Bundesgerichtshof Urteil, 2. Juli 2024 - VI ZR 211/22

bei uns veröffentlicht am31.08.2024

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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Zusammenfassung des Autors

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2024 (Az.: VI ZR 211/22) befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall den entstandenen Sachschaden am Leasingfahrzeug als fremden Schaden des Leasinggebers im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen kann. Der BGH entschied, dass die Leasingnehmerin sich die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten der Leasinggeberin, insbesondere in Bezug auf die Erzielung eines höheren Restwerts durch überregionale Angebote, zurechnen lassen muss, und wies daher die Klage der Leasingnehmerin ab.

Amtliche Leitsätze

a) Macht ein Leasingnehmer nach einem Verkehrsunfall einen an dem Leasingfahrzeug entstandenen Sachschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft gegenüber dem Unfallgegner geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers maßgeblich.

b) Zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des bei der Abrechnung eines Totalschadens zu berücksichtigenden Restwertes des Unfallfahrzeugs.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 2. Juli 2024

Az.: VI ZR 211/22

 

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Haftpflichtversicherer weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, bei dem ein von der Klägerin geleaster und zum Zeitpunkt des Unfalls im Eigentum der Leasinggeberin stehender PKW einen Totalschaden erlitt. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.

Die Klägerin beauftragte einen Sachverständigen, der den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs und unter Berücksichtigung von drei Angeboten regionaler Ankäufer am 10. Oktober 2019 einen Restwert von 13.800 € ermittelte. Die Klägerin gab dies der Beklagten zur Kenntnis. Spätestens am 23. Oktober 2019 legte die Beklagte der Klägerin ein über eine Internet-Restwertbörse ermitteltes Restwertangebot vom 21. Oktober 2019 über 22.999 € vor und rechnete den Fahrzeugschaden - unter Übernahme des von der Klägerin angegebenen Wiederbeschaffungswertes - auf dieser Basis ab. Die Klägerin lehnte das Angebot unter Hinweis auf eine bereits am 22. Oktober 2019 zu dem in dem von ihr eingeholten Schadensgutachten ermittelten Restwert erfolgte Veräußerung des Unfallwagens ab. Mit ihrer Klage begehrt sie den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten angesetzten Restwert und dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös, also 9.199 €, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob für das streitgegenständliche Fahrzeug auch bei Abruf von Angeboten überregionaler Ankäufer bzw. von Internet-Restwertbörsen kein höherer Restwert als 13.800 € zu erzielen gewesen sei, und die Klage sodann unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes zu, da ihr ein zurechenbarer Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot hinsichtlich der Veräußerung des Unfallfahrzeugs zur Last liege. In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass der Geschädigte dem Wirtschaftlichkeitsgebot regelmäßig Genüge leiste, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges zu einem Preis vornehme, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lasse, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt habe. Der Geschädigte sei grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handele, welches sich jedenfalls auch mit dem An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasse, wie es bei einer Leasinggesellschaft der Fall sei. Dieser sei es im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes zuzumuten, selbst oder aber über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertkäufer im Internet zu nehmen, denn das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte im besonderen Maße für wirtschaftlich tätige Unternehmen, die mit dem Automarkt vertraut seien und bei denen der Abruf von überregionalen oder Internet-Restwertbörsen zum geschäftlichen Alltag gehöre.

Gemessen an diesen Grundsätzen habe die Klägerin zwar nicht gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB verstoßen, da sie selbst keine eigene Marktforschung habe betreiben müssen. Sie müsse sich jedoch den Verstoß der Leasinggeberin gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zurechnen lassen, weil diese über die regionalen Restwertangebote aus dem von der Klägerin eingeholten Privatsachverständigengutachten hinaus keine weiteren überregionalen Angebote eingeholt habe. Die im Lager des Leasingunternehmers stehende Klägerin, die Ansprüche der Leasinggeberin als Eigentümerin des Unfallfahrzeugs geltend mache, müsse sich sowohl deren Erkenntnismöglichkeiten als auch den daraus resultierenden Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zurechnen lassen. Denn der Umstand, dass die Leasinggeberin die Schadensregulierung in die Hände der Klägerin gegeben habe, könne nicht dazu führen, dass auf diese Weise die Verpflichtung zum wirtschaftlichen Verhalten umgangen werden könne. Dies wäre eine ungerechtfertigte Bevorteilung der Leasinggeberin auf Kosten der Haftpflichtversicherung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Landgericht angeführten Argument, dass auch die Leasingnehmerin "Geschädigte" im Sinne des Schadensrechts sei. Denn vorliegend gehe es nicht um die Geltendmachung eigener Ansprüche der Klägerin in Form eines Sachentzuges, sondern um die Ersetzung des der Leasinggeberin als Eigentümerin des Fahrzeugs entstandenen Substanzschadens als Variante der Naturalrestitution. Soweit die Klägerin dabei - wie hier - unstreitig Ansprüche der Leasinggeberin als Eigentümerin geltend mache, sei es gerechtfertigt, ihr die Kenntnismöglichkeiten, die die Leasinggeberin gehabt habe, und einen daraus folgenden Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zuzurechnen. Der Leasinggeberin aber wäre es selbst oder über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser ohne Weiteres möglich gewesen, Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertaufkäufer im Internet zu nehmen.

Aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens sei das Gericht auch davon überzeugt, dass es der Leasinggesellschaft gelungen wäre, unter Zuhilfenahme von Restwertbörsen aus dem Internet ein Restwertangebot zu ermitteln, das über dem von dem Privatsachverständigen der Klägerin gefundenen Restwertangebot von 13.800 € brutto gelegen hätte. Insoweit habe der Gerichtssachverständige auf Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Restwertabfrage festgestellt, dass es im Zeitraum vom 18. bis 21. Oktober 2019 auf der internetbasierten Restwertbörse CARTV insgesamt 29 Angebote gegeben habe, von denen sich zumindest 10 über dem angegebenen Restwert von 13.800 € brutto befunden hätten. Unter Berücksichtigung einer kostengünstigen Reparatur, des vorliegenden Schadensbildes und des damit verbundenen Einsparungspotentials sowie der weiteren Restwertangebote sei nach den Ausführungen des Sachverständigen das beklagtenseitige Restwertangebot in Höhe von 22.999 € brutto als Tageshöchstpreis plausibel und nachvollziehbar. Die Klägerin sei daher für die Erforderlichkeit des geltend gemachten Geldbetrages für die Ersatzbeschaffung beweisfällig geblieben, weshalb die Klage vollumfänglich abzuweisen gewesen sei.

 

II.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die auf Leistung weiteren Schadensersatzes gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegrundes unzulässig.

aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit werden der Streitgegenstand abgegrenzt und die Grenze der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festgelegt sowie Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts bestimmt. Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert eine Individualisierung des Streitgegenstandes. Der Kläger muss die gebotene Bestimmung des Streitgegenstandes vornehmen und kann sie nicht zur Disposition des Gerichts stellen. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrages wie des Klagegrundes ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 14; vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 8 mwN).

bb) Macht ein Leasingnehmer deliktische Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des von ihm geleasten Fahrzeugs geltend, können zur Begründung sowohl eigene Ansprüche des Leasingnehmers wegen Verletzung seines Besitzrechts als auch in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachte Ansprüche des Leasinggebers in Betracht kommen. Bei einem Anspruch aus eigenem und einem Anspruch aus fremdem Recht handelt es sich auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände, so dass der Leasingnehmer zur Vermeidung einer unzulässigen alternativen Klagehäufung eindeutig zum Ausdruck bringen muss, ob eigene oder fremde Ansprüche bzw. in welcher Prüfungsreihenfolge eigene und fremde Ansprüche geltend gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 9 ff. mwN).

cc) Im Streitfall steht fest, dass die Klägerin allein Ansprüche der Leasinggeberin geltend macht, so dass der Klagegrund hinreichend bestimmt ist. Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Erwägungen zur Begründetheit der Klage ausgeführt, vorliegend gehe es nicht um die Geltendmachung eigener Ansprüche der Klägerin in Form eines Sachentzuges, sondern um die Ersetzung des der Leasinggeberin als Eigentümerin des Fahrzeugs entstandenen Substanzschadens als Variante der Naturalrestitution. Die Klägerin mache unstreitig Ansprüche der Leasinggeberin als Eigentümerin geltend. Diese - auch in den Entscheidungsgründen möglichen (vgl. BGH, Urteile vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, NJW 2012, 928 Rn. 52; vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007, juris Rn. 24 mwN) - tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil erbringen nach § 314 ZPO Beweis zum Vorbringen der Klägerin hinsichtlich des von ihr verfolgten Streitgegenstandes am Schluss der mündlichen (Berufungs-)Verhandlung und sind für das Revisionsgericht bindend (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2015 - VI ZR 102/14, VersR 2015, 1165 Rn. 47). Einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO hat die Klägerin nicht gestellt. Die Revision kann daher nicht mit ihrem Einwand gehört werden, aus dem - vom Berufungsgericht nicht konkret in Bezug genommenen - schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin in den Instanzen ergebe sich, dass sie allein eigene Ansprüche mit ihrer Klage geltend mache (vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2015 - VI ZR 102/14, VersR 2015, 1165 Rn. 48).

b) Die Klägerin ist befugt, die Ansprüche der Leasinggeberin auf Ersatz des Substanzschadens in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen.

aa) Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist. Das Revisionsgericht ist dabei weder an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden noch beschränkt sich seine Prüfung auf die Tatsachen und Beweismittel, die dem Berufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz, selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben. Dabei kann es auch etwaige Erklärungen zum Inhalt und Umfang der Prozessermächtigung selbst würdigen (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 17 mwN).

bb) Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Schutzwürdig ist ein Interesse des Klägers nur, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird. Darüber hinaus muss sich der Prozessführende im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Recht er geltend macht (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, VersR 2023, 468 Rn. 18 mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Die Klägerin wurde von der Leasinggeberin im Wege einer Freigabeerklärung ermächtigt, sämtliche unfallbedingte Schäden - also auch solche der Leasinggeberin - im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Dies ergibt sich aus den als Anlagen K 20 und K 21 vorgelegten Schreiben der Leasinggeberin vom 16. Oktober 2019 und vom 13. Januar 2021. In ihrer Klageschrift hat sich die Klägerin auf diese Freigabeerklärung berufen. Dass sie Ansprüche der Leasinggeberin geltend macht, ist - wie bereits ausgeführt - bindend festgestellt. Auch von einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin an der Prozessführung ist auszugehen. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden. Für die Klage des Leasingnehmers auf Ersatz des durch eine Beschädigung des Leasingobjekts verursachten Schadens ist dies - wie beim Sicherungsgeber - zu bejahen (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2017 - VI ZR 125/16, NJW 2017, 2352 Rn. 10; OLG Karlsruhe, NJW 2014, 1392 Rn. 20; Harriehausen, NJW 2014, 3407, 3412; Müller, DAR 2022, 61, 65). Wirtschaftliche oder prozessuale Nachteile entstehen der Beklagten aufgrund des Einrückens der Leasingnehmerin in die Klägerposition nicht. Die von ihr im Wege der Prozessstandschaft verfolgten Ansprüche reichen nicht weiter, als wenn sie die Leasinggeberin selbst geltend machen würde (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziffer 2.b)).

2. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG wegen des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens zu. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin hinsichtlich des von ihr nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB geltend gemachten Ersatzanspruches die Erforderlichkeit eines über den bereits auf den Totalschaden geleisteten Schadensersatzes hinausgehenden Betrages für die Ersatzbeschaffung nicht nachgewiesen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen. Als Variante der Naturalrestitution steht auch die Ersatzbeschaffung unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg zu wählen hat. Das Wirtschaftlichkeitspostulat gilt daher auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss sich der Geschädigte im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten (vgl. nur Senatsurteile vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 16; vom 27. September 2016 - VI ZR 673/15, VersR 2017, 56 Rn. 8; vom 1. Juni 2010 - VI ZR 316/09, VersR 2010, 963 Rn. 6; jeweils mwN).

Freilich gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht absolut, sondern nur im Rahmen des dem Geschädigten Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Nimmt der Geschädigte nach Beschädigung seines Fahrzeugs die Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB selbst in die Hand, ist der zur (Wieder-)Herstellung erforderliche Aufwand folglich nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Diese subjektbezogene Schadensbetrachtung gilt auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten im Hinblick auf die ihm in seiner individuellen Lage mögliche und zumutbare Verwertung seines Unfallfahrzeugs ein Schaden entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 17 mwN).

Die subjektbezogene Schadensbetrachtung bedeutet dabei nicht, dass eine unangemessene Verwertung erst unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu prüfen wäre; die Schadensersatzpflicht besteht vielmehr von vornherein nur insoweit, als sich die Verwertung im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft hält (vgl. Senatsurteile vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 18; vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 369, juris Rn. 13; vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 178, juris Rn. 22).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats leistet der Geschädigte eines Verkehrsunfalls dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen (vgl. nur Senatsurteile vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 10; vom 27. September 2016 - VI ZR 673/15, NJW 2017, 953 Rn. 9, 13; jeweils mwN).

Etwas anderes gilt aber dann, wenn es sich beim Geschädigten um ein Unternehmen handelt, welches sich jedenfalls auch mit dem Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen befasst. Einem auf diesem Gebiet gewerblich tätigen Geschädigten ist die Inanspruchnahme des Restwertmarktes im Internet und die Berücksichtigung dort abgegebener Kaufangebote ohne Weiteres zuzumuten. Es ist in der Situation eines solchen Geschädigten vielmehr wirtschaftlich objektiv unvernünftig, im Rahmen der Schadensabwicklung eine Verwertungsmöglichkeit ungenutzt zu lassen, die im Rahmen des eigenen Gewerbes typischerweise ohne Weiteres genutzt wird. Er ist auch nicht in dem Sinne schutzbedürftig, als es ihm möglich sein müsste, das Unfallfahrzeug bei einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb des Ersatzwagens in Zahlung zu geben. Damit entfällt von vornherein der vom Senat auf die Regelfallgruppe des nicht gewerblich mit der Verwertung eines Gebrauchtwagens befassten Verkehrsunfallgeschädigten bezogene und diese Senatsrechtsprechung tragende Grund (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 15, 19).

b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach diesen Grundsätzen aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots die Verwertung des Unfallfahrzeugs unter Berücksichtigung von Angeboten von Internet-Restwertbörsen erfolgen musste.

Die subjektive Schadensbetrachtung nimmt nach der Senatsrechtsprechung die Person des Geschädigten in den Blick. Macht der Leasingnehmer - wie im Streitfall die Klägerin (siehe oben unter Ziffer 1.a)cc)) - den Fahrzeugschaden allein als fremden Schaden des Leasinggebers geltend, sind im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung daher die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Leasinggebers als Geschädigtem maßgeblich. Der Anspruch auf Ersatz des Unfallschadens kann dann nicht weiter reichen, als wenn ihn der Geschädigte selbst verfolgen würde. Dass der Leasingnehmer bei Beschädigung des Leasingfahrzeugs auch selbst Geschädigter und Anspruchsinhaber aus eigenem Recht sein kann, spielt bei der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur dann eine Rolle, wenn der Leasingnehmer eigene Ansprüche geltend macht. Das Berufungsgericht hat daher hinsichtlich der zwischen den Parteien allein streitigen Frage der anzusetzenden Restwerthöhe richtigerweise die Verwertungsmöglichkeiten der Leasinggeberin in den Blick genommen. Insoweit hat das Berufungsgericht im Einklang mit den oben genannten, für gewerbliche Anbieter von Kraftfahrzeugen geltenden Grundsätzen festgestellt, dass es der hiesigen Leasinggeberin selbst oder über die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit eingeschalteten Autohäuser ohne Weiteres möglich gewesen wäre, Zugriff auf den Sondermarkt der Restwertaufkäufer im Internet zu nehmen. Dagegen bringt die Revision auch nichts vor.

c) Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht die Klage aufgrund des Ergebnisses seiner Beweisaufnahme zur Höhe des unter Berücksichtigung von Angeboten internetbasierter Restwertbörsen erzielbaren Verwertungserlöses abgewiesen hat. Das Berufungsgericht ist dabei entgegen der Ansicht der Revision nicht in entscheidungserheblicher Weise von einer falschen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen (aa). Auch im Übrigen hält seine Beweiswürdigung revisionsrechtlicher Überprüfung stand (bb).

aa) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht verkenne bei seiner Entscheidung, dass nach der Rechtsprechung des Senats der Geschädigte seiner Abrechnung eines Totalschadens hinsichtlich des Restwertes grundsätzlich den tatsächlich erzielten Preis zugrunde legen könne. Behaupte der Schädiger, dass ein höherer Preis hätte erzielt werden können, so treffe ihn und seinen Haftpflichtversicherer dafür die Beweislast. Diese Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil das Berufungsgericht zwar die Klägerin hinsichtlich der Erforderlichkeit des für die Ersatzbeschaffung aufgewandten Geldbetrages für darlegungs- und beweispflichtig gehalten, seine Entscheidung letztlich aber nicht darauf gestützt hat. Es hat sich vielmehr die eine vollständige Klageabweisung unabhängig von der Frage der Darlegungs- und Beweislast tragende Überzeugung gebildet, dass die Behauptung der Beklagten zutrifft, unter Berücksichtigung von Angeboten internetbasierter Restwertbörsen habe der erzielbare Verwertungserlös 22.999 € betragen. Das Berufungsgericht ist nämlich den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, wonach der von der Beklagten ermittelte Restwert plausibel und nachvollziehbar war, und auf dieser Grundlage zu dem Schluss gekommen, die Beklagte habe zu seiner Überzeugung nach Einholung überregionaler Restwertangebote unter dem 21. Oktober 2019 ein realistisches Angebot vorgelegt.

Im Übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Klägerin aufgrund der ihr nach ständiger Senatsrechtsprechung im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast zur Schadenshöhe (vgl. nur Senatsurteil vom 17. September 2019 - VI ZR 494/18, juris Rn. 11 mwN) die Behauptung der Beklagten zum erzielbaren Verwertungserlös widerlegen und nicht - wie die Revision meint - die Beklagte diese Behauptung im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Verletzung der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) beweisen musste.

(1) Da - wie bereits ausgeführt - eine unangemessene Verwertung nicht erst unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB zu prüfen ist, ist der Kläger im rechtlichen Ausgangspunkt bereits nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Verwertung des Unfallfahrzeugs im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft erfolgt ist, wobei die ex ante bestehenden Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zu berücksichtigen sind.

(2) Allerdings hat es der Senat zur Erfüllung der Darlegungs- und Beweislast des Klägers im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB genügen lassen, dass dieser seiner Schadensberechnung den tatsächlich für das beschädigte Auto erzielten Preis zugrunde legt, und den Einwand, dieser Erlös entspreche nicht dem für den Geschädigten relevanten Marktniveau, zur Darlegungs- und Beweislast des Schädigers im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB gestellt (vgl. Senatsurteile vom 13. Oktober 2009 - VI ZR 318/08, NJW 2010, 605 Rn. 9; vom 30. Mai 2006 - VI ZR 174/05, NJW 2006, 2320 Rn. 9; vom 12. Juli 2005 - VI ZR 132/04, BGHZ 163, 362, 366 ff., juris Rn. 13 ff.). Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast soll dem gesetzlichen Leitbild des Schadensersatzes Rechnung tragen, nach dem es dem Geschädigten im Rahmen der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis grundsätzlich freisteht, sein Fahrzeug bei der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler beim Erwerb eines Ersatzfahrzeugs - auch ohne vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Restwert - in Zahlung zu geben (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2005 - VI ZR 132/04, BGHZ 163, 362, 366 f., juris Rn. 13). Darauf kann sich jedoch - wie bereits ausgeführt - die im Streitfall maßgebliche Geschädigte, nämlich die Leasinggeberin als gewerbliche Anbieterin von Kraftfahrzeugen, nicht berufen. Deshalb hat die Klägerin vorliegend ihrer im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht bereits dadurch genügt, dass sie ihrer Schadensberechnung den tatsächlich für das beschädigte Auto erzielten und auch unstreitigen Preis zugrunde gelegt hat.

(3) Die Klägerin kann sich vorliegend im Hinblick auf die von ihr darzulegende Erforderlichkeit des geltend gemachten Wiederbeschaffungsaufwandes auch nicht darauf berufen, dass der tatsächlich erzielte Verkaufserlös mit dem vorher durch einen Sachverständigen ermittelten Restwert übereinstimmte. Denn das von der Klägerin eingeholte Gutachten wurde ohne Berücksichtigung von Angeboten internetbasierter Restwertbörsen erstellt, die - wie bereits ausgeführt - von der Leasinggeberin bei der Veräußerung im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft hätten beachtet werden müssen. Indem die Klägerin den Restwert realisiert hat, ohne zuvor ein den besonderen individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten der geschädigten Leasinggeberin Rechnung tragendes Gutachten einzuholen, hat sie nicht nur das Risiko übernommen, dass sich der erzielte Erlös später - wie im Streitfall - als zu niedrig erweist (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2019 - VI ZR 358/18, VersR 2019, 1235 Rn. 20). Bei ihr verbleibt darüber hinaus die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der tatsächlich erzielte Verkaufserlös dem relevanten Marktniveau entsprach. Diese Frage ist nach den genannten Grundsätzen bei einem mit dem Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen gewerblich befassten Geschädigten nicht erst im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB, sondern bereits im Rahmen der Erforderlichkeit des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB geltend gemachten Betrages relevant. Die Klägerin musste daher zur Rechtfertigung ihrer Klageforderung die durch Vorlage eines konkreten Restwertangebots hinreichend substantiierte Behauptung der Beklagten widerlegen, unter Berücksichtigung von Ankaufangeboten aus internetbasierten Restwertbörsen sei nicht lediglich der von der Klägerin realisierte, sondern ein Verwertungserlös von 22.999 € erzielbar gewesen.

bb) Die Einwendungen der Klägerin gegen die - nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Dezember 2022 - VI ZR 168/21, BGHZ 235, 239 Rn. 21 mwN) - Beweiswürdigung des Berufungsgerichts greifen nicht durch. Insbesondere war das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb daran gehindert, das von der Beklagten vorgelegte Ankaufangebot über 22.999 € für plausibel und nachvollziehbar zu halten, weil es nicht unterschrieben war. Ein solches Angebot bedarf nicht der Schriftform. Es war nach dem vorgelegten Ausdruck zudem ausdrücklich als verbindlich gekennzeichnet, stammte vom 21. Oktober 2019, wurde also vor der Veräußerung des Unfallfahrzeugs am 22. Oktober 2019 abgegeben, und sollte bis zum 8. November 2019 gültig bleiben. Schon deshalb geht daher auch der Einwand der Klägerin fehl, sie müsse sich nicht auf einen Restwert verweisen lassen, der lediglich in einem engen Zeitraum zu erzielen gewesen sei. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

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