Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2009 - IX ZR 88/08

bei uns veröffentlicht am09.07.2009
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 17 O 9/07, 07.08.2007
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 4 U 176/07, 30.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 88/08
Verkündet am:
9. Juli 2009
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter
des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, begründet in der Regel keinen
Schmerzensgeldanspruch.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - IX ZR 88/08 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2009 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Vill, die Richterin Lohmann,
die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bis 30. November 2004 ein Einfamilienhaus gemietet. Am 26. Dezember 2002 hantierten ihre damals fünfjährigen Zwillingssöhne mit brennenden Wunderkerzen, wodurch in der weiteren Folge das Haus in Brand geriet und nicht mehr bewohnbar war. Die Vermieterin lastete den Brand der Klägerin an und verlangte, die Miete weiterzuzahlen. Hierauf ersuchten die Eheleute die beklagten Rechtsanwälte um Rechtsauskunft. Die Beklagten vertraten die Eheleute in dem von der Vermieterin angestrengten Verfahren auf Zahlung der Miete. Am 25. Juni 2003 kündigten die Eheleute das Mandat, weil der Beklagte zu 1 sie grob fehlerhaft beraten habe. Er habe erklärt, die private Haftpflichtversicherung müsse für das Schadensereignis nicht einstehen, wenn sich erweise, dass die Eheleute oder deren Kindermädchen den Brand grob fahrlässig mit verursacht hätten. Die Eheleute hät- ten deshalb damit gerechnet, den Wiederaufbau des zerstörten Hauses aus eigenen Mitteln in Höhe von 600.000 € übernehmen zu müssen.
2
Die Klägerin begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schmerzensgeld wegen der fehlerhaften Beratung. Sie und ihr Ehemann hätten sich im Anschluss an den Brand in Dauerpanik und seelischer Auflösung im Sinne einer postraumatischen Belastungsstörung befunden. Hierfür seien die sie belastenden gänzlich unvertretbaren Rechtsauskünfte mitursächlich gewesen. Wegen ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung stehe ihr - der Klägerin - ein Schmerzensgeld von mindestens 4.000 € zu; für ihren Ehemann sei ein Betrag von mindestens 2.000 € anzusetzen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.


5
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2008, 1396 abgedruckt ist, hat ausgeführt, die geltend gemachten Beeinträchtigungen wiesen zwar eine psychische Belastungsstörung mit Krankheitswert auf, gleichwohl scheide eine Ersatzpflicht der Beklagten aus. Es fehle an dem notwendigen Zusammenhang zwischen dem Schutzweck der verletzten Pflicht und dem eingetretenen Schaden. Die Klägerin laste dem Beklagten zu 1 an, im Rahmen seiner Beratungstätigkeit eine falsche Auskunft erteilt zu haben. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung folge aus dem Anwaltsvertrag, der im vorliegenden Fall allein auf die Vermögensinteressen der Klägerin und ihres Ehemanns ausgerichtet gewesen sei. Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten seien nicht Gegenstand des Mandats gewesen und seien auch nicht anlässlich der Frage, ob die Eheleute den Wiederaufbau des Hauses bezahlen müssten, erörtert worden. Im Rahmen des Anwaltsvertrages hätten deshalb keine Obhutspflichten für die psychische und geistige Verfassung der Mandanten bestanden. Die psychische Verarbeitung fehlerhafter Auskünfte und Hinweise werde im allgemeinen Verkehr regelmäßig dem Empfänger überantwortet, jedenfalls soweit es allein Risiken und Bedrohungen in Bezug auf die eigene Vermögenslage betreffe. Belastungen hieraus müssten dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden.

II.


6
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.
7
Die Ansicht des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Nichtvermögensschaden werde vom Schutzzweck der verletzten Beratungsverpflichtung der Beklagten nicht erfasst, ist rechtlich zutreffend.
8
1. Revisionsrechtlich ist vom Vorbringen der Klägerin auszugehen. Danach hat der Beklagte zu 1 nach der Mandatserteilung auf Frage der Klägerin erklärt, sie müssten die Kosten der Haussanierung tragen, wenn das für den Brand kausale Verhalten der Eheleute als grob fahrlässig eingestuft werden sollte. Aus dem von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgelegten Schreiben des Beklagten zu 1 an die Eheleute vom 12. Februar 2003 geht hervor , dass der Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf § 61 VVG a.F. die Ansicht vertreten hat, die private Haftpflichtversicherung müsse bei einem grob fahrlässigem Fehlverhalten der Klägerin nicht leisten.
9
Das Berufungsgericht ist auf dieser tatsächlichen Grundlage zutreffend davon ausgegangen, dass die Auskunft unrichtig war und der Beklagte zu 1 damit seine anwaltliche Beratungspflicht verletzt hat. Ein Rechtsanwalt ist innerhalb der Grenzen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, seinen Auftraggeber umfassend und erschöpfend zu belehren, um ihm eine eigenverantwortliche , sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen will (BGHZ 171, 261, 263 f Rn. 9 f; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 136/07, WM 2008, 1560, 1561 Rn. 14 f, v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, WM 2009, 571, 572 Rn. 10; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 483). Das den Beklagten erteilte vorgerichtliche Beratungsmandat war auf die Wahrnehmung der Interessen der Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit dem Brandschaden und den hierauf gerichteten Ansprüchen der Vermieterin bezogen und erfasste damit auch die hier in Rede stehende Frage nach einer Einstandspflicht der Haftpflichtversicherung. Die erteilte Auskunft war unrichtig, weil nach § 152 VVG a.F. - jetzt § 103 VVG - für die Haftpflichtversicherung der subjektive Risikoausschluss nur für vorsätzliches und widerrechtliches Handeln des Versicherungsnehmers gilt und § 61 VVG a.F. hierdurch eingeschränkt wird (BGH, Urt. v. 30. Mai 1963 - II ZR 14/61, VersR 1963, 742, 743). Dementsprechend besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AHB ein Risikoausschluss nur für Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Damit sind die Beklagten zum Ersatz des durch die unzutreffende Auskunft entstandenen Schadens verpflichtet.
10
2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens ist § 253 Abs. 2 BGB in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl I 2674), der mit Wirkung zum 1. August 2002 die Vorschrift des § 847 BGB ersetzt hat. Die Neuregelung fasst den Anwendungsbereich der Ersatzpflicht für immaterielle Schäden erheblich weiter. Sie sieht sowohl bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung den Ersatz immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht mit umfasst waren (BAG NZA 2007, 262, 264 f Rn. 23 f; Palandt/Heinrichs, BGB 68. Aufl. § 253 Rn. 8; Wagner NJW 2002, 2049, 2055). Deshalb schließt nunmehr auch die vertragliche Haftung des rechtlichen Beraters aus § 675 Abs. 1 in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld ) mit ein (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl. Rn. 769; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl. § 20 Rn. 43; Zugehör, Grundsätze der zivilrechtlichen Haftung der Rechtsanwälte , Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Rn. 103 ).
11
Nach dem - bestrittenen - Vortrag der Klägerin, den das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat, ist bei der Klägerin sowie ihrem Ehemann ein Nichtvermögensschaden entstanden. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, sie habe aufgrund der fehlerhaften Beratung angenommen, für die Sanierung des Hauses 600.000 € zahlen zu müssen, was für sie und ihre Familie existenzbedrohend gewesen wäre. Bis zum Anwalts- wechsel im Juni 2003 habe sie in jeder Nacht stundenlange Schlaflosigkeit, dauernde schwere Erschöpfungszustände sowie Zustände von Verzweiflung, Mutlosigkeit, Dauerpanik und seelischer Auflösung erlitten. In abgeschwächter Form hat sie dies auch für ihren Ehemann behauptet. Eine äquivalente und adäquate (Mit-)Verursachung der geltend gemachten körperlichen und psychischen Beeinträchtigung durch die fehlerhafte Beratung lässt sich unter diesen Umständen nicht verneinen. Nach dem behaupteten Ausmaß der Belastungen handelt es sich nicht mehr um geringfügige Einwirkungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung, wie sie etwa bei für das Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens aufkommen können und die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1992 - VI ZR 120/91, NJW 1992, 1043; v. 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, 2175 insoweit in BGHZ 122, 363 nicht abgedruckt). Es ist auch davon auszugehen, dass die beschriebenen Beeinträchtigungen trotz der "Vorschädigung" auf Grund des Brandgeschehens letztlich erst durch die anwaltliche Fehlinformation ausgelöst worden sind.
12
3. Die Kriterien der äquivalenten und adäquaten Verursachung führen nicht in allen Fällen zu einer sachgerechten Eingrenzung der Haftung für schadensursächliches Verhalten. Dem Anspruchsgegner darf deshalb nur der Schaden zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm eingetreten ist. Diese Wertung gilt auch im Vertragsrecht. Die Haftung des Schädigers ist dort durch den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht beschränkt. Dies bedeutet für den Bereich der Anwalts- (und Steuerberater )haftung, dass der Berater vertraglich nur für solche Nachteile einzustehen hat, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat (BGHZ 116, 209, 212; 163, 223, 230; BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2947; v. 6. Februar 2002 - III ZR 206/01, NJW 2002, 2459, 2460; v. 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02, WM 2003, 1621, 1622; v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, WM 2007, 567, 568 Rn. 8; v. 15. Januar 2009 - IX ZR 166/07, aaO Rn. 9; Fischer, in Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 756 f). Der Schutzzweck der Beratung ergibt sich hierbei aus dem für den Anwalt erkennbaren Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung verfolgt, und ist objektiv aus Inhalt und Zweck der vom Anwalt geschuldeten Tätigkeit zu bestimmen (BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO). Nach diesen Grundsätzen scheidet ein Schmerzensgeldanspruch aus.
13
a) Nach der im Schrifttum vertretenen Ansicht kommt im Rahmen der vertraglichen Anwaltshaftung ein Schmerzensgeldanspruch aus § 253 Abs. 2 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schutz der in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter des Mandanten in den Bereich der vom Anwalt übernommenen Pflichten fällt. Dies wird etwa bejaht, wenn der Mandant infolge eines Fehlers seines Verteidigers in Haft genommen oder ihm die beantragte Haftverschonung versagt wird (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092; Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 769; Chab AnwBl 2005, 497, 498). Für den Regelfall wird dagegen angenommen, dass ein Anwaltsauftrag nicht auf die Wahrnehmung oder Förderung eines Interesses zur Wahrung der Körperintegrität oder Gesundheit gerichtet ist (Fahrendorf, in Rinsche /Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 766; Fischer, in Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1033, 1035 Fallgestaltung 7) und durch Beratungsfehler verursachte Gesundheitsschäden deshalb keinen Schmerzensgeldanspruch des Mandanten begründen können (Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO; Chab, BRAK-Mitt. 2008, 158, 159). Diese Auffassung schließt an die zu § 847 BGB ergangene Rechtsprechung an, nach der Gesundheitsschädigungen von Mandanten infolge anwaltlicher Fehler bei der Rechtsberatung und Rechtsvertretung außerhalb des Schutzzwecks der Anwaltshaftung liegen und deshalb keinen Schmerzensgeldanspruch auslösen können (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1142, 1143; OLG Braunschweig, Urt. v. 2. November 2000 - 2 U 13/00, n.v., m. Anm. Borgmann BRAK-Mitt. 2001, 290).
14
Der b) Literaturmeinung ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages, der nicht den Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat, kann nicht Grundlage eines Schmerzensgeldanspruchs sein. Die Neuregelung des § 253 Abs. 2 BGB schließt es nicht von vornherein aus, die Haftung aus dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm für immaterielle Schäden einzuschränken. Die Grundsätze über den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht gelten für das gesamte Schadensersatzrecht und lassen sich nicht auf den Bereich von Vermögensschäden beschränken. Sie sind auch im Rahmen der vertraglichen Anwaltshaftung zu berücksichtigen (BGHZ 163, 223, 230; BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 233/96, aaO; v. 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02, aaO; v. 18. Januar 2007 - IX ZR 122/04, aaO). Die von der Revision befürchtete Privilegierung des Anwaltstandes scheidet auch deshalb aus, weil bei der Berücksichtigung der Grundsätze über den Schutzzweck wie auch bei anderen Schuldverhältnissen zu prüfen ist, ob das in § 253 Abs. 2 BGB aufgeführte und verletzte Rechtsgut in den Schutzbereich der im Einzelfall übernommenen Vertragspflicht fällt.
15
(1) So kann etwa im Bereich der Strafverteidigung das in § 253 Abs. 2 BGB genannte Rechtsgut der Freiheit in den Schutzzweck der verletzten Pflicht fallen. In Betracht kann dies kommen, wenn ein Verteidiger den aussichtsreichen Antrag auf Verlegung eines Termins zur Hauptverhandlung unterlässt und sein Mandant infolgedessen nach Ausbleiben im Termin in Untersuchungshaft genommen wird (vgl. KG NJW 2005, 1284, 1285, zu § 847 BGB; Chab BRAKMitt. 2008 aaO; allgemein für den Fall der Freiheitsentziehung auch Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 769). Gleiches wird zu gelten haben, falls infolge eines Fehlers des Anwalts die beantragte Haftverschonung versagt wird (Fischer, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1092). Entsprechende Erwägungen kommen ferner für Mandate bei Unterbringungsmaßnahmen und sonstigen auf Freiheitsentziehung gerichteten Verfahren in Betracht.
16
Eine vertragliche Verpflichtung auf Ersatz des Nichtvermögensschadens kann sich schließlich bei Verletzung einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht ist der Anwalt etwa gehalten, seine Kanzleiräume so einzurichten und zu unterhalten, dass sich seine Mandanten keine Körper- oder Gesundheitsschäden zuziehen (Zugehör , Beraterhaftung nach der Schuldrechtsreform Rn. 150). Bei unzureichender Verkehrssicherung kann deshalb im Verletzungsfalle die Zuerkennung eines Schmerzensgelds in Frage kommen, ohne dass es einer unerlaubten Handlung bedarf (vgl. Fahrendorf, in Rinsche/Fahrendorf/Terbille, aaO Rn. 766).
17
(2) Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung. Der geltend gemachte Anwaltsfehler betrifft eine Hauptpflicht der Beklagten. Er bezieht sich auf einen vorgerichtlichen Beratungsauftrag, der eine vermögensrechtliche Angelegenheit zum Gegenstand hatte, nämlich Zahlungs- und Schadensersatzansprüche Dritter abzuwehren. Das Mandat betraf ausschließlich die Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen der Klägerin und ihres Ehemanns im Zusammenhang mit den Folgen, die sich aus dem durch die Kinder verursachten Brand des angemieteten Wohnhauses ergaben. Der Inhalt des Vertrages war auf die Erteilung ordnungsgemäßer Rechtsauskünfte in diesem vermögensrechtlichen Bereich gerichtet. Der Schutz der Gesundheit der Mandanten gehörte hingegen nicht zu den von den Beklagten übernommenen Pflichten.
Kayser Vill Lohmann
RiBGH Dr. Pape kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben. Fischer Kayser
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.08.2007 - 2/17 O 9/07 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 30.04.2008 - 4 U 176/07 -

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(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.

(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

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b) Ein Rechtsanwalt ist innerhalb der Grenzen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, seinen Auftraggeber umfassend und erschöpfend zu belehren, um ihm eine eigenverantwortliche, sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen , wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen will (BGHZ 171, 261, 263 f, Rn. 9 f; BGH, Urt. v. 13. März 2008 - IX ZR 136/07, WM 2008, 1560, 1561, Rn. 14 f, jeweils mit weiteren Nachweisen ; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 483). Dies gilt in besonderer Weise, wenn ein Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet werden soll. Eigenverantwortlich kann der Mandant diese Entscheidung nur treffen, wenn ihm die Chancen und Risiken der Prozessführung verdeutlicht werden, also die Aussichten, den Prozess zu gewinnen oder zu verlieren. Sodann muss der Mandant über Inhalt und Tragweite des beabsichtigten Vergleichs informiert werden (BGH, Urt. v. 7. Dezember 1995 - IX ZR 238/94, NJW-RR 1996, 567; v. 8. November 2001 - IX ZR 64/01, NJW 2002, 292). Eine Aufklärung in der zweiten Richtung ist insbesondere dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Mandant erwartet , durch einen Vergleich bestimmte Rechtspositionen gewahrt zu wissen, und der Anwalt beabsichtigt, den Vergleich mit einem abweichenden Inhalt abzuschließen (BGH, Urt. v. 14. Januar 1993 - IX ZR 76/92, NJW 1993, 1325).

(1) Abweichend von § 8 Abs. 1 Satz 1 beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage.

(2) Der Versicherer hat abweichend von § 9 Satz 1 auch den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 zu zahlen. Im Fall des § 9 Satz 2 hat der Versicherer den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder, wenn dies für den Versicherungsnehmer günstiger ist, die für das erste Jahr gezahlten Prämien zu erstatten.

(3) Abweichend von § 33 Abs. 1 ist die einmalige oder die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen.

Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.

(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags nach § 62 zu dokumentieren.

(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung oder die Dokumentation nach Absatz 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 206/01 Verkündet am:
6. Juni 2002
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 (Ba), 662
Gibt ein Rechtsanwalt, der von einer Bank den Treuhandauftrag hat, über
ihm ausgehändigte Bürgschaftserklärungen nur unter bestimmten Bedingungen
zu "verfügen", die Bürgschaften pflichtwidrig vorzeitig weiter und kommt
es zu einer Inanspruchnahme der Bank, so muß er die Bank im Wege des
Schadensersatzes so stellen, als wäre diese keine Bürgschaftsverpflichtung
eingegangen; die Schadensersatzpflicht läßt sich nicht im Hinblick auf den
Zweck des Treuhandgeschäfts und der einzelnen Treuhandauflagen einschränken.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 - III ZR 206/01 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juni 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die klagende Bank nimmt den Beklagten, einen Rechtsanwalt, wegen Verletzung eines Treuhandvertrages in Anspruch.
Der Beklagte vertrat die Interessen der SAL A. N. GmbH (im folgenden: SAL). SAL stand in Geschäftsbeziehungen zur Autovermietung A. , der sie im Rahmen eines sog. "Buy-back-Systems" Neuwagen lieferte und verpflichtet war, die Fahrzeuge nach einer gewissen Zeit zu festgelegten Preisen zurückzukaufen. Im Juni 1997 vereinbarte SAL mit der Kfz-B. -
GmbH (im folgenden: B. -GmbH), daû letztere die Abwicklung des Geschäftes mit der A. übernehmen und künftig sämtliche von SAL zurückzunehmenden Fahrzeuge selbst ankaufen und bezahlen sollte. Zur Absicherung der Verbindlichkeiten der SAL gegenüber A. , die bisher durch Bürgschaften der C. -Bank erfolgt war, sollte die B. -GmbH neue Bankbürgschaften stellen.
Unter dem 14. Juli 1997 übersandte die Klägerin, die Hausbank der B. -GmbH, dem Beklagten sieben Bankbürgschaften zum Gesamtbetrag von 1,5 Mio. DM mit einem - vom Beklagten am 15. Juli 1997 unterzeichneten - Treuhandauftrag, wonach der Beklagte über die Unterlagen nur verfügen durfte , wenn sichergestellt war, daû u.a. folgende Bedingungen erfüllt wurden:
"a) Rückgabe sämtlicher bei A. für die ... SAL bestehende(n) Bankbürgschaften an die C. -Bank ...
b) Zahlung eines Betrag(s) in Höhe von DM 1.776.100,36 gemäû Schreiben der SAL vom 10.6.1997 an die ... B. - GmbH auf das bei uns bestehende Konto ...
c) Zustimmung der SAL zur Übernahme der Bürgschaften durch uns und Freistellung der C. -Bank ..." Zu b) war bis dahin ein Betrag von 1.600.000 DM gezahlt. Der Geschäftsführer der B. -GmbH, der dem Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 14. Juli 1997 im Rahmen einer Besprechung vom 15. Juli 1997 übergab , erklärte, den Restbetrag von gut 176.000 DM stunde sein Unternehmen. Daraufhin gab der Beklagte die Bürgschaften an die A. weiter.
In der Folgezeit zahlte die SAL an die B. -GmbH weitere 76.100,36 DM. Der Restbetrag von 100.000 DM blieb offen. SAL geriet in Vermögensverfall. Da SAL auch die Verträge mit A. nicht mehr erfüllte, nahm diese die Klägerin aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Klägerin zahlte an A. insgesamt 792.695,46 DM.
Nachdem sie in einem Vorprozeû den Beklagten zunächst auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 100.000 DM verklagt und im Berufungsrechtszug ein Anerkenntnisurteil erstritten hatte, hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 692.695,46 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, und zwar in erster Instanz Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH, im Berufungsverfahren hilfsweise mit einem solchen Zug-um-Zug-Vorbehalt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Ausgangspunkt ist, daû nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt der Beklagte (schuldhaft) seine - schriftlich klar und deutlich niedergelegten - Pflichten aus dem Treuhandvertrag vom 14. Juli 1997 verletzt hat. Er hat über die ihm zu treuen Händen übergebenen Bürgschaftsurkunden "verfügt", nämlich sie weitergegeben und dadurch den Rechtsakt der Erteilung der Bürgschaftserklärungen der Klägerin an die A. (§ 766 Satz 1 BGB) vollendet, obwohl die Bedingung zu b) (Zahlung von 1.776.100,36 DM durch die SAL an die B. -GmbH) im Hinblick auf noch offene 176.100,36 DM nicht voll erfüllt war.
Soweit die Revisionserwiderung dem entgegenhält, der Beklagte hätte den Umständen nach annehmen dürfen, die Klägerin sei mit der betreffenden Abweichung von der Treuhandauflage einverstanden gewesen (vgl. § 665 BGB), handelt es sich um einen Einwand des Beklagten, mit dem das Berufungsgericht sich nicht befaût hat und den, da es insoweit einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung bedürfte, der Senat als Revisionsgericht nicht abschlieûend beurteilen kann. Für die Revisionsinstanz muû daher unterstellt werden, daû der Beklagte nicht berechtigt war, in dem hier in Rede stehenden Punkt von den schriftlichen Treuhandauflagen der Klägerin abzuweichen.
Ausgehend hiervon steht (im Revisionsverfahren) auch auûer Frage, daû nach den Regeln der haftungsausfüllenden Kausalität eine Einstandspflicht des Beklagten gegeben ist. Hätte er sich vertragsgemäû verhalten , so hätte er - da die Treuhandauflagen der Klägerin nicht voll erfüllt waren - die Bürgschaftsurkunden nicht an die A. herausgegeben; es hätte mithin nicht zu einer Inanspruchnahme der Klägerin aus diesen Bürgschaften kommen können. Daraus ergibt sich zugleich, daû einer Schadensersatzpflicht des
Beklagten auch nicht der Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäûigen Alternativverhaltens (vgl. BGHZ 96, 157, 172 f; Senatsurteil BGHZ 143, 362, 365 f; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 105) entgegenstehen kann.

II.


Das Berufungsgericht begründet die Abweisung der Klage damit, daû der Schaden, dessen Ersatz die Klägerin von dem Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, nicht vom Schutzzweck der Pflichten erfaût werde, die der Beklagte gegenüber der Klägerin in dem Treuhandvertrag vom 14./15. Juli 1997 übernommen habe. Die Treuhandauflage zu b) habe nämlich nur den Sinn gehabt, sicherzustellen, daû der Betrag von knapp 1,8 Mio. DM von der SAL an die B. -GmbH floû. Nicht hingegen habe die Treuhandauflage die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen Bürgschaften seitens dieser Firma in Anspruch genommen zu werden. Letzteres ergebe sich schon daraus, daû der Klägerin nach ihren eigenen Ausführungen durch die Transaktion zwischen der SAL und der B. -GmbH keinerlei Sicherheit für etwaige Rückgriffansprüche gegen die letztgenannte Firma hätten verschafft werden sollen. Damit fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen der von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzung des Beklagten und dem durch Inanspruchnahme der Bürgschaften bei ihr eingetretenen Schaden. Dieser Schaden sei letztlich nur deshalb eingetreten, weil die B. -GmbH entgegen der mit der SAL getroffenen Vereinbarung nicht in deren Pflichten gegenüber der A. eingetreten sei, dieser die Gebrauchtwagen gegen Zahlung des für den Rückkauf vorgesehenen Preises abzunehmen. Aus der Sicht des Beklagten habe es sich hier um einen Kausalverlauf gehandelt , der auûerhalb seines Pflichtenkreises gestanden habe und von ihm nicht mehr habe beeinfluût werden können. Zumindest fehle der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang insoweit, als die Klägerin über den im Vorprozeû eingeklagten Betrag von 100.000 DM hinaus den Ersatz weiterer Schäden begehre. Die Zahlungen der SAL hätten den in der Treuhandauflage ge-
nannten Betrag letztlich nur um 100.000 DM unterschritten. Nachdem der Differenzbetrag Gegenstand des Vorprozesses gewesen und inzwischen vom Beklagten an die Klägerin gezahlt worden sei, stehe sich die Klägerin wirtschaftlich nicht schlechter als sie stünde, wenn im Jahre 1997 der volle Betrag nach der Treuhandauflage an die B. -GmbH gezahlt worden wäre. Hätte der Beklagte damals die fehlenden 100.000 DM aus eigener Tasche an die B. -GmbH gezahlt, dann wäre die Klägerin ebenso wie tatsächlich geschehen in Anspruch genommen worden und hätte gegebenenfalls ihrerseits Rückgriffansprüche gegen die B. -GmbH.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die tatrichterlichen Erwägungen des Berufungsgerichts über den Sinn und Zweck der dem Beklagten erteilten Treuhandauflagen beruhen auf einer fehlerhaften Wertung.
1. Richtig ist, daû nach der vom Bundesgerichtshof grundsätzlich für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannten Schutzzwecklehre eine Schadensersatzpflicht nur besteht, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht fällt. Bei Vertragsverletzungen muû es sich also um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte vertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs aaO Rn. 62 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).
2. Mit Recht rügt jedoch die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, die hier verletzte Treuhandauflage habe nicht die Klägerin davor schützen sollen, aus den gegenüber der A. übernommenen
Bürgschaften seitens dieses Unternehmens in Anspruch genommen zu werden. Das Berufungsgericht stellt maûgeblich auf die Zwecke des Geschäfts ab, dem (auch) die vorliegende Treuhandabrede diente und auf das die Treuhandauflagen abgestimmt waren ("Hintergrund der gesamten Transaktion"). Es berücksichtigt aber nicht, daû in der treuhänderischen Hingabe der Bürgschaften mit der Ermächtigung zur Weitergabe - nur - unter bestimmten Bedingungen wesensgemäû zugleich eine Sicherung für die Klägerin (Treugeberin) lag.

a) Die Rechtsbeziehungen der Partner eines (wie hier: unentgeltlichen) Treuhandvertrages richten sich grundsätzlich nach dem Recht des Auftrags (§§ 662 ff BGB). Nach den dafür geltenden Vorschriften muû dann, wenn das vereinbarte Geschäft bestimmungsgemäû dazu geführt hat, daû der Auftragnehmer vom Auftraggeber zur Ausführung des Auftrags etwas erhalten hat, der Auftragnehmer dem Auftraggeber das Erhaltene (wieder) herausgeben, soweit er es nicht entsprechend der getroffenen Abrede verwendet oder verbraucht hat (§ 667 BGB). Ist der Auftraggeber zur Herausgabe nicht mehr in der Lage, ohne sich insoweit entlasten zu können (vgl. Palandt/Sprau aaO § 667 Rn. 10), so haftet er auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Bei einem Treuhandauftrag mit dem Inhalt, daû der Beauftragte (Treuhänder) unter bestimmten Bedingungen ermächtigt sein soll, über einen ihm vom Auftraggeber (Treugeber ) übergebenen Gegenstand zu verfügen, kommt eine Herausgabepflicht des Beauftragten gemäû § 667 BGB bis zum Eintritt der maûgeblichen - aufschiebenden - Bedingung grundsätzlich immer in Betracht, denn ein solcher Auftrag ist seiner Art nach bis dahin jederzeit widerruflich (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1959 - III ZR 180/58 - VersR 1960, 231, 234; BGH, Urteile vom 19. März 1987 - IX ZR 166/86 - NJW 1987, 3201 f und vom 8. Februar 1990 - IX ZR 63/89 - DNotZ 1990, 661, 663 ff m. Anm. Tönnies). Folgerichtig hat der
Bundesgerichtshof für den Fall des Treuhandauftrags einer Bank an einen Notar ausgesprochen, Zweck der den Notar durch den Treuhandauftrag treffenden Pflichten sei es (auch), den Treugeber dagegen zu schützen, daû der Notar den noch zulässigen Widerruf des Treuhandauftrags und die Rückerstattung des Treuguts vereitelt (Urteil vom 8. Februar 1990 aaO); das begründete die Rechtsfolge, daû der Notar die Bank so stellen muûte, als hätte er pflichtgemäû nicht über das Treugut verfügt.
Es gibt keinen Grund, bei einer vergleichbaren Treuhandabrede einer Bank mit einem Rechtsanwalt die vertraglichen Pflichten und deren Schutzzweck - abgesehen von der Einordnung eines solchen Geschäfts ins Privatrecht statt ins öffentliche Recht wie beim Notar - grundsätzlich anders zu beurteilen. Es gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, die im Streitfall erfolgte Hinterlegung "der Bürgschaften" anders zu behandeln als die treuhänderische Hingabe einer Sache. Zwar hatte die Übergabe der Bürgschaftsurkunden sachenrechtlich nicht dieselbe Bedeutung wie die Übergabe eines Gegenstandes (vgl. § 952 BGB). Wirtschaftlich bedeutete die Einräumung der "Verfügungs" -Befugnis über die Bürgschaften aber nichts anderes als die Übergabe einer Sache: Der Beklagte konnte durch Weitergabe der Urkunden an die A. befugtermaûen die "Erteilung" der Bürgschaften an die Gläubigerin im Rechtssinne bewirken und dadurch die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin auslösen.

b) Wenn aber nach dem typischen Sinn und Zweck eines derartigen Treuhandauftrages der dem Treuhänder zu treuen Händen übergebene Gegenstand für den Treugeber verfügbar bleiben muû - auch im Streitfall hat das Berufungsgericht eine gegenteilige Einigung der Parteien nicht festgestellt -, so
kommt es für die haftungsrechtliche Reichweite des Schutzes der Treuhandabsprache auf die sonstigen mit den Treuhandauflagen verfolgten wirtschaftlichen Zwecke nicht entscheidend an. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Treuhänders und dem eingetretenen Schaden des Treugebers kann mithin auch unter wertenden Gesichtspunkten grundsätzlich nicht verneint werden. Der Treuhänder hat den Treugeber so zu stellen , als hätte er sich pflichtgemäû nach dem Treuhandvertrag verhalten (BGH, Urteil vom 8. Februar 1990 aaO).

c) Damit verbieten sich auch die weiteren Überlegungen des Berufungsgerichts im Sinne der Verneinung oder einer Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Beklagten unter dem Gesichtspunkt, daû den Schaden "letztlich" die B. -GmbH verursacht habe und daû die Klägerin heute wirtschaftlich nicht anders dastünde als sie jetzt dasteht, wenn die offengebliebene Treuhandauflage erfüllt worden und erst dann die Freigabe der Bürgschaften durch den Beklagten erfolgt wäre. Es ist - entgegen der Revisionserwiderung - für den Fall des Verstoûes gegen schriftlich klar und eindeutig festgelegte Treuhandauflagen auch kein Raum für die Anwendung des Grundsatzes, daû ein Auftraggeber unter Umständen gegen Treu und Glauben verstöût, wenn er eine weisungswidrige Ausführung eines Auftrags nicht als Erfüllung gelten lassen will, obwohl die Abweichung sein Interesse überhaupt nicht verletzt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Februar 1980 - II ZR 119/79 - WM 1980, 587, 588).

III.


Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht entscheidungsreif ist, muû die Sache für die erforderliche weitere tatrichterliche Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO a.F.).
Es bleibt dem Berufungsgericht auch überlassen, für den Fall, daû ein weiterer Schadensersatzanspruch der Klägerin in Betracht kommen sollte, zu prüfen, inwieweit sich Rückgriffsansprüche der Klägerin gegen die B. -GmbH auf ihren Anspruch gegen den Beklagten auswirken. Grundsätzlich wird ein Vermögensschaden nicht durch die Möglichkeit eines anderweitigen Ausgleichs ausgeschlossen. Denkbar ist aber - als Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots - ein Zurückbehaltungsrecht des Schädigers, mit dem die Abtretung einer anderweitigen Ausgleichsforderung nach § 255 BGB geltend gemacht wird, wobei die Möglichkeit eines solchen Anspruchs genügt (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - IX ZR 214/95 - NJW 1997, 1008, 1012).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 62/02
Verkündet am:
13. Februar 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wer einen anderen allein auf steuerliche Vorteile einer gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung hinweist, haftet ihm bei einem Fehler grundsätzlich nur für den ausgebliebenen
Steuervorteil und nicht für einen ausgebliebenen Unternehmenserfolg.

b) In den Schutzbereich von (vor-)vertraglichen Pflichten zur richtigen Darstellung
der Vorteile und Risiken einer Gesellschaftsbeteiligung werden in der Regel
nachträglich auch Dritte einbezogen, sobald der Hinweisgeber erfährt, daß sie
in Abstimmung mit dem Erstinteressenten möglicherweise an seiner Stelle in
das Anlagevorhaben eintreten werden. Solchen Dritten gegenüber kann der
Hinweisgeber auch für Fehler und Versäumnisse aus der Unterrichtung des
Erstinteressenten haften, die für die Entschlußbildung der Dritten fortwirken.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2003 durch die Richter Kirchhof, Dr. Ganter, Raebel, Kayser
und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten (vormalige Beklagte zu 2) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2002 einschließlich des Kostenpunktes insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil dieser Beklagten ergangen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Ehemann der Klägerin zu 1, Dr. K. , gründete 1992 zusammen mit der S. GmbH die SI. GmbH (im folgenden : SI. GmbH oder Inhaberin), an welcher sich die Kläger noch im Gründungsjahr mit stillen Einlagen von 700.000 DM und 200.000 DM beteiligten. Beide Gesellschaften kamen nach längeren Verhandlungen zustande, die Dr. K. mit dem Geschäftsführer der Beklagten und der Geschäftsführung der S. GmbH geführt hatte. Die Beklagte, eine Steuerberatungsgesell-
schaft, besorgte vor und während dieser Verhandlungen auch die Buchhaltung der S. GmbH.
Die Kläger erreichten mit ihren stillen Beteiligungen die für 1992 angestrebten steuerlichen Verluste durch Anlaufkosten der SI. GmbH nur zu einem geringen Teil. Die kaufmännischen Ziele der Unternehmung erfüllten sich gleichfalls nicht. Die Konkurseröffnung über das Vermögen der SI. GmbH wurde 1995 mangels Masse abgelehnt.
Das Landgericht hat die Beklagte wegen unrichtiger Darstellung des Steuersachverhaltes verurteilt, den Klägern ihre verlorenen stillen Einlagen zu ersetzen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Die Verurteilung der Beklagten kann mit den bisherigen Feststellungen des Berufungsurteils nicht bestehen bleiben.

I.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin zu 1, Dr. K. , nach den von der Beklagten durch ihren Geschäftsführer im Zuge der Gründungsverhandlungen abgegebenen Erklärungen davon habe ausgehen dürfen, eine stille Beteiligung an der SI. GmbH werde noch im Beteiligungsjahr zu steuerlichen Verlusten in Höhe der erörterten Einlage von
900.000 DM führen. Ohne die Aussicht auf diese Steuervorteile wäre es zu der stillen Gesellschaft der Kläger mit der SI. GmbH nicht gekommen. Nach Annahme des Berufungsgerichts haftet die Beklagte deshalb den Klägern aus einem mit Dr. K. eingegangenen Auskunftsvertrag auch wegen des Verlusts der stillen Einlagen. Die Kläger seien als Dritte in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen worden. Die Beklagte habe seit September 1992 gewußt, daß sich anstelle von Dr. K. womöglich die Kläger in gleicher Form und Höhe an der SI. GmbH beteiligen würden, so daß sich ihre Steuerauskunft gegenüber Dr. K. auf die Anlageentscheidung der Kläger habe auswirken können. Die Unrichtigkeit der Steuerauskunft ergebe sich aus der abweichenden Beurteilung des Finanzamtes, welche auch die Beklagte nicht mehr angreife. Darauf, daß die vermeintlichen Steuervorteile der Kläger nicht Ursache für den Verlust ihres stillen Beteiligungskapitals gewesen seien, komme es rechtlich nicht an.

II.


Demgegenüber rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht die Begrenzung der Rechtsberaterhaftung nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht nicht hinreichend beachtet habe. Dabei kann offen bleiben, ob im Streitfall zwischen Dr. K. und der Beklagten durch schlüssiges Verhalten ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist (vgl. dazu allgemein Zugehör NJW 2000, 1601, 1606 m.w.N.). Die Beklagte hat durch ihren Geschäftsführer, der für sie handelte und Dr. K. persönlich bekannt war, im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dabei die Eingehung der stillen Gesellschaft zwischen den Klägern und der Inhaberin erheblich beeinflußt, so daß zumindest ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu den Klägern bestanden
hat (vgl. jetzt § 311 Abs. 3 BGB). Denn sie hat mit ihren Erklärungen den Beweggrund für die Anlageentscheidung in der Vorstellung der Kläger geschaffen.
1. Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist auch für das Vertragsrecht und für den Bereich vorvertraglicher Schuldverhältnisse anerkannt, daß eine Pflichtverletzung nur zum Ersatz der Schäden führen kann, deren Vermeidung die verletzte Pflicht bezweckt. Bei Kapitalanlagen folgt daraus, daß jemand, der nicht Partner des Anlagegeschäfts ist und dem Anlageinteressenten nur hinsichtlich eines bestimmten für das Vorhaben bedeutsamen Einzelpunktes Aufklärung schuldet, im Falle eines Fehlers lediglich für die Risiken einzustehen braucht, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war (vgl. BGHZ 116, 209, 213; BGH, Urt. v. 20. November 1997 - IX ZR 286/96, NJW 1998, 982, 983; v. 19. Dezember 2000 - XI ZR 349/99, WM 2001, 297, 298; v. 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, WM 2002, 1440, 1441). Zur Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten durch die Beklagte über die Steuerfragen hinaus hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nichts festgestellt. Der Ersatz des verlorenen Anlagekapitals kann dann von den Klägern auf der Grundlage der revisionsrechtlichen Beurteilung (§ 559 ZPO) nicht verlangt werden.
Wenn das Berufungsgericht es für die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der verlorenen stillen Beteiligungen hat genügen lassen, daß die Kläger von der Darstellung des Steuersachverhaltes durch die Beklagte bewogen worden sind, die stille Gesellschaft mit der SI. GmbH einzugehen, so steht dies, ebenso wie die Auffassung der Revisionserwiderung, in Widerspruch zu der eingangs angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die
Haftung bei inhaltlich beschränkter Anlageberatung. Im Falle eines Auskunftsvertrages oder einer vorvertraglichen Hinweispflicht gilt nichts anderes. Denn es kommt in der durch Beschränkung des Pflichtenkreises gekennzeichneten Fallgruppe nicht darauf an, daß erwartete Steuervorteile durch Verlustzuweisungen und das allgemeine Beteiligungswagnis in der Anlageentscheidung zusammengeflossen sind. Vielmehr ist entscheidend, daß der Steuervorteil und der wirtschaftliche Anlageerfolg unabhängig voneinander erreicht oder verfehlt wurden. Jeder Schaden muß daher hier der haftungsbegründenden Pflichtverletzung getrennt zugerechnet werden.
Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet der Streitfall keinen Anlaß. Eine andere Betrachtung vermöchte vorliegend um so weniger einzuleuchten, als gerade infolge des Zusammenbruchs der SI. GmbH das steuerliche Ergebnis des Jahres 1992, auf welches die Kläger nach der Darstellung der Beklagten vertrauen durften, sich im Wege von Verlustrückträgen aus den Jahren 1993/94 (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F.) unter Umständen doch noch erreichen lassen könnte.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Steuerberater ist allerdings ebenso wie ein Rechtsanwalt verpflichtet, trotz eingeschränkten Mandates auch vor anderweitigen Gefahren, die ihm bekannt oder offenkundig sind, zu warnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewußt ist (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 1998 - IX ZR 374/97, WM 1998, 2246, 2247, zur Anwaltshaftung; ähnlich BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 422/99, z.V.b., zur Notarhaftung). Diese erweiterte Warnpflicht kann auch auf die (vor-) vertragliche Haftung für steuerliche Hinweise eines Rechtsberaters zu Anlagevorhaben übertragen werden.

Die Kläger haben in den Vorinstanzen die Beklagte auch mit der Behauptung in Anspruch genommen, ihr Geschäftsführer habe in Kenntnis unrealistischer Erwartungen über die Entwicklung der SI. GmbH gehandelt. Im Kern geht es darum, daß der Geschäftsführer der Beklagten und damit die Beklagte selbst nicht nur falsche Erwartungen über die Marktchancen der SI. GmbH geteilt, sondern einen wesentlichen Wissensvorsprung vor Dr. K. und den Klägern über die mangelnde technisch-wirtschaftliche Leistungskraft des Dienstvertragspartners S. GmbH besessen haben soll. Solche Gelegenheitserkenntnisse hätte die Beklagte auch als bloße steuerliche Hinweisgeberin Dr. K. und den Klägern nicht vorenthalten dürfen, wenn ihr sich Rückwirkungen davon auf das Beteiligungsinteresse an der SI. GmbH aufdrängen mußten.
Das Berufungsgericht hat diesen streitigen Sachvortrag der Kläger, anders als das Landgericht, bisher nur unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Haftung des Geschäftsführers der Beklagten aus vorsätzlich unerlaubter Handlung gewürdigt und diese verneint. Seine knappen Ausführungen dazu genügen für die Annahme einer Vertragsverletzung nicht.

III.


Die Sache ist im gegenwärtigen Stand entgegen der Ansicht der Revision nicht zugunsten der Beklagten spruchreif.
1. Die Verletzung einer vertraglichen Warnpflicht (II. 2.) durch die Beklagte kann derzeit nicht verneint werden, weil die Feststellungen des Berufungsge-
richts in diesem Zusammenhang gleichfalls nicht ausreichen. Rechtsgründe stehen nicht entgegen. Soll die erweiterterte Warnpflicht durch den Steuerberater über nichtsteuerliche Risiken einer Anlage gerade dazu dienen, einen unwissenden Interessenten vor einem drohenden kaufmännischen Mißerfolg zu schützen, kommt eine Haftungsbegrenzung des Steuerberaters auf die ausgebliebenen Steuervorteile der Anlage nicht mehr in Betracht.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Aufklärungspflichten der Beklagten aus ihrem Rechtsverhältnis mit Dr. K. Schutzwirkung zugunsten der Kläger entfalteten. Diese Drittbezogenheit beschränkt sich bei Übernahme einer wirtschaftlichen Beratung oder einer erweiterten Warnpflicht der Beklagten im Rahmen der Darstellung des Steuersachverhaltes auch nicht auf die erteilten steuerlichen Hinweise. Für die Klägerin zu 1 ist das schon infolge der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann eindeutig (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juni 1985 - IVa ZR 55/83, NJW 1986, 1050 f).
Unerheblich ist, ob eine Schutzwirkung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und Dr. K. zugunsten der Kläger von Anfang an bestand. Auch das Berufungsgericht hat eine solche Erstreckung erst vom September 1992 an bejaht, als die Kläger, wie die Beklagte wußte, als Übernehmer einer stillen Beteiligung an der SI. GmbH anstelle des Dr. K. in Betracht kamen. Ein vollständiger Vertragsbeitritt der Kläger, den die Revision verneinen möchte, war nicht erforderlich, um sie nachträglich in die vertragliche Haftung bei Verletzung anlegerschützender Aufklärungspflichten durch die Beklagte einzubeziehen (vgl. Zugehör, aaO 1603).
Der Revision ist zwar zuzugeben, daß eine solche nachträgliche Schutzerstreckung dann hätte problematisch sein können, wenn dadurch das Haf-
tungsrisiko der Beklagten vervielfältigt worden wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Haftungsrisiko der Beklagten hat sich durch den Eintritt der Kläger in das Anlagevorhaben anstelle von Dr. K. nach Art und Höhe nicht verändert. Anders als die Revision meint, haftet die Beklagte den Klägern gegenüber auch nicht nur für solche Fehler und Versäumnisse, die ihr erst für die Zeit nach der Schutzerstreckung vorzuwerfen sind. Das mag grundsätzlich so sein, liegt hier aber anders. Denn die Beklagte war auch verpflichtet, in der Zeit vor Schutzerstreckung von ihr bereits gegenüber Dr. K. pflichtwidrig hervorgerufene oder aufrecht erhaltene Fehlvorstellungen, die fortwirkten, nach Erstrekkung zum Schutz der Kläger jederzeit durch weitere Aufklärung auszuräumen.

IV.


Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 ZPO). Bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte vertragliche Warnpflichten verletzt hat, wird sich das Berufungsgericht mit den Feststellungen des Landgerichts (vgl. LGU 10 f) auseinandersetzen müssen. Sollten diese Feststellungen zutreffen, so können der Beklagten die Beteiligungsverluste der Kläger auch aus anderem Grund haftungsrechtlich nicht angelastet werden. Denn die Beklagte hätte dann keine erweiterte Warnpflicht zu der technisch -wirtschaftlichen Leistungskraft des Dienstvertragspartners S. GmbH verletzt, weil Dr. K. im Rahmen der Vorgespräche in alle maßgebenden Umstände eingeweiht worden sein soll. Dem ist jedoch die Berufung der Kläger (Berufungsbegründung S. 25 ff = GA IV 896 ff) in erheblicher Weise entgegengetreten. Es ist danach nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte hinsichtlich der nach dem Klägervorbringen noch nicht ausgereiften technischen Fähigkeiten der S. GmbH, die für die geplante Chipkartenproduktion der SI.
GmbH eingesetzt werden sollten, über einen entscheidenden Wis- sensvorsprung verfügte. Zu klären ist demnach, ob ein solcher technischer Entwicklungsrückstand bei der S. GmbH tatsächlich vorlag, ob nur die Beklagte davon wußte, Dr. K. und die Kläger aber nicht, ob die Kläger in Kenntnis des erhöhten Wagnisses von den stillen Beteiligungen an der SI. GmbH abgesehen hätten, die erwarteten Steuervorteile insoweit also nicht der ausschließliche Beweggrund geblieben wären, und ob die Beklagte nach den Umständen ihren etwaigen Wissensvorsprung zumindest fahrlässig verschwiegen hat.
Kirchhof Ganter Raebel
Kayser Bergmann

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 62/02
Verkündet am:
13. Februar 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wer einen anderen allein auf steuerliche Vorteile einer gesellschaftsrechtlichen
Beteiligung hinweist, haftet ihm bei einem Fehler grundsätzlich nur für den ausgebliebenen
Steuervorteil und nicht für einen ausgebliebenen Unternehmenserfolg.

b) In den Schutzbereich von (vor-)vertraglichen Pflichten zur richtigen Darstellung
der Vorteile und Risiken einer Gesellschaftsbeteiligung werden in der Regel
nachträglich auch Dritte einbezogen, sobald der Hinweisgeber erfährt, daß sie
in Abstimmung mit dem Erstinteressenten möglicherweise an seiner Stelle in
das Anlagevorhaben eintreten werden. Solchen Dritten gegenüber kann der
Hinweisgeber auch für Fehler und Versäumnisse aus der Unterrichtung des
Erstinteressenten haften, die für die Entschlußbildung der Dritten fortwirken.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - IX ZR 62/02 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2003 durch die Richter Kirchhof, Dr. Ganter, Raebel, Kayser
und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten (vormalige Beklagte zu 2) wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2002 einschließlich des Kostenpunktes insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil dieser Beklagten ergangen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Ehemann der Klägerin zu 1, Dr. K. , gründete 1992 zusammen mit der S. GmbH die SI. GmbH (im folgenden : SI. GmbH oder Inhaberin), an welcher sich die Kläger noch im Gründungsjahr mit stillen Einlagen von 700.000 DM und 200.000 DM beteiligten. Beide Gesellschaften kamen nach längeren Verhandlungen zustande, die Dr. K. mit dem Geschäftsführer der Beklagten und der Geschäftsführung der S. GmbH geführt hatte. Die Beklagte, eine Steuerberatungsgesell-
schaft, besorgte vor und während dieser Verhandlungen auch die Buchhaltung der S. GmbH.
Die Kläger erreichten mit ihren stillen Beteiligungen die für 1992 angestrebten steuerlichen Verluste durch Anlaufkosten der SI. GmbH nur zu einem geringen Teil. Die kaufmännischen Ziele der Unternehmung erfüllten sich gleichfalls nicht. Die Konkurseröffnung über das Vermögen der SI. GmbH wurde 1995 mangels Masse abgelehnt.
Das Landgericht hat die Beklagte wegen unrichtiger Darstellung des Steuersachverhaltes verurteilt, den Klägern ihre verlorenen stillen Einlagen zu ersetzen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Die Verurteilung der Beklagten kann mit den bisherigen Feststellungen des Berufungsurteils nicht bestehen bleiben.

I.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Ehemann der Klägerin zu 1, Dr. K. , nach den von der Beklagten durch ihren Geschäftsführer im Zuge der Gründungsverhandlungen abgegebenen Erklärungen davon habe ausgehen dürfen, eine stille Beteiligung an der SI. GmbH werde noch im Beteiligungsjahr zu steuerlichen Verlusten in Höhe der erörterten Einlage von
900.000 DM führen. Ohne die Aussicht auf diese Steuervorteile wäre es zu der stillen Gesellschaft der Kläger mit der SI. GmbH nicht gekommen. Nach Annahme des Berufungsgerichts haftet die Beklagte deshalb den Klägern aus einem mit Dr. K. eingegangenen Auskunftsvertrag auch wegen des Verlusts der stillen Einlagen. Die Kläger seien als Dritte in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen worden. Die Beklagte habe seit September 1992 gewußt, daß sich anstelle von Dr. K. womöglich die Kläger in gleicher Form und Höhe an der SI. GmbH beteiligen würden, so daß sich ihre Steuerauskunft gegenüber Dr. K. auf die Anlageentscheidung der Kläger habe auswirken können. Die Unrichtigkeit der Steuerauskunft ergebe sich aus der abweichenden Beurteilung des Finanzamtes, welche auch die Beklagte nicht mehr angreife. Darauf, daß die vermeintlichen Steuervorteile der Kläger nicht Ursache für den Verlust ihres stillen Beteiligungskapitals gewesen seien, komme es rechtlich nicht an.

II.


Demgegenüber rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht die Begrenzung der Rechtsberaterhaftung nach dem Schutzzweck der verletzten Pflicht nicht hinreichend beachtet habe. Dabei kann offen bleiben, ob im Streitfall zwischen Dr. K. und der Beklagten durch schlüssiges Verhalten ein Auskunftsvertrag zustande gekommen ist (vgl. dazu allgemein Zugehör NJW 2000, 1601, 1606 m.w.N.). Die Beklagte hat durch ihren Geschäftsführer, der für sie handelte und Dr. K. persönlich bekannt war, im besonderen Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dabei die Eingehung der stillen Gesellschaft zwischen den Klägern und der Inhaberin erheblich beeinflußt, so daß zumindest ein vorvertragliches Schuldverhältnis zu den Klägern bestanden
hat (vgl. jetzt § 311 Abs. 3 BGB). Denn sie hat mit ihren Erklärungen den Beweggrund für die Anlageentscheidung in der Vorstellung der Kläger geschaffen.
1. Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist auch für das Vertragsrecht und für den Bereich vorvertraglicher Schuldverhältnisse anerkannt, daß eine Pflichtverletzung nur zum Ersatz der Schäden führen kann, deren Vermeidung die verletzte Pflicht bezweckt. Bei Kapitalanlagen folgt daraus, daß jemand, der nicht Partner des Anlagegeschäfts ist und dem Anlageinteressenten nur hinsichtlich eines bestimmten für das Vorhaben bedeutsamen Einzelpunktes Aufklärung schuldet, im Falle eines Fehlers lediglich für die Risiken einzustehen braucht, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war (vgl. BGHZ 116, 209, 213; BGH, Urt. v. 20. November 1997 - IX ZR 286/96, NJW 1998, 982, 983; v. 19. Dezember 2000 - XI ZR 349/99, WM 2001, 297, 298; v. 6. Juni 2002 - III ZR 206/01, WM 2002, 1440, 1441). Zur Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten durch die Beklagte über die Steuerfragen hinaus hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nichts festgestellt. Der Ersatz des verlorenen Anlagekapitals kann dann von den Klägern auf der Grundlage der revisionsrechtlichen Beurteilung (§ 559 ZPO) nicht verlangt werden.
Wenn das Berufungsgericht es für die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der verlorenen stillen Beteiligungen hat genügen lassen, daß die Kläger von der Darstellung des Steuersachverhaltes durch die Beklagte bewogen worden sind, die stille Gesellschaft mit der SI. GmbH einzugehen, so steht dies, ebenso wie die Auffassung der Revisionserwiderung, in Widerspruch zu der eingangs angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die
Haftung bei inhaltlich beschränkter Anlageberatung. Im Falle eines Auskunftsvertrages oder einer vorvertraglichen Hinweispflicht gilt nichts anderes. Denn es kommt in der durch Beschränkung des Pflichtenkreises gekennzeichneten Fallgruppe nicht darauf an, daß erwartete Steuervorteile durch Verlustzuweisungen und das allgemeine Beteiligungswagnis in der Anlageentscheidung zusammengeflossen sind. Vielmehr ist entscheidend, daß der Steuervorteil und der wirtschaftliche Anlageerfolg unabhängig voneinander erreicht oder verfehlt wurden. Jeder Schaden muß daher hier der haftungsbegründenden Pflichtverletzung getrennt zugerechnet werden.
Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet der Streitfall keinen Anlaß. Eine andere Betrachtung vermöchte vorliegend um so weniger einzuleuchten, als gerade infolge des Zusammenbruchs der SI. GmbH das steuerliche Ergebnis des Jahres 1992, auf welches die Kläger nach der Darstellung der Beklagten vertrauen durften, sich im Wege von Verlustrückträgen aus den Jahren 1993/94 (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG a.F.) unter Umständen doch noch erreichen lassen könnte.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Steuerberater ist allerdings ebenso wie ein Rechtsanwalt verpflichtet, trotz eingeschränkten Mandates auch vor anderweitigen Gefahren, die ihm bekannt oder offenkundig sind, zu warnen, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewußt ist (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juli 1998 - IX ZR 374/97, WM 1998, 2246, 2247, zur Anwaltshaftung; ähnlich BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 - IX ZR 422/99, z.V.b., zur Notarhaftung). Diese erweiterte Warnpflicht kann auch auf die (vor-) vertragliche Haftung für steuerliche Hinweise eines Rechtsberaters zu Anlagevorhaben übertragen werden.

Die Kläger haben in den Vorinstanzen die Beklagte auch mit der Behauptung in Anspruch genommen, ihr Geschäftsführer habe in Kenntnis unrealistischer Erwartungen über die Entwicklung der SI. GmbH gehandelt. Im Kern geht es darum, daß der Geschäftsführer der Beklagten und damit die Beklagte selbst nicht nur falsche Erwartungen über die Marktchancen der SI. GmbH geteilt, sondern einen wesentlichen Wissensvorsprung vor Dr. K. und den Klägern über die mangelnde technisch-wirtschaftliche Leistungskraft des Dienstvertragspartners S. GmbH besessen haben soll. Solche Gelegenheitserkenntnisse hätte die Beklagte auch als bloße steuerliche Hinweisgeberin Dr. K. und den Klägern nicht vorenthalten dürfen, wenn ihr sich Rückwirkungen davon auf das Beteiligungsinteresse an der SI. GmbH aufdrängen mußten.
Das Berufungsgericht hat diesen streitigen Sachvortrag der Kläger, anders als das Landgericht, bisher nur unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen Haftung des Geschäftsführers der Beklagten aus vorsätzlich unerlaubter Handlung gewürdigt und diese verneint. Seine knappen Ausführungen dazu genügen für die Annahme einer Vertragsverletzung nicht.

III.


Die Sache ist im gegenwärtigen Stand entgegen der Ansicht der Revision nicht zugunsten der Beklagten spruchreif.
1. Die Verletzung einer vertraglichen Warnpflicht (II. 2.) durch die Beklagte kann derzeit nicht verneint werden, weil die Feststellungen des Berufungsge-
richts in diesem Zusammenhang gleichfalls nicht ausreichen. Rechtsgründe stehen nicht entgegen. Soll die erweiterterte Warnpflicht durch den Steuerberater über nichtsteuerliche Risiken einer Anlage gerade dazu dienen, einen unwissenden Interessenten vor einem drohenden kaufmännischen Mißerfolg zu schützen, kommt eine Haftungsbegrenzung des Steuerberaters auf die ausgebliebenen Steuervorteile der Anlage nicht mehr in Betracht.
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Aufklärungspflichten der Beklagten aus ihrem Rechtsverhältnis mit Dr. K. Schutzwirkung zugunsten der Kläger entfalteten. Diese Drittbezogenheit beschränkt sich bei Übernahme einer wirtschaftlichen Beratung oder einer erweiterten Warnpflicht der Beklagten im Rahmen der Darstellung des Steuersachverhaltes auch nicht auf die erteilten steuerlichen Hinweise. Für die Klägerin zu 1 ist das schon infolge der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann eindeutig (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juni 1985 - IVa ZR 55/83, NJW 1986, 1050 f).
Unerheblich ist, ob eine Schutzwirkung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und Dr. K. zugunsten der Kläger von Anfang an bestand. Auch das Berufungsgericht hat eine solche Erstreckung erst vom September 1992 an bejaht, als die Kläger, wie die Beklagte wußte, als Übernehmer einer stillen Beteiligung an der SI. GmbH anstelle des Dr. K. in Betracht kamen. Ein vollständiger Vertragsbeitritt der Kläger, den die Revision verneinen möchte, war nicht erforderlich, um sie nachträglich in die vertragliche Haftung bei Verletzung anlegerschützender Aufklärungspflichten durch die Beklagte einzubeziehen (vgl. Zugehör, aaO 1603).
Der Revision ist zwar zuzugeben, daß eine solche nachträgliche Schutzerstreckung dann hätte problematisch sein können, wenn dadurch das Haf-
tungsrisiko der Beklagten vervielfältigt worden wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Haftungsrisiko der Beklagten hat sich durch den Eintritt der Kläger in das Anlagevorhaben anstelle von Dr. K. nach Art und Höhe nicht verändert. Anders als die Revision meint, haftet die Beklagte den Klägern gegenüber auch nicht nur für solche Fehler und Versäumnisse, die ihr erst für die Zeit nach der Schutzerstreckung vorzuwerfen sind. Das mag grundsätzlich so sein, liegt hier aber anders. Denn die Beklagte war auch verpflichtet, in der Zeit vor Schutzerstreckung von ihr bereits gegenüber Dr. K. pflichtwidrig hervorgerufene oder aufrecht erhaltene Fehlvorstellungen, die fortwirkten, nach Erstrekkung zum Schutz der Kläger jederzeit durch weitere Aufklärung auszuräumen.

IV.


Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 ZPO). Bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte vertragliche Warnpflichten verletzt hat, wird sich das Berufungsgericht mit den Feststellungen des Landgerichts (vgl. LGU 10 f) auseinandersetzen müssen. Sollten diese Feststellungen zutreffen, so können der Beklagten die Beteiligungsverluste der Kläger auch aus anderem Grund haftungsrechtlich nicht angelastet werden. Denn die Beklagte hätte dann keine erweiterte Warnpflicht zu der technisch -wirtschaftlichen Leistungskraft des Dienstvertragspartners S. GmbH verletzt, weil Dr. K. im Rahmen der Vorgespräche in alle maßgebenden Umstände eingeweiht worden sein soll. Dem ist jedoch die Berufung der Kläger (Berufungsbegründung S. 25 ff = GA IV 896 ff) in erheblicher Weise entgegengetreten. Es ist danach nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte hinsichtlich der nach dem Klägervorbringen noch nicht ausgereiften technischen Fähigkeiten der S. GmbH, die für die geplante Chipkartenproduktion der SI.
GmbH eingesetzt werden sollten, über einen entscheidenden Wis- sensvorsprung verfügte. Zu klären ist demnach, ob ein solcher technischer Entwicklungsrückstand bei der S. GmbH tatsächlich vorlag, ob nur die Beklagte davon wußte, Dr. K. und die Kläger aber nicht, ob die Kläger in Kenntnis des erhöhten Wagnisses von den stillen Beteiligungen an der SI. GmbH abgesehen hätten, die erwarteten Steuervorteile insoweit also nicht der ausschließliche Beweggrund geblieben wären, und ob die Beklagte nach den Umständen ihren etwaigen Wissensvorsprung zumindest fahrlässig verschwiegen hat.
Kirchhof Ganter Raebel
Kayser Bergmann

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.