Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2006 - II ZR 133/05

published on 26/06/2006 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juni 2006 - II ZR 133/05
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Previous court decisions
Landgericht Aachen, 42 O 161/96, 14/02/2003
Oberlandesgericht Köln, 18 U 169/03, 17/03/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 133/05 Verkündet am:
26. Juni 2006
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tritt der Gesellschafter eine zu funktionalem Eigenkapital
umqualifizierte Darlehensforderung an einen Dritten ab, der
gleichzeitig seine Gesellschafterstellung übernimmt, dann
teilt die dadurch erlangte Kaufpreisforderung das Schicksal
der Darlehensforderung. Dem bisherigen Gesellschafter ist
es deswegen verwehrt, diese Kaufpreisforderung dazu zu verwenden
, einen gegen ihn bestehenden Anspruch der Gesellschaft
- sei es durch Aufrechnung, sei es durch Weiterverkauf
an die Gesellschaft - zum Erlöschen zu bringen.
BGH, Urteil vom 26. Juni 2006 - II ZR 133/05 - OLG Köln
LG Aachen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 26. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn
und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. März 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, Verwalter in dem am 20. September 1995 über das Vermögen der R. GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) eröffneten Konkursverfahren, macht gegen den Beklagten wegen der vermeintlichen Erstattung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens einen Rückzahlungsanspruch geltend.
2
Der Beklagte gewährte der Gemeinschuldnerin als deren Alleingesellschafter bis zum 9. März 1994 Darlehensmittel in Höhe von 1.137.306,20 DM. In einem mehrseitigen notariellen Vertrag vom 9. März 1994 trafen der Beklag- te, die Gemeinschuldnerin und weitere Beteiligte folgende Vereinbarungen: Zunächst übertrug der Beklagte seine Geschäftsanteile an der Gemeinschuldnerin zum Preis von 70.000,00 DM auf H. L. ; außerdem verkaufte er seine gegen die Gemeinschuldnerin gerichtete Darlehensforderung zum Nominalbetrag von 1.137.306,20 DM unter gleichzeitiger Abtretung dieser Forderung an L. . Den durch diesen Forderungsverkauf begründeten Kaufpreisanspruch trat der Beklagte an die W. GmbH und die I. GmbH (nachfolgend für beide: W. GmbH) ab, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer er war. Die ihr abgetretene Kaufpreisforderung verkaufte nunmehr die W. GmbH ebenfalls zum Nominalbetrag von 1.137.306,20 DM bei gleichzeitiger Abtretung dieser Forderung an die Gemeinschuldnerin. Die daraus sich ergebende Kaufpreisschuld der Gemeinschuldnerin wurde durch Verrechnung ihr gegen die W. GmbH zustehender Forderungen von 1.137.306,20 DM getilgt.
3
Der Kläger erblickt in diesem Vorgang eine unzulässige Einlagenrückgewähr an den Beklagten. Seine auf Zahlung von 1.137.306,20 DM (= 581.495,42 €) gerichtete Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Mit der - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Das Oberlandesgericht meint, einem Anspruch des Klägers stehe nicht der Umstand entgegen, dass Forderungen der Gemeinschuldnerin gegen For- derungen der W. GmbH und nicht gegen Forderungen des Beklagten verrechnet worden seien, weil es sich bei der W. GmbH um ein mit dem Beklagten verbundenes Unternehmen handele. Es könne offen bleiben, ob sich die Gemeinschuldnerin am 9. März 1994 in einer Krise befunden habe. Als weitere Voraussetzung eines Rückerstattungsanspruchs sei nämlich eine Auszahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen nicht gegeben. Eine Auszahlung zu Lasten des Stammkapitals könne nicht angenommen werden, wenn es sich um eine wechselseitige Leistungsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen handele, bei der Leistung und Gegenleistung gleichwertig und damit bilanzneutral seien. An der erforderlichen Gleichwertigkeit fehle es nur, wenn die von der W. GmbH der Gemeinschuldnerin im Rahmen des Forderungsverkaufs als Gegenleistung abgetretene Forderung gegen L. nicht werthaltig sei. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe eine fehlende Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit des Schuldners L. nicht hinreichend dargetan bzw. unter Beweis gestellt.
6
II. Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
1. Da das Berufungsgericht zugunsten des Klägers eine Krise der Gemeinschuldnerin unterstellt hat, ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen , dass es sich bei dem von dem Beklagten der Gemeinschuldnerin gewährten Darlehen um eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung handelt, auf die während der Dauer der Krise keine Zahlungen erbracht werden dürfen. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht auf der Grundlage dieses Sachverhalts angenommen, dass der Beklagte für eine etwaige Rückzahlung dieses eigenkapitalersetzenden Darlehens an die W. GmbH einzustehen hätte (Sen.Urt. v. 28. Februar 2005 - II ZR 103/02, ZIP 2005, 660 f.), weil diese ein mit ihm verbundenes Unternehmen, die Sachlage also so zu betrachten ist, als sei an ihn selbst geleistet worden.
8
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, dass durch die hier gewählte Vertragskonstruktion zu Lasten der Gemeinschuldnerin die Eigenkapitalersatzregeln umgangen wurden, weil die Gemeinschuldnerin durch den entgeltlichen Erwerb der gegen L. gerichteten Kaufpreisforderung zugleich mittelbar das an ihn abgetretene eigenkapitalersetzende Darlehen getilgt hat.
9
a) Der Beklagte hätte anstelle der tatsächlich verwirklichten Vertragskonstruktion seine Darlehensforderung gegen die Gemeinschuldnerin an die mit ihm verbundene W. GmbH abtreten können. Da die Gesellschaft den eigenkapitalersetzenden Charakter eines Darlehens gemäß § 404 BGB auch einem Zessionar entgegenhalten kann (BGHZ 104, 33, 43), wäre in diesem Fall eine Aufrechnung durch die W. GmbH gegen die Forderung der Gemeinschuldnerin an § 390 Satz 1 BGB gescheitert (Sen.Urt. v. 21. September 1982 - II ZR 104/80, NJW 1982, 383, 385). Wegen der Unstatthaftigkeit der Aufrechnung hätte auch nicht die Möglichkeit bestanden, durch einen dreiseitigen Vertrag (BGHZ 94, 132, 134 ff.) die eigenkapitalersetzende Darlehensforderung des Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin mit der Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die W. GmbH als mit dem Beklagten verbundenen Unternehmen zu verrechnen (BGHZ 15, 52, 60). Ferner hätte der Beklagte nicht als Drittzahler (§ 267 BGB) durch Aufrechnung mit seinem einredebehafteten Darlehen die Verbindlichkeiten der W. GmbH gegenüber der Gemeinschuldnerin zum Erlöschen bringen können (BGHZ 81, 365, 368).
10
b) Die von dem Beklagten gewählte Konstruktion ist der Versuch, diese nach den Eigenkapitalersatzregeln bestehenden Beschränkungen zu unterlaufen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätte sie, würde man sie rechtlich anerkennen, zur Folge, daß die Gemeinschuldnerin werthaltige Vermögensgegenstände weggibt, indem sie ihre gegen die W. /I. - wirtschaftlich also gegen den Beklagten - bestehende Forderung aus Leasingverträgen mit der "wertlosen" Kaufpreisforderung aus der Abtretung der nicht durchsetzbaren Darlehensforderung "bezahlen" ließe. Im Ergebnis ist also auch hier der Beklagte wirtschaftlich von einer ihn treffenden Verbindlichkeit durch Verrechnung mit einer künstlich geschaffenen - der Sache nach aber das Schicksal der Darlehensforderung teilenden - "Kaufpreisforderung" frei geworden. Dadurch hat die Gemeinschuldnerin ihren vollwertigen Anspruch gegen den Beklagten verloren, also einen Vermögensverlust erlitten, der sich im Ergebnis wie ein Verzicht auf diesen Anspruch auswirkt.
11
III. Die Zurückweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , zur behaupteten Krise der Gemeinschuldnerin die notwendigen Feststellungen zu treffen. Entgegen der von dem Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsansicht ist die Klage nicht schon wegen des von dem Beklagten für sein Darlehen erteilten Rangrücktritts begründet, weil dieser die Geltendmachung der Forderung nur im Falle einer bisher nicht ordnungsgemäß festgestellten Krise der Gesellschaft verbietet.
Goette Kurzwelly Gehrlein Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 14.02.2003 - 42 O 161/96 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.03.2005 - 18 U 169/03 -
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(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktie

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. (2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschafts

(1) Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich. (2) Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht.
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Annotations

(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.

(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.

(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.

(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.

(4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.

(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung.

Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.

Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren.

Eine Forderung, der eine Einrede entgegensteht, kann nicht aufgerechnet werden.

(1) Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich.

(2) Der Gläubiger kann die Leistung ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht.