Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2005 - IV ZR 96/04

bei uns veröffentlicht am14.12.2005
vorgehend
Landgericht Frankfurt (Oder), 13 O 208/02, 15.04.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 96/04 Verkündetam:
14.Dezember2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2005

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2) wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. Februar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin hatte einen rechtskräftig gewordenen Titel gegen die Ehefrau des früheren Beklagten zu 1) und Mutter des Beklagten zu 2) wegen einer Forderung auf Darlehensrückzahlung in Höhe von 82.500 DM erwirkt. Nach Ansicht der Klägerin steht der Vollstreckungsschuldnerin ein fälliger Anspruch gegen die Beklagten zu, weil die Schuldnerin den Betrag ihrerseits als Darlehen an diese weitergegeben habe. Diesen Anspruch, den sie aufgrund des Titels gepfändet und sich zur Einziehung hat überweisen lassen, macht sie im vorliegenden Verfahren geltend.
2
der In ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19. November 2002, die in Anwesenheit der Klägerin und beider Beklagter stattfand, stellte der gemeinsame Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu der (zum Teil von der Klägerin zurückgenommenen) Klage keinen Antrag. Das Landgericht erließ auf Antrag der Klägerin ein Teilversäumnis - und Kostenschlussurteil, in dem beide Beklagte als Gesamtschuldner in Höhe von 42.181,58 € nebst Zinsen verurteilt wurden.
3
Gegen dieses Urteil ging rechtzeitig ein Einspruch ein, dessen erster Satz wie folgt formuliert war: In dem Rechtsstreit [Name des Beklagten zu 1)] ./. [Name der Klägerin] lege ich namens und in Vollmacht des Beklagten Einspruch gegen das Versäumnisurteil … vom 19. November 2002 … ein. …
4
Nach Verhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache sowie nach Beweisaufnahme hob das Landgericht das Versäumnisurteil vom 19. November 2002 auf und wies die Klage bezüglich beider Beklagter ab.
5
Die Klägerin legte Berufung ein, die sie nach einem Hinweis des Oberlandesgerichts aber bezüglich des Beklagten zu 1) zurücknahm. Bezüglich des Beklagten zu 2) verwarf das Oberlandesgericht dessen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 19. November 2002 als un- zulässig. Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich der Beklagte zu 2) mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
7
I. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen geprüft, ob der Beklagte zu 2) rechtzeitig Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 19. November 2002 eingelegt hat. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen , dass den Anforderungen an eine Einspruchsschrift gemäß § 340 ZPO ebenso wie an eine Berufungsschrift (§ 519 Abs. 2 ZPO) nur genügt ist, wenn innerhalb der Einspruchsfrist angegeben wird, für wen und gegen wen der Einspruch eingelegt werden soll, dass durch ein solches Erfordernis aber der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen unter Beachtung der Verfahrensgarantien des Grundgesetzes nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - NJW 1996, 320 unter II 1 und 2; vom 11. Februar 1999 - V ZB 27/98 - NJW-RR 1999, 938 unter II 1 a und b).
8
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist im Streitfall allein der Beklagte zu 1) als Einspruchsführer anzusehen, weil nach dem Wortlaut der Einspruchsschrift Einspruch nur in Vollmacht "des Beklagten" (nicht etwa "der Beklagten") eingelegt und einleitend bei der Bezeichnung des Rechtsstreits nur der Name des Beklagten zu 1) (neben dem der Klägerin ) angegeben worden sei. Auf mündliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin vom 19. November 2002, etwa dergestalt, das zu erwartende Versäumnisurteil für beide Beklagten anfechten zu wollen, komme es nicht an; der Einspruch müsse auch für später mit der Sache befasste Richter verständlich sein, die an der dem Versäumnisurteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht teilgenommen hätten. Weder aus dem weiteren Inhalt der Einspruchsschrift noch aus anderen, bis zum Ablauf der Einspruchsfrist zu den Akten gelangten Unterlagen sei zu entnehmen, dass auch der Beklagte zu 2) Einspruchsführer habe sein sollen. Zwar gehe aus der späteren Einspruchsbegründung hervor, dass sich beide Beklagten gegen das Versäumnisurteil wenden; der Einspruch sei aber nicht mehr innerhalb der Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) begründet worden. Auch eine Wiedereinsetzung in die vom Beklagten zu 2) versäumte Einspruchsfrist komme u.a. im Hinblick auf das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten bei der Abfassung des Einspruchs nicht in Betracht.
9
II. Dem folgt der Senat nicht.
10
1. Die Auslegung von Prozesshandlungen wie des hier zu beurteilenden Einspruchs unterliegt freier revisionsrechtlicher Nachprüfung; sie orientiert sich an dem Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht. Deshalb ist nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei festzuhal- ten (BGHZ 146, 298, 310; Urteile vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98 - NJW-RR 2000, 1446; vom 5. April 2001 - VII ZR 135/00 - NJW 2001, 2094 unter II 2 b). Für die Auslegung eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels kommt es auf alle innerhalb der Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist zugänglichen Umstände an. Die Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten, die sich aus deren Grundrechten ergibt , geht allerdings nicht so weit, die Interessen einer nachlässigen Partei zu Lasten des Gegners zu wahren. Auch die wohlverstandenen Interessen des Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelführers gebieten Zurückhaltung , wenn Auslegungszweifel nicht zu beheben sind (BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01 - NJW 2003, 3203 unter II).
11
2. a) Die Formulierung in der Einspruchsschrift, der Rechtsbehelf werde in Vollmacht "des Beklagten" eingelegt, schließt hier für sich genommen die Annahme nicht aus, der Einspruch werde in Wahrheit für beide Beklagten eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der das Einspruchsschreiben unterschrieben hat, hatte sich für beide Beklagten legitimiert und beide in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vertreten. Mit der Wendung "… in Vollmacht des Beklagten" konnte jeder der beiden Beklagten gemeint sein.
12
b) Im Hinblick auf die vorangegangene Vertretung beider Beklagter durch denselben Anwalt, der auch den Einspruch eingelegt hat, hätte eine Beschränkung des nach dem Versäumnisurteil fortzusetzenden Verfahrens nur auf einen der beiden Beklagten einen in diese Richtung gehenden Hinweis im Einspruchsschreiben erwarten lassen. Allein die Verwendung des bestimmten Artikels vor dem (insofern doppeldeutigen) Wort "Beklagten" rechtfertigt einen solchen Schluss nicht. In Betracht kam vielmehr, dass ein Schreibfehler bei der Abfassung des Einspruchsschreibens unterlaufen sein könnte, durch den aus einem an sich gemeinten "… in Vollmacht der Beklagten" der tatsächlich geschriebene Text "… in Vollmacht des Beklagten" geworden war. Über Zielrichtung und Gründe des eingelegten Einspruchs äußert sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Einspruchsschreiben mit keinem Wort, sondern bittet unmittelbar im Anschluss an den einleitenden Satz über die Einspruchseinlegung im Hinblick auf seinen am Tage nach Abfassung des Einspruchsschreibens beginnenden Jahresurlaub um eine Verlängerung der "Frist zur ausführlichen Stellungnahme" (vgl. § 340 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Abschließend verweist der Prozessbevollmächtigte zur Glaubhaftmachung auf eine Kopie seiner Reisereservierung. Unter diesen Umständen lag erst recht ein Schreibfehler im Einleitungssatz nahe, der von dem unterzeichnenden Prozessbevollmächtigten am Tage vor seinem Urlaub übersehen worden sein konnte.
13
Dass c) der Einspruch allein für den Beklagten zu 1) eingelegt werden sollte, lässt sich hier auch nicht aus der Parteibezeichnung im Eingang des Einspruchsschreibens entnehmen ("[Name des Beklagten zu 1)] ./. [Name der Klägerin]"). Dass auf der Seite der Einspruchsführer nur der Name des Beklagten zu 1) ohne einen Zusatz wie "u.a." angeführt ist, zwingt nicht zu dem Schluss, dass allein dieser der Einspruchsführer hätte sein sollen. In seiner Verteidigungsanzeige hatte der Beklagtenvertreter zur Bezeichnung des Rechtsstreits dem Namen des Beklagten zu 1) zwar den Zusatz "u.a." hinzugefügt. In der Klageerwiderung, dem letzten Schriftsatz des Anwalts vor dem Einspruchsschreiben, war der Name des Beklagten zu 1) an der entsprechenden Stelle aber allein und ohne jeden, auf den Beklagten zu 2) hindeutenden Zusatz aufgeführt worden. Dabei wurde in der Klageerwiderung ihrem Inhalt nach durchaus nicht nur der Beklagte zu 1), sondern ebenso auch der Beklagte zu 2) verteidigt. Dort ist u.a. vorgetragen worden, die nach dem Vorbringen der Klägerin in den Jahren 1996 und 1997 erfolgten Zahlungen an die Ehefrau des Beklagten zu 1) und Mutter des Beklagten zu 2) hätten nicht als Darlehen mit dem Zweck, den Kaufpreis für ein von beiden Beklagten je zur ideellen Hälfte erworbenes Hausgrundstück zu bezahlen, an diese weitergereicht worden sein können, weil der Preis für dieses Grundstück schon 1995 durch den Beklagten zu 1) mit einer Zahlung von dessen Konto getilgt worden sei. Damit war eine Darlehensgewährung zum Zweck, den Kaufpreis für das Grundstück aufzubringen, nicht nur im Hinblick auf den Beklagten zu 1) bestritten worden, sondern überhaupt und damit auch im Hinblick auf den Beklagten zu 2).
14
der Aus Klageerwiderung ist mithin zu schließen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei der einleitenden Parteibezeichnung den Namen des Beklagten zu 1) stellvertretend für alle Beklagten gebrauchte, selbst wenn dem Namen des Beklagten zu 1) kein Zusatz wie etwa "u.a." beigefügt war. In diese Richtung weist auch die Parteibezeichnung , die der Prozessbevollmächtigte im Kopf aller seiner, dem Einspruchsschreiben vorangegangenen Schriftsätze ebenso wie im Einspruchsschreiben selbst neben der Angabe seines anwaltlichen Aktenzeichens verwendet; dort ist für die Beklagten stets nur der Name des Beklagten zu 1) ohne weiteren Zusatz angegeben.
15
d) Für die Vermutung des Berufungsgerichts, dass sich ein Säumiger unabhängig von der Sach- und Rechtslage etwa aus familiären oder freundschaftlichen Bindungen entschlossen haben könnte, von einem Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil vom 19. November 2002 abzusehen , gibt es hier keine Anhaltspunkte. Eine Auslegung des Einspruchsschreibens im Sinne dessen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftigerweise im Interesse auch des Beklagten zu 2) lag, musste hier zweifelsfrei zu dem Ergebnis gelangen, dass der Einspruch auch für den Beklagten zu 2) eingelegt worden ist. Damit werden insbesondere die Interessen der Klägerin als Prozessgegnerin nicht unzumutbar beeinträchtigt. Für sie waren die zur Auslegung des Einspruchsschreibens als Einspruch beider Beklagter führenden Gesichtspunkte ebenso wie für das Gericht erkennbar. Bezeichnenderweise hat sie bis zum Hinweis des Berufungsgerichts auf die letztlich von diesem vertretene Auslegung des Einspruchsschreibens auch nicht geltend gemacht , der Einspruch sei nur vom Beklagten zu 1) eingelegt worden oder hinsichtlich der Person des Einspruchsführers unklar.
16
3. Im Übrigen hätte das Landgericht, das ebenso wie in erster Instanz die Klägerin allem Anschein nach keinen Zweifel daran hatte, dass der Einspruch auch für den Beklagten zu 2) eingelegt worden sei, wenn ihm insoweit Bedenken gekommen wären, angesichts des Gewichts der hier für einen Schreibfehler des Prozessbevollmächtigten der Beklagten sprechenden Gesichtspunkte diesem einen Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO geben müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Gericht unter besonderen Umständen aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten sein, einem drohenden Fristversäumnis, auch wenn es auf mangelnder Sorgfalt des Anwalts beruht, entgegenzuwirken (z.B. durch Weiterleiten fristgebundener Schriftsätze an das zuständige Gericht, vgl. BVerfG NJW 1995, 3173, 3175; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - NJW 1998, 908 unter II 2; oder durch Wiederein- Wiedereinsetzung im Fall eines unsinnigen Fristverlängerungsantrags vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97 - NJW 1998, 2291 unter II 2 c). Der Einspruch ist hier bereits am Tage nach der Zustellung des Versäumnisurteils beim Landgericht eingegangen. Es wäre deshalb möglich gewesen, nach einem im ordentlichen Geschäftsgang erteilten Hinweis des Gerichts noch rechtzeitig innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen (§ 339 Abs. 1 ZPO) klarzustellen, wer hier Einspruchsführer sein sollte. Diese auf der Hinweispflicht beruhende Chance darf dem Beklagten zu 2) nicht dadurch genommen werden, dass sich das Gericht - wie hier in zweiter Instanz - die zu einem Hinweis verpflichtende Rechtsauffassung erst zu einem Zeitpunkt zu eigen macht, in dem der Hinweis wegen des Ablaufs der Einspruchsfrist nutzlos ist.

17
Danach wird das Berufungsgericht, wenn die Klägerin das Rechtsmittel gegenüber dem Beklagten zu 2) aufrechterhält, über die Begründetheit der Klage entscheiden müssen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 15.04.2003 - 13 O 208/02 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 25.02.2004 - 3 U 92/03 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 339 Einspruchsfrist


(1) Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils. (2) Muss die Zustellung im Ausland erfolgen, so beträgt die Einspruchsfrist einen Monat. Das Gericht kann im Versäumnisurteil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 340 Einspruchsschrift


(1) Der Einspruch wird durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt. (2) Die Einspruchsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urt

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 233/01 Verkündet am: 11. Juli 2003 Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja
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bei uns veröffentlicht am 05.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 257/08 Verkündet am: 5. Oktober 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Der Einspruch wird durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt.

(2) Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

(3) In der Einspruchsschrift hat die Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht, sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende für die Begründung die Frist verlängern, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt. § 296 Abs. 1, 3, 4 ist entsprechend anzuwenden. Auf die Folgen einer Fristversäumung ist bei der Zustellung des Versäumnisurteils hinzuweisen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

(2) Muss die Zustellung im Ausland erfolgen, so beträgt die Einspruchsfrist einen Monat. Das Gericht kann im Versäumnisurteil auch eine längere Frist bestimmen.

(3) Muss die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
VII ZR 135/00 Verkündet am:
5. April 2001
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
Eine isoliert gegen den am Prozeß bisher nicht beteiligten Zedenten (hier: Architekt)
bei seinem Gerichtsstand erhobene Drittwiderklage ist zulässig, wenn deren Gegenstand
sich deckt mit dem Gegenstand der hilfsweise gegenüber der Klage des Zessionars
zur Aufrechnung gestellten Forderung.
BGH, Urteil vom 5. April 2001 - VII ZR 135/00 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und Drittwiderkläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Februar 2000 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten und Drittwiderkläger wird das Teilurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 8. Oktober 1999 abgeändert. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Drittwiderklage. Der Drittwiderbeklagte ist Architekt. Nach seiner Auffassung besteht aus einem Vertrag mit den Beklagten eine Honorarforderung in Höhe von 316.690,80 DM. Einen Teil von 191.394,79 DM hat er nach seiner Behauptung an den Kläger, die V. e.V., abgetreten. Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung des Architektenhonorars in abgetretener Höhe verklagt. Die Beklagten haben die Abtretung
und deren Wirksamkeit sowie Grund und Höhe der Honorarforderung bestritten. Hilfsweise haben sie die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe der Abschlagszahlungen von 127.578,35 DM erklärt. Den Schadensersatzanspruch haben sie damit begründet, die Planungsleistungen des Drittwiderbeklagten seien mangelhaft und unbrauchbar. Gleichzeitig haben die Beklagten Widerklage in dieser Höhe gegen den bis dahin am Verfahren nicht beteiligten Architekten erhoben, mit der sie den Schadensersatzanspruch verfolgen. Dieser hat seinen allgemeinen Gerichtsstand am Gerichtsstand der Klage. Das Landgericht hat durch Teilurteil die Drittwiderklage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten. Der Drittwiderbeklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Urteile des Berufungs - und Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht , § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung des Senats beruht nicht auf der Säumnis des Drittwiderbeklagten.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2000, 901 veröffentlicht ist, hält die Drittwiderklage für unzulässig, weil sie sich ausschließlich gegen einen am Prozeß bislang nicht beteiligten Dritten richte. Grundsätzlich könne die Widerklage gegen einen Dritten nur wirksam erhoben werden, wenn sie
sich zugleich gegen den Kläger richte. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht geboten. Die Widerklage sei zudem unzulässig, weil sie bedingt erhoben worden sei. Die Beklagten hätten in der mündlichen Verhandlung klar gestellt , daß zunächst über die Hilfsaufrechnung und erst danach über die Drittwiderklage entschieden werden solle. Die Drittwiderklage hänge demnach von einer außerprozessualen Bedingung, der nicht vollständigen rechtskräftigen Entscheidung über die Hilfsaufrechnung, ab.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Drittwiderklage ist zulässig. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Drittwiderklage grundsätzlich unzulässig, wenn sie sich ausschließlich gegen einen am Prozeß bislang nicht beteiligten Dritten richtet (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 - II ZR 77/61 = BGHZ 40, 185, 188; Urteil vom 8. Dezember 1970 - VI ZR 111/69 = NJW 1971, 466; Urteil vom 21. Februar 1975 - V ZR 148/73 = NJW 1975, 1228). In besonders gelagerten Fällen kann eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten sein. Einen derartigen Ausnahmefall hat der Bundesgerichtshof bejaht, wenn sich die Drittwiderklage gegen Gesellschafter einer klagenden Gesellschaft richtet, das auf die Drittwiderklage ergehende Urteil für die Gesellschaft verbindlich ist und damit für die Zahlungsklage vorgreiflich sein kann (BGH, Urteil vom 30. April 1984 - II ZR 293/83 = BGHZ 91, 132, 134 f). Der Senat hat bisher die Frage offen gelassen, ob ein Ausnahmefall auch dann vorliegt, wenn der vom Zessionar auf Zahlung verklagte Schuldner wegen seiner Ansprüche aus überzahltem Honorar allein gegen den Ze-
denten eine Drittwiderklage erhebt (Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93 = BauR 1993, 635 = ZfBR 1993, 220 = NJW 1993, 2120). Er bejaht sie jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung.
a) Durch das Rechtsinstitut der Widerklage soll die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 aaO S. 188). Jedenfalls dann, wenn ein Architekt seine Honorarforderung abgetreten hat und der Zessionar klagt, steht einer Widerklage des Auftraggebers gegen den Architekten nicht § 33 ZPO entgegen , wenn mit ihr eine Schadensersatzforderung geltend gemacht wird, die durch eine Hilfsaufrechnung bereits Gegenstand des Prozesses ist. Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als wenn der Auftraggeber die Forderung der Hilfsaufrechnung zum Gegenstand einer Widerklage gegen den Zessionar machen würde. In diesem Fall wäre die gleichzeitig gegen den Zedenten erhobene Drittwiderklage zulässig. Allein der Umstand, daß der Auftraggeber aus materiell-rechtlichen Gründen seinen Angriff gegen den Zessionar nicht mit einer Widerklage, sondern nur im Wege der Hilfsaufrechnung führen kann, rechtfertigt es nicht, die Drittwiderklage für unzulässig zu halten.
b) Die vom Berufungsgericht erwogenen Gründe gegen eine Zulassung der Widerklage überzeugen nicht. Der Drittwiderbeklagte ist nur deshalb nicht selbst Kläger, weil er die Forderung an die Verrechnungsstelle abgetreten hat. Hätte er selbst die Klage erhoben, wäre die Widerklage zulässig gewesen. In diesem Fall wären den Beklagten die Vorteile der Widerklage der §§ 261 Abs. 2 ZPO, 65 Abs. 1 Satz 4 GKG ebenfalls zugute gekommen. Entsprechendes gilt auch für den Umstand, daß der Drittwiderbeklagte mit Erhebung der
Widerklage als Zeuge ausscheidet. In die Stellung als Zeuge ist er erst durch die Abtretung gelangt. Soweit das Berufungsgericht die Möglichkeit erörtert, daß es trotz der Drittwiderklage zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte, verkennt es, daß jedenfalls in dem durch die Drittwiderklage gesteckten Rahmen widersprüchliche Entscheidungen ausgeschlossen sind. Das ist Sinn des Rechtsinstituts der Widerklage. Es ist unerheblich, daß die Widerklage nach allgemeinen Prozeßvoraussetzungen nur deshalb zulässig ist, weil der Drittwiderbeklagte seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts D. hat, wo der Prozeß geführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93 aaO). Dieser Umstand ermöglicht die Widerklage, er spricht nicht gegen sie. 2. Zu Unrecht legt das Berufungsgericht die klarstellende Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dahin aus, die Drittwiderklage hänge von der Bedingung ab, daß über die Hilfsaufrechnung entschieden werde. Die Widerklage ist unbedingt erhoben worden. Daran hat die Klarstellung nichts geändert.
a) Die Widerklage ist mit der Klageerwiderung erhoben worden. Die Beklagten haben beantragt, den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an sie 127.578,35 DM nebst Zinsen zu zahlen. Weder dem Antrag noch der Klageerwiderungsschrift ist eine Einschränkung zu entnehmen, die den Hinweis auf eine Bedingung gibt. Die Hilfsaufrechnung ist erwähnt, jedoch in keinem Zusammenhang mit der Erhebung der Drittwiderklage. Damit ist die Widerklage unbedingt erhoben worden. Die Beklagten gehen damit bewußt das Risiko ein, daß die Hilfsaufrechnung in voller Höhe Erfolg hat und sie deshalb mit der Drittwiderklage unterliegen.

b) An der unbedingten Drittwiderklage hat sich nichts durch den Berufungsantrag geändert. Die Beklagten haben beantragt, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen und hilfsweise den Drittwiderbeklagten zur Zahlung zu verurteilen. Diesen Antrag haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellt. Sie haben klar gestellt, daß die Verteidigung der Beklagten in erster Linie mit der Hilfsaufrechnung, in zweiter Linie mit der Drittwiderklage erfolgen solle. Mit dieser Klarstellung ist keine Bedingung in dem Sinne aufgestellt worden, daß die Drittwiderklage nur erhoben werde, wenn die Hilfsaufrechnung keinen vollen Erfolg haben sollte. Eine solche Bedingung konnte nicht mehr erklärt werden, denn die Drittwiderklage war bereits unbedingt erhoben. Das Berufungsgericht will die Klarstellung offenbar dahin verstehen, daß die zunächst unbedingt erhobene Drittwiderklage unter der Bedingung einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnung weiter geführt werde. Mit einem derartigen Verständnis der Klarstellung verstößt das Berufungsgericht gegen den Grundsatz, daß eine Partei mit ihrer Prozeßhandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluß vom 22. Mai 1995 - II ZB 2/95 = NJW-RR 1995, 1183; Urteil vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 210/99 = WM 1512, 1514; Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 = NJW 2001, 1127). Die unter der Bedingung einer erfolglosen Hilfsaufrechnung weitergeführte Drittwiderklage wäre, wie auch das Berufungsgericht erkennt, unzulässig. Denn es ist keinem Prozeßgegner zuzumuten, sich auf ein Verfahren einzulassen, bei dem die Möglichkeit besteht, daß es sich wieder in ein rechtliches Nichts auflöst (Stein-Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., vor § 128 Rdn. 208; vgl. auch Zöller /Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rdn. 27). Das Berufungsgericht hat das prozessuale Verhalten der Beklagten damit gegen ihre Interessen ausgelegt.
Bei verständiger Würdigung der Klarstellung wird durch diese zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht sich zunächst mit der Klage und Hilfsaufrechnung und dann mit der Drittwiderklage beschäftigen sollte. Ob eine derartige Klarstellung bindend ist, kann dahinstehen. Jedenfalls führt sie nicht zur Unwirksamkeit der Drittwiderklage. 3. Die besonderen Prozeßvoraussetzungen für die Widerklage liegen vor.
a) Der Schadensersatzanspruch steht mit der Hilfsaufrechnung im Zusammenhang , § 33 Abs. 1 ZPO. Die Ansprüche sind identisch.
b) Als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, daß entweder der Drittwiderbeklagte in die Widerklage einwilligt oder das Gericht die Widerklage für sachdienlich erklärt (BGH, Urteil vom 21. Februar 1975 - V ZR 148/73 = NJW 1975, 1228, 1229; Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 209/94 = BGHZ 131, 76, 78). Eine Einwilligung des Drittwiderbeklagten liegt nicht vor. Er hat der Drittwiderklage sofort widersprochen. Die Vorinstanzen haben nicht über die Sachdienlichkeit der Drittwiderklage entschieden. Der Senat kann deshalb selbst darüber befinden (vgl. BGH,
Urteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92 = BGHZ 123, 132, 137). Die Drittwiderklage ist sachdienlich. Mit ihr wird kein neuer Streitstoff in den Prozeß eingeführt.
Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 233/01 Verkündet am:
11. Juli 2003
Kanik
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird in der Berufungsschrift ein gegnerischer (einfacher) Streitgenosse als Berufungsbeklagter
bezeichnet, der andere dagegen nicht, ist das Rechtsmittel gegenüber
dem Nichtbezeichneten unzulässig, wenn Zweifel an seiner Inanspruchnahme
als Rechtsmittelbeklagter verbleiben.

b) Bei der Prüfung, ob das Rechtsmittel auch gegen einen nicht als Berufungsbeklagten
bezeichneten Streitgenossen eingelegt ist, hat das Berufungsgericht,
wenn rechtlich beide Möglichkeiten in Frage kommen, nicht darauf abzustellen,
welche aus der Sicht des Rechtsmittelklägers die zweckmäßigere ist.

c) Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gerichts zur Rücksichtnahme gegenüber
den Verfahrensbeteiligten schließt nicht das Gebot ein, die Interessen der nachlässigen
Partei zu Lasten des Gegners zu wahren; im Zweifel ist derjenigen Aus-
legung einer prozessualen Erklärung der Vorzug zu geben, die den Belangen der
Partei, der kein Normverstoß anzulasten ist, gerecht wird.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - V ZR 233/01 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2001 wird, soweit sie nicht Gegenstand des Beschlusses des Senats vom 21. November 2002 ist, zurückgewiesen.
Die Kosten der Revisionsinstanz trägt die Beklagte zu 1 zu 99 v.H. allein, zu 1 v.H. gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin hat von der Beklagten, der sie ein Hausgrundstück verkauft hatte, die Herausgabe von Inventar verlangt. Widerklagend hat die Beklagte die Klägerin und deren Ehemann (Drittwiderbeklagter) aufgrund Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über die baurechtliche Genehmigung des Anwesens auf Rückgängigmachung des Kaufs und wegen Verschuldens bei Vertragsschluß auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage, soweit sie sich gegen die Klägerin
gerichtet hat, bis auf einen Teilbetrag des Schadensersatzes stattgegeben. Die Klage gegen den Drittwiderbeklagten hat es abgewiesen. In der Berufungs- schrift der Beklagten ist die Klägerin als "Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte" , der Drittwiderbeklagte dagegen nur als "Widerbeklagter" bezeichnet. Im Berufungsrechtszug hat die Beklagte die gegen die Klägerin gerichtete Berufung zurückgenommen und das Rechtsmittel gegen den Drittwiderbeklagten weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht geht unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 26. September 1961 (Senat, V ZB 24/61, NJW 1961, 2347) und vom 19. März 1969 (VIII ZR 63/67, NJW 1969, 928 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 4) von dem Grundsatz aus, daß ein Rechtsmittel sich gegen die angefochtene Entscheidung als solche richtet (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F.), diese mithin im Umfang der Beschwer des Rechtsmittelklägers angreift. Anderes gelte, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lasse. Dies sei bei mehreren, als Rechtsmittelbeklagte in Frage kommenden, Streitgenossen der Fall, wenn in der Rechtsmittelschrift nur einzelne von ihnen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet seien. Allerdings genüge es mit Rücksicht auf zum Teil bestehende Gerichtsgepflogenheiten, wenn der Rechtsmittelkläger nur den gegnerischen Streitgenossen, der in dem angefochtenen Urteil als erster bezeichnet ist
("Spitzenreiter"), in die Rechtsmittelschrift aufnehme. Die Berufungsschrift der Beklagten, die die gegnerischen Streitgenossen vollständig anführe, aber nur einen von ihnen, die Klägerin, als Berufungsbeklagte bezeichne, lasse demgegenüber die Auslegung, auch der Drittwiderbeklagte sei Rechtsmittelgegner, nicht zu.

II.


Dies hält den Angriffen der Revision stand.
Sie meint, das Berufungsgericht habe der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 1983 (VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 8; vgl. auch BGH, Urt. v. 8. November 2001, VIII ZR 65/01, NJW 2002, 831 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2, Nr. 18 - passim -) nicht Rechnung getragen, wonach sich "im Zweifel" die uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen alle erfolgreichen Streitgenossen richtet, wenn diese in der Berufungsschrift aufgeführt, aber nur teilweise auch als Berufungsbeklagte bezeichnet sind (Leitsatz). Dies greift nicht durch. Allerdings gebieten die im Grundgesetz gewährleisteten Prozeßgrundrechte, daß der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in einer von Sachgründen nicht gedeckten Weise durch Förmelei erschwert wird (BGH, Urt. v. 19. Februar 2002, VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430). Mängel der Parteibezeichnung in Rechtsmittelschriften sind deshalb unbeachtlich, wenn sie in Anbetracht der jeweiligen Umstände keinen vernünftigen Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers oder des Rechtsmittelbeklagten offenlassen (Senat, Beschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, BGH-Report 2002, 1112). Dies ist
auch die Auffassung des VI. Senats, die er in seiner der Entscheidung vom 21. Juni 1983 folgenden Rechtsprechung wiederholt bestätigt hat (Beschl. v. 7. November 1995, V ZB 12/95, NJW 1996, 320 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2, Nr. 14; v. 15. Dezember 1998, VI ZR 316/97, NJW 1999, 1554 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 1, Nr. 17; Urt. v. 19. Februar 2002, aaO). Danach können lediglich theoretische Zweifel, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht festgestellt sind, bei der Auslegung der Berufungsschrift nicht maßgeblich sein. Der Entscheidung vom 21. Juni 1983 ist mithin, wie sich des näheren aus ihrer Begründung, aber auch im Lichte der weiteren Rechtsprechung ergibt, nicht zu entnehmen, daß eine differente Bezeichnung der gegnerischen Streitgenossen, teils unter Beifügung einer Parteirolle im Rechtsmittelverfahren, teils ohne eine solche, stets nur einen theoretischen, mithin nicht maßgeblichen Zweifel an der Person des Rechtsmittelbeklagten begründen könne. Maßgeblich für die Auslegung der Rechtsmittelschrift sind alle dem Rechtsmittelgericht innerhalb der Rechtsmittelfrist (BGH, Urt. v. 7. November 1995, aaO; Senat, Beschl. v. 19. September 2002, aaO) zugänglichen Umstände, neben der Rechtsmittelschrift selbst auch die dieser beizufügende (§ 519 Abs. 3 ZPO; § 518 Abs. 3 ZPO a.F.) Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils oder weiter vorhandene Unterlagen (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1998, VI ZR 81/98, NJW 1999, 291 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 15). In dem am 21. Juni 1983 entschiedenen Fall war die Einteilung in zwei Beklagtengruppen auf die jeweils verschiedene anwaltliche Vertretung der gegnerischen Streitgenossen zurückzuführen gewesen, die Gesamtzahl der Rechtsmittelgegner wurde durch die Anzahl der der Berufungsschrift beigefügten Abschriften bestimmt; zudem lag bei dem zu beurteilenden zusammenhängenden Unfallgeschehen eine Aufspaltung der Rechtsmittelbeklagten eher fern.
Im Streitfall dagegen hatte das Landgericht der gegen die Klägerin gerichteten Widerklage dem Grunde und, bis auf einen Teilbetrag von 28.000 DM (Erstattung von Grunderwerbsteuer wegen Verschuldens bei Vertragsschluß), auch der Höhe nach stattgegeben, beim Drittwiderbeklagten, der nicht Vertragspartei war, dagegen die Passivbefugnis verneint. Der Beschränkung des Rechtsmittels auf die abgewiesene Teilforderung gegen die Klägerin konnte ein eigenständiger, von einem Rechtsmittelverfahren gegen den Drittwiderbeklagten losgelöster Sinn nicht abgesprochen werden. Die Frage, welches Rechtsmittel, die Berufung allein gegen die Klägerin oder gegen diese und den Drittwiderbeklagten, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Erfolgschancen , das zweckmäßigere war, hatte bei der Auslegung der Rechtsmittelschrift zurückzutreten. Zu solchen Überlegungen ist vor Eingang der Rechtsmittelbegründungsschrift in der Regel keine Grundlage gegeben. Vor allem aber steht die Richtung des Rechtsmittelangriffs nicht zur Disposition des Gerichts. Diesem ist es versagt, mittels Überlegungen zur Zweckmäßigkeit und Erfolgsaussicht der Angriffsrichtung die Disposition der Parteien durch eine eigene zu ersetzen. Der Umstand, daß die Beklagte nachträglich die Berufung gegen die Klägerin zurückgenommen hat, ist mithin nicht dafür signifikant, daß das Berufungsgericht die möglichen Auslegungsquellen nicht erschöpft hätte. Abweichend von dem, der Entscheidung vom 21. Juni 1983 zugrundeliegenden Sachverhalt standen dem Berufungsgericht hier keine weiteren Auslegungsmittel zur Verfügung.
Die ernstlichen Zweifel an der Inanspruchnahme des Drittwiderbeklagten als Berufungsbeklagten, die die wenige Tage vor Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Rechtsmittelschrift hinterließ, mußten zur Verwerfung des Rechtsmittels führen. Dies geboten einmal die Belange des Drittwiderbeklagten, der
als erstinstanzlich siegreich gebliebener Streitgenosse ein schutzwürdiges Interesse daran hatte zu wissen, ob diese Position Gegenstand eines Rechtsmittelangriffs sein würde oder bereits Bestand hatte (Senatsbeschl. v. 19. September 2002, V ZB 31/02, aaO; BGH, Beschl. v. 15. Juli 1999, IX ZB 45/99, NJW 1999, 3124 = LM ZPO § 518 Abs. 2 Ziff. 2 Nr. 17). Die aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Forderung an die Gerichte zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (BVerfG, Beschl. v. 9. August 1991, NJW 1991, 3140 m.w.N. zur Rspr. d. Bundesverfassungsgerichts) schließt keine Anleitung in sich, die Interessen der nachlässigen Partei zu Lasten des Gegners zu wahren. Im Zweifel ist vielmehr derjenigen Auslegung einer prozessualen Erklärung der Vorzug zu geben, die den Belangen des Zustellungsadressaten (bei der Berufung : § 521 ZPO, § 519a ZPO a.F.), dem kein Normverstoß anzulasten ist, gerecht wird. Zum anderen gebieten auch die wohlverstandenen Interessen des Rechtsmittelklägers Zurückhaltung. Würde das Gericht bei nicht behebbaren Zweifeln über die Person des Rechtsmittelgegners eine von mehreren gleichermaßen in Frage kommenden Möglichkeiten wählen, wäre es zu Recht der Rüge ausgesetzt, der sachlich ohne Erfolg gebliebene Rechtsmittelangriff sei nicht gewollt gewesen.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

(1) Der Einspruch wird durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt.

(2) Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

(3) In der Einspruchsschrift hat die Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, soweit es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht, sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende für die Begründung die Frist verlängern, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt. § 296 Abs. 1, 3, 4 ist entsprechend anzuwenden. Auf die Folgen einer Fristversäumung ist bei der Zustellung des Versäumnisurteils hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

(2) Muss die Zustellung im Ausland erfolgen, so beträgt die Einspruchsfrist einen Monat. Das Gericht kann im Versäumnisurteil auch eine längere Frist bestimmen.

(3) Muss die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, so hat das Gericht die Einspruchsfrist im Versäumnisurteil oder nachträglich durch besonderen Beschluss zu bestimmen.