Bundesgerichtshof Urteil, 05. Apr. 2001 - VII ZR 135/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Drittwiderklage. Der Drittwiderbeklagte ist Architekt. Nach seiner Auffassung besteht aus einem Vertrag mit den Beklagten eine Honorarforderung in Höhe von 316.690,80 DM. Einen Teil von 191.394,79 DM hat er nach seiner Behauptung an den Kläger, die V. e.V., abgetreten. Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung des Architektenhonorars in abgetretener Höhe verklagt. Die Beklagten haben die Abtretungund deren Wirksamkeit sowie Grund und Höhe der Honorarforderung bestritten. Hilfsweise haben sie die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe der Abschlagszahlungen von 127.578,35 DM erklärt. Den Schadensersatzanspruch haben sie damit begründet, die Planungsleistungen des Drittwiderbeklagten seien mangelhaft und unbrauchbar. Gleichzeitig haben die Beklagten Widerklage in dieser Höhe gegen den bis dahin am Verfahren nicht beteiligten Architekten erhoben, mit der sie den Schadensersatzanspruch verfolgen. Dieser hat seinen allgemeinen Gerichtsstand am Gerichtsstand der Klage. Das Landgericht hat durch Teilurteil die Drittwiderklage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten. Der Drittwiderbeklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Urteile des Berufungs - und Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht , § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung des Senats beruht nicht auf der Säumnis des Drittwiderbeklagten.I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2000, 901 veröffentlicht ist, hält die Drittwiderklage für unzulässig, weil sie sich ausschließlich gegen einen am Prozeß bislang nicht beteiligten Dritten richte. Grundsätzlich könne die Widerklage gegen einen Dritten nur wirksam erhoben werden, wenn siesich zugleich gegen den Kläger richte. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nicht geboten. Die Widerklage sei zudem unzulässig, weil sie bedingt erhoben worden sei. Die Beklagten hätten in der mündlichen Verhandlung klar gestellt , daß zunächst über die Hilfsaufrechnung und erst danach über die Drittwiderklage entschieden werden solle. Die Drittwiderklage hänge demnach von einer außerprozessualen Bedingung, der nicht vollständigen rechtskräftigen Entscheidung über die Hilfsaufrechnung, ab.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Drittwiderklage ist zulässig. 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Drittwiderklage grundsätzlich unzulässig, wenn sie sich ausschließlich gegen einen am Prozeß bislang nicht beteiligten Dritten richtet (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 - II ZR 77/61 = BGHZ 40, 185, 188; Urteil vom 8. Dezember 1970 - VI ZR 111/69 = NJW 1971, 466; Urteil vom 21. Februar 1975 - V ZR 148/73 = NJW 1975, 1228). In besonders gelagerten Fällen kann eine Ausnahme von diesem Grundsatz geboten sein. Einen derartigen Ausnahmefall hat der Bundesgerichtshof bejaht, wenn sich die Drittwiderklage gegen Gesellschafter einer klagenden Gesellschaft richtet, das auf die Drittwiderklage ergehende Urteil für die Gesellschaft verbindlich ist und damit für die Zahlungsklage vorgreiflich sein kann (BGH, Urteil vom 30. April 1984 - II ZR 293/83 = BGHZ 91, 132, 134 f). Der Senat hat bisher die Frage offen gelassen, ob ein Ausnahmefall auch dann vorliegt, wenn der vom Zessionar auf Zahlung verklagte Schuldner wegen seiner Ansprüche aus überzahltem Honorar allein gegen den Ze-denten eine Drittwiderklage erhebt (Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93 = BauR 1993, 635 = ZfBR 1993, 220 = NJW 1993, 2120). Er bejaht sie jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung.
a) Durch das Rechtsinstitut der Widerklage soll die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1963 aaO S. 188). Jedenfalls dann, wenn ein Architekt seine Honorarforderung abgetreten hat und der Zessionar klagt, steht einer Widerklage des Auftraggebers gegen den Architekten nicht § 33 ZPO entgegen , wenn mit ihr eine Schadensersatzforderung geltend gemacht wird, die durch eine Hilfsaufrechnung bereits Gegenstand des Prozesses ist. Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als wenn der Auftraggeber die Forderung der Hilfsaufrechnung zum Gegenstand einer Widerklage gegen den Zessionar machen würde. In diesem Fall wäre die gleichzeitig gegen den Zedenten erhobene Drittwiderklage zulässig. Allein der Umstand, daß der Auftraggeber aus materiell-rechtlichen Gründen seinen Angriff gegen den Zessionar nicht mit einer Widerklage, sondern nur im Wege der Hilfsaufrechnung führen kann, rechtfertigt es nicht, die Drittwiderklage für unzulässig zu halten.
b) Die vom Berufungsgericht erwogenen Gründe gegen eine Zulassung der Widerklage überzeugen nicht. Der Drittwiderbeklagte ist nur deshalb nicht selbst Kläger, weil er die Forderung an die Verrechnungsstelle abgetreten hat. Hätte er selbst die Klage erhoben, wäre die Widerklage zulässig gewesen. In diesem Fall wären den Beklagten die Vorteile der Widerklage der §§ 261 Abs. 2 ZPO, 65 Abs. 1 Satz 4 GKG ebenfalls zugute gekommen. Entsprechendes gilt auch für den Umstand, daß der Drittwiderbeklagte mit Erhebung der
Widerklage als Zeuge ausscheidet. In die Stellung als Zeuge ist er erst durch die Abtretung gelangt. Soweit das Berufungsgericht die Möglichkeit erörtert, daß es trotz der Drittwiderklage zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte, verkennt es, daß jedenfalls in dem durch die Drittwiderklage gesteckten Rahmen widersprüchliche Entscheidungen ausgeschlossen sind. Das ist Sinn des Rechtsinstituts der Widerklage. Es ist unerheblich, daß die Widerklage nach allgemeinen Prozeßvoraussetzungen nur deshalb zulässig ist, weil der Drittwiderbeklagte seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts D. hat, wo der Prozeß geführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - VII ZR 7/93 aaO). Dieser Umstand ermöglicht die Widerklage, er spricht nicht gegen sie. 2. Zu Unrecht legt das Berufungsgericht die klarstellende Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dahin aus, die Drittwiderklage hänge von der Bedingung ab, daß über die Hilfsaufrechnung entschieden werde. Die Widerklage ist unbedingt erhoben worden. Daran hat die Klarstellung nichts geändert.
a) Die Widerklage ist mit der Klageerwiderung erhoben worden. Die Beklagten haben beantragt, den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an sie 127.578,35 DM nebst Zinsen zu zahlen. Weder dem Antrag noch der Klageerwiderungsschrift ist eine Einschränkung zu entnehmen, die den Hinweis auf eine Bedingung gibt. Die Hilfsaufrechnung ist erwähnt, jedoch in keinem Zusammenhang mit der Erhebung der Drittwiderklage. Damit ist die Widerklage unbedingt erhoben worden. Die Beklagten gehen damit bewußt das Risiko ein, daß die Hilfsaufrechnung in voller Höhe Erfolg hat und sie deshalb mit der Drittwiderklage unterliegen.
b) An der unbedingten Drittwiderklage hat sich nichts durch den Berufungsantrag geändert. Die Beklagten haben beantragt, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen und hilfsweise den Drittwiderbeklagten zur Zahlung zu verurteilen. Diesen Antrag haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellt. Sie haben klar gestellt, daß die Verteidigung der Beklagten in erster Linie mit der Hilfsaufrechnung, in zweiter Linie mit der Drittwiderklage erfolgen solle. Mit dieser Klarstellung ist keine Bedingung in dem Sinne aufgestellt worden, daß die Drittwiderklage nur erhoben werde, wenn die Hilfsaufrechnung keinen vollen Erfolg haben sollte. Eine solche Bedingung konnte nicht mehr erklärt werden, denn die Drittwiderklage war bereits unbedingt erhoben. Das Berufungsgericht will die Klarstellung offenbar dahin verstehen, daß die zunächst unbedingt erhobene Drittwiderklage unter der Bedingung einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnung weiter geführt werde. Mit einem derartigen Verständnis der Klarstellung verstößt das Berufungsgericht gegen den Grundsatz, daß eine Partei mit ihrer Prozeßhandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluß vom 22. Mai 1995 - II ZB 2/95 = NJW-RR 1995, 1183; Urteil vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 210/99 = WM 1512, 1514; Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 = NJW 2001, 1127). Die unter der Bedingung einer erfolglosen Hilfsaufrechnung weitergeführte Drittwiderklage wäre, wie auch das Berufungsgericht erkennt, unzulässig. Denn es ist keinem Prozeßgegner zuzumuten, sich auf ein Verfahren einzulassen, bei dem die Möglichkeit besteht, daß es sich wieder in ein rechtliches Nichts auflöst (Stein-Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., vor § 128 Rdn. 208; vgl. auch Zöller /Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rdn. 27). Das Berufungsgericht hat das prozessuale Verhalten der Beklagten damit gegen ihre Interessen ausgelegt.
Bei verständiger Würdigung der Klarstellung wird durch diese zum Ausdruck gebracht, daß das Gericht sich zunächst mit der Klage und Hilfsaufrechnung und dann mit der Drittwiderklage beschäftigen sollte. Ob eine derartige Klarstellung bindend ist, kann dahinstehen. Jedenfalls führt sie nicht zur Unwirksamkeit der Drittwiderklage. 3. Die besonderen Prozeßvoraussetzungen für die Widerklage liegen vor.
a) Der Schadensersatzanspruch steht mit der Hilfsaufrechnung im Zusammenhang , § 33 Abs. 1 ZPO. Die Ansprüche sind identisch.
b) Als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, daß entweder der Drittwiderbeklagte in die Widerklage einwilligt oder das Gericht die Widerklage für sachdienlich erklärt (BGH, Urteil vom 21. Februar 1975 - V ZR 148/73 = NJW 1975, 1228, 1229; Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 209/94 = BGHZ 131, 76, 78). Eine Einwilligung des Drittwiderbeklagten liegt nicht vor. Er hat der Drittwiderklage sofort widersprochen. Die Vorinstanzen haben nicht über die Sachdienlichkeit der Drittwiderklage entschieden. Der Senat kann deshalb selbst darüber befinden (vgl. BGH,
Urteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92 = BGHZ 123, 132, 137). Die Drittwiderklage ist sachdienlich. Mit ihr wird kein neuer Streitstoff in den Prozeß eingeführt.
Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
(1) Bei dem Gericht der Klage kann eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht.
(2) Dies gilt nicht, wenn für eine Klage wegen des Gegenanspruchs die Vereinbarung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 40 Abs. 2 unzulässig ist.