Bundesgerichtshof Urteil, 21. Jan. 2022 - V ZR 76/20
Gericht
Richter
Submitted by
Principles
Amtliche Leitsätze
1. Die mit einer bestandskräftigen Baugenehmigung verbundene umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem einschlägigen öffentlichen Recht (Legalisierungswirkung) schließt einen auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts gestützten Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB aus.
2. Die Verletzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart (Gebietserhaltungsanspruch) kann einen (quasinegatorischen) verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründen. Dieser Anspruch ist streng akzessorisch zum öffentlichen Recht; er kommt daher nicht in Betracht, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.
BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 21. Jan. 2022 - V ZR 76/20
Tenor
Auf die Revision des Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Kläger wird das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - 5. Zivilsenat - vom 13. März 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Ulm - 2. Zivilkammer - vom 11. Juli 2019 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Klage darauf gerichtet ist, den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den Teil der Getreideübergabehalle, der sich auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nummer 665/4 befindet, als Lagerfläche für landwirtschaftliche Güter, insbesondere für Stroh und Getreide, zu nutzen.
Im Übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Eigentümer mehrerer Grundstücke, auf denen seine Familie seit Generationen Landwirtschaft betreibt. Das den Großteil des Betriebs umfassende Flurstück 667/3 liegt in einem nicht beplanten Innenbereich mit dem Charakter eines Dorfgebiets im Sinne der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Die Flurstücke 665/4, 665/5 und 668/3 liegen im unmittelbar angrenzenden Gebiet "A. ", für das ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1979 (nachfolgend Bebauungsplan) als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet ausweist (nachfolgend Plangebiet). Auf dem Flurstück 667/3 befindet sich eine Getreideübergabehalle, die an der Südseite über die Grenze zu dem Flurstück 665/4 und damit in das Plangebiet hinübergebaut ist. Die dem Beklagten für die Halle im Jahre 2007 erteilte Baugenehmigung ist bestandskräftig. Sie sieht eine Befreiung von den Vorschriften des Bebauungsplans (nur) hinsichtlich der überbaubaren Fläche vor und enthält Auflagen u.a. zu den gegenüber Einwirkungsorten im Plangebiet einzuhaltenden Lärmgrenzwerten. Die Kläger sind Eigentümer zweier Grundstücke im Plangebiet, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten befinden und an dem - jedenfalls bis zur Grenze zu dem Flurstück 668/3 - für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Wiesenweg belegen sind. Über diesen Weg und eine auf dem Flurstück 668/3 befindliche betonierte Fläche (sog. Wendefläche) fährt der Beklagte mit landwirtschaftlichen Maschinen, Lieferfahrzeugen und Sattelschleppern die Getreideübergabehalle an. Die Halle ist über weitere Grundstücke des Beklagten auch von einer anderen öffentlichen Straße her erreichbar, für größere Fahrzeuge allerdings nur mit Rangier- und Wendemanövern.
Die Kläger wollen mit der Klage erreichen, dass der Beklagte verurteilt wird, "jegliche zum Betrieb seines landwirtschaftlichen Betriebes auf dem Grundstück 667/3 gehörende Tätigkeit auf den Grundstücken Flurstück Nr. 665/4 [...], Flurstück Nr. 668/3 [...], Flurstück 665/5 zu unterlassen [...]". Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen.
"a) die Grundstücke mit den Flurstück-Nummern [...] 665/4, 668/3 und 665/5 als Abstellplatz für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Anhänger sowie als betriebsbezogenen Lagerplatz für Güter (etwa Holz, Futtermittel, Kunststoffwassertanks) zu verwenden,
b) den Teil der Getreideübergabehalle, der sich auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nummer 665/4 befindet, als Lagerfläche für landwirtschaftliche Güter, insbesondere Stroh und Getreide zu nutzen".
Im Übrigen hat es die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Die Kläger verfolgen mit der Anschlussrevision ihre Anträge weiter, soweit sie von dem Oberlandesgericht abgewiesen worden sind. Die Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Gründe
A.
Das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB aufgrund einer Verletzung ihres Anspruchs auf Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters (Gebietserhaltungsanspruch). Dieser Abwehranspruch, der allen Grundstückseigentümern im Plangebiet unabhängig von einer Beeinträchtigung zustehe, sei als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu werten und könne damit Grundlage eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs sein. Die für die Getreideübergabehalle erteilte Baugenehmigung, die gemäß § 58 Abs. 3 Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO BW) unbeschadet privater Rechte Dritter ergangen sei, stehe dem Anspruch der Kläger nicht entgegen, da sie einen Dispens von der Bindung an den Bebauungsplan nur hinsichtlich der überbaubaren Fläche enthalte. Der Bebauungsplan sei weder teilfunktionslos noch unwirksam, sodass den Klägern ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Dieser Anspruch umfasse aber nicht jegliche dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten zuzuordnende Tätigkeit. Dem Beklagten sei es gestattet, den Wiesenweg zu befahren, weil dieser für den öffentlichen Verkehr gewidmet sei. Zudem sei der Beklagte im Rahmen des Anliegergebrauchs berechtigt, die Wendefläche zu befahren und dort auf- und abzuladen sowie ähnliche Tätigkeiten auszuführen. Der Unterlassungsanspruch umfasse daher nur die landwirtschaftliche Nutzung der Getreideübergabehalle sowie das Abstellen landwirtschaftlicher Fahrzeuge und die Lagerung landwirtschaftlicher Güter auf den Grundstücken im Plangebiet.
B.
I.
Revision des Beklagten
Die Revision ist begründet. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Unterlassung der landwirtschaftlichen Nutzung seiner im Plangebiet gelegenen Grundstücke nicht bejahen.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Verletzung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Wahrung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart (sog. Gebietserhaltungsanspruch) einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründen kann.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts einen (quasinegatorischen) verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründen (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 6 ff.; Urteil vom 27. November 2020 - V ZR 121/19, ZfIR 2021, 230 Rn. 16 mwN). Liegt ein solcher Verstoß gegen eine nachbarschützende Norm vor, bedarf es für den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch keiner über die Verletzung des Schutzgesetzes hinausgehenden Beeinträchtigung des Nachbarn. Denn Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verlagern den Schutz des Nachbarn vor und knüpfen gerade nicht an einen Verletzungserfolg an (vgl. Senat, Urteil vom 27. November 2020 - V ZR 121/19, aaO Rn. 17 mwN).
b) Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan gehört zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die einen solchen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch begründen können. Die Gebietsfestsetzung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwGE 94, 151, 155 ff.; 101, 364, 375 ff.; 162, 363 Rn. 15; BVerwG, Beschluss vom 15. September 2020 - 4 B 46.19, juris Rn. 5 mwN). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer in der Ausnutzung seines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 2020 - 4 B 46.19, aaO mwN). Der Nachbar hat daher auf die Erhaltung der im Bebauungsplan festgesetzten Gebietsart einen Anspruch (BVerwGE 94, 151, 161; 101, 364, 375 f.; BVerwG, ZfBR 2012, 378, 379). Dieser sog. Gebietserhaltungsanspruch besteht auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt; er wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird (vgl. BVerwGE 94, 151, 161; BVerwG, NVwZ 2002, 1384; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2010, 45 f.; zum Ganzen etwa auch Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl., vor § 29 Rn. 36; Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung [April 2021], Art. 66 Rn. 98 ff.; Mampel, BauR 2003, 1824; Baars, BauR 2019, 901).
c) Mit dem öffentlich-rechtlichen Gebietserhaltungsanspruch korrespondiert zivilrechtlich ein gleichlaufender quasinegatorischer Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, durch den der Nachbar die Ausführung eines der festgesetzten Gebietsart widersprechenden Vorhabens verhindern kann. Der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch setzt keine tatsächlich spürbare und nachweisbare Beeinträchtigung des Nachbarn voraus, weil der öffentlich-rechtliche Gebietserhaltungsanspruch eine solche Beeinträchtigung nicht zur Voraussetzung hat.
2. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, die dem Beklagten erteilte bestandskräftige Baugenehmigung stehe dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen, weil eine Befreiung nur hinsichtlich der überbaubaren Fläche erteilt worden sei, nicht aber hinsichtlich sonstiger Bindungen des Bebauungsplans.
a) Der quasinegatorische Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebietserhaltungsanspruch kommt nicht in Betracht, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.
aa) Grundsätzlich werden zivilrechtliche Abwehrrechte des Nachbarn durch eine bestandskräftige Baugenehmigung nicht berührt. Die Baugenehmigung ergeht vielmehr unbeschadet privater Rechte Dritter (vgl. § 58 Abs. 3 LBO BW); sie hat keine privatrechtsgestaltende Ausschlusswirkung (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 7 f.; Urteil vom 2. Juni 2017 - V ZR 196/16, NZM 2017, 855 Rn. 22). Dies ist die Folge des Umstands, dass die Baugenehmigung ohne Prüfung entgegenstehender privater Rechte Dritter erteilt wird; Rechte oder Interessen Dritter sind von der Baurechtsbehörde nur zu prüfen, wenn sie öffentlich-rechtlich geschützt sind (vgl. BeckOK BauordnungsR BW/Gassner [1.11.2021], LBO BW § 58 Rn. 126). Der Nachbar kann folglich ohne Bindung an die Baugenehmigung seine Abwehrrechte etwa aus den §§ 905 ff. BGB und aus den Nachbarrechtsgesetzen der Länder geltend machen (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 1975 - V ZR 150/73, MDR 1975, 744), wenn und soweit deren Voraussetzungen vorliegen. Ebenso kann er den Bau zivilrechtlich untersagen lassen, wenn er durch diesen in einer vertraglich (etwa durch einen Miet- oder Pachtvertrag) oder dinglich (etwa durch eine Grunddienstbarkeit) geschützten Rechtsposition beeinträchtigt würde.
bb) Anders liegt es aber bei dem quasinegatorischen Unterlassungsanspruch, soweit dieser auf die Verletzung einer nachbarschützenden Norm des öffentlichen Rechts als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB gestützt wird. Dieser Anspruch ist streng akzessorisch zum öffentlichen Recht, denn er setzt voraus, dass die Grundstücksnutzung, deren Unterlassung begehrt wird, gegen die öffentlich-rechtliche Norm verstößt, auf deren Schutz sich der Nachbar beruft. Dies ist ausgeschlossen, wenn die Grundstücksnutzung öffentlich-rechtlich bestandskräftig genehmigt und die Genehmigung nach wie vor wirksam ist. Denn eine Baugenehmigung entfaltet Legalisierungswirkung. Sie hat neben dem gestattenden Teil (Baufreigabe) die umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens einschließlich der ihm zugedachten Nutzung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Inhalt, soweit sie für die baurechtliche Prüfung einschlägig sind (vgl. BVerwG, NVwZ 1990, 559, 560; ZfBR 2011, 774, 775 jeweils mwN; BeckOK BauordnungsR BW/Gassner, [1.8.2021], LBO BW § 58 Rn. 17; zum Begriff der Legalisierungswirkung auch BGH, Urteil vom 3. Februar 2000 - III ZR 296/98, BGHZ 143, 362, 368).
(1) Diese Legalisierungswirkung wirkt sich unmittelbar auf zivilrechtliche Abwehransprüche aus, die auf den Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften gestützt sind. Steht durch die Baugenehmigung fest, dass der Bauherr nicht gegen diese Vorschriften verstoßen hat, kommen solche Ansprüche nicht in Betracht, solange die Baugenehmigung besteht. Auf nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts kann sich der Nachbar im Verfahren über die Erteilung der Baugenehmigung berufen und die Rechtsbehelfe ergreifen, die ihm das öffentliche Recht zur Verfügung stellt. Wird die Baugenehmigung auf einen solchen Rechtsbehelf aufgehoben, kann dem Nachbarn bei Verletzung nachbarschützender Bebauungsvorschriften durch den errichteten Bau - wie bei von Anfang an fehlender Baugenehmigung - ein quasinegatorischer Beseitigungsanspruch zustehen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1973 - V ZR 107/72, WM 1974, 572). Ist die Baugenehmigung aber unanfechtbar geworden, kann ihre Bestandskraft nicht durch einen auf öffentlich-rechtliche Vorschriften gestützten zivilrechtlichen Anspruch unterlaufen werden. Die Baugenehmigung und ihre Legalisierungswirkung würden für den Bauherrn entwertet, wenn er damit rechnen müsste, dass ein Nachbar trotz bestandskräftiger Genehmigung auch nach Jahren noch unter Berufung auf nachbarschützende öffentlich-rechtliche Bauvorschriften vor den Zivilgerichten erfolgreich gegen das Bauvorhaben klagen könnte. Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass der Anspruch aus § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB nicht auf nachbarschützende Normen des öffentlichen Rechts gestützt werden kann, von denen öffentlich-rechtlich eine Befreiung erteilt wurde (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1976 - V ZR 188/74, BGHZ 66, 354, 357; Urteil vom 21. Dezember 1973 - V ZR 107/72, WM 1974, 572, 574; Urteil vom 14. März 1975 - V ZR 150/73, juris Rn. 16, insoweit nicht abgedruckt in MDR 1975, 744).
Legalisierungswirkung entfaltet die Baugenehmigung aber nicht nur insoweit, wie sie eine ausdrückliche Befreiung von öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften ausspricht. Denn mit der Erteilung der Baugenehmigung wird die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem gesamten im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden, der behördlichen Prüfung zu Grunde liegenden öffentlichen Recht verbindlich festgestellt. Somit trifft die Genehmigung - auch ohne ausdrückliche Entscheidung über eine Befreiung (vgl. etwa § 31 Abs. 2 BauGB) -implizit eine regelnde Feststellung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den einschlägigen nachbarschützenden Normen des öffentlichen Rechts (vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139, 143; zum sog. "versteckten Dispens" Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, BauGB, 15. Aufl., § 31 Rn. 49).
(2) An diese Feststellung sind die Zivilgerichte gebunden. Verwaltungsakten kommt, sofern sie nicht nichtig sind, grundsätzlich eine sog. Tatbestandswirkung zu, aufgrund derer auch nicht am Verwaltungsverfahren beteiligte Behörden, Gerichte und öffentlich-rechtliche Rechtsträger die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ohne inhaltliche Prüfung ihrer Richtigkeit ihren eigenen Entscheidungen zugrunde zu legen haben (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 174/19, BGHZ 226, 329 Rn. 35 mwN). Steht durch die Baugenehmigung aufgrund ihrer Legalisierungswirkung fest, dass der Bauherr nicht gegen nachbarschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen hat, haben hiervon auch die Zivilgerichte auszugehen; der Nachbar muss diese Feststellung daher gegen sich gelten lassen (so zutreffend die ganz h.M.: BayObLGZ 2000, 355, 362; 2001, 41, 46; OLG Hamm, ZWE 2006, 346, 349; Saller in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Aufl., Kapitel 1 Rn. 100 f.; Seidel, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nachbarschutz, Rn. 877 ff.; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Aufl., Rn. 2626; Papier in Festschrift Weyreuther, 1993, 291, 301 ff.; Bartlsperger, VerwArch 60 [1969], 35, 59; Breuer, DVBl. 1983, 431, 438; Dolderer, DVBl. 1998, 19, 24 f.; Manssen, NVwZ 1996, 144, 146; Seidel, NVwZ 2004, 139, 143; Arbeitskreis Bauliches Nachbarrecht, BBauBl 1991, 10, 21 f.). Die mit einer bestandskräftigen Baugenehmigung verbundene umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem einschlägigen öffentlichen Recht (Legalisierungswirkung) schließt folglich einen auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts gestützten Unterlassungsanspruch des Nachbarn gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB aus. Soweit dies in der Literatur teilweise anders gesehen und die Ansicht vertreten wird, die Erteilung der Baugenehmigung sei für den Abwehranspruch des Nachbarn aus § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB unerheblich (so von Mutius, Jura 1989, 297, 307) bzw. nur bei ausdrücklicher Befreiung von der nachbarschützenden Norm erheblich (so Marburger, Gutachten C für den 56. Deutschen Juristentag 1986, 46 f.), folgt der Senat dem aus den genannten Gründen nicht. Dies gilt erst Recht für die Auffassung, selbst ein unanfechtbarer ausdrücklicher Dispens von nachbarschützenden Bauvorschriften schließe den auf die Verletzung dieser Vorschriften gestützten Anspruch des Nachbarn nicht aus (so Staudinger/Roth, BGB [2020], § 906 Rn. 34).
(3) Enthält die Baugenehmigung indes Auflagen mit nachbarschützendem Charakter, kommen insoweit Unterlassungsansprüche des Nachbarn in Betracht. Die Einhaltung einer solchen in einer Baugenehmigung enthaltenen, seinem Schutz dienenden bestandskräftigen Auflage, kann der Nachbar im Wege der quasinegatorischen Unterlassungsklage durchsetzen (vgl. Senat, Urteil vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1). Entsprechendes gilt, wenn eine bestandskräftige Baugenehmigung nicht vorliegt oder wenn das Gebäude abweichend von der Baugenehmigung errichtet wurde.
cc) Eine bestandskräftige Baugenehmigung steht quasinegatorischen Abwehransprüchen, die auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts gestützt sind, allerdings nur entgegen, soweit die Einhaltung dieser Vorschriften von der Behörde vor Erteilung der Baugenehmigung zu prüfen waren; hieran kann es beispielsweise bei einer im vereinfachten Verfahren erteilten Genehmigung fehlen. Die hier für den Gebietserhaltungsanspruch relevante Frage, ob ein Bauvorhaben mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung (Baugebiet) in dem Bebauungsplan (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO) vereinbar ist, gehört nach § 30 Abs. 1 BauGB zu den von den Baurechtsbehörden bei der Erteilung der Baugenehmigung zu prüfenden Umständen (vgl. allgemein zum Prüfungsumfang der Baurechtsbehörden Schlotterbeck in Neuffer/von Arnim/Schlotterbeck, Das neue Baurecht in Baden-Württemberg [Okt. 2018], LBO BW § 58 Rn. 90 ff.). Wird die Baugenehmigung unanfechtbar, dann schließt die mit ihr - auch ohne ausdrücklichen Dispens - verbundene Feststellung, dass das Vorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar ist, den Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn sowohl für das öffentliche Recht als auch für das insoweit akzessorische bzw. derivative Zivilrecht mit Bindungswirkung für die Zivilgerichte aus. Daher kommt der auf den Gebietserhaltungsanspruch gestützte quasinegatorische Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nicht in Betracht, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.
b) Der auf § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebietserhaltungsanspruch gestützte Anspruch der Kläger auf Unterlassung der landwirtschaftlichen Nutzung der im Plangebiet gelegenen Grundstücke des Beklagten ist daher insoweit ausgeschlossen, als diese Nutzung bestandskräftig genehmigt ist. Dies ist jedenfalls hinsichtlich der Errichtung und (landwirtschaftlichen) Nutzung des im Plangebiet gelegenen Teils der Getreideübergabehalle der Fall.
aa) Wie bereits ausgeführt, wird mit der Baugenehmigung die Vereinbarkeit des Bauvorhabens einschließlich der ihm zugedachten Nutzung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften festgestellt (vgl. BVerwG, NVwZ 1990, 559, 560; ZfBR 2011, 774, 775). Sachlich wird daher durch die Legalisierungswirkung sowohl die wie genehmigt errichtete Anlage als auch die mitbeantragte und genehmigte Nutzung der errichteten baulichen Anlage geschützt (vgl. Sauter, Landesbauordnung Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 58 Rn. 36; BeckOK BauordnungsR BW/Gassner [1.8.2021], LBO § 58 Rn. 18). Dies ergibt sich im Umkehrschluss auch aus den baugesetzlichen Regelungen, die eine Nutzungsänderung unter Genehmigungsvorbehalt stellen, wenn sich hierdurch weitergehende Anforderungen ergeben als durch die bisherige Nutzung (vgl. etwa § 50 Abs. 2 LBO BW, § 29 Abs. 1 BauGB).
Welche Art der Nutzung des Grundstücks zusammen mit dem eigentlichen Bauvorhaben genehmigt ist und in welchem Umfang bzw. mit welcher Variationsbreite und Zweckbestimmung, ergibt sich regelmäßig nicht allein aus der Baugenehmigung; insoweit bedarf es des Rückgriffs auf den Bauantrag und die Bauvorlagen sowie die sonstigen in Bezug genommenen Unterlagen (vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 2014, 752, 753 mwN; Sauter, Landesbauordnung Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 58 Rn. 32). Gegebenenfalls ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie der Adressat unter Berücksichtigung des Antrages und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben die Genehmigung objektiv verstehen durfte (vgl. OVG Münster, BeckRS 1991, 5079 Rn. 52). So kann und darf die Baubehörde etwa dann, wenn für eine landwirtschaftliche Hofstelle ein Antrag für die Errichtung einer Lagerhalle gestellt wird, davon ausgehen, dass diese landwirtschaftlich genutzt werden soll (OVG Münster, aaO Rn. 55; Sauter, aaO Rn. 33).
bb) Vorliegend ist somit davon auszugehen, dass neben der Errichtung der Getreideübergabehalle auch deren Nutzung zu ihrem landwirtschaftlichen Zweck genehmigt ist, zumal die Baubehörde ausdrücklich Auflagen hinsichtlich der mit dieser Nutzung verbundenen Lärmemmissionen erteilt hat. Das Urteil kann daher keinen Bestand haben, soweit dem Beklagten die Nutzung des im Plangebiet befindlichen Teils der Halle untersagt worden ist.
Ob die Baugenehmigung auch das Abstellen von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Anhängern und die Lagerung betriebsbezogener Güter außerhalb der Halle mit umfasst, lässt sich allein anhand des Textes der Baugenehmigung nicht beurteilen, sondern ist durch Auslegung unter Einbeziehung des Bauantrages und sonstiger relevanter Unterlagen zu ermitteln. Eine solche Auslegung hat das Berufungsgericht, von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig, bislang nicht vorgenommen. Das Urteil kann daher auch insoweit keinen Bestand haben.
II.
Anschlussrevision der Kläger
1. Die form- und fristgerecht (§ 554 ZPO) eingelegte Anschlussrevision der Kläger ist zulässig. Insbesondere steht ihr Gegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit demjenigen der Hauptrevision des Beklagten (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 18. September 2009 - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787, 3789). Gegenstand der Revision und der Anschlussrevision ist die Frage, ob und in welchem Umfang den Klägern ein auf den Gebietserhaltungsanspruch gestützter quasinegatorischer Unterlassungsanspruch gegenüber dem Beklagten zusteht.
2. Die Anschlussrevision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zu Recht zurückgewiesen, soweit diese dem Beklagten untersagen lassen wollen, die auf dem Flurstück 668/3 befindliche Wendefläche mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu befahren.
a) Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass der klägerische Antrag in der Berufungsinstanz auch darauf gerichtet ist, dem Beklagten das Befahren der Fläche mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu untersagen. Die Kläger haben wörtlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, "jegliche zum Betrieb seines landwirtschaftlichen Betriebes auf dem Grundstück 667/3 gehörende Tätigkeit auf den Grundstücken Flurstück Nr. 665/4 [...], Flurstück Nr. 668/3 [...], Flurstück 665/5 zu unterlassen [...]". Zu dieser Tätigkeit gehört nach dem Vorbringen der Kläger auch das Anfahren der auf den Grundstücken 667/3 und 665/4 befindlichen Getreideübergabehalle mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen über die auf dem Grundstück 668/3 befindliche Wendefläche hinweg. Hiervon gehen die Kläger auch in der Begründung ihrer Anschlussrevision aus. An diesem Klageziel ändert es nichts, dass sie nach ihrer Darstellung mittelbar erreichen wollen, dass der Beklagte den Wiesenweg nicht mehr mit Traktoren und anderen großen Fahrzeugen befährt.
b) Das Berufungsgericht nimmt im Ergebnis rechtsfehlerfrei an, dass die Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten darauf haben, dass dieser es unterlässt, die auf dem in seinem Eigentum stehenden Flurstück 668/3 befindliche Wendefläche mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu befahren. Aus dem - mangels konkreter Beeinträchtigung der Kläger - einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebietserhaltungsanspruch kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch nicht ergeben.
aa) Der Gebietserhaltungsanspruch beruht - wie gezeigt - als bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz auf dem Gedanken, dass der Eigentümer eines Grundstücks, der in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen kann. Der Anspruch ist daher schon im Ausgangspunkt nicht auf die Abwehr jedweder gebietsfremden faktischen Grundstücksnutzung gerichtet, sondern nur auf die Abwehr von baulichen Nutzungen, die nach ihrer Art den Festsetzungen des Bebauungsplans zuwiderlaufen können (vgl. § 30 Abs. 1 BauGB). Dies sind namentlich Nutzungen, die unter den Begriff des Vorhabens i.S.v. § 29 BauGB fallen, also die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen, Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Dies zeigt auch die Vorschrift des § 4 BauNVO, auf die sich die Kläger vorliegend stützen. Diese regelt, welche Arten von Gebäuden bzw. baulichen Anlagen in allgemeinen Wohngebieten zulässig sind (Abs. 2) und welche ausnahmsweise zugelassen werden können (Abs. 3). Geregelt wird also die Art der zulässigen baulichen Nutzung. Andere Nutzungen, wie etwa das Begehen und Befahren des Grundstücks, können daher der Festsetzung der Gebietsart im Bebauungsplan von vornherein nicht widersprechen und somit den Gebietserhaltungsanspruch nicht auslösen. Ein so weitgehender Inhalt dieses Anspruchs wäre auch nicht damit zu vereinbaren, dass es für dessen Entstehen nicht auf eine konkrete, tatsächlich spürbare und nachweisbare Beeinträchtigung des Nachbarn ankommt.
bb) Vorliegend kommt hinzu, dass der von dem Berufungsgericht in Bezug genommene Bebauungsplan in seinem zeichnerischen Teil für das Grundstück 668/3 eine Verkehrsfläche (vgl. § 9 Nr. 11 BauGB) vorsieht, die bis zur Grenze zu dem nicht im Plangebiet gelegenen Grundstück 667/3 des Beklagten heranreicht, auf dem sich der Hauptteil der Getreideübergabehalle und des landwirtschaftlichen Betriebes des Beklagten befinden. Die Nutzung des Grundstücks, die die Kläger dem Beklagten untersagen wollen, nämlich das Befahren mit Kraftfahrzeugen, ist folglich in dem Bebauungsplan ausdrücklich vorgesehen. Auch aus diesem Grunde scheidet ein hierauf bezogener Unterlassungsanspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt des Gebietserhaltungsanspruchs aus.
cc) Auf die Frage, ob das Befahren des Grundstücks 668/3 durch den Beklagten - wie das Berufungsgericht annimmt - vom sog. Anliegergebrauch (vgl. hierzu VGH Mannheim, VBlBW 2016, 384) gedeckt ist, kommt es somit nicht an. Daher rechtfertigt auch die von den Klägern mit der Anschlussrevision vertretene Ansicht, die Festlegung der auf dem Grundstück 668/3 liegenden Verkehrsfläche als "Wendefläche" oder "Wendeplatte" schließe die Annahme aus, diese Fläche diene zur Erschließung der außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücke des Beklagten, so dass dieser nicht als Anlieger der Verkehrsfläche anzusehen sei, keine andere rechtliche Beurteilung. Allerdings ist insoweit anzumerken, dass sich eine Festsetzung der Fläche als Wendefläche dem Bebauungsplan nicht entnehmen lässt. Dort ist am Ende des Wiesenwegs (Flurstück 666) auf dem Grundstück 668/3 eine sich auf der gesamten Länge der Grenze zu dem Grundstück 667/3 des Beklagten anschließende Verkehrsfläche eingezeichnet. Die Kläger zeigen mit der Anschlussrevision nicht auf, aus welcher textlichen oder zeichnerischen Festsetzung in dem Bebauungsplan sich ergeben soll, dass diese Fläche lediglich zum Wenden genutzt werden darf, nicht aber dazu, das auf voller Breite angeschlossene Grundstück 667/3 zu erreichen. Es kann daher dahinstehen, ob eine solche Festsetzung überhaupt zulässig wäre (vgl. zu zulässigen Zweckbestimmungen für Verkehrsflächen in Bebauungsplänen Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [Mai 2021], § 9 Rn. 105).
III.
1. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 und 2 ZPO).
2. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, soweit der Klageantrag darauf gerichtet ist, dem Beklagten zu untersagen, den Teil der Getreideübergabehalle, der sich auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nummer 665/4 befindet, als Lagerfläche für landwirtschaftliche Güter, insbesondere für Stroh und Getreide zu nutzen (Tenor zu 1. (1) (b) des angefochtenen Urteils). Denn diese, dem Sinn und Zweck der Halle entsprechende Nutzung ist von der bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt (siehe oben Rn. 22). Damit scheidet nach dem oben Ausgeführten ein auf die Verletzung nachbarschützenden Normen des öffentlichen Rechts gestützter Unterlassungsanspruch der Kläger insoweit aus und war die Klage abzuweisen.
3. Im Übrigen ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 Satz 1 ZPO), weil es weiterer Feststellungen bedarf.
a) Die Klage ist nicht deshalb abzuweisen, weil der Bebauungsplan unwirksam ist und damit die nachbarschützende Festsetzung des Gebietscharakters entfällt.
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde für das heutige Plangebiet im Jahr 1973 ein Bebauungsplan erlassen, der für den Bereich der im Plangebiet gelegenen Grundstücke des Beklagten ein reines Wohngebiet auswies. Dieser Plan wurde im Jahr 1979 durch den nach wie vor geltenden Bebauungsplan ersetzt, der das Plangebiet als allgemeines Wohngebiet festsetzt.
bb) Der Beklagte macht mit der Revision geltend, die in dem Bebauungsplan des Jahres 1973 erfolgte Ausweisung eines reinen Wohngebiets unmittelbar angrenzend an ein dörfliches Mischgebiet sei unzulässig gewesen. Hierbei handele es sich um einen sog. "Ewigkeitsfehler", der durch den Bebauungsplan des Jahres 1979 nicht habe geheilt werden können. Beide Bebauungspläne hätten die Nutzungskonflikte zwischen der von dem Beklagten aufgrund von bis in das Jahr 1969 zurückreichenden Genehmigungen ausgeübten landwirtschaftlichen Nutzung und der von den Klägern ausgeübten Wohnnutzung fehlerhaft abgewogen. Die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gewähre dem bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers insoweit Vorrang vor einer heranrückenden Wohnbebauung, als dass er beanspruchen könne, in seinem genehmigten Bestand nicht beeinträchtigt zu werden.
cc) Hiermit hat die Revision keinen Erfolg. Grundlage für den von den Klägern geltend gemachten Gebietserhaltungsanspruch ist allein der Bebauungsplan des Jahres 1979, der das Plangebiet als allgemeines Wohngebiet festsetzt, und die damals geltende Baunutzungsverordnung des Jahres 1977 (BauNVO 1977). Die Kläger verlangen nicht die Erhaltung des 1973 festgesetzten reinen Wohngebiets, diese Gebietsfestsetzung ist daher für die rechtliche Prüfung unerheblich. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerfrei an, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets i.S.d. § 4 BauNVO 1977 neben dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten einen Mangel der Abwägung darstellt, der die Unwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge hat. Es kann daher dahinstehen, ob ein solcher Mangel heute überhaupt noch geltend gemacht werden könnte.
(1) Das Gebot gerechter Abwägung aus § 1 Abs. 7 BauGB ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwGE 34, 301, 309; Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [Mai 2021], § 1 Rn. 185).
Zu den bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigenden Belangen gehören nach § 1 Abs. 6 Nr. 8b BauGB auch die Belange der Land- und Forstwirtschaft. Diesen Belangen landwirtschaftlicher Betriebe kommt auch im Verhältnis zu heranrückender Wohnbebauung Bedeutung zu. Grundsätzlich sind Bestand und Entwicklungsmöglichkeiten eines landwirtschaftlichen Betriebs abwägungsbeachtlich. Der Landwirt kann gegen die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets in der Nähe seines Hofes geltend machen, dass er bei der Verwirklichung der Planung in der Fortführung seines Betriebs beeinträchtigt wird (Söfker/Runkel, aaO Rn. 162).
Eine generelle Planungssperre für die Ausweisung von Wohngebieten in dem Auswirkungsbereich landwirtschaftlicher Betriebe, die die Annahme eines beachtlichen Abwägungsmangels rechtfertigt, gibt es jedoch nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beansprucht das sich aus § 50 BImSchG ergebende Trennungsgebot für die Überplanung einer bereits bestehenden Gemengelage keine strikte Geltung, sondern lässt insbesondere Ausnahmen zu, wenn das Nebeneinander verschiedener Gebietsarten oder unterschiedlicher Bebauung innerhalb eines Gebiets schon seit längerer Zeit und offenbar ohne größere Probleme bestanden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2004 - 4 BN 15/04, juris Rn. 4; NJW 1975, 70, 74 f.; NJW 1992, 663, 664; vgl. auch Söfker/Runkel, aaO Rn. 239). Anstelle der räumlichen Trennung können auch andere instrumentelle Möglichkeiten in Betracht kommen, um den verschiedenen Belangen Rechnung zu tragen (vgl. Söfker/Runkel, aaO).
(2) Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass der Beklagte nach diesen Maßstäben einen Abwägungsmangel der zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans von 1979 führt, nicht hinreichend dargelegt hat, und ein solcher ergibt sich auch nicht aus den festgestellten Umständen. Bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans von 1979 bestand ersichtlich ein Nebeneinander von Wohnbebauung und dem landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten. Dass bereits zu dem damaligen Zeitpunkt Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nutzungsarten bestanden hätten, legt der Beklagte nicht dar. Ein konkretes Abwägungsdefizit ergibt sich auch nicht daraus, dass in Dorfgebieten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO 2017 auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Denn unabhängig davon, dass vorliegend § 5 BauNVO 1977 heranzuziehen wäre, umfasste der in dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans genehmigte Bestand des landwirtschaftlichen Betriebs des Beklagten gerade nicht die landwirtschaftliche Nutzung der in dem Plangebiet liegenden Grundstücke. Die Erweiterung der Getreideübergabehalle in das Plangebiet hinein erfolgte vielmehr erst im Jahre 2007.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht von der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans hinsichtlich der Festsetzung des allgemeinen Wohngebiets auszugehen.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Bebauungspläne nur in äußerst seltenen Fällen funktionslos sein. Eine bauplanerische Festsetzung tritt nur dann außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Die Gerichte sind daher schon in Normenkontrollverfahren nur dann zur Prüfung der Funktionslosigkeit des gesamten Bebauungsplans oder einzelner seiner Festsetzungen genötigt, wenn der Antragsteller hierzu substantiiert vorträgt oder wenn gewichtige Anhaltspunkte hierfür vorliegen (zum Ganzen BVerwGE 108, 71, 76 mwN). Erst Recht ist das Zivilgericht unter Geltung der Parteimaxime des Zivilprozesses zu einer solchen Prüfung nur gehalten, wenn die Partei, die sich auf die (Teil-)Funktionslosigkeit des Bebauungsplans beruft, hierzu substantiiert vorträgt.
bb) Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass der Beklagte einen solchen Vortrag nicht gehalten hat. Allein die Tatsache, dass die Getreideübergabehalle in das Plangebiet hineinragt, vermag eine Teilfunktionslosigkeit des Bebauungsplans ersichtlich nicht zu begründen. Auch das im Plangebiet befindliche Betriebsleiterwohnhaus kann die Planungskonzeption für das Wohngebiet nicht in Frage stellen, da es gerade zu Wohnzwecken genutzt wird.
4. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Berufungsgericht wird zunächst Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit die Grundstücksnutzung, die die Kläger dem Beklagten untersagen lassen wollen, von der Baugenehmigung für die Getreideübergabehalle aus dem Jahre 2007 umfasst ist. Insoweit scheidet ein aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Gebietserhaltungsanspruch abgeleiteter Unterlassungsanspruch der Kläger aus.
b) Verbleiben danach Grundstücksnutzungen des Beklagten, die nicht durch die Baugenehmigung legalisiert sind, ist zu prüfen, ob es sich insoweit um Nutzungen handelt, die ihrer Art nach den Gebietserhaltungsanspruch auslösen können, d.h. um Vorhaben i.S.v. § 29 BauGB. Dies erscheint denkbar, soweit der Beklagte es unterlassen soll, seine Grundstücke als Stellplätze und als Lagerplätze zu verwenden, wobei es auf eine konkrete Einzelfallbetrachtung ankommt (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [Mai 2021], § 29 Rn. 33 ff.). Ist diese Frage zu bejahen, wäre weiter zu prüfen, ob die jeweilige Nutzung ihrer Art nach dem im Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet widerspricht. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, dass nach § 4 Abs. 3 Nr. 6 BauNVO in der hier maßgeblichen Fassung von 1977 bestimmte Formen landwirtschaftlicher Nutzungen ausnahmsweise in allgemeinen Wohngebieten zugelassen werden konnten.
Stresemann
Göbel
Haberkamp
Hamdorf
Malik