Bundesgerichtshof Urteil, 29. Mai 2000 - II ZR 47/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die beklagte Sparkasse ist aus der Fusion der Sparkasse G. und der Sparkasse Gr./Z. hervorgegangen. Der Kläger war vor der Fusion Vorstandsvorsitzender des letztgenannten Kreditinstituts, nach der Fusion bekleidete er bei der Beklagten vom 1. März 1995 an das Amt des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden. Nach dem auf fünf Jahre abgeschlossenen Dienstvertrag vom 8. März 1995 kann die Beklagte das Dienstverhältnis nur aus wichtigem Grund kündigen. Dem Kläger ist ein Versorgungsversprechen erteilt worden, das Vordienstzeiten seit dem 1. August 1971 als ruhegehaltsfähig einbezieht; die Versorgung kann gekürzt werden, wenn das Dienstverhältnis seitens der Beklagten gekündigt wird und der Kläger den wichtigen Grund vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat; bei grober Fahrlässigkeit ist diese Kürzung nur zulässig, wenn der Beklagten ein erheblicher Vermögensschaden zugefügt worden ist, sie darf dann äußerstenfalls die Hälfte der Versorgungsansprüche erfassen. Nach § 10 des Vertrages steht dem Kläger ein Dienstwagen der Oberklasse zu, den er kostenfrei auch für private Zwecke nutzen darf, wobei der sich hieraus ergebende geldwerte Vorteil von ihm zu versteuern ist.In dem Fusionsvertrag ist bestimmt, daß in der ersten Wahlperiode des Verwaltungsrates Beschlüsse nur mit Zweidrittel-Mehrheit gefaßt werden sollen , wenn dadurch grundlegende Interessen beider Gewährträger berührt werden. Dementsprechend ordnet die Geschäftsordnung des Verwaltungsrates an, daß der Verwaltungsrat in diesen Fällen mit Zweidrittel-Mehrheit beschließt. Über Inhalt und Tragweite dieser Regelungen, vor allem über die Frage, ob auch die Besetzung des Vorstandes zu den "grundlegenden Interessen der Gewährträger" gehört, streiten die Parteien.
In einer Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten vom 19./20. Juni 1996, zu der mit der Tagesordnung "Vorstandsangelegenheiten" eingeladen worden war, wurde mit 11 gegen 6 Stimmen beschlossen, den Kläger aus dem Vorstandsamt abzuberufen und den mit ihm geschlossenen Dienstvertrag fristlos zu kündigen. Im Anschluß an diese Sitzung ist dem Kläger am 20. Juni 1996 das siebenseitige Kündigungsschreiben ausgehändigt worden. Während er die Abberufung gerichtlich nicht angegriffen hat, hat er geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei aus formellen und materiellen Gründen unwirksam, und hat auf die entsprechende Feststellung angetragen. Während des Rechtsstreits hat der Verwaltungsrat, wiederum einberufen mit der Tagesordnung "Vorstandsangelegenheiten", am 9. Dezember 1996 abermals die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers beschlossen. Auch gegen diese ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung wendet sich der Kläger, der zudem hilfsweise die Feststellung beantragt hat, daß ihm die volle Versorgung zusteht.
Die Beklagte hat von dem Kläger zunächst vergeblich die Herausgabe des Dienstwagens des Klägers verlangt, sodann Widerklage erhoben und diese - nachdem der Kläger während des Rechtsstreits das Fahrzeug zurückgegeben hatte - in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Feststellung der Erledigung der Widerklage ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Berufung des Klägers nur insoweit entsprochen, als es festgestellt hat, dem Kläger stehe seit dem 10. Dezember 1996 die Hälfte der ihm zugesagten Versorgung zu. Gegen die-
ses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Senat hat lediglich das Rechtsmittel des Klägers zur Entscheidung angenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist begründet. Die am 20. Juni und 9. Dezember 1996 ausgesprochenen fristlosen Kündigungen des Dienstvertrages des Klägers sind unwirksam und haben das Dienstverhältnis nicht beendet; dementsprechend war der Kläger nicht zur Herausgabe des Dienstwagens verpflichtet und der Antrag der Beklagten, die Erledigung des mit der Widerklage geltend gemachten Herausgabeanspruchs festzustellen, unbegründet.
Das angefochtene Urteil leidet an verschiedenen Rechtsfehlern verfahrensrechtlicher Art und in der materiellrechtlichen Beurteilung. Der Senat ist ebensowenig genötigt, auf sie sämtlich einzugehen, wie es für den Ausgang des Rechtsstreits darauf ankommt, daß das Berufungsgericht in seiner Entscheidung zur Versorgung des Klägers verkannt hat, daß das Altersruhegeld, die Hinterbliebenen- und die Invaliditätsversorgung nach §§ 1, 17 BetrAVG unverfallbar geworden waren und dem Kläger deswegen nicht aberkannt werden konnten (vgl. Sen.Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 380/98 z.V.b.). Denn beide Kündigungserklärungen sind bereits aus formellen Gründen unwirksam, weil die sie tragenden Beschlüsse des Verwaltungsrates nichtig sind.
Die Einladung zu den beiden Sitzungen mit der Tagesordnung "Vorstandsangelegenheiten" entsprach nicht den Anforderungen von Nr. 1.1 der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats der Beklagten. Diese Vorschrift ordnet in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 4 SpkG 1990 und unter Bezugnahme auf die
Regelung in dem seinerzeitigen Entwurf von § 6 Abs. 1 ThürSpkVO (jetzt: § 5 Abs. 1 Satz 2 ThürSpkVO v. 1. Juli 1999 - GVBl. S. 438 ff.) an, daß "unter Mitteilung der Tagesordnung" einzuladen ist. Inhaltsgleiche Regelungen finden sich in § 51 Abs. 2 und 4 GmbHG. Für sie hat der Senat entschieden (Urt. v. 30. November 1961 - II ZR 136/60, NJW 1962, 393 f.), es reiche aus, wenn in der nach § 51 GmbHG zu übermittelnden Tagesordnung mitgeteilt werde, "daß ein bestimmter Geschäftsführer abberufen werden soll", während die Angabe der Gründe nicht erforderlich sei. Zutreffend wird dies im Schrifttum dahin verstanden , daß die Mitteilung "Geschäftsführerangelegenheiten" nicht hinreichend bestimmt ist, um dem Zweck der Vorschrift, den an der Beschlußfassung Beteiligten eine sachgerechte Vorbereitung und Teilnahme an der Aussprache zu ermöglichen und sie vor Überraschung oder Überrumpelung zu schützen, gerecht zu werden (Scholz/K. Schmidt, GmbHG 8. Aufl. § 51 Rdn. 19 m. eingeh. Nw.; Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 51 Rdn. 21 f. ; Lutter /Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 51 Rdn. 6; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 51 Rdn. 10; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 16. Aufl. § 51 Rdn. 22; Thelen, GmbHR 1992, 796).
Dieselben Gesichtspunkte beanspruchen Geltung auch für die Einberufung zur Sitzung des Verwaltungsrates einer Sparkasse, der als deren "oberstes Organ und Aufsichtsorgan" (§ 8 Abs. 1 ThürSpkG) ähnliche Aufgaben wahrzunehmen hat, wie die Gesellschafterversammlung bei einer GmbH. Bei ihm geht es ebenfalls darum, daß die Beteiligten sich sachgerecht auf den Beschlußgegenstand vorbereiten und ordnungsgemäß an der Abstimmung teilnehmen können, weil sie allein so ihrer verantwortungsvollen Aufgabe als an Aufträge und Weisungen nicht gebundene und nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf gesetzliche Regelungen, das öffentliche Wohl und die Aufgaben
der Sparkassen bestimmten Überzeugung handelnde Organmitglieder gerecht werden können. Diesem Erfordernis trägt neben der Einberufungsfrist und der rechtzeitigen Mitteilung der Beschlußgegenstände auch § 5 Abs. 1 Satz 4 der zwischenzeitlich erlassenen ThürSpkVO Rechnung, nach der die Erweiterung der durch die Einladung festgelegten Tagesordnung nur bei Dringlichkeit und nur aufgrund eines mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschlusses zulässig ist.
Über die jeweils nur mit "Vorstandsangelegenheiten" angekündigte fristlose Kündigung des Dienstvertrages des Klägers durfte danach nicht Beschluß gefaßt werden. Da jedenfalls die von dem Gr.er Gewährträger entsandten Verwaltungsratsmitglieder deutlich gemacht haben, daß sie mit dem Vorgehen der Mehrheit nicht einverstanden waren, ist der Einberufungsmangel nicht geheilt, auch wenn sie sich später - negativ votierend - an der Abstimmung über den nicht ordnungsgemäß angekündigten Beschlußgegenstand beteiligt haben. Wenn die Gr.er Vertreter ihren Standpunkt, daß auch in Vorstandsfragen der Verwaltungsrat nur mit Zweidrittelmehrheit befinden durfte, wahren wollten, waren sie gezwungen, sich in dieser Weise an der Abstimmung zu beteiligen und sich damit die Möglichkeit zu erhalten, die Verletzung ihrer Rechte aus dem Fusionsvertrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren feststellen zu lassen.
Röhricht RiBGH Dr. Hesselberger Goette ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Röhricht Kurzwelly Kraemer
Annotations
(1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken.
(2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden.
(3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind.
(4) Das gleiche gilt in bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind.
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn
- 1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage), - 2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung), - 2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage), - 3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder - 4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.
(1) Arbeitnehmer im Sinne der §§ 1 bis 16 sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten; ein Berufsausbildungsverhältnis steht einem Arbeitsverhältnis gleich. Die §§ 1 bis 16 gelten entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Arbeitnehmer im Sinne von § 1a Abs. 1 sind nur Personen nach den Sätzen 1 und 2, soweit sie aufgrund der Beschäftigung oder Tätigkeit bei dem Arbeitgeber, gegen den sich der Anspruch nach § 1a richten würde, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.
(2) Die §§ 7 bis 15 gelten nicht für den Bund, die Länder, die Gemeinden sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert.
(3) Gesetzliche Regelungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung werden unbeschadet des § 18 durch die §§ 1 bis 16 und 26 bis 30 nicht berührt.
(1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken.
(2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden.
(3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind.
(4) Das gleiche gilt in bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind.