Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2019 - IV ZR 65/19

bei uns veröffentlicht am18.12.2019
vorgehend
Landgericht Magdeburg, 11 O 1443/13, 07.12.2017
Oberlandesgericht Naumburg, 4 U 3/18, 07.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 65/19 Verkündet am:
18. Dezember 2019
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung § 7
Abs. 2; Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung §
6 Abs. 5
Zum Erfordernis einer Änderungsmitteilung des Versicherers bei späterem Wegfall
einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit trotz Nichtabgabe eines Leistungsanerkenntnisses.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - IV ZR 65/19 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
ECLI:DE:BGH:2019:181219UIVZR65.19.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2019

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. Februar 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung einer Hauptforderung von mehr als 223.144,97 € nebst Zinsen in Höhevon fünf Prozentpunk- ten über dem Basiszinssatz aus 30.839,77 € seit dem 17. Juni 2011 sowie aus je 2.372,29 € seit dem 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012, 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012, 1. Mai 2012, 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012, 1. Oktober 2012, 1. November 2012, 1. Dezember 2012, 1. Januar 2013, 1. Februar 2013, 1. März 2013, 1. April 2013, 1. Mai 2013, 1. Juni 2013 und 1. Juli 2013 verurteilt worden ist.
In Höhe der weitergehenden Hauptforderung nebst Zinsen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 21 % und die Beklagte zu 79 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 200.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Leistungen aus BerufsunfähigkeitsZusatzversicherungen.
2
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Geschäftsführer der Kläger zeitweilig war, hielt bei der Beklagten drei Kapitallebensversicherungen mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die den Kläger als versicherte Person nannten. Zwei dieser Verträge wurden 1995 und 1996 abgeschlossen (Versicherungsscheine vom 17. Oktober 1995 mit 988,24 € Rente und vom 25. April 1996 mit 123,05 € Rente); ihnen liegen "Allgemeine Bedingungen für die BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung" (AB-BUZ) der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugrunde , die unter anderem folgende Regelungen enthalten: "§ 1 Was ist versichert? 1. Wird der Versicherte während der Dauer dieser Versicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig so erbringen wir folgende Versicherungsleistungen: …
b) Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, wenn diese mitversichert ist. Die Rente zahlen wir monatlich im voraus. … 3. Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. ... … § 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen ? … 3. Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit. … § 5 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab? … 2. Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Absatz 1 ausüben kann. … § 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit? 1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegestufe und das Fortleben des Versicherten nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnissenach § 5 Absatz 2. … 4. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 mit, sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode. … …"
3
Dem 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrag (Versicherungsschein vom 3. Februar 2009 mit 1.261 € Rente) liegen "Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" (BB-BUZ) der Beklagten zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 1 Was ist versichert? Leistung infolge Berufsunfähigkeit (1) Wird die versicherte Person während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 % berufsunfähig, so erbringen wir - je nach vertraglicher Vereinbarung - folgende Versicherungsleistungen: … Rente (BUZ-R) Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Die Rente zahlen wir monatlich im Voraus, erstmals zu Beginn des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Berufsunfähigkeit ein- getreten ist. … … Anspruchsentstehung (3) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit einge- treten ist. … … § 5 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab? … (3) Wir können einmalig ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis aussprechen. Es ist bis zum Ablauf der Frist für uns bindend.
§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit? … (5) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. In diesem Fall legen wir Ihnen die Veränderung in Textform dar und teilen die Einstellung unserer Leistungen dem Anspruchsberechtigten in Textform mit. Die Einstellung unserer Leistungen wird mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen wirksam. …"
4
In den vorgenannten Vertrag einbezogen sind außerdem "Besondere Bestimmungen zum Versicherungsschein", die unter anderem folgende Regelungen enthalten: "4.1. § 2 Absätze 1 - 3 der "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" erhalten folgende Fassung: … Absatz 3 wird ersetzt durch: Ist die versicherte Person mindestens sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen , ihren zuletzt ausgeübten Beruf - so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war - auszuüben , so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit, es sei denn, sie übt eine andere ihrer Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entsprechende Tätigkeit konkret aus. … § 6 Absatz 1 der "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung" erhält folgende Fassung: Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegebedürftigkeit nach- zuprüfen. …"
5
Der Kläger beendete am 4. Mai 2010 seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH. Anschließend beantragte er bei der Beklagten Berufsunfähigkeitsleistungen und gab unter dem 13. August 2010 im Antragsformular an, er sei noch immer krankgeschrieben und habe kein Beschäftigungsverhältnis. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14. Juni 2011 ihre Einstandspflicht mit der Begründung ab, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, und kündigte die Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherungen außerordentlich und fristlos. Sie erstattete außerdem Strafanzeige gegen den Kläger. Der Kläger wurde später vom Vorwurf des versuchten Betruges zum Nachteil der Beklagten rechtskräftig freigesprochen.
6
Der Kläger behauptet, seit Mai 2010 aufgrund einer psychischen Erkrankung in seinem Beruf als Geschäftsführer berufsunfähig zu sein. Mit seiner Klage hat er, soweit für die Revision noch von Interesse, rückständige Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 93.250,16 € nebst gestaffelter Zinsen sowie monatliche Rentenzahlungen von 2.372,29 € ab 1. August 2013 bis zum jeweiligen Vertragsende und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat dem Kläger 30.839,77 € (für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich Mai 2011) nebst gestaffelter Zinsen sowie 1.590,91 € Rechtsanwaltskosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach Berufungen beider Parteien hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert , dass an den Kläger insgesamt 225.367,55 € (für die Zeit von Juni 2010 bis einschließlich April 2018) nebst gestaffelter Zinsen und 4.345,88 € Rechtsanwaltskosten zu zahlen sind. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit sie über einen bereits erstinstanzlich erfolgreichen Feststellungsantrag hinausgeht. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision seine Anträge auf Zahlung rückständiger und künftiger Renten, soweit ihnen das Berufungsgericht nicht stattgegeben hat, weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die unbeschränkt zugelassene Revision der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil erfolgreich, während die Anschlussrevision des Klägers insgesamt ohne Erfolg bleibt.
8
I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der in Bezug auf den Leistungsantrag aktivlegitimierte Kläger ab Mai 2010 berufsunfähig gewesen sei. Der Leistungsanspruch sei deshalb ab Juni 2010 begründet. Es habe eine mittlere bis schwere depressive Episode vorgelegen , die auch länger als sechs Monate angedauert habe. Seit Oktober 2012 sei der Kläger wieder berufsfähig. Die Beklagte sei aber nicht bereits ab dann leistungsfrei geworden, denn der Versicherer müsse die Änderung des Gesundheitszustands grundsätzlich auf dem vertraglich vorgesehenen Weg des Nachprüfungsverfahrens geltend machen. Dass die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht anerkannt habe, ändere an der Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Einstellungsmitteilung nichts. Die mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 hilfsweise erklärte Einstellungsmitteilung , die der Gegenseite am 11. Januar 2018 zugegangen sei, werde den Erfordernissen der Darlegung der Veränderung gerecht. Damit sei die Beklagte erst mit Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung, mithin zum 30. April 2018 leistungsfrei geworden. Soweit den Verträgen eine abweichende Regelung in § 7 Abs. 4 AB-BUZ zugrunde liege, sei diese wegen Benachteiligung des Klägers gemäß § 175 VVG unwirksam, so dass an ihre Stelle die gesetzliche Vorschrift des § 174 Abs. 2 VVG trete. Verzugszinsen auf die Versicherungsleistungen bis einschließlich Juni 2011 seien erst ab Zugang des Ablehnungsschreibens vom 14. Juni 2011 zuzusprechen.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.
10
1. Die Revision der Beklagten ist nur teilweise begründet. Die vom Berufungsgericht zugesprochene Hauptforderung ist um 2.222,58 € zu reduzieren.
11
a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger als versicherte Person hier die Versicherungsansprüche selbst geltend machen kann, was auch von der Revision zu Recht nicht angegriffen wird. Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger von Mai 2010 bis einschließlich September 2012 aufgrund einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode bedingungsgemäß berufsunfähig war. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die tatrichterliche Würdigung verstoße gegen § 286 ZPO. Das Revisionsgericht hat diese lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2017 - IV ZR 535/15, VersR 2017, 1134 Rn. 24; vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037 Rn. 8 [insoweit in BGHZ 190, 120 nicht abgedruckt]). Der Senat hat die in diesem Zusammenhang von der Revision gerügten Verfahrensmängel geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
12
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger Berufsunfähigkeitsrenten ab Juni 2010 zugesprochen. Die Leistungspflicht der Beklagten begann gemäß § 1 Abs. 3 AB-BUZ und § 1 Abs. 3 BB-BUZ mit Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Das war hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Mai 2010 der Fall. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 3 AB-BUZ und § 2 Abs. 3 BB-BUZ in der Fassung von Ziff. 4.1. der Besonderen Bestimmungen zum Versicherungsschein festgestellt, wonach die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sein muss, ihren Beruf auszuüben. Beim Kläger lag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ab Mai 2010 eine mittlere bis schwere depressive Episode vor, die auch länger als sechs Monate angedauert hat.
13
Damit trat der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit aber entgegen der Auffassung der Revision nicht nur im Rahmen des 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrages, sondern auch für die 1995 und 1996 abgeschlossenen Verträge bereits mit dem Beginn dieses Sechsmonatszeitraums ein. § 2 Abs. 3 AB-BUZ bestimmt für den Fall, dass der Versicherte sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen ist, seinen Beruf auszuüben, dass "die Fortdauer dieses Zustandes von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit" gilt. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher , um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Juli 2016 - IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird den hier maßgeblichen Bedingungen entnehmen, dass die Fortdauer des mindestens sechs Monate andauernden Zustands "von Beginn an" und damit bereits ab dem ersten Tag dieser sechs Monate als Berufsunfähigkeit gilt (vgl. auch OLG Celle VersR 2006, 1201 [juris Rn. 10]; HKBU /Ernst, § 2 BUV Rn. 362). Der Versicherungsnehmer wird nicht annehmen , dass die Worte "von Beginn an" inhaltsleer und damit überflüssigerweise in die Klausel eingefügt sind.
14
Dieser Einschub unterscheidet die Klausel von anderen Bedingungen , nach denen "die Fortdauer dieses Zustands als Berufsunfähigkeit" gilt und der Versicherungsfall demnach erst sechs Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintritt (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. März 1990 - IV ZR 39/89, BGHZ 111, 44 unter I 1 [juris Rn. 17]).
15
c) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Leistungspflicht der Beklagten erst mit dem Wirksamwerden ihrer Änderungsmitteilung geendet hat. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass ein Versicherer auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen kann (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 13. März 2019 - IV ZR 124/18, NJW 2019, 2385 Rn. 17 m.w.N.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Angriffe der Revision fest.
16
aa) Eine Änderungsmitteilung ist auch dann erforderlich, wenn die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis erlauben (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 25). Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger bereits zu Beginn seiner Erkrankung eine zeitlich bestimmte Genesungsprognose hätte gestellt werden können. Selbst wenn aus der maßgeblichen Perspektive ex ante ein sachlicher Grund für eine Befristung des Anerkenntnisses vorgelegen hätte (vgl. zu seiner Notwendigkeit Senatsurteil vom 9. Oktober 2019 - IV ZR 235/18, WM 2019, 2127 Rn. 13 ff.), blieb es der Entscheidung des Versicherers überlassen, ob er ein befristetes Anerkenntnis abgeben will. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann er nicht im Nachhinein so gestellt werden, als hätte er eine tatsächlich nicht erfolgte Befristung vorgenommen.
17
bb) Bereits geklärt ist auch, dass im Rahmen der Änderungsmitteilung der Gesundheitszustand der versicherten Person, der einem gebotenen Anerkenntnis hätte zugrunde gelegt werden müssen, dem späteren Gesundheitszustand gegenüberzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 23). Dieser Vergleich setzt - anders als die Revision meint - nicht voraus, dass bereits abschließende gerichtliche Feststellungen zum früheren Gesundheitszustand vorliegen. Der frühere Gesundheitszustand kann sich im Rechtsstreit aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten ergeben, ohne dass der Versicherer aber auf ein solches Gutachten als Vergleichsgrundlage beschränkt wäre. Da der Versicherer eine Änderungsmitteilung auch hilfsweise unter Aufrechterhaltung seiner ursprünglichen Leistungsablehnung abgeben kann (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 22), bindet er sich damit nicht an eine bestimmte Bewertung des Gesundheitszustands. Auch die vom Versicherungsnehmer vorgelegten und vom Versicherer in Frage gestellten Befunde könnten daher Grundlage einer hilfsweise erklärten Änderungsmitteilung sein, um geltend zu machen, dass dieser - bestrittene - Gesundheitszustand jedenfalls jetzt nicht mehr besteht.
18
cc) Entgegen der Ansicht der Revision setzt das Erfordernis einer Änderungsmitteilung nicht voraus, dass die Ablehnung des Anerkenntnisses durch den Versicherer schuldhaft oder treuwidrig erfolgte.
19
Der Versicherer ist vielmehr bereits dann an die Regeln gebunden, die er selbst in seinen Versicherungsbedingungen für die Nachprüfung von Berufsunfähigkeit aufgestellt hat, wenn er ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis bislang nicht abgegeben hat (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung dieser Bindung ist daher allein, dass ein Anerkenntnis objektiv geboten war, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag (vgl. auch Klenk in Looschelders /Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 173 Rn. 23). Ob der Versicherer subjektiv zum damaligen Zeitpunkt Anlass hatte, seine Leistungspflicht in Frage zu stellen, ist dabei ohne Belang (a.A. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. L Rn. 14; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 173 Rn. 5; HK-VVG/Mertens, 4. Aufl. § 173 Rn. 6).
20
dd) Entgegen der Ansicht der Revision verliert der Kläger seine in den Versicherungsbedingungen geregelten Rechte aus dem Nachprüfungsverfahren auch nicht wegen des Vorwurfs, er habe nach Eintritt des Versicherungsfalls falsche Angaben gegenüber der Beklagten gemacht.
21
Falls der Versicherer wegen eines Verhaltens des Versicherungsnehmers oder Versicherten nach dem Versicherungsfall, insbesondere einer Obliegenheitsverletzung, leistungsfrei bleibt, wäre nach Sachlage auch kein Anerkenntnis geboten. Das Berufungsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dies hier nicht der Fall war. Nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger im Leistungsantrag vom 13. August 2010 zwar erklärt, keiner Beschäftigung nachzugehen, obwohl er seit Juni 2010 geringfügig beschäftigt war. Diese Falschangabe war aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht kausal für die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht, da die neue Beschäftigung nicht im Sinne einer Verweisungstätigkeit vergleichbar mit der bisherigen Geschäftsführertätigkeit war. Noch während der laufenden Leistungsprüfung teilte der Kläger der Beklagten das neue Beschäftigungsverhältnis mit. Anhaltspunkte für Arglist hat das Landgericht nicht gesehen. Dies hat auch die Beklagte mit ihrer Berufung nicht angegriffen.
22
d) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte erst mit ihrem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 die Anforderungen an eine Änderungsmitteilung erfüllt hat. Dagegen wendet sich die Revision - zu Recht - nicht.
23
Nicht in vollem Umfang Bestand kann dagegen die Entscheidung des Berufungsgerichts haben, dass die Leistungspflicht der Beklagten erst zum 30. April 2018 geendet habe. Vielmehr ist die Beklagte hinsichtlich der beiden Versicherungsverträge, die 1995 und 1996 abgeschlossen wurden, für die Monate März und April 2018 (2.222,58 €) zu Unrecht verurteilt worden. Der die Änderungsmitteilung enthaltende Schriftsatz ist dem Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 11. Januar 2018 zugegangen, nachdem das Landgericht am 8. Januar 2018 eine Abschrift formlos an den Klägervertreter abgesandt hat. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht für den im Jahr 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrag noch zutreffend erkannt, dass gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 BB-BUZ die Leistungspflicht der Beklagten erst mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung beim Kläger und damit am 30. April 2018 entfiel. Für die beiden 1995 und 1996 abgeschlossenen Versicherungsverträge gilt dagegen § 7 Abs. 4 Satz 2 ABBUZ , so dass die Änderungsmitteilung nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung, frühestens jedoch zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode wirksam wurde. Die Leistungspflicht der Beklagten aus diesen Verträgen endete daher bereits am 28. Februar 2018. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist § 7 Abs. 4 Satz 2 AB-BUZ nicht gemäß § 175 VVG wegen einer dem Kläger nachteiligen Abweichung von § 174 Abs. 2 VVG - jeweils in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung - unwirksam. Auf vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind gemäß Art. 4 Abs. 3 EGVVG die §§ 174, 175 VVG nicht anzuwenden.
24
e) Verzugszinsen hat das Berufungsgericht dem Kläger nur aus den bis zum 1. Juli 2013 fällig gewordenen Rentenbeträgen zu Recht zugesprochen. Mit der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen aus den ab 1. August 2013 fälligen Rentenbeträgen hat es dagegen dem Kläger etwas zugesprochen, was er nicht beantragt hatte. Dieser Verstoß gegen § 308 ZPO ist von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 1998 - I ZR 250/95, NJW-RR 1998, 1639 unter B III 2 c [juris Rn. 120] m.w.N.; vom 20. November 1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 unter B I 1 [juris Rn. 37]).
25
Für die ab 1. August 2013 fällig gewordenen Rentenbeträge hat der Kläger in den Vorinstanzen keinen Zinsantrag gestellt. Zwar ist - worauf der Kläger zu Recht hinweist - bei der Auslegung von Klageanträgen nicht allein der Wortlaut der Erklärung, sondern vielmehr der erklärte Wille maßgebend, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann; im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 - IV ZR 527/15, VersR 2017, 216 Rn. 16 m.w.N.). Aber auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabs lässt sich dem Berufungsvortrag des Klägers kein entsprechender Zinsantrag entnehmen. In der Berufungsbegründung vom 19. Februar 2018 hat der Kläger für die ab 1. August 2013 fällig gewordenen Raten keinen Zinsantrag formuliert, obwohl sein Antrag auf Rentenleistungen insoweit einen inzwischen bereits zurückliegenden Zeitraum umfasste. Auch der Kläger macht in der Revisionsinstanz nicht geltend, dass sich der Berufungsbegründung im Übrigen ein entsprechender Zinsantrag entnehmen ließe. Entgegen der Ansicht des Klägers kann aber auch seine Berufungserwiderung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er für die späteren Raten einen Zinsantrag stellen wollte. Er hat dort das landgerichtliche Urteil verteidigt, das ihm Rentenleistungen nebst Zinsen von Mai 2010 bis Mai 2011 zugesprochen hatte, und erklärt, dass ihm ein Leistungsanspruch bereits ab Eintritt und nicht erst ab dem siebten Monat der Berufsunfähigkeit zustehe. Daher seien "Zinsen ab Beginn der Leistungspflicht" zu zahlen; das erstinstanzliche Urteil sei insofern nicht zu beanstanden. Diesem Vortrag, der sich auf den Beginn seines Leistungsbegehrens im Jahr 2010 bezog, kann nicht entnommen werden, dass der Kläger entgegen der Formulierung seiner Anträge auch für alle späteren Rentenbeträge eine Verzinsung geltend machen wollte.
26
Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt und sich dadurch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu Eigen gemacht hat. Denn insoweit handelt es sich um eine Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 unter II 2 [juris Rn. 24]).
27
f) Der vom Berufungsgericht zugesprochene Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, der der Höhe nach von der Revision auch nicht substantiiert angegriffen wird, übersteigt nicht die begründete Forderung des Klägers.
28
2. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.
29
a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger seit Oktober 2012 nicht mehr bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Der Senat hat die in diesem Zusammenhang von der Anschlussrevision gerügten Verfahrensmängel geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
30
b) Soweit die Anschlussrevision durch die Aufrechterhaltung von Berufungsanträgen des Klägers weiterhin Berufsunfähigkeitsrente für den Monat Mai 2010 und gestaffelte Verzugszinsen aus den zugesprochenen Rentenbeträgen vom 1. Juni 2010 bis zum 1. Juni 2011 verlangt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Rentenanspruch gemäß § 1 Abs. 3 AB-BUZ und § 1 Abs. 3 BB-BUZ erst mit Ablauf des Monats - hier: Mai 2010 - entstand , in dem Berufsunfähigkeit eintrat, und Verzugszinsen erst geschul- det waren, nachdem der Anspruch auf Versicherungsleistungen gemäß § 14 Abs. 1 VVG durch Beendigung der notwendigen Erhebungen des Versicherers fällig wurde und die Beklagte durch den Zugang ihrer Leistungsablehnung vom 14. Juni 2011 in Verzug geraten ist.
Mayen Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller
Dr. Bußmann Dr. Götz
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 07.12.2017- 11 O 1443/13 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 07.02.2019- 4 U 3/18 -

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 174 Leistungsfreiheit


(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat. (2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 14 Fälligkeit der Geldleistung


(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. (2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit d

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 175 Abweichende Vereinbarungen


Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2019 - IV ZR 124/18

bei uns veröffentlicht am 13.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 124/18 vom 13. März 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:130319BIVZR124.18.0 Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Prof. Dr. Karczewski,

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2019 - IV ZR 235/18

bei uns veröffentlicht am 09.10.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 235/18 Verkündet am: 9. Oktober 2019 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10

bei uns veröffentlicht am 22.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 225/10 Verkündet am: 22. Juni 2011 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja VVG § 81 A

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juni 2006 - I ZR 235/03

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 235/03 Verkündet am: 29. Juni 2006 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja A

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2017 - IV ZR 535/15

bei uns veröffentlicht am 19.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 535/15 Verkündet am: 19. Juli 2017 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BB-BUZ

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Dez. 2016 - IV ZR 527/15

bei uns veröffentlicht am 14.12.2016

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 5. November 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juli 2016 - IV ZR 44/15

bei uns veröffentlicht am 06.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 44/15 Verkündet am: 6. Juli 2016 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 307 Abs.

Referenzen

Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.

(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

24
a) Allerdings ist die Würdigung erhobener Beweise und damit auch die von Sachverständigengutachten grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das Revisionsgericht prüft lediglich nach, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - IV ZR 116/11, VersR 2012, 849 Rn. 9; BGH, Urteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 274/07, VersR 2008, 1126 Rn. 7 m.w.N.).
8
b) Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, die tatrichterliche Würdigung verstoße gegen § 286 ZPO. Das Revisionsgericht hat diese lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 22. November 2006 - IV ZR 21/05, VersR 2007, 1429 Rn. 11). Revisionsgerichtlich nachprüfbar ist weiter, ob der Tatrichter seine Anforderungen an den Grad der richterlichen Überzeugungsbildung überspannt hat. Ferner muss das Urteil im Fall des Indizienbeweises die erforderliche zusammenfassende Würdigung und Gesamtschau erkennen lassen. Hier hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Zeugin S. nur den Kläger nach dem Unfall an dem Fahrzeug sah, als er mit Bettzeug hantierte und telefonierte. Ferner bemerkte sie, dass der Kläger sich noch einmal in das Fahrzeug setzte und vergeblich versuchte, den Motor zu starten, bevor er sich vom Fahrzeug entfernte. Irgendwelche anderen Personen in unmittelbarer Nähe des verunfallten Fahrzeugs sind weder von der Zeugin S. noch von den übrigen Zeugen wahrgenommen worden.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

17
(1) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteile vom 22. April 2015 - IV ZR 419/13, VersR 2015, 706 Rn. 12; vom 11. März 2015 - IV ZR 54/14, VersR 2015, 570 Rn. 12; vom 10. Dezember 2014 - IV ZR 281/14, VersR 2015, 182 Rn. 12 f.; vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 unter III 1 c; st. Rspr.).
17
bb) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Kläger über das Ende seiner Berufsunfähigkeit am 30. April 2013 hinaus bis zum 30. September 2015 weiter Versicherungsleistungen beanspruchen kann und ihm diese Ansprüche ohne das erledigende Ereignis der Aufnahme einer neuen Tätigkeit bis zum 31. März 2017 zugestanden hätten. Ein Versicherer kann auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Ände- rungsmitteilung geltend machen (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1989 - IVa ZR 132/88, VersR 1989, 1182 unter 4 [juris Rn. 22]; so auch OLG Karlsruhe r+s 2015, 81, 82 [juris Rn. 145]; OLG Saarbrücken VersR 2013, 1030, 1033 f. [juris Rn. 80]; OLG Düsseldorf NVersZ 2002, 355, 356 [juris Rn. 12]; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. M. Rn. 129; Klenk in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 174 Rn. 2; a.A. Lücke in Prölss/Martin, VVG 30. Aufl. § 173 Rn. 14).
13
b) Diese vertragliche Regelung steht auch in Einklang mit § 173 Abs. 2 VVG. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich zwar lediglich, dass das Anerkenntnis nur einmal zeitlich befristet werden darf. Der Gesetzgebungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich aber entnehmen, dass auch im Rahmen des § 173 Abs. 2 VVG ein grundloses Anerkenntnis nicht möglich ist. So besteht nach Auffassung des Gesetzgebers aus der Sicht beider Vertragsparteien ein Bedürfnis, in zweifelhaften Fällen bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine vorläufige Entscheidung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 106 li. Sp.). Die gesetzgeberische Entscheidung trifft einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Versicherers und des Versicherungsnehmers , indem einerseits in zweifelhaften Fällen eine vorläufige Zusage und damit ein rascher Leistungsbeginn ermöglicht wird, andererseits sich der Versicherer nicht durch mehrere aufeinander folgende, jeweils zeitlich befristete Zusagen einem endgültigen Anerkenntnis entziehen kann (vgl. MünchKomm-VVG/Dörner, VVG 2. Aufl. § 173 Rn. 17, 19).

Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.

(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.

Von den §§ 173 und 174 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 5. November 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiterhin die mit der Zusatzversicherung versprochenen Leistungen zu erbringen.

2

Dem Versicherungsvertrag liegen Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im Folgenden: BB-BUZ) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens drei Jahre außerstande sein wird, seinen Beruf auszuüben und er auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

...

§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen; ... Dabei können wir erneut prüfen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausübt, wobei auch Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die der Versicherte aufgrund neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten ausübt.

...

(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. ..."

3

Der Kläger ist HNO-Arzt und war seit Januar 2000, zunächst in einer Gemeinschaftspraxis und ab Dezember 2002 in einer Einzelpraxis, selbständig tätig. Ab dem Jahr 2000 kam es bei ihm zu einer kompletten Arthrose des rechten Schultergelenks und dadurch bedingt zu Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit. Seit 2005 führte der Kläger bei seinen Patienten keine ambulanten chirurgischen Eingriffe in seiner Praxis und Operationen in einem Belegkrankenhaus mehr durch. Er stellte im Februar 2006 eine Assistenzärztin ein, die kleinere ambulante Eingriffe vornahm und weitere ärztliche Tätigkeiten ausübte, zu denen er selbst aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage war. Nachdem der Kläger im Jahre 2006 Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragt hatte, erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht ab April 2006 an und erbrachte ab Mai 2006 die vertraglich vereinbarten Leistungen.

4

Mit Schreiben vom 15. August 2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) übergegangen und er seitdem bei dessen Trägerunternehmen angestellt sei. Außerdem war er zum ärztlichen Leiter des MVZ bestellt worden. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15. April 2011 an, ihre Leistungen im Nachprüfungsverfahren zum 31. Mai 2011 einzustellen; bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht mehr vor, weil die vom Kläger seit August 2010 ausgeübte Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung wahre.

5

Seine Klage auf Versicherungsleistungen hat der Kläger für den Zeitraum ab April 2013 zusätzlich darauf gestützt, dass seine Tätigkeit im MVZ unstreitig aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung zum 31. März 2013 geendet hat. Seit Mai 2013 ist der Kläger gegen ein monatliches Honorar als Praxisvertreter in einer Gemeinschaftspraxis in H.      tätig.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht ihm - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - Rentenleistungen ab April 2013 bis längstens 30. November 2020 zuerkannt, die Beklagte zur Erstattung im Zeitraum von April 2013 bis November 2015 gezahlter Beiträge verurteilt und zudem festgestellt, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des Versicherungsvertrages sei und ab Dezember 2015 keine Beiträge zu zahlen habe. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - angenommen, die konkrete Verweisungsmöglichkeit der Beklagten sei durch die Beendigung der Tätigkeit des Klägers im MVZ entfallen und es sei nunmehr nicht erneut Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers, dass neue gesundheitliche Beeinträchtigungen eingetreten seien, die eine Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 BB-BUZ begründeten. Denn aufgrund der Verweisung werde diese Tätigkeit nicht zu derjenigen in gesunden Tagen. Es sei vielmehr immer noch auf die Tätigkeit vor Eintreten der Beschränkungen abzustellen, die zum Anerkenntnis der Beklagten geführt hätten; an dieses Anerkenntnis sei die Beklagte weiterhin gebunden, weil das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens gerade keine gesundheitliche Veränderung zum Besseren gewesen sei. Allein entscheidend für die Frage der Leistungspflicht der Beklagten sei damit, ob der Kläger immer noch eine Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Das sei für seine Tätigkeit als Praxisvertreter zu verneinen.

9

Die Tatsache, dass die Beklagte nach § 6 Abs. 1 BB-BUZ berechtigt sei, die Anspruchsvoraussetzungen jederzeit zu Lasten des Versicherten zu überprüfen, führe dazu, dass nach Treu und Glauben auch der Versicherte Nachprüfung verlangen könne, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Ansonsten ginge das Risiko späterer nachteiliger Arbeitsplatzveränderungen ausschließlich zu Lasten des Versicherten. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit beim MVZ aufgrund eines persönlichen Zerwürfnisses beendet habe, handele es sich dabei um ein übliches Arbeitsplatzrisiko, das sich bei Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis jederzeit verwirklichen könne.

10

II. Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

11

1. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht auch insoweit statthaft, als sich die Beklagte mit ihr gegen die getroffene Feststellung der Berufsunfähigkeit des Klägers wendet. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist diese Feststellung nicht von der Zulassung ausgenommen.

12

Ausweislich des Urteilstenors hat das Berufungsgericht die Revision für den Zeitraum ab April 2013 zugelassen und damit die Zulassung des Rechtsmittels auf den Gegenstand der Verurteilung der Beklagten beschränken wollen. Eine darüber hinausgehende Beschränkung der Zulassung lässt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten, ob bei einer konkreten Verweisungsmöglichkeit die Vergleichstätigkeit oder aber der "in gesunden Tagen" ausgeübte Beruf Anknüpfungspunkt für die Berufsunfähigkeit sei, wenn die Vergleichstätigkeit wieder beendet werde.

13

Mit ihrer Annahme, die zur Begründung der Zulassungsentscheidung aufgeworfene Frage lasse sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von der Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers beantworten, berücksichtigt die Revisionserwiderung die Voraussetzungen des Begriffs bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht ausreichend. Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, steht bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ und damit der Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht fest; es muss vielmehr hinzukommen, dass der Versicherte auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. "Berufsunfähigkeit" in der von der Beklagten ihren Bedingungen zugrunde gelegten Definition ist demgemäß ein eigenständiger juristischer Begriff, der eine Kombination aus rechtlichen und medizinischen Aspekten enthält (vgl. Senatsurteile vom 27. September 1995 - IV ZR 319/94, VersR 1995, 1431 unter 2 a [juris Rn. 13]; vom 30. September 1992 - IV ZR 227/91, BGHZ 119, 263 unter II 1, 2 [juris Rn. 11 f.]; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. A Rn. 76, 79) und die Frage der Verweisbarkeit des Versicherten auf eine Vergleichstätigkeit einschließt.

14

2. Die Revision ist indessen unbegründet.

15

a) Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage zutreffend auch insoweit als zulässig behandelt, als der Kläger mit ihr seine Berufsunfähigkeit festgestellt wissen möchte.

16

Zwar ist es richtig, dass es sich bei der Frage bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit für sich genommen um kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. März 2014 - IV ZR 102/13, juris Rn. 15 m.w.N.) handelt. Klageanträge sind jedoch als Prozesserklärungen auszulegen. Für diese Auslegung, die der erkennende Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann, ist - ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen - nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - VI ZB 63/14, NJW-RR 2016, 759 Rn. 11; Urteile vom 7. April 2016 - IX ZR 216/14, WM 2016, 982 Rn. 11; vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07, VersR 2009, 121 Rn. 11 m.w.N.; st. Rspr.).

17

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entsprach es dem Interesse des Klägers, die Feststellung seiner Befreiung von der Beitragspflicht für Haupt- und Zusatzversicherung zu erreichen. Hierbei ging er davon aus, dass das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit - was zutrifft - eine notwendige rechtliche Vorfrage für diesen Anspruch ist. Auch sein Wille war erkennbar lediglich auf Feststellung der Beitragsbefreiung gerichtet. Dass er die Berufsunfähigkeit nur als Begründungselement des Anspruchs auf Beitragsbefreiung ansieht, macht bereits die Zusammenfassung beider Fragen in einem einheitlichen Klageantrag deutlich.

18

b) Zu Recht rügt die Revision hingegen die Annahme des Berufungsgerichts als unzutreffend, die Beklagte sei ungeachtet ihrer im Nachprüfungsverfahren erfolgten Änderungsmitteilung wieder an das im Rahmen der Erstfeststellung der Berufsunfähigkeit des Klägers erfolgte Anerkenntnis gebunden, weil die Leistungseinstellung nicht wegen einer Verbesserung des Gesundheitszustands des Klägers erfolgt sei.

19

aa) Durch die wirksame Änderungsmitteilung der Beklagten endeten vielmehr ihre Leistungspflicht im konkreten Versicherungsfall und die Bindung an ihr abgegebenes Anerkenntnis.

20

Der Versicherer kann im Wege des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 6 BB-BUZ von der durch sein Anerkenntnis geschaffenen Selbstbindung abrücken (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2011 - IV ZR 269/08, NJW 2011, 1736 Rn. 13) und seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder beseitigen (Senatsurteile vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98, VersR 1999, 958 unter II 1 a [juris Rn. 9]; vom 17. Februar 1993 - IV ZR 206/91, BGHZ 121, 284 unter III [juris Rn. 39]). Damit ist der gedehnte Versicherungsfall (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juni 2010 - IV ZR 226/07, BGHZ 186, 171 Rn. 21) beendet (so auch HK-VVG/Mertens, 3. Aufl. § 6 BB-BUZ Rn. 5).

21

bb) Aus der Beseitigung der Selbstbindung des Versicherers im Wege des Nachprüfungsverfahrens folgt, dass die frühere Leistungspflicht des Versicherers mit der Beendigung der Vergleichstätigkeit nicht wieder auflebt, der Versicherte vielmehr - will er wiederum Leistungen erhalten - einen neuen Leistungsantrag stellen muss (so auch Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. H Rn. 169). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass der Versicherte angesichts des jederzeitigen bedingungsgemäßen Nachprüfungsrechts des Versicherers im Falle einer konkreten Verweisung seinerseits Nachprüfung verlangen kann, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Ein derartiges eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten findet im Wortlaut der Bedingungen keine Stütze; es ist auch unter Symmetriegesichtspunkten weder mit Blick auf das bei Vertragsschluss abgegebene Leistungsversprechen des Versicherers noch den Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung geboten. Ein eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten ist zudem auch nicht erforderlich. Ihm ist es unbenommen, jederzeit erneut Leistungen zu beantragen, während sich der Versicherer von seinem Leistungsanerkenntnis nur unter den erschwerten Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens lösen kann.

22

c) Gleichwohl bleibt die Revision ohne Erfolg. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nämlich, dass beim Kläger ab April 2013 die Voraussetzungen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ erneut vorliegen. Der versicherte Beruf des Klägers war auch zum Zeitpunkt dieses neuen Versicherungsfalles die Tätigkeit eines selbständigen HNO-Arztes, wie er ihn ausübte, bevor er aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks seine ärztliche Tätigkeit einschränken musste und insbesondere keine Operationen mehr durchführte. Dass der Kläger diese Tätigkeit auch ab April 2013 gesundheitlich weiterhin nicht ausüben kann, hat die Beklagte nicht bestritten.

23

aa) Anders als die Revision meint, beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf einem unzutreffenden Verständnis des in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung versicherten Berufs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Prüfung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist, grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend, so wie sie "in gesunden Tagen" ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht eingeschränkt war (Senatsurteile vom 24. Februar 2010 - IV ZR 119/09, VersR 2010, 619 Rn. 11; vom 26. Februar 2003 - IV ZR 238/01, VersR 2003, 631 unter II 1 [juris Rn. 9]; vom 12. Januar 2000 - IV ZR 85/99, VersR 2000, 349 unter 2 a [juris Rn. 10]; vom 22. September 1993 - IV ZR 203/92, VersR 1993, 1470 unter 3 [juris Rn. 21]; vgl. nunmehr auch § 172 Abs. 2 VVG, der die frühere Rspr. umgesetzt hat, so Terno, r+s 2008, 361; Klenk in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 172 Rn. 8). Dies gilt für Versicherungsbedingungen wie den vorliegenden § 2 Abs. 1 BB-BUZ, nach denen der Versicherte außerstande sein muss, "seinen Beruf" auszuüben. Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es keiner Vereinbarung einer sogenannten Tätigkeitsklausel, um den versicherten Beruf in dieser Weise zu bestimmen. Eine solche hätte vielmehr die Funktion, ein im Versicherungsschein genanntes allgemeines Berufsbild anstelle der konkreten, in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Tätigkeit zum versicherten Beruf zu machen, so dass Berufsunfähigkeit erst dann einträte, wenn dem Versicherten das gesamte allgemeine Berufsbild verschlossen wäre (vgl. Gebert/Steinbeck in Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess 3. Aufl. § 9 Rn. 49; Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 59; OLG Köln, r + s 1995, 436, 437).

24

bb) Die aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks eingeschränkte ärztliche Tätigkeit, die der Kläger zunächst in seiner HNO-Praxis und anschließend als Angestellter im MVZ ausübte, wurde nicht zum versicherten Beruf des Klägers im Sinne von § 2 Abs. 1 BB-BUZ. War ein Berufswechsel vor Eintritt des Versicherungsfalles ausschließlich leidensbedingt, bleibt Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit der vor diesem Wechsel ausgeübte Beruf (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1994 - IV ZR 300/93, VersR 1995, 159 unter 3 b [juris Rn. 20]; Lücke in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 172 Rn. 53; Höra in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 26 Rn. 36; im Grundsatz ebenso, aber mit - insbesondere zeitlichen - Grenzen: Klenk in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 172 Rn. 8; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. F Rn. 79; vgl. auch Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 2 BUZ 2008 Rn. 49; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 172 Rn. 68 f.; HK-VVG/Mertens, 3. Aufl. § 172 Rn. 22; Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 16 ff.; OLG Saarbrücken VersR 2014, 1114). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen Eintritt des Versicherungsfalles zunächst weiterhin eine leidensbedingt eingeschränkte Tätigkeit ausgeübt hat und nach Beendigung dieser Tätigkeit erneut Versicherungsansprüche geltend macht. Dies ergibt die Auslegung von § 2 Abs. 1 BB-BUZ.

25

(1) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; st. Rspr.).

26

(2) Dabei wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Wortlaut der Klausel entnehmen, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintritt, wenn er "infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls" zur Ausübung seines Berufs außerstande ist. Die leidensbedingte Einschränkung seiner beruflichen Fähigkeiten begründet danach gerade den Versicherungsfall, gegen den er sich mit der Berufsunfähigkeitsversicherung nach deren erkennbarem Zweck absichern will. Die Feststellung einer solchen Einschränkung bedarf jedoch eines Vergleichsmaßstabs, unter dem der Versicherungsnehmer nur seine berufliche Leistungsfähigkeit in gesunden Tagen verstehen kann. Der bedingungsgemäß festgelegte Grad von Berufsunfähigkeit, der erst einen Anspruch auf die zugesagten Leistungen gibt, orientiert sich nicht an einem fortlaufend absinkenden Leistungsniveau des Versicherten als Vergleichsmaßstab (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1993 - IV ZR 203/92, VersR 1993, 1470 unter 3 [juris Rn. 20]). Dies muss daher auch die Definition seines versicherten Berufes bestimmen. Andernfalls setzten zukünftige Versicherungsansprüche eine immer weiter fortschreitende Verschlechterung seines Gesundheitszustands voraus. Der Versicherungsnehmer kann aber § 2 Abs. 1 BB-BUZ nicht entnehmen, dass ein während der Versicherungsdauer verschlechterter gesundheitlicher Zustand dann, wenn er bereits einmal den Versicherungsfall ausgelöst hat, für die restliche Laufzeit der Versicherung zum neuen Normalzustand werden soll, an dem künftig der Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu messen wäre. Bei einem anderen Klauselverständnis würde der versprochene und durch unverminderte Beiträge erworbene Versicherungsschutz während der Versicherungsdauer zunehmend entwertet (vgl. Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 17; Höra in Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 26 Rn. 36).

27

(3) Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist weder aus § 2 Abs. 1 BB-BUZ noch aus den Versicherungsbedingungen im Übrigen erkennbar, dass dieser Versicherungsschutz für seinen Beruf aus gesunden Tagen einer zeitlichen Grenze unterliegen könnte. Eine solche einschränkende Regelung fehlt in den Klauseln. Der Versicherungsnehmer kann daher bei verständiger Würdigung den Versicherungsbedingungen nicht entnehmen, ab wann eine gesundheitlich verminderte Leistungsfähigkeit und eine daran angepasste Berufstätigkeit im Weiteren zum versicherten Normalzustand werden könnte, weshalb zeitliche Grenzen nicht konstruiert werden können (entgegen Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. F Rn. 79 (drei Jahre); Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 2 BUZ 2008 Rn. 49 (fünf Jahre)).

28

cc) Es steht der Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht entgegen, dass der Kläger nach Beendigung des ersten Versicherungsfalles und vor dem erneuten Leistungsantrag eine inzwischen beendete Tätigkeit im MVZ ausgeübt hat, auf die ihn die Beklagte wirksam verwiesen hat. Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der "in gesunden Tagen" ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

29

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 BB-BUZ, dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eintritt, wenn er zur Ausübung seines Berufs außerstande ist und auch keine andere Tätigkeit "ausübt", die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Damit verdeutlicht ihm der Versicherer, dass eine Verweisung auf Tätigkeiten, die er zwar ausüben könnte, aber nicht ausübt, ausgeschlossen sein soll. Indem nur auf die tatsächliche Ausübung einer anderen Tätigkeit abgestellt wird, soll der Versicherungsnehmer zugleich der Beweispflicht dafür enthoben werden, aus gesundheitlichen Gründen keine Vergleichstätigkeit ausüben zu können. Während bei Vereinbarung einer abstrakten Verweisungsmöglichkeit Berufsunfähigkeit nur dann eintritt, wenn der Versicherte zur Ausübung eines Vergleichsberufs aus ausschließlich gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 232/03, VersR 2007, 631 Rn. 12), sind solche erhöhten Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsfalles aus dem Wortlaut der vorliegenden Klausel nicht ersichtlich. Für den Versicherungsnehmer ist nicht erkennbar, dass - bei unverändertem Gesundheitszustand - die zeitweilige Ausübung einer Vergleichstätigkeit auch über deren Beendigung hinaus für die Zukunft zum Verlust des Versicherungsschutzes in seinem versicherten Beruf führt. Es trifft daher nicht zu, dass sich bei Beendigung einer konkreten Verweisungstätigkeit aus anderen als gesundheitlichen Gründen das versicherte Risiko nicht realisiert habe (entgegen Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 142; MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl. § 172 Rn. 178). Auf die Gründe des Klägers für die Beendigung seiner zwischenzeitlich ausgeübten Vergleichstätigkeit kommt es somit nicht an.

30

dd) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Beklagte den Kläger - ausgehend von seinem Ausgangsberuf - nicht auf seine seit Mai 2013 ausgeübte Tätigkeit als Praxisvertreter verweisen kann. Die Feststellung des Berufungsgerichts, diese Tätigkeit sei mit seiner Tätigkeit als niedergelassener HNO-Arzt hinsichtlich der bisherigen Lebensstellung nicht vergleichbar, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hierbei kommt es - anders als die Revision meint - nicht allein auf einen Einkommensverlust und die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen, sondern auch auf die Wahrung des sozialen Status des Versicherten an. Insoweit ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden dass das Berufungsgericht davon ausgeht, einer Tätigkeit als Praxisvertreter komme nicht die gleiche soziale Wertschätzung wie jener eines niedergelassenen Facharztes mit eigener Praxis zu.

Mayen        

       

Felsch        

       

Harsdorf-Gebhardt

       

Lehmann        

       

Dr. Bußmann        

       

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 235/03 Verkündet am:
29. Juni 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Anschriftenliste
Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag ändert eine Abwandlung
der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen
des Klägers beziehen soll, den Streitgegenstand und setzt deshalb einen entsprechenden
Antrag des Klägers voraus. Dies gilt ebenso, wenn eine im Unterlassungsantrag
umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher
Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren
Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es
nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter
Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual (im Sinne des
§ 264 Nr. 2 ZPO) ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen
Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden
waren.
BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - I ZR 235/03 - OLG Naumburg
LG Halle
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 10. Oktober 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Das Berufungsurteil wird wie folgt neu gefasst: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 20. Dezember 2002 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Kläger und Beklagte betreuen jeweils als Rechtsanwälte Kapitalanleger, die Fondsanteile verschiedener T. und Partner Immobilienfonds Kommanditgesellschaften (im Folgenden: Immobilienfonds) erworben haben. Diese Immobilienfonds sind spätestens im Jahr 2001 notleidend geworden. Trotz ausbleibender Einnahmen hatten Anleger, die ihre Fondsanteile durch Kreditaufnahme finanziert hatten, Zinsen an das kreditgewährende Unternehmen zu zahlen.
2
Durch Urteil vom 13. Dezember 2001 entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage, ob bei Darlehensverträgen dieser Art eine Widerrufsmöglichkeit gegeben ist (NJW 2002, 281). Dies nahmen die Beklagten zum Anlass, an etwa 1.000 Gesellschafter der Immobilienfonds ein auf den 20. Dezember 2001 datiertes Informationsschreiben zu richten. Darin führten sie aus, es bestehe nunmehr Aussicht, Darlehensverbindlichkeiten aus Kreditverträgen , die außerhalb der Geschäftsräume von Banken oder Sparkassen zustande gekommen seien, erheblich zu vermindern. Zugleich luden sie zu einer Informationsveranstaltung ein. Nach der Behauptung der Kläger benutzten die Beklagten für die Versendung des Schreibens eine Anschriftenliste, die aufgrund der Angaben der Fondsgesellschafter bei der Anbahnung der Kapitalanlageverträge erstellt worden war.
3
Im Januar und Februar 2002 führten die Beklagten die angekündigte Informationsveranstaltung und gleichartige Veranstaltungen durch. Im Februar 2002 versandten sie zwei weitere Schreiben, in denen sie u.a. den Inhalt der auf den Informationsveranstaltungen erteilten Informationen zusammenfassten und anwaltliche Ansprechpartner in ihrer Kanzlei benannten. Nach der Behaup- tung der Kläger wurden diese Schreiben wieder an alle den Beklagten bekannten Gesellschafter der Immobilienfonds versandt.
4
Unter dem 8. Mai 2002 erstatteten die Beklagten einen "Zwischenbericht" über die weiteren Entwicklungen in der Rechtsprechung und in konkreten laufenden Verfahren und forderten dazu auf, mit einem Rechtsanwalt aus ihrer Sozietät Kontakt aufzunehmen.
5
Die Kläger haben die Informationsschreiben und -veranstaltungen als berufswidrige Werbemaßnahmen (§ 43b BRAO i.V. mit § 6 BORA) angesehen. Sie haben beantragt, die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen,
a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen, welche Gesellschaftsanteile an T. und Partner Immobilienfonds erworben haben und nicht Mandanten der Rechtsanwaltskanzlei B. W. , , N. sind, unaufgefordert Anschreiben, welche Auskünfte über Rechtsprechung oder sonstige rechtliche Entwicklungen, die im Zusammenhang mit dem T. und Partner Investmentfonds stehen oder hierfür von Bedeutung sein können, gezielt zukommen zu lassen ,
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen, welche Gesellschaftsanteile an T. und Partner Immobilienfonds erworben haben und nicht Mandanten der Kanzlei B. , W. , N. sind, gezielt zu Informationsveranstaltungen über die T. und Partner Immobilienfonds bzw. die damit im Zusammenhang stehenden rechtlichen Entwicklungen einzuladen und solche Veranstaltungen durchzuführen.
6
Die Beklagten haben ihre Werbemaßnahmen als rechtmäßig verteidigt.
7
Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht (OLG Naumburg NJW 2003, 3566) das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und hinsichtlich des Unterlassungsausspruchs wie folgt neu gefasst: 1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen ,
a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen , welche Geschäftsanteile an einem oder mehreren der T. und Partner Immobilienfonds KG erworben haben und die weder Mandanten der Beklagten sind noch in eine Verwendung ihrer bei der Vermittlung bzw. beim Erwerb der o.g. Fondsanteile angegebenen Adressen zur Übersendung von Anwaltswerbung eingewilligt haben, unter Verwendung dieser Adressenangaben unaufgefordert Anschreiben zu übersenden, welche Auskünfte über Rechtsprechung oder sonstige rechtliche Entwicklungen enthalten , die im Zusammenhang mit einem T. und Partner Immobilienfonds stehen oder hierfür von Bedeutung sein können,
b) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Personen , welche Geschäftsanteile an einem oder mehreren der T. und Partner Immobilienfonds KG erworben haben und die weder Mandanten der Beklagten sind noch in eine Verwendung ihrer bei der Vermittlung bzw. beim Erwerb der o.g. Fondsanteile angegebenen Adressen zur Übersendung von Anwaltswerbung eingewilligt haben, unter Verwendung dieser Adressenangaben unaufgefordert Einladungen zu Informationsveranstaltungen zu übersenden, in denen Auskünfte über Rechtsprechung oder sonstige rechtliche Entwicklungen erteilt werden, die im Zusammenhang mit einem T. und Partner Immobilienfonds stehen oder hierfür von Bedeutung sein können.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Beklagten zu 60 % und die Kläger zu 40 % zu tragen.
8
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Kläger beantragen , die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten als teilweise begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
10
Das Urteil des Landgerichts sei nur mit einer Einschränkung aufrechtzuerhalten. Den Beklagten seien nicht jegliche unaufgeforderte Werberundschreiben an Nichtmandanten und jegliche Informationsveranstaltungen zu untersagen. Ihre Werbemaßnahmen verstießen nicht gegen das für Rechtsanwälte geltende Verbot des § 43b BRAO, für die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall zu werben. Die angesprochenen Personen hätten zwar einen konkreten rechtlichen Beratungsbedarf gehabt. Das Verbot der Werbung um Einzelfallmandate werde aber nicht immer schon verletzt, wenn der Rechtsanwalt wie hier um einzelne Mandanten werbe und sein Ziel, in einer konkreten Angelegenheit mandatiert zu werden, zu erkennen gebe. Die Werbemaßnahmen der Beklagten hätten jedenfalls die Grenzen nicht überschritten, die gezogen seien, um die freie und unbedrängte Entscheidung eines rechtsuchenden Bürgers über die Beauftragung eines Rechtsanwalts zu schützen.
11
Die Beklagten hätten aber wettbewerbswidrig gehandelt, weil sie bei ihren Werbemaßnahmen gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstoßen hätten. Ihre gezielte Übersendung von Werbepost an die Fondsgesellschafter habe ein Anschriftenverzeichnis vorausgesetzt, das nur die mit dem Vertrieb, der Verwaltung und/oder dem Verkauf befassten Unternehmen hätten erstellen können. Es sei davon auszugehen, dass den Beklagten ein solches Anschriftenverzeichnis entgegen den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes übermittelt worden sei. Die Beklagten hätten nicht - wie erforderlich - dargelegt, dass die etwa 1.000 Adressaten des Schreibens vom 20. Dezember 2001 in eine Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hätten. Die Verwendung des unzulässig erlangten Anschriftenverzeichnisses habe insbesondere gegen § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG verstoßen.
12
II. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.
13
Die ausgesprochenen Verbote können keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht den Klägern dadurch etwas zuerkannt hat, was sie nicht beantragt haben (§ 308 Abs. 1 ZPO). Dieser Verfahrensverstoß ist von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2005 - I ZR 227/02, GRUR 2005, 854, 855 = WRP 2005, 1173 - Karten-Grundsubstanz, m.w.N.).
14
1. Die Kläger haben mit ihren Klageanträgen begehrt, den Beklagten zu untersagen, Anlegern der Immobilienfonds, die nicht Mandanten der Beklagten sind, unaufgefordert Informationsschreiben und Einladungen zu Informationsveranstaltungen zuzusenden. Das Berufungsgericht hat diese Klageanträge als unbegründet abgewiesen, den Beklagten aber verboten, bei solchen Werbemaßnahmen ohne Einwilligung der Anleger deren Anschriften zu verwenden, die diese beim Erwerb der Fondsanteile mitgeteilt haben. Derartige Verbote haben die Kläger nicht beantragt.
15
a) Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 154, 342, 347 f. - Reinigungsarbeiten, m.w.N.). Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag besteht die begehrte Rechtsfolge in dem Verbot gerade der bestimmten - als rechtswidrig angegriffenen - Verhaltensweise (Verletzungsform), die der Kläger in seinem Antrag sowie seiner zur Antragsauslegung heranzuziehenden Klagebegründung festgelegt hat (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 2.7.1998 - I ZR 77/96, GRUR 1999, 272, 274 = WRP 1999, 183 - Die Luxusklasse zum Nulltarif). Die so umschriebene Verletzungsform bestimmt und begrenzt damit den Inhalt des Klagebegehrens.
16
Eine Abwandlung der Verletzungsform, auf die sich der Verbotsausspruch nach dem Willen des Klägers beziehen soll, ändert dementsprechend den Streitgegenstand und setzt deshalb einen entsprechenden Antrag des Klägers voraus. Dies gilt ebenso, wenn eine im Antrag umschriebene Verletzungsform durch Einfügung zusätzlicher Merkmale in ihrem Umfang auf Verhaltensweisen eingeschränkt wird, deren Beurteilung die Prüfung weiterer Sachverhaltselemente erfordert, auf die es nach dem bisherigen Antrag nicht angekommen wäre. Ein in dieser Weise eingeschränkter Antrag ist zwar gedanklich, nicht aber prozessual (im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO) ein Minus, weil seine Begründung nunmehr von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die zuvor nicht zum Inhalt des Antrags erhoben worden waren (vgl. BGHZ 154, 342, 350 - Reinigungsarbeiten, m.w.N.). Das Gericht ist zwar verpflichtet, den vorgetragenen Lebenssachverhalt umfassend rechtlich daraufhin zu überprüfen, ob da- nach der Klageantrag begründet ist. Es muss dabei aber die Grenzen des vom Kläger bestimmten Streitgegenstands beachten (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 157/98, GRUR 2002, 287, 288 = WRP 2002, 94 - Widerruf der Erledigungserklärung , m.w.N.). Das Gericht verstößt deshalb gegen § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dahingehend erkennt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter bestimmten, nicht zum Inhalt des Antrags erhobenen Voraussetzungen bestehe und im Übrigen nicht bestehe. Eine solche Entscheidung spricht nicht lediglich weniger zu als beantragt, sondern anstelle des Beantragten etwas Anderes (BAG DB 1992, 434 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
17
b) Das Klagebegehren war nicht darauf gerichtet, dass den Beklagten untersagt wird, Anschriften von Anlegern der Immobilienfonds für die Übersendung von Informationsschreiben und die Durchführung von Informationsveranstaltungen zu benutzen.
18
aa) Die Kläger haben mit ihrer Klageschrift nach der Fassung der Klageanträge und deren Begründung allein geltend gemacht, die Beklagten hätten mit ihren Informationsschreiben und -veranstaltungen entgegen § 43b BRAO um die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall geworben und dadurch nicht nur gegen anwaltliches Berufsrecht verstoßen, sondern auch wettbewerbswidrig gehandelt. Die Art und Weise, wie sich die Beklagten die Anschriften der angeschriebenen Anleger der Immobilienfonds verschafft und für ihre Werbung verwendet haben, ist in der Klageschrift nicht angesprochen worden.
19
bb) Die Kläger haben ein entsprechendes Klagebegehren auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht in den Prozess eingeführt.
20
(1) Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht (vgl. BGH, Urt. v. 2.4.1992 - I ZR 146/90, GRUR 1992, 552, 554 = WRP 1992, 557 - Stundung ohne Aufpreis ; Urt. v. 26.9.2000 - VI ZR 279/99, WRP 2001, 44, 46; Urt. v. 27.6.2002 - I ZR 103/00, GRUR 2003, 436, 439 = WRP 2003, 384 - Feldenkrais). Dies erfordert insbesondere der Schutz des Beklagten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können (vgl. BGHZ 154, 342, 349 - Reinigungsarbeiten).
21
(2) Die Kläger haben nach der Klageerhebung die Art und Weise der Anschriftenbeschaffung und -verwendung nicht - auch nicht ohne Änderung des Wortlauts ihrer Anträge - zum Gegenstand weiterer selbständiger Klagebegehren machen wollen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Kläger - wie aus dem Tatbestand des Berufungsurteils hervorgeht - behauptet haben, die Beklagten hätten für die Versendung ihres Informationsschreibens vom 20. Dezember 2001 eine Anschriftenliste benutzt, die aufgrund der Angaben der Fondsgesellschafter bei der Anbahnung der Kapitalanlageverträge erstellt worden sei.
22
In ihrem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 27. November 2002 haben die Kläger zwar Ausführungen darüber gemacht, von wem die Beklagten die Adressen der Anleger erhalten haben könnten. Zweck dieser Ausführungen , mit denen die Kläger weitgehend nur Vermutungen über die Herkunft der Anschriften geäußert haben, war es aber nicht, die Art und Weise der Beschaffung und Verwendung der Adressen zum Gegenstand des Rechtsstreits zu machen. Dies wird schon daraus ersichtlich, dass die Kläger die Anschriftenbeschaffung als solche in keiner Weise beanstandet und die Anschriftenverwendung gar nicht angesprochen haben. Bei ihren Ausführungen ging es den Klägern vielmehr lediglich darum darzutun, dass die Beklagten bei einer Vielzahl von angeschriebenen Anlegern einen konkreten Beratungsbedarf vermutet hätten. Dementsprechend hat das Landgericht die Klageanträge nur mit der Begründung zugesprochen, die Beklagten hätten standes- und wettbewerbswidrig für die Erteilung von Aufträgen im Einzelfall geworben.
23
Auch im Berufungsverfahren haben die Kläger die Beschaffung und Verwendung der Anschriften der Anleger nicht zu einem weiteren Gegenstand ihrer Klage gemacht. Die Frage, ob sich die Beklagten die Anschriften der Anleger auf rechtswidrige Weise beschafft haben könnten, hat erst das Berufungsgericht in seinem Aufklärungs- und Hinweisbeschluss vom 11. Juni 2003 aufgeworfen. Die Beklagten nahmen dies zum Anlass, die beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Kläger haben sich im Ablehnungsverfahren zwar bemüht, das Berufungsgericht gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, es habe Sachverhaltserforschung von Amts wegen betrieben , und dazu auf ihren Schriftsatz vom 27. November 2002 verwiesen. Sie haben ihre Klage aber gleichwohl nicht durch die Einführung eines neuen, auf die Art und Weise der Anschriftenbeschaffung gestützten Klagebegehrens erweitert. Sie haben lediglich - auch dies nur in einer Stellungnahme zur Richterablehnung - Erwägungen darüber angestellt, dass die Beklagten sich einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil "unter Verstoß gegen gesetzliche Regelungen" verschafft und wettbewerbswidrig gehandelt hätten, wenn sie sich die Adressen auf nicht legalem Weg beschafft haben sollten, "wovon jedenfalls nach dem derzeitigen Vortrag der Beklagten auszugehen" sei. In diesem Fall wäre auch das Anschreiben der Anleger der Immobilienfonds "wohl wettbewerbswidrig". Weiter haben die Kläger die Ansicht geäußert, die Darlegungsund Beweislast dafür, dass die Adressen nicht illegal beschafft worden seien, liege wohl bei den Beklagten. Auf die Frage, worin ein Gesetzesverstoß der Beklagten zu sehen sein könnte, gingen die Kläger nicht ein. Diesen Ausfüh- rungen über die Möglichkeit, dass die Beklagten bei der Anschriftenbeschaffung und -verwendung wettbewerbswidrig gehandelt haben könnten, lässt sich nicht der bestimmte Wille entnehmen, ein entsprechendes Unterlassungsbegehren zu einem (weiteren) Gegenstand des Rechtsstreits zu machen.
24
2. Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist nicht dadurch geheilt worden, dass die Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt und sich dadurch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu Eigen gemacht haben. Denn insoweit handelt es sich um eine Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. BGHZ 154, 342, 350 f. - Reinigungsarbeiten; BGH GRUR 2005, 854, 856 - Karten-Grundsubstanz, jeweils m.w.N.).
25
3. Den Klägern ist auch nicht durch Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, nunmehr Anträge zu stellen, die den vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verboten entsprechen. Das schriftsätzliche Vorbringen der Kläger in den Tatsacheninstanzen bot - wie dargelegt - keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie solche prozessualen Ansprüche geltend machen wollten. Es ist aber weder Aufgabe des Gerichts, einen Kläger durch Fragen oder Hinweise zu veranlassen, neue Streitgegenstände einzuführen, noch sein Verfahren so zu gestalten, dass einem Kläger die Möglichkeit geboten wird, in dieser Weise - gegebenenfalls nach langem Verfahren - seine Klage zu erweitern (vgl. BGHZ 154, 342, 351 - Reinigungsarbeiten; BGH GRUR 2003, 436, 439 - Feldenkrais).
26
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Auf die Berufung der Beklagten war - insoweit entsprechend dem Aus- spruch des Berufungsgerichts - die Klage in Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 20.12.2002 - 7 O 383/02 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 10.10.2003 - 1 U 17/03 -

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Geldleistungen des Versicherers sind fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen.

(2) Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.

(3) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen befreit wird, ist unwirksam.