weiter auszuweiten, indem man ihn von der immerhin dreijährigen Verjährungsfrist , in der sich mancher Folgeschaden schon zeigen mag, auf die nur einmonatige Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB überträgt, die dem Geschädigten wegen ihrer Kürze so gut wie keine Chance zur Entdeckung von Folgeschäden gibt.
44
3. Die Beklagte haftet also, wenngleich nicht aus Delikt, so doch aus Vertrag, sofern die geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin auf den Unfall zurückzuführen sind. Dies ist entgegen der Ansicht des Be- rufungsgerichts streitig. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das einfache Bestreiten der Beklagten nicht gelten lassen.
45
a) Vorweg ist klarzustellen, dass das Berufungsgericht nicht etwa aufgrund der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung den Beweis für den von ihr dargelegten Gesundheitsschaden und die Kausalität des Vorfalls am 24. Mai 2004 als erbracht angesehen hat. Vielmehr hat es die ärztlichen Bescheinigungen nur herangezogen, um eine Pflicht der Beklagten zum substantiierten Bestreiten zu begründen und einfaches Bestreiten für unbeachtlich zu erklären.
46
b) Damit ist das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen. Eine Pflicht der Partei, auf Behauptungen des Prozessgegners substantiiert, d.h. mit näheren positiven Angaben, zu erwidern, soll ihr Bestreiten beachtlich sein, besteht nicht schlechthin. Sie kann aber dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urt. v. 17.03.1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 196). Davon ist in der Regel auszugehen, wenn sich die behaupteten Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Bestreitenden abgespielt haben. Steht die Partei den Geschehnissen aber erkennbar fern, so kann von ihr eine nähere Substantiierung ihres Bestreitens nicht verlangt werden, vielmehr genügt dann ein einfaches Bestreiten (vgl. nur BGH, Urt. v. 14.05.2004 - V ZR 164/03, MDR 2004, 1349 Rdn. 13). So ist es hier, wo die Kausalität der Verletzung vom 24. Mai 2004 für das fokale Anfallsleiden der Klägerin sowie Art und Umfang dieses Leidens außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Beklagten liegen. Sie besitzt keinen medizinischen Sachverstand und ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht verpflichtet, zu ihrer Rechtsverteidigung einen medizinischen Privatgutachter hinzuziehen.
47
c) Der Klägerin ist im Rahmen der vertraglichen Haftung kein Mitverschulden anzulasten. Nicht zu folgen ist der Ansicht der Revision, wenn der Animateurin angelastet würde, dass sie die Schuh-Wette für gefährlich hätte halten müssen, würde dies genauso für die Klägerin gelten. Da, wie oben dargelegt , die vorausschauende Prüfung des Reiseveranstalters, ob seine vertraglichen Leistungen Gefahren für die Reisenden mit sich bringen werden, zu seiner Verkehrssicherungspflicht gehört, die beim Reisevertrag eine Vertragspflicht darstellt, darf der Reisende, solange er nicht gewarnt wird, sich grundsätzlich auf die Ungefährlichkeit der Reiseleistungen verlassen, es sei denn, dass er die Gefahr ohne nähere Prüfung - die andererseits der Reiseveranstalter gerade schuldet - erkennen konnte. Das war bei dem vorliegenden Wetten-dass-Spiel, das auf den ersten Blick einen harmlosen Anschein hatte, nicht der Fall.
48
4. Da somit die Ursächlichkeit des Reiseunfalls für die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsbeeinträchtigungen und deren Art und Schwere streitig sind und das Berufungsgericht hierzu noch keine verfahrensfehlerfreien Feststellungen getroffen hat, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Nachholung der Beweisaufnahme, insbesondere zur Einholung des von der Klägerin angebotenen Sachverständigengutachtens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Melullis Scharen Ambrosius
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 20.09.2005 - 18 O 231/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 20.07.2006 - 11 U 255/05 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 142/05 Verkündet am:
18. Juli 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 651 f, 823 Abs. 1 Aa, Dc, Eh
Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters erstreckt sich auch auf solche
Einrichtungen des Vertragshotels, die er im Reisekatalog nicht erwähnt hat, sofern
sie aus der Sicht des Reisenden als Bestandteil der Hotelanlage erscheinen. Dies gilt
auch, wenn der Hotelbetreiber für die Benutzung der Einrichtung ein gesondertes
Entgelt erhebt.
BGH, Urt. v. 18. Juli 2006 - X ZR 142/05 - OLG Köln
LG Köln
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. September 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 1, die eigene Ansprüche und abgetretene Ansprüche ihres Ehemanns geltend macht, und ihre beiden minderjährigen Söhne begehren von der beklagten Reiseveranstalterin wegen des Unfalltodes des dritten Sohns des Ehepaares und Bruders der Kläger zu 2 und 3 Schadensersatz und Schmerzensgeld für ihre psychischen Beeinträchtigungen.
2
Die Klägerin buchte für sich, ihren Ehemann, und die drei Kinder - die am 6. April 1990 geborenen Zwillinge P. und E. und den ein Jahr älteren T. - im Januar 2001 bei der Beklagten, die die Firma … Reisen betreibt, ei- ne Pauschalreise in ein auf der griechischen Halbinsel … gelegenes Hotel vom 26. Juli bis 9. August 2001 zum Preis von 6.927,-- DM.
3
Inmitten des Hotelkomplexes befand sich eine große Wasserrutsche, die in der Beschreibung des Hotels im Katalog der Beklagten nicht erwähnt war. Der Hotelier hatte sie erst nach der im Januar 2001 erfolgten Fertigstellung des Katalogs errichtet und zu Beginn der Saison in Betrieb genommen. Die Wasserrutsche war von einem niedrigen Gitterzaun umgeben. Der Zugang erfolgte über eine ansteigende Rampe, die auf eine 9 m hoch gelegene Plattform führte, wo ein Hotelangestellter das vom Hotelier erhobene Benutzungsentgelt von umgerechnet 9,-- € pro Tag kassierte bzw. kontrollierte und von wo vier unterschiedlich ausgestaltete und gewendelte lange Rutschen hinunter in ein etwa 9 x 10 m großes Auffangbecken führten, an dessen gegenüberliegender Wand eine Ausstiegstreppe lag. In der Wand unter den Enden der Rutschen befanden sich unter Wasser die Öffnungen von mehreren Absaugrohren mit einem Durchmesser von jeweils 12 cm, durch die das Wasser aus dem Becken wieder hinauf zum Einstieg der Rutschen gepumpt wurde. Diese Rohröffnungen waren nicht mit Abdeckgittern versehen. Der Hotelier hatte für die Anlage keine Baugenehmigung eingeholt und die Anlage nicht von der zuständigen Behörde abnehmen lassen. Auch die Beklagte hatte die Wasserrutsche keiner Sicherheitsprüfung unterzogen.
4
Am 1. August 2001 benutzten die Söhne der Klägerin mit Erlaubnis der Eltern diese Wasserrutsche. Der elfjährige P. geriet mit dem rechten Arm, der bis zur Schulter angesaugt wurde, in ein Ansaugrohr, konnte sich nicht befreien und ertrank. Die zur Beaufsichtigung des Beckens eingesetzte zweite Hotelangestellte war zu dieser Zeit entweder abwesend oder bemerkte den Vor- fall nicht. Wiederbelebungsversuche, an denen der Vater teilnahm, hatten keinen Erfolg.
5
Der Hotelier, sein für den Betrieb der Wasserrutsche verantwortlicher Sohn und die Aufsichtskraft wurden drei Jahre später durch ein griechisches Gericht wegen fahrlässiger Tötung, der Hotelier außerdem wegen Bauens ohne Baugenehmigung, jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, die für den Hotelier in eine Geldstrafe umgewandelt und für die beiden anderen Verurteilten zur Bewährung ausgesetzt wurde.
6
Die Klägerin zu 1, ihr Ehemann und die Kläger zu 2 und 3 leiden infolge des Todes von P. an posttraumatischen Belastungsstörungen mit Krankheitswert , die der ärztlichen Behandlung bedürfen.
7
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Erstattung materiellen Schadens in Höhe von 3.054,84 €, ein angemessenes Schmerzensgeld für jedes Familienmitglied in der Größenordnung von 20.000,-- € abzüglich der vom Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits freiwillig geleisteten geringeren Beträge sowie schließlich die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle Schäden.
8
Landgericht und Berufungsgericht haben neben dem materiellen Schadensersatz ein Schmerzensgeld von jeweils 20.000,-- € zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision hat keinen Erfolg.
10
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
11
Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a.F. Die Beklagte habe schuldhaft die sie als Reiseveranstalterin treffende Verkehrssicherungspflichten verletzt. Sie sei verpflichtet gewesen, die Wasserrutsche nach Inbetriebnahme auf etwaige Sicherheitsmängel zu überprüfen. Ein Reiseveranstalter müsse alle sicherheitsrelevanten Teile der Hotelanlage vor Vertragsschluss und in regelmäßigen Abständen während der Vertragsdauer durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten auf Sicherheitsrisiken hin überprüfen, und zwar auch Einrichtungen des Leistungsträgers, die zwar nur gegen gesonderte Vergütung zu benutzen, aber für die jeweilige Urlaubsart durchaus typisch und so in den Betrieb des Leistungsträgers integriert seien, dass sie sich bei natürlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisenden als Teil seines Leistungsangebots darstellten. Das müsse für eine Freizeiteinrichtung wie die vorliegende, die integraler und wesentlicher Bestandteil des Hotelkomplexes sei, auch gelten, wenn sie im Katalog nicht gesondert erwähnt werde. Denn anderenfalls hätte es ein Reiseveranstalter in der Hand, sich seiner Überprüfungspflicht für möglicherweise riskante Einrichtungen des Leistungsträgers durch ein bloßes Nichterwähnen im Katalog zu entziehen. Falls dem Reiseveranstalter eine Feststellung von Risiken noch nicht möglich sei oder er eine Haftung nicht übernehmen wolle, bleibe es ihm unbenommen, seine Kunden unmissverständlich darüber zu informieren, dass die Einrichtung trotz des gegenteiligen Eindrucks nicht Teil seines Leistungsangebots sei.
12
Die Pflichtverletzung der Beklagten sei für den Unfalltod des Kindes kausal gewesen, das wegen der fehlenden Abdeckung des Absaugrohrs ums Leben gekommen sei. Diesen Mangel hätte ein geschulter Mitarbeiter, auf dessen Wissensstand es ankomme, feststellen können und müssen. Der prüfende Mitarbeiter habe sich jedenfalls über die Einhaltung der örtlichen Sicherheitsvorschriften und eine etwaige behördliche Abnahme zu unterrichten. Die Beklagte hätte nach dem Bekanntwerden des Risikos die Herstellung eines genehmigungsfähigen und für Benutzer der Anlage risikofreien Zustands veranlassen müssen. Notfalls hätte sie ihre Kunden über den Zustand der Anlage aufklären müssen, wobei eine Vermutung dafür spreche, dass das Kind bzw. seine Eltern dann von einer Benutzung der Anlage abgesehen hätten.
13
Weder das Kind noch die Eltern treffe ein Mitverschulden.
14
Die vom Landgericht zuerkannte Höhe des Schmerzensgeldes sei nicht zu beanstanden.
15
II. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen stand.
16
1. Zweckmäßiger Weise haben Landgericht und Berufungsgericht sich nur mit deliktischen Schadensersatzansprüchen befasst. Nach neuem Schadensersatzrecht wäre in erster Linie ein reisevertraglicher Ersatzanspruch wegen eines Reisemangels zu prüfen (§§ 651 f, 651 c Abs. 1 BGB), der mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zusammenfallen kann (OLG Düs- seldorf NJW-RR 2003, 59; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., Rdn. 425). Dieser vertragliche Anspruch ist nach § 253 Abs. 2 BGB im Falle einer Gesundheitsverletzung auch auf Schmerzensgeld gerichtet. Letztere Vorschrift ist aber erst am 1. August 2002 in Kraft getreten und nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB auf den vorliegenden Unfall, der sich am 1. August 2001 ereignete, noch nicht anzuwenden. Nach dem alten Schadensersatzrecht in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung gab es einen Schmerzensgeldanspruch nur im Falle einer unerlaubten Handlung (§ 847 BGB a.F.).
17
2. Die deliktischen Schadensersatzansprüche der Kläger, die deutschem Recht unterliegen, weil der Ersatzpflichtige und die Verletzten zur Zeit des schädigenden Ereignisses den Sitz der Hauptverwaltung bzw. ihren Wohnsitz in Deutschland hatten (Art. 40 Abs. 2 EGBGB), sind aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1 i.V.m. 847 Abs. 1 BGB a.F. begründet.
18
a) Die Beklagte haftet zwar nicht für das deliktische Verschulden des Hoteleigentümers und seiner Mitarbeiter, weil diese Personen mangels der erforderlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit nicht ihre Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB waren (BGH, Urt. v. 25.02.1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 303). Sie ist für die der Klage zugrunde liegenden Schäden jedoch selbst deliktsrechtlich verantwortlich. Diese beruhen auf einer Verletzung der sie treffenden Verkehrssicherungspflicht.
19
(1) Die Beklagte war verpflichtet, die Verkehrssicherheit der Wasserrutschenanlage zu überprüfen.
20
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Reiseveranstalter bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen eine eigene Verkehrssicherungspflicht. Bei der Ausübung eines Gewerbes sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.
21
Für die deliktsrechtliche Haftung des Reiseveranstalters wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist von Bedeutung, welche rechtlichen Verpflichtungen ihm obliegen (BGHZ 103, 298, 304; v. 14.12.1999 - X ZR 122/97, NJW 2000, 1188; v. 12.03.2002 - X ZR 226/99, NJW-RR 2002, 1056). Der Reiseveranstalter übernimmt gemäß seinem Angebot die Planung und Durchführung der Reise, haftet insoweit für deren Erfolg und trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens. Deshalb darf der Reisende darauf vertrauen , dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt. Dazu gehört nicht nur die sorgfältige Auswahl der Leistungsträger, insbesondere der Vertragshotels, sondern der Reiseveranstalter muss diese auch überwachen. Somit ist er für die Sicherheit der Hotels selbst mitverantwortlich, mag auch die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie den Betreiber treffen. Nimmt ein Reiseveranstalter ein Hotel unter Vertrag, so muss er sich zuvor vergewissern, dass es einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet. Ist das Vertragshotel einmal für in Ordnung befunden worden, so befreit dies den Veranstalter nicht von der Pflicht, es regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten daraufhin überprüfen zu lassen , ob der ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist (BGHZ 103, 298, 305 f.).
22
bb) An diesen Grundsätzen gemessen war die Beklagte zu einer Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche verpflichtet. Denn in der maßgeblichen Sicht der Reisenden (BGH NJW 2000, 1188) stellte sich die Wasserrutsche als Bestandteil der Hotelanlage dar. Dies ergibt sich aus den tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts, dass die Rutschenanlage im Innenbereich zwischen den beiden Gebäudereihen stand, die der Unterkunft der Gäste dienen, sich in der Nähe der anderen vom Hotel angebotenen Spielund Sportmöglichkeiten befand (Meerwasser-Swimmingpool, Kinderspielplatz, Tennisplatz) und ein integraler und wesentlicher Bestandteil des Hotelkomplexes war. Dem steht nicht entgegen, dass die Wasserrutsche mit einem niedrigen Metallzaun umgeben war. Die Eingitterung ließ den Aufgang zur Plattform der Rutsche frei und taugte schon deshalb nicht dazu, die Rutsche aus der Hotelanlage auszugliedern. Im Übrigen war das Gitter auch weder nach dem Vortrag der Kläger, es habe der Gefahrensicherung gedient, noch nach dem Vortrag der Beklagten, es habe die Entgeltzahlung sichern sollen, dazu bestimmt, eine die Rutsche von der Hotelanlage trennende Funktion zu erfüllen.
23
Der Pflicht der Beklagten, die Verkehrssicherheit der Wasserrutsche zu prüfen, steht nicht entgegen, dass die Wasserrutsche in dem - vor ihrer Errichtung fertiggestellten - Katalog der Beklagten nicht erwähnt war. Dieser Umstand führte zwar dazu, dass die Beklagte ihren Kunden keine funktionstüchtige Rutsche schuldete und somit ein etwaiger Wiederabbau oder eine Sperrung der Rutsche keinen Reisemangel bewirkt hätte, aufgrund dessen die Kunden reisevertragliche Gewährleistungsansprüche hätten erheben können. Umfang und Gegenstand der Leistungspflichten des Reiseveranstalters sind jedoch von der Reichweite seiner Verkehrssicherungspflicht zu unterscheiden. Die Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ist nicht auf diejenigen Hoteleinrichtungen beschränkt, deren Vorhandensein er schuldet, sondern erstreckt sich grundsätzlich auf die ganze Hotelanlage mitsamt allen tatsächlich vorhandenen dazugehörigen Einrichtungen. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken der Verkehrssicherungspflicht, dass derjenige, der eine Gefahrenlage für Dritte schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern, indem er in seinem Verantwortungsbereich die zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trifft (BGH, Urt. v. 15.07.2003 - VI ZR 155/02, NJW-RR 2003, 1459). Der Reiseveranstalter hat seine Kunden in das Vertragshotel hineingeführt und ist somit dafür verantwortlich, dass sie sich, wie es das Recht jedes Hotelgastes ist, in der ganzen Anlage frei bewegen und alle ihnen zusagenden Einrichtungen benutzen. Deshalb ist der Reiseveranstalter für die Sicherheit sämtlicher den Reisenden zur Verfügung stehender Hoteleinrichtungen verantwortlich.
24
Keinesfalls muss der Reisende aus der Nichterwähnung einer Hoteleinrichtung im Katalog des Reiseveranstalters schließen, dass der Veranstalter diese aus seinem Leistungsangebot ausschließen und dafür keine Verantwortung übernehmen will. Denn für die Nichterwähnung kommen aus der Sicht des Reisenden verschiedene andere und näherliegende Gründe in Betracht, sei es, dass der Veranstalter eine Einrichtung für nicht der Erwähnung wert erachtet (z.B. ein Lesezimmer oder einen Ski-Abstellraum), sei es, dass die Einrichtung, wie im vorliegenden Fall, bei Redaktionsschluss für den Katalog noch nicht fertiggestellt war. Die Beschreibung des Hotels im Katalog erhebt in den Augen des Reisekunden keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er kommt nicht auf den Gedanken, dass der Veranstalter für Hoteleinrichtungen, die vorhanden, aber nicht in der Beschreibung erwähnt sind, seine Haftung ausschließen will.
25
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats, mit dem er eine Leistungs- und Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters hinsichtlich eines vom Leistungsträger angebotenen Ausritts mit der Begründung bejaht hat, dass zur Bestimmung der Leistungsverpflichtungen des Reiseveranstalters der Reiseprospekt heranzuziehen sei und der Reiseveranstalter nicht nur dafür Sorge tragen müsse, dass die in der Reisebeschreibung angebotenen Sportmöglichkeiten überhaupt vorhanden seien, sondern auch dafür, dass die zur Ausübung der angebotenen Sportarten erforderlichen Einrichtungen für den Reisenden geeignet seien (NJW 2000, 1188, jurisRdn. 9-12). Damit ist nur (positiv) der Kreis der Gefahrenquellen beschrieben, für den der Veranstalter schon aufgrund seiner eigenen Erklärungen einzustehen hat. Der Entscheidung lässt sich jedoch nicht umgekehrt (negativ) entnehmen , dass eine eigene Prüfungspflicht schon dann entfällt, wenn die Leistung oder Einrichtung im Katalog nicht aufgeführt ist. Sie enthält daher keinen Grundsatz des Inhalts, dass eine Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters nur hinsichtlich solcher Leistungen in Frage kommt, die in der Reisebeschreibung genannt sind. Im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob bei solchen Zusatzangeboten, die den Reisenden aus dem Bereich der Hotelanlage herausführen, wie z.B. Ausflüge oder Ausritte, die Erwähnung im Katalog eine Voraussetzung der Verkehrssicherungspflicht des Reiseveranstalters ist. Bei Einrichtungen, die ein Bestandteil der Hotelanlage sind, ist dies jedenfalls nicht der Fall.
26
Unerheblich für die Verkehrsicherungspflicht ist weiter, dass der Hotelbetreiber für die Benutzung ein gesondertes Entgelt verlangte. Dies entsprang ersichtlich dem Bestreben der Hotelleitung, die Kosten der Anlage nicht unterschiedslos auch auf solche Gäste umzulegen, welche die Rutsche gar nicht nutzen wollten, sondern nur diejenigen Gäste heranzuziehen, welche die Anlage tatsächlich in Anspruch nahmen, ebenso wie für andere Sonderleistungen - die abendliche Benutzung der Tennisplätze bei Flutlicht und die Kinderbetreuung - laut Katalog eine Gebühr zu entrichten war. Dass ein Benutzungsgeld für kostenträchtige Einrichtungen erhoben wird, hat nichts mit der Frage zu tun, ob die betreffende Einrichtung zur Hotelanlage und damit zu den der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters unterliegenden Bereich gehört.
27
Die Beklagte war deshalb verpflichtet, die Verkehrssicherheit der Wasserrutsche zu prüfen.
28
(2) Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte schuldhaft verletzt. Sie hat unstreitig keinerlei Überprüfung der Wasserrutsche vorgenommen, obwohl deren Errichtung und Inbetriebnahme ihrer örtlichen Reiseleiterin bekannt war und obwohl ihr eine zumutbare Prüfmaßnahme zu Gebote stand.
29
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bisher nur allgemein gehaltene Richtlinien zu Art und Umfang der vom Reiseveranstalter zu ergreifenden Prüfmaßnahmen entwickelt worden. Im Einzelfall hängen Art und Umfang der gebotenen Kontrolle, deren Unterlassung den Fahrlässigkeitsvorwurf begründet, von den jeweiligen besonderen Umständen ab und unterliegen der tatrichterlichen Würdigung, die mit der Revision nur beschränkt anfechtbar ist (BGHZ 103, 298, 305 ff.; Urt. v. 19.01.1993 - XI ZR 76/92, NJW 1993, 1066).
30
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob dieser beschränkten revisionsrechtlichen Anfechtbarkeit die Feststellung des Berufungsgerichts standhält, einem geschulten Mitarbeiter der Beklagten hätte sich trotz fehlenden technischen Sachverstandes aufdrängen müssen, dass das Wasser im Becken der Rutsche im Wege eines Kreislaufssystems über Pumpen auch wieder abgesaugt wurde, dass es deswegen Absaugstellen geben musste und dass deren Überprüfung angezeigt war, und er hätte bei der sodann vorzunehmenden genauen Überprüfung das Fehlen der notwendigen Abdeckgitter vor den Absaugrohren festgestellt. Offenbleiben kann auch die sich in diesem Zusammen- hang stellende Frage, ob der prüfungsbeauftragte Mitarbeiter, so wie er z.B. die Treppen und Flure, die Aufzüge, Zimmer und Balkone selbst betreten und überprüfen musste (BGHZ 103, 298, 308), die Wasserrutsche persönlich hätte erproben müssen.
31
Denn jedenfalls ist die weiter vom Berufungsgericht vertretene Ansicht rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich zumindest beim Hotelbetreiber danach hätte erkundigen müssen, ob die Anlage von der zuständigen Behörde genehmigt und abgenommen worden war. Dazu war sie umso mehr verpflichtet, als es sich bei der Wasserrutsche, wie sich augenscheinlich aus den bei den Akten befindlichen Lichtbildern ergibt, um eine schon wegen ihrer Höhe und ihrer Kurven nicht ungefährliche technische Konstruktion handelte. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Beklagte sich im Falle einer bejahenden Antwort mit der örtlichen Baugenehmigung und -abnahme hätte zufriedengeben dürfen (vgl. die Bedenken in BGHZ 103, 298, 305). Da davon ausgegangen werde muss, dass Baugenehmigung und Bauabnahme aufgrund eines geordneten behördlichen Verfahrens und nicht ohne eine fachliche Prüfung der Rutschenanlage erteilt worden wären, war die Erkundigung danach jedenfalls ein geeigneter und erforderlicher erster Prüfungsschritt. Schon dessen Versäumung begründet den Vorwurf der schuldhaften Pflichtverletzung.
32
b) Dass die Beklagte die gebotene Sicherheitsprüfung der Wasserrutsche versäumte, war auch kausal für den Tod des Kindes und damit für die psychischen Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder, die durch diesen Tod herbeigeführt wurden. Bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, ist der Beweis des ersten Anscheins geboten, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht , der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (BGH, Urt. v. 14.12.1993 - VI ZR 271/92, NJW 1994, 945). So lag es hier, wo die Fragepflicht des Reiseveranstalters nach der Baugenehmigung und Bauabnahme für die Wasserrutsche verhindern sollte, dass Reisende durch deren Benutzung zu Schaden kamen. Der Beweis des ersten Anscheins kann nur durch feststehende Tatsachen entkräftet werden, welche die Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufs ernsthaft in Betracht kommen lassen (BGH aaO). Diesen Gegenbeweis hat die Beklagte nicht angetreten. Sie hat nicht einmal dargelegt, dass dann, wenn die Beklagte die fehlende Baugenehmigung und -abnahme entdeckt und gerügt hätte, der Hotelier das Baugenehmigungsverfahren nicht nachgeholt und dann die Bauaufsichtsbehörde nicht für die Anbringung von Schutzgittern vor den Absaugöffnungen gesorgt hätte.
33
c) Da nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen die durch den Tod des Kindes psychisch vermittelten seelischen Beeinträchtigungen der Eltern und Brüder Krankheitswert haben, also pathologisch fassbar sind und deshalb eine eigene Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, und da sie für die Beklagte vorhersehbar waren , stehen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 11.05.1971 - VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163; v. 04.04.1989 - VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; v. 30.04.1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 344) den Klägern die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche dem Grunde nach zu.
34
d) Zu Recht hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Eltern und/oder des Kindes an dem tödlichen Unfall verneint. Seine Ansicht, die Eltern des Kindes hätten ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt, weil sie darauf hätten vertrauen dürfen, dass die Wasserrutsche, die gerade für Kinder im Alter von elf und zwölf Jahren attraktiv war, für diese Kinder keine lebensgefährlichen Gefahrenstellen aufweisen würde, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Hinsichtlich eines etwaigen Mitverschuldens des Kindes, das gegebenenfalls den Angehörigen zugerechnet werden müsste (BGHZ 56, 163, 169 f.), bestehen schon Bedenken, ob für den unbewiesenen Fall, dass das Kind seine Hand in das Rohr gesteckt haben sollte, überhaupt ein Mitverschulden angenommen werden dürfte. Auf diese Bedenken kommt es indes nicht an. Denn jedenfalls ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein etwaiges Mitverschulden des Kindes aufgrund des natürlichen kindlichen Spiel- und Entdeckungstriebes ganz hinter dem Verschulden des Reiseveranstalters zurücktreten würde, der keine Sicherheitsprüfung der gerade für Kinder gedachten Anlage vornahm, rechtlich nicht zu beanstanden.
35
e) Schließlich lässt auch die von Landgericht und Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes, die Aufgabe des hierbei durch § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters ist (BGH, Urt. v. 12.05.1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 341), keinen Rechtsfehler erkennen. Sie ist von der Revision auch nicht angegriffen worden.
Melullis Scharen Ambrosius
Kirchhoff Mühlens
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.03.2005 - 8 O 264/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.09.2005 - 16 U 25/05 -

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 248/05 Verkündet am:
16. Januar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Hat die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands den Unfall mitverursacht
, ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der
beiderseitigen Verursachungsanteile grundsätzlich gegenüber jedem Mitverursacher
zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05 - LG Oldenburg
AG Vechta
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 3. November 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 28. Juni 2004 in S.. Der Kläger befuhr mit seinem PKW die D.-Straße aus Richtung S. kommend. Vor ihm fuhr Frau H. mit ihrem PKW. Der Beklagte zu 1 kam mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW aus einer Grundstücksausfahrt. Er wollte vor dem herannahenden PKW von Frau H. nach links in die D.-Straße in Richtung S. einbiegen. Frau H. leitete eine Vollbremsung ein und lenkte ihr Fahrzeug nach links. Auf diese Weise gelang es ihr, einen Zusammenstoß mit dem PKW des Erstbeklagten zu vermeiden. Der Kläger bremste ebenfalls und versuchte nach links auszuweichen. Dabei kollidierte sein PKW mit dem von Frau H.. Den Schaden des Klägers hat die Zweitbeklagte in Höhe von 1.668,06 € ersetzt. Mit der Klage hat der Kläger Zahlung weiterer 1.668,04 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Kläger treffe an dem Unfall ein hälftiges Mitverschulden. Es spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür , dass er den erforderlichen Mindestabstand (§ 4 StVO) zu dem vorausfahrenden Fahrzeug von Frau H. nicht eingehalten habe oder es an der gebotenen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen. Der Berücksichtigung eines Mitverschuldens stehe entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen, dass der Schutzbereich von § 4 StVO den verkehrswidrig auf eine Straße Auffahrenden nicht umfasse. Ein Mitverschulden des Auffahrenden gegenüber dem Unfallverursacher komme vielmehr auch dann in Betracht, wenn der Vorausfahrende ohne eigenes Verschulden durch einen unter Missachtung der Vorfahrt einbiegenden oder einen den Fahrstreifen wechselnden Unfallverursacher zum Abbremsen veranlasst werde.

II.

3
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.
4
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Erstbeklagte den Verkehrsunfall verschuldet hat, als er aus einer Grundstücksausfahrt in die D.-Straße einfuhr, ohne die herannahenden Fahrzeuge zu beachten. Diese Vorfahrtsverletzung veranlasste Frau H. zu dem Brems- und Ausweichmanöver, das zu der Kollision mit dem PKW des Klägers führte. Der Erstbeklagte hat damit gegen § 10 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat sich derjenige , der aus einem Grundstück auf die Straße einfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
5
2. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht auch an, dass der Verkehrsunfall von dem Kläger mitverursacht worden ist. Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war in der Regel unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (Senatsurteile vom 6. April 1982 - VI ZR 152/80 - VersR 1982, 672; vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86 - VersR 1987, 1241 und vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87 - VersR 1989, 54). Dieser wird nach allgemeinen Grundsätzen nur dadurch erschüttert , dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87 - aaO). Dies kommt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats etwa dann in Betracht, wenn der Nachweis erbracht wird, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches nach seiner Beschaffenheit geeignet war, dem Nachfahrenden die Sicht auf das Hindernis zu versperren, dieses Fahrzeug erst unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur gewechselt hat und dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich oder erheblich erschwert war (Senatsurteil vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - VersR 1987, 358, 359 f.). Von einem vergleichbaren Sachverhalt kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
6
Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann auch dann erschüttert werden, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhalteweges "ruckartig" - etwa infolge einer Kollision - zum Stehen gekommen und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist (Senatsurteil vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - aaO; vgl. Lepa, NZV 1992, 129, 132). Daran fehlt es aber, wenn das vorausfahrende Fahrzeug - wie hier der PKW von Frau H. - durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt, denn ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren (BGHSt 17, 223, 225; Senatsurteile vom 23. April 1968 - VI ZR 17/67 - VersR 1968, 670, 672 und vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - aaO, m.w.N.).
7
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht das Mitverschulden des Klägers im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß § 17 Abs. 1 StVG berücksichtigt hat.
8
a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238 f.; vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613, 615 f.; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 - VersR 2003, 783, 785 und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04 - VersR 2006, 369, 371, jeweils m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96 - NJW 2000, 217, 219 m.w.N. und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97 - NJW 2000, 280, 281 f.). Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475 m.w.N.).
9
b) Diesen Grundsätzen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gerecht. Der Umstand, dass der Kläger nach den getroffenen Feststellungen entweder den gemäß § 4 Abs. 1 StVO erforderlichen Abstand zum vorausfahrenden PKW nicht eingehalten hat oder aber nicht aufmerksam genug war (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 StVO), hat maßgeblich zu dem Unfallgeschehen beigetragen und ist deshalb im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass die Einhaltung des Sicherheitsabstands Auffahrunfälle vermeiden soll und der Schutz des § 4 StVO deshalb in erster Linie dem Vorausfahrenden zugute kommt. Die Einhaltung des Abstandes dient nämlich nicht allein dem Schutz des Vorausfahrenden. Die Vorschriften der StVO haben den Zweck, die Gefahren des Straßenverkehrs abzuwehren und Verkehrsunfälle zu verhindern. Die hierfür aufgestellten Regeln beruhen auf der durch Erfahrung und Überlegung gewonnenen Erkenntnis, welche typischen Gefahren der Straßenverkehr mit sich bringt und welches Verkehrsverhalten diesen Gefahren am besten begegnet. Damit besagen die Verkehrsvorschriften zugleich, dass ihre Nichteinhaltung die Gefahr eines Unfalles in den Bereich des Möglichen rückt (BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - VersR 1975, 37). Auch § 4 Abs. 1 StVO dient der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die Vorschrift soll nicht nur Auffahrunfälle vermeiden , sondern bezweckt auch, die Übersicht des Kraftfahrers über die Fahrbahn zu verbessern und ihm eine ausreichende Reaktionszeit zur Begegnung von Gefahren zu ermöglichen (OLG München, VersR 1968, 480). Hat die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands den Unfall mitverursacht, ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision unabhängig davon, ob der andere Unfallverursacher in den Schutzbereich dieser Vorschrift einbezogen ist.
10
c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, vorliegend sei eine hälftige Schadensteilung angemessen, weil die Verkehrsverstöße des Klägers und des Erstbeklagten in gleichem Maße den Unfall verursacht hätten, beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des konkreten Unfallgeschehens, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist und von der Revision auch nicht angegriffen wird.
11
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Vechta, Entscheidung vom 14.06.2005 - 11 C 193/05 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 03.11.2005 - 9 S 458/05 -