Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2005 - 5 StR 518/04

bei uns veröffentlicht am02.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 518/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 1. und 2. März 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dr. Graf
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 2. März 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Mai 2004 werden verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen diese Strafe. Die Revision des Angeklagten , die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge begründet wird, richtet sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
I. Sachverhalt Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte, den Zeugen P als Auftragsmörder zur Tötung eines Geschäftspartners zu dingen. Daß der Zeuge ein nach § 110a StPO vom Bundeskriminalamt ein- gesetzter Verdeckter Ermittler war, erfuhr der Angeklagte erst nach seiner Verhaftung.
II. Revision des Angeklagten 1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, das Landgericht habe es unterlassen aufzuklären, daß der Angeklagte den Zeugen P nach dem letzten Treffen noch dreimal angerufen und ihm klar gemacht habe, er halte ihn für einen Polizisten, ist jedenfalls unbegründet. Nachdem der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen hatte, er habe den Zeugen nach dem letzten Treffen trotz mehrfacher Versuche nicht mehr erreicht (UA S. 15), brauchte sich dem Landgericht eine weitere Auswertung der abgehörten Telefonate nicht aufzudrängen. In den Überwachungsprotokollen ist für die beiden ersten Anrufe als Inhalt lediglich „Anwahlversuch“ mitgeteilt, für den letzten Anruf ist keine Inhaltsangabe enthalten.
2. Mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, das Landgericht habe fehlerhaft nicht die Diskrepanz erörtert, daß der Vernehmungsbeamte zwar in der Hauptverhandlung ausgesagt habe, der Angeklagte sei bei seiner ersten Befragung angesichts der Erkenntnis, daß der vermeintliche Auftragsmörder ein Verdeckter Ermittler war, „sehr überrascht und irritiert“ gewesen, jedoch in seinem Vermerk über die Befragung keinen Hinweis auf eine solche Überraschung und Irritierung aufgenommen habe.
Gerügt wird hiermit ein (sachlichrechtlicher) Erörterungsmangel oder eine „Aktenwidrigkeit“ der tatrichterlichen Feststellungen. Der behauptete Widerspruch kann aber durch die Vernehmung des Zeugen ohne weiteres ausgeräumt worden sein. Die Rüge ist daher, weil sich aus den Urteilsgründen ein Erörterungsmangel nicht ergibt, auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung durch das Revisionsgericht gerichtet. Ein in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannter Ausnahmefall liegt hier nicht vor, da der von der Revision vorgetragene Akteninhalt nicht durch Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (vgl. BGH, Urt. vom 10. Juli 2001 – 5 StR 236/01 m.w.N.).
3. Sachrüge
a) Zum Schuldspruch weist das Urteil keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf.
Nach den Feststellungen liegt der beendete Versuch einer (Ketten-) Anstiftung zum Mord vor (§§ 30 Abs. 1, 211, 52 StGB); das Landgericht hat den Schuldspruch zutreffend gefaßt (vgl. BGH NJW 1996, 2239, 2241, insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedruckt).
Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen , ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, daß sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und daß die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 26).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Lasten des Angeklagten nicht. In seinem Vorbringen zu einzelnen Tatkomplexen wendet sich der Beschwerdeführer überwiegend gegen die Schlußfolgerungen des Landgerichts, mit denen es die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung nicht ernst gemeint, widerlegt. Damit wird der unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen.
Der Angeklagte – der den objektiven Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat – erteilte dem Verdeckten Ermittler mündlich den Auftrag zur Tötung seines Geschäftspartners. Die Strafkammer hat ausreichend dargelegt, weshalb sie einen endgültigen und vorbehaltlosen Auftrag zur Tötung angenommen und die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung subjektiv nicht ernst gemeint und den Verdeckten Ermittler durch falsche Angaben auf den Arm genommen, als widerlegt ansieht. Sie hat ihre Überzeugung naheliegend auch darauf gestützt, daß der Angeklagte schriftliche Aufzeichnungen und Lichtbilder – in einer äußerst vorsichtigen und Fingerabdruckspuren auf den Unterlagen vermeidenden Weise – übergab, aus denen sehr detailliert hervorgeht, daß der Geschäftspartner das Opfer sein sollte, und die den Verdeckten Ermittler ohne weiteres in die Lage versetzten, dessen Tötung durchführen zu können.
Die Annahme der Strafkammer, daß der vermeintliche Auftragsmörder keinen Vorschuß erhalten, sondern aus den nach dem Tod des Opfers einzuholenden Geldforderungen befriedigt werden sollte, ist – zumal vor dem Hintergrund der vorangegangenen Bemühungen des Angeklagten, den Zeugen G zu den gleichen Zahlungsbedingungen zu beauftragen (UA S. 8) – nicht lebensfremd und vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Weiterhin ist es kein Widerspruch, wenn nach den Urteilsgründen der Angeklagte einerseits wußte, daß ein Auftragsmörder nur gegen Bezahlung zur Verfügung steht, und andererseits die Entlohnung erst nach Begehung der Tat erfolgen sollte; als Ausgleich für den späteren Zeitpunkt der Zahlung wurde eine Gewinnbeteiligung vereinbart.
Auch hat das Landgericht nicht übersehen, daß der Angeklagte zwischenzeitlich an der Authentizität des „Auftragsmörders“ zweifelte. Die Urteilsgründe ergeben aber hinreichend, weshalb es davon überzeugt ist, daß der Angeklagte seine Zweifel überwand und beim letzten Treffen kein ernsthaftes Mißtrauen gegenüber dem Verdeckten Ermittler hegte.
Die weiteren den Schuldspruch betreffenden Beanstandungen erweisen sich ebenfalls lediglich als Angriffe gegen die Überzeugungsbildung des Tatgerichts. Die von der Revision aufgezeigten Besonderheiten sind keine logischen Brüche. Sie sind in einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden Weise von der Strafkammer aufgelöst worden und hätten auch in einer Gesamtwürdigung zu keinem anderen Ergebnis führen müssen.

b) Desgleichen ist die Strafzumessung des Landgerichts rechtsfehlerfrei.
Wegen des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers mußte sich dem Landgericht bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Prüfung der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 3 StGB nicht aufdrängen. § 23 Abs. 3 StGB setzt voraus, daß der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, daß der Versuch nach der Art des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte , überhaupt nicht zur Vollendung gelangen konnte. Zwar hat – was die Strafkammer auch strafmildernd berücksichtigt hat – keine objektive Gefährdungslage bestanden, weil bei dem Verdeckten Ermittler von vornherein kein Tatentschluß bewirkt werden konnte. Aus grobem Unverstand handelt der Täter aber nur dann, wenn er trotz ungeeigneten Mittels den Taterfolg für möglich hält, weil er bei der Tatausführung von völlig abwegigen Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge ausgeht. Dabei muß der Irrtum nicht nur für fachkundige Personen, sondern für jeden Men- schen mit durchschnittlichem Erfahrungswissen offenkundig, ja geradezu handgreiflich sein (BGHSt 41, 94, 95). Das ist hier nicht der Fall.
Dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers hat das Landgericht auch sonst ausreichend strafmildernd Rechnung getragen. Es hat berücksichtigt, daß der Anstoß zum letzten Treffen von diesem ausgegangen ist. Eine darüber hinausgehende Strafmilderung war im Hinblick darauf nicht geboten, daß der Angeklagte bereits zuvor eigene Aktivitäten und Bemühungen entfaltet hatte, um die Tat zu verwirklichen, und daß gegen ihn bereits Tatverdacht bestand (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 67 f.).
III. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Es stellt keinen den Rechtsfolgenausspruch gefährdenden Rechtsfehler dar, daß das Landgericht dem Angeklagten strafmildernd zugute gehalten hat, er habe sich dem Strafverfahren gestellt, sich teilgeständig eingelassen und ursprünglich in geordneten Verhältnissen gelebt.
Auch konnte dem Angeklagten zugute gehalten werden, daß objektiv keine Gefahr für den Geschäftspartner bestand. Seine weiteren Bemühun- gen, dessen Tötung auf andere Art und Weise zu erreichen, führten nach den Urteilsfeststellungen zu keiner konkreten Gefährdung.
Harms Raum Brause Schaal Graf

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

Strafprozeßordnung - StPO | § 110a Verdeckter Ermittler


(1) Verdeckte Ermittler dürfen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung 1. auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenve

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2001 - 5 StR 236/01

bei uns veröffentlicht am 10.07.2001

5 StR 236/01 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 10. Juli 2001 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richter

Referenzen

(1) Verdeckte Ermittler dürfen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung

1.
auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
2.
auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
3.
gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder
4.
von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert
begangen worden ist. Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen Verdeckte Ermittler auch eingesetzt werden, soweit auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr der Wiederholung besteht. Der Einsatz ist nur zulässig, soweit die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen Verdeckte Ermittler außerdem eingesetzt werden, wenn die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebietet und andere Maßnahmen aussichtslos wären. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(2) Verdeckte Ermittler sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Sie dürfen unter der Legende am Rechtsverkehr teilnehmen.

(3) Soweit es für den Aufbau oder die Aufrechterhaltung der Legende unerläßlich ist, dürfen entsprechende Urkunden hergestellt, verändert und gebraucht werden.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 236/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2000 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten, jeweils mit der Verfahrens- und der Sachrüge begründeten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft – letztere wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten – bleiben ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte – Mitinhaber einer Gaststätte – hatte am 28. März 2000 mit der Zeugin H ein Beschäftigungsverhältnis als Kü-
chenhilfe begründet. Am Ende des ersten Arbeitstages gegen 22.00 Uhr tranken beide “Brüderschaft”. Der Angeklagte zog sich sodann im hinteren Teil der Gaststätte um. Als er zurückkehrte, stellte er sich vor die auf einem Barhocker sitzende Zeugin und faßte ihr unter der Kleidung an die Brust. Er drückte die Knie der Zeugin mit den Händen auseinander, stellte sich zwischen ihre Beine und küßte sie ins Gesicht, am Hals und an der Brust. Nachdem die Zeugin den Angeklagten vergeblich aufgefordert hatte aufzuhören , versuchte sie ihn wegzudrücken. Dies gelang ihr nicht, weil der Angeklagte sie an den Armen festhielt. Trotz ihrer wiederholten Aufforderung aufzuhören, drückte der Angeklagte die Zeugin zu Boden. Mit einer Hand auf Hals und Brust hielt er die Zeugin, die sich aufzurichten versuchte, am Boden und drang – auf der Zeugin liegend – mit einem Finger in ihre Scheide ein. Um der Situation zu entkommen, erklärte die Zeugin, sie sei an Aids erkrankt. Der Angeklagte ließ daraufhin kurz von ihr ab, so daß sie sich zunächst zum Ausgang der Gaststätte begeben konnte. Hier hielt der Angeklagte sie erneut an der Hüfte fest und versuchte nun mit seinem steifen Glied in ihren After einzudringen. Schließlich ließ er von der Geschädigten ab.

II.


Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
1. Soweit der Angeklagte die Verletzung des Verfahrensrechts rügt, genügt sein Vortrag nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Auch die Einwendungen gegen die Strafzumessung erweisen sich als unbegründet. Das
Landgericht ist vom zutreffenden Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Manipulationen in der Scheide, gefolgt von dem Versuch des Analverkehrs stellen ein die Geschädigte besonders erniedrigendes Verhalten dar (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 [i.d.F. des 6. StrRG] – Straf-rahmenwahl 12; BGH NStZ 2001, 369), das keiner ins einzelne gehenden Erörterung durch das Landgericht bedurfte.
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.

a) Mit der Verfahrensrüge macht die Beschwerdeführerin geltend, das Landgericht habe entweder seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen der Zeugin hinsichtlich eines vollendeten Analverkehrs nicht in die Hauptverhandlung eingeführt habe, oder aber fehlerhaft die sich daraus ergebenden Widersprüche nicht erörtert (§ 261 StPO).
Die Rüge ist unzulässig. Sie erfaßt keine essentiellen, unerklärlichen Widersprüche zwischen Urteil und Akteninhalt (vgl. BGHSt 43, 212, 216), sondern setzt voraus, daß ein in die Hauptverhandlung eingeführtes Beweismittel – die Aussage der Zeugin H – nicht ausgeschöpft worden ist. Es liegt überaus nahe, daß die Zeugin in der Hauptverhandlung ihre früheren Angaben weiter relativiert hat, so daß das Landgericht sich nicht von einem vollendeten Analverkehr überzeugen konnte. Damit handelt es sich um eine unzulässige Rüge der “Aktenwidrigkeit” (vgl. BGH NStZ 2000, 156).

b) Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Aussage der Belastungszeugin in jeder Hinsicht einer ausreichenden Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.); es hat auf die innere Stimmigkeit der Aussage, auf die damit einhergehende emotionale Bewegtheit der Geschädigten und auf die Übereinstimmung ihrer Angaben mit
objektiv überprüfbaren Umständen und den Aussagen anderer Zeugen abgestellt. Dabei bedurfte es einer noch detaillierteren Wiedergabe ihrer Aussage
nicht, weil das Landgericht die Feststellungen auf die Schilderung der Geschädigten gestützt hat. Auch der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).