Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 62/00 Verkündet am:
23. Mai 2001
Heinekamp
Justizsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB §§ 225, 1934 b Abs. 1 Satz 1

a) Zur Auslegung einer Verjährungsvereinbarung.

b) Zum Stichtagsprinzip des § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB (entsprechend § 2311
Abs. 1 Satz 1 BGB).
BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 - IV ZR 62/00 - OLG Frankfurt/Main
LG Frankfurt/Main
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
, den Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche
Verhandlung vom 23. Mai 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger erheben Erbersatzansprüche aufgrund des bis zum 31. März 1998 geltenden § 1934 a BGB. Sie sind nichteheliche Kinder des am 13. November 1992 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte ist dessen eheliche Tochter und Alleinerbin. Die Parteien nahmen schon am 16. November 1992 außergerichtliche Verhandlungen auf, die u.a. mit dem Ziel einer Realteilung durch notariellen Vertrag geführt wurden, aber letzten Endes scheiterten, weil sich die Parteien über die Bewer-

tung insbesondere von Nachlaßgrundstücken und den Umfang abzusetzender Verbindlichkeiten nicht einigen konnten. Die Beklagte verzichtete auf Wunsch der Kläger mehrmals auf die Einrede der Verjährung, zuletzt bis zum 30. Juni 1996. Am 28. Juni 1996 reichten die Kläger Mahnbescheidsanträge über je 666.677 DM ein, die auf Rückfrage des Gerichts durch Schriftsätze vom 8. und 29. Juli 1996 ergänzt werden mußten und erst am 5. August 1996 zugestellt wurden. Außerdem reichten die Kläger am 28. Juni 1996 eine Klage auf Zahlung von je 206.270 DM ein, die am 4. Juli 1996 zugestellt worden ist. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von je 814.204,04 DM verurteilt.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte u.a. Verjährung geltend gemacht. Das Oberlandesgericht hat eine Beweisaufnahme zur Klärung von Gegenforderungen der Beklagten in Höhe von 12.821,80 DM angeordnet , nach Abzug dieses Betrages von der im übrigen festgestellten Höhe des Anspruchs die Berufung aber durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von je 810.596,77 DM verurteilt worden war. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Wie die Revision mit Recht rügt, war der Erlaß eines Teilurteils unzulässig, weil das Berufungsgericht nicht zugleich über den Grund des einheitlichen Anspruchs gemäß § 304 ZPO entschieden hat und daher die Gefahr einer insoweit widersprüchlichen Entscheidung über den noch beim Berufungsgericht anhängigen Teil des Anspruchs besteht (st.Rspr., jetzt auch § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. BGHZ 107, 236, 242; Urteil vom 8. Dezember 1994 - IX ZR 254/93 - NJW 1995, 2106 unter I 1 und 2; Urteil vom 13. Oktober 2000 - V ZR 356/99 - NJW 2001, 78 unter II 2 und 3). Obwohl die Einrede der Verjährung nach dem Inhalt des angegriffenen Teilurteils nicht durchgreift, ist nicht auszuschließen, daß der Erbersatzanspruch, soweit das Berufungsgericht darüber in Höhe von 12.821,80 DM noch nicht entschieden hat, wegen Verjährung abgewiesen werden könnte. Denn das Berufungsgericht ist nach § 318 ZPO nur an seinen Urteilsausspruch, nicht aber an die dafür gegebene Begründung gebunden.
Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Er kann den noch nicht beschiedenen Teil des Anspruchs nicht an sich ziehen. Ein Grundurteil nur über den noch in zweiter Instanz anhängigen Teil des Anspruchs wäre auch deshalb nicht möglich, weil nicht sicher ist, daß dieser Teil mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht.
II. Im übrigen sind die Rügen der Revision nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht begründet.

1. Die Revision meint, nicht nur die Beklagte habe bis zum 30. Juni 1996 auf die Einrede der Verjährung verzichtet, sondern auch die Kläger hätten ihrerseits darauf verzichtet, geltend zu machen, Verjährung könne aus anderen Gründen (Hemmung, Unterbrechung) nicht mit Ablauf dieses Tages eingetreten sein. Das sei aus dem Schreiben des Vertreters der Kläger vom 4. Oktober 1995 an die Vertreterin der Beklagten zu schließen, in dem es heißt:
"...Zwar wird man die Auffassung vertreten können, daß die Verjährung durch die Verhandlungen gehemmt ist, wobei es allerdings keinem Betroffenen zugemutet werden kann, sich hierauf zu verlassen. Um die Verjährung nicht eintreten zu lassen, wäre ich Ihnen deshalb sehr verbunden, wenn Sie für Ihre Mandantin - gegebenenfalls zeitlich begrenzt - auf die Einrede der Verjährung verzichten könnten, damit Zeit bleibt, die Angelegenheit einvernehmlich mit allen Beteiligten zu klären..." Daraufhin hat die Vertreterin der Beklagten mehrfach jeweils bis zu einem bestimmten Termin "auf die Einrede der Verjährung verzichtet", zuletzt bis zum 30. Juni 1996. Für ihre Ansicht, auch die Kläger dürften nicht geltend machen, die Verjährungsfrist sei am 30. Juni 1996 etwa wegen einer Hemmung oder Unterbrechung noch nicht abgelaufen, hebt die Revision auf die Formulierung im Schreiben vom 4. Oktober 1995 ab, es könne "keinem Betroffenen" zugemutet werden, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu verlassen. Die daraufhin getroffenen Abreden könnten also nicht lediglich zum Nachteil der Beklagten ausgelegt werden. Die Kläger hätten ihre Klage und ihre Mahnanträge mit Bedacht vor dem 30. Juni 1996 bei Gericht eingereicht.

Diese Anhaltspunkte tragen die von der Revision gewünschte Auslegung nicht. Die Bitte der Kläger im Schreiben vom 4. Oktober 1995 richtete sich nach ihrem klaren Wortlaut auf nichts anderes als einen Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung. Dem hat die Beklagte entsprochen. Von einem Verzicht der Kläger war nie die Rede, selbst wenn das Schreiben vom 4. Oktober 1995 die Auffassung für vertretbar hält, die Verjährung sei schon durch die Verhandlungen gehemmt gewesen (dazu vgl. BGHZ 93, 64, 66).
Die Vertreterin der Beklagten hatte darüber hinaus schon in einem Schreiben an die Kläger vom 16. Mai 1994 im einzelnen Auskunft über den Bestand des Nachlasses und die Verbindlichkeiten erteilt sowie eine notarielle Protokollierung der sich daraus ergebenden Erbausgleichung vorgeschlagen. Darin hat das Berufungsgericht mit Recht ein Anerkenntnis der gesamten Klageforderung jedenfalls dem Grunde nach und damit eine Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB gesehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1975 - IV ZR 19/74 - NJW 1975, 1409; Urteil vom 19. Juni 1985 - IVa ZR 114/83 - NJW 1985, 2945 unter I 1, insoweit in BGHZ 95, 76 nicht abgedruckt; Urteil vom 27. Juni 1990 - IV ZR 115/89 - FamRZ 1990, 1107 unter 2). Die Vertreterin der Beklagten hat mit Schreiben vom 14. Mai 1996 die Auskünfte ergänzt und erklärt: "Insgesamt verbleibt es dann bei einem vorläufigen Nachlaßwert von 2.000.033,10 DM, mithin einem vorläufig als Forderung ihrer Mandanten anzuerkennenden Betrag von je 666.677,70 DM." Damit war die dreijährige Verjährungsfrist des § 1934 b Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. ein weiteres Mal unterbrochen. Gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision auch nicht. Wenn die Beklagte bei dieser

Sachlage einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung nur unter der Voraussetzung hätte erklären wollen, daß auch die Kläger darauf verzichteten , sich auf eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung zu berufen, hätte die Beklagte dies ausdrücklich klarstellen müssen. Näher liegt, daß sie aus Gründen der Vereinfachung auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, weil sie ihr jedenfalls bis zu den von ihr gesetzten Endterminen ohnehin nicht zugestanden hätte.
Mithin ist das Berufungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt , daß die Einrede der Verjährung auch im Hinblick auf die erst am 5. August 1996 zugestellten Mahnbescheide keinen Erfolg hat.
2. Das Berufungsgericht hat den Nachlaß gemäß § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auf den Stichtag des Erbfalls bewertet. Daß die Parteien etwa dreieinhalb Jahre lang über die Aufteilung des Nachlasses auch mit dem Ziel einer Realteilung verhandelt haben, sei entgegen der Ansicht der Beklagten kein ausreichender Grund, nach § 242 BGB für den nach ihrem Vortrag seit dem Erbfall gesunkenen Wert der Häuser auf den Zeitpunkt des Abbruchs der Verhandlungen am 23. Mai 1996 abzustellen. Die Beklagte sei durch die Verhandlungen nicht gehindert gewesen , den Wert der Hausgrundstücke durch regelmäßige Pflege zu erhalten und frei werdende Wohnungen zu vermieten.
Dem hält die Revision entgegen, nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung, von dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz auszugehen sei, hätten die Kläger die Beklagte inständig ge-

beten, die Wohnungen nicht mehr zu vermieten bzw. mietfrei zu machen und keine Investitionen mehr vorzunehmen; darüber habe jeder nach einer Realteilung selbst entscheiden sollen. Insoweit habe wechselseitig Einverständnis bestanden. Das habe nach der Lebenserfahrung zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Bausubstanz und zur Verwahrlosung der Häuser geführt (Wasserrohrbruch, Verwilderung der Gartenanlage). Über diesen Sachvortrag habe sich das Berufungsgericht hinweggesetzt.
Daß sich die Kläger auf den Erbfall als den gemäß § 1934 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. maßgebenden Stichtag berufen, verstößt jedoch auch im Hinblick auf die von der Revision hervorgehobenen Umstände nicht gegen Treu und Glauben. Es ist der Sinn der Stichtagsregelung, daß Wertsteigerungen oder Wertverluste nach dem Erbfall außer Betracht bleiben (so zu dem entsprechenden Stichtag für den Pflichtteilsanspruch BGHZ 7, 134, 138; 123, 76, 80). Außergewöhnliche Verhältnisse (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 1973 - IV ZR 157/71 - NJW 1973, 995 unter 3 b), die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte auf eigenes Risiko gehandelt, wenn sie frei werdende Wohnungen nicht mehr vermietete, um den Klägern entgegenzukommen und dadurch zu einer einverständlichen Realteilung zu gelangen. Aus dem Interesse der Kläger an freiem Wohnraum, den sie nach eigenen Vorstellungen nutzen konnten, ergibt sich im übrigen nicht, daß sie auch die zur Erhaltung der Gebäude notwendigen Maßnahmen abgelehnt hätten. Die dafür erforderlichen verhältnismäßig geringen Kosten hätte die Beklagte zur Vermeidung größerer Schäden oder des von ihr behaupteten erheblichen Wertverlustes schon im eigenen Interesse aufwenden müssen.

Im übrigen rechtfertigt das Vorbringen der Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen nicht, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat. Bis zum Abschluß der von den Parteien angestrebten einverständlichen Erbauseinandersetzung hat jede Vertragspartei im Rahmen der Vertragsfreiheit das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsschluß Abstand zu nehmen; nur wenn der Abschluß als sicher anzunehmen war und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen gemacht oder Nutzungen nicht gezogen werden, können diese vom Verhandlungspartner zu erstatten sein, wenn er den Vertragsschluß später ohne triftigen Grund ablehnt; bei Verträgen, die – wie hier - der Formvorschrift des § 313 Satz 1 BGB unterliegen, besteht keine Verpflichtung zum Schadensersatz (wegen eines damit etwa verbundenen indirekten Zwanges zum Vertragsschluß), selbst wenn es für den Abbruch der Verhandlungen keinen triftigen Grund gab (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 1996 - V ZR 332/94 - NJW 1996, 1885 unter II 1 a).
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

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(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. (2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 318 Bindung des Gerichts


Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 208 Hemmung der Verjährung bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung


Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bei Beginn der Verjähru

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Gehört der überlebende Ehegatte zu den erbberechtigten Verwandten, so erbt er zugleich als Verwandter. Der Erbteil, der ihm auf Grund der Verwandtschaft zufällt, gilt als besonderer Erbteil.

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2000 - V ZR 356/99

bei uns veröffentlicht am 13.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNISURTEIL V ZR 356/99 Verkündet am: 13. Oktober 2000 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2001 - IV ZR 62/00.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2018 - XI ZR 652/16

bei uns veröffentlicht am 10.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 652/16 Verkündet am: 10. Juli 2018 Weber Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2018:100718UXIZR652.16.0 Der XI

Referenzen

Gehört der überlebende Ehegatte zu den erbberechtigten Verwandten, so erbt er zugleich als Verwandter. Der Erbteil, der ihm auf Grund der Verwandtschaft zufällt, gilt als besonderer Erbteil.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
V ZR 356/99 Verkündet am:
13. Oktober 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Hält das Berufungsgericht ein Teilurteil des Landgerichts zu Unrecht für zulässig
und zieht den dort noch anhängigen Streitteil nicht zu sich herauf, kann das Revisionsgericht
unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache an das Berufungsgericht
zurückverweisen, wenn dessen Entscheidung über den gesamten Rechtsstreit
sachdienlich im Sinne des § 540 ZPO ist.
BGH, Urt. v. 13. Oktober 2000 - V ZR 356/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. August 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 1. September 1997 erwarben die Kläger von der Beklagten ein Grundstück "wie besichtigt, ohne Gewähr für Größe, Güte und Beschaffenheit ...", das mit einem 1973 im vorderen Teil errichteten Mehrfamilienhaus und einem älteren Hintergebäude bebaut ist. Die Baugenehmigung für das Vordergebäude war der Beklagten und ihrem Großvater mit der - rechtskräftigen - Auflage erteilt worden, das Hintergebäude spätestens acht Monate nach der Schlußabnahme zu beseitigen. Nach einer vom Landgericht
eingeholten amtlichen Auskunft ist das Hintergebäude formell und materiell illegal, die Wahrscheinlichkeit einer Vollstreckung der Abrißverfügung aber sehr gering.
Die Kläger haben auf den Kaufpreis von 750.000 DM lediglich 574.900 DM bezahlt. Den Restbetrag von 175.100 DM behalten sie mit der Behauptung ein, die Beklagte habe ihnen die Abrißverfügung arglistig verschwiegen. Nachdem die Beklagte wegen des Restkaufpreises die Zwangsvollstreckung aus der Kaufvertragsurkunde eingeleitet hatte, haben die Kläger Klage erhoben und (neben einem Hilfsantrag) beantragt,
1. die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, 2. festzustellen, daß sie zur Kaufpreisminderung um 175.100 DM berechtigt seien, 3. die Beklagte zu verurteilen, den beurkundenden Notar zur Stellung des Eigentumsumschreibungsantrags anzuweisen und 4. festzustellen, daß die Beklagte zur Zahlung der Abrißkosten verpflichtet sei, wenn die Kläger aufgrund behördlicher Anweisung das Hintergebäude abreißen lassen müßten.
Das Landgericht hat mit seiner als "Grundurteil" bezeichneten Entscheidung dem Klageantrag zu 2 dem Grunde nach und zu 4 uneingeschränkt stattgegeben ; im übrigen hat es eine Beweisaufnahme über die Minderung des Kaufpreises durch die Beseitigungsauflage angeordnet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klageanträge zu 2 und 4 abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie in erster Linie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht begehren.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht sieht die landgerichtliche Entscheidung als TeilGrundurteil (Klageantrag zu 2) und Teil-Endurteil (Klageantrag zu 4) an. Es hält sie für zulässig, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht bestehe; denn die Klageanträge zu 1 und 3 stützten sich materiellrechtlich auf den mit dem Teil-Grundurteil zuerkannten Anspruch, das Landgericht sei nach § 318 ZPO an dieses Urteil und an die insoweit ergehende rechtskräftige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts gebunden.
In der Sache verneint das Berufungsgericht ein arglistiges Handeln der Beklagten.

II.


Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Beklagte war trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden, obwohl das Urteil inhaltlich nicht auf der Säumnisfolge beruht
(vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff; Senatsurt. v. 6. Juni 1986, V ZR 96/85, NJW 1996, 3086).
2. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht die vom Landgericht gewählte Verfahrensweise der teilweisen Entscheidung des Rechtsstreits für zulässig. Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Teilurteils (§ 301 ZPO) lagen nämlich nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist (s. nur BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380; BGH, Urt. v. 26. September 1996, X ZR 48/95, NJW 1997, 453, 455; Urt. v. 12. Januar 1999, VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035; Urt. v. 24. Februar 1999, XII ZR 155/97, NJW 1999, 1718, 1719 - jeweils m.w.N. -). Das gilt nach § 301 Abs. 1, 1. Alt. ZPO auch für den - hier gegebenen - Fall, daß von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur ein Teil entscheidungsreif ist (BGH, Urt. v. 12. Januar 1999, aaO).
Hier liegt die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen wegen der abweichenden Beurteilung der Frage der Arglist durch das Rechtsmittelgericht geradezu auf der Hand. Denn alle Klageanträge stützen sich auf denselben Klagegrund, nämlich die von den Klägern behauptete arglistige Täuschung durch die Beklagte (§ 463 Satz 2 BGB). Auch die Begründetheit der noch nicht beschiedenen Klageanträge setzt voraus, daß die Kläger von der Beklagen arglistig getäuscht wurden; nur dann wäre der restliche Kaufpreisanspruch der
Beklagten durch Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch der Kläger erloschen.
3. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen kann auch nicht mit dem vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsatz der Eigenbindung der Gerichte nach § 318 ZPO beseitigt werden. Denn die Bindung erstreckt sich nur auf den Urteilsausspruch, nicht dagegen auf die in den Entscheidungsgründen dafür angegebene rechtliche Begründung und die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen (BGH, Beschl. v. 21. Februar 1994, II ZB 13/93, NJW 1994, 1222 f; Musielak, ZPO, § 318 Rdn. 2). Deswegen könnte das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Klageanträge zu 1 und 3 die Frage der Arglist durchaus anders beurteilen als bisher. Dies übersieht das Berufungsgericht und erkennt deswegen nicht, daß seine Auffassung auf das Ergebnis hinausläuft, daß jedes Teilurteil gerechtfertigt wäre.

III.


Die Unzulässigkeit des Teilurteils führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 564 Abs. 1 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) ist dem Senat nicht möglich. Er kann den noch nicht beschiedenen Teil des Rechtsstreits nicht an sich ziehen und anstelle des Berufungsgerichts gemäß § 540 ZPO darüber entscheiden (vgl. MünchKomm-ZPO/ Wenzel, 2. Aufl., § 565 Rdn. 28), weil die Nachprüfung des Berufungsurteils durch die Revisionsanträge begrenzt wird (§ 559 Abs. 1 ZPO). Da aber das Berufungsgericht so verfahren kann (vgl. BGH, Urt. v. 19. November 1959, VII ZR 93/59, NJW 1960, 339, 340; v. 12. Januar 1999, VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035, 1036 m.w.N.), ist die Sache nicht an das Landgericht, sondern an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dessen Entscheidung ist sachdienlich , weil der Sachverhalt geklärt ist, das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat, weitere Feststellungen durch das Landgericht nicht mehr zu erwarten sind und ein arglistiges Handeln der Beklagten danach nicht vorliegt.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß das den Klägern verkaufte Grundstück mit einem Fehler behaftet ist, weil das Hintergebäude baurechtlich formell und materiell illegal ist. Ob die zuständige Behörde den baurechtswidrigen Zustand weiter - wie bisher - duldet, ist unerheblich. Mangelfrei wäre das Grundstück nur dann gewesen, wenn bei Gefahrübergang eine rechtsverbindliche behördliche Erklärung vorgelegen hätte, die den Klägern auf Dauer die gesicherte Befugnis gegeben hätte, das Hintergebäude stehen zu lassen (vgl. Senatsurt. v. 20. März 1987, V ZR 27/86, NJW 1987, 2511, 2512). Das war nicht der Fall, denn nach der vom Landgericht eingeholten amtlichen Auskunft ist lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Vollstreckung der Beseitigungsauflage sehr gering.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Parteien hätten in dem Kaufvertrag einen umfassenden Gewährleistungsausschluß vereinbart.
Der Umfang der Haftungsfreizeichnung ist durch Auslegung zu ermitteln. Da das Berufungsgericht dies unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (BGHZ 65, 107, 112; 121, 284, 289). Dafür ist in erster Linie vom Wortlaut der Vereinbarung auszugehen. Soll die Haftung für jeden Mangel ausgeschlossen sein,
muß dies eindeutig und für den Käufer verständlich formuliert werden (Senatsurt. v. 27. Mai 1964, V ZR 146/62, WM 1964, 853, 854). Das ist hier geschehen. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß die Anknüpfung an eine vorausgegangene Besichtigung des Grundstücks durch die Kläger auf eine Beschränkung des Haftungsausschlusses auf erkennbare Mängel hindeutet, zu denen der baurechtswidrige Zustand des Grundstücks nicht gehört. Aber die Formulierung "verkauft wie besichtigt" wird durch den Nachsatz "ohne Gewähr für Größe, Güte und Beschaffenheit ergänzt. Dies ist eindeutig in dem Sinn, daß die Haftung für alle Mängel, also auch für verborgene, ausgeschlossen sein soll (vgl. Senatsurt. v. 27. Mai 1964, aaO). Daß sich der baurechtswidrige Zustand auf die Beschaffenheit des Grundstücks auswirkt, ist - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zweifelhaft.
3. Zu Recht verneint das Berufungsgericht ein arglistiges Handeln der Beklagten.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Arglist der Beklagten liegt bei den Klägern. Sie müssen beweisen, daß die Beklagte seinerzeit von der auch an sie gerichteten Baugenehmigung, in der die Beseitigungsauflage enthalten war, Kenntnis genommen hat. Das bloße Bestreiten des anderslautenden Vortrags der Beklagten reicht nicht aus. Die Beweislast läßt sich insoweit nicht auf die Beklagte verlagern. Eine Beweislastumkehr muß auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen nach anerkannten methodischen Grundlagen eine Abweichung von der Grundregel, daß der Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale trägt, erforderlich erscheint. Das ist hier nicht der Fall. Auch eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen über den Anscheinsbeweis kommt nicht in Betracht. Es gibt nämlich grundsätzlich
keinen Beweis des ersten Anscheins für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen (BGHZ 123, 311, 316 m. umfangr. Nachw.). Der vorliegende Sachverhalt rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Auf die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Beseitigungsauflage vergessen, kommt es nach alledem nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 2 ZPO.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden.

Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers gehemmt. Lebt der Gläubiger von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bei Beginn der Verjährung mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, so ist die Verjährung auch bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.