Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2001 - 5 StR 236/01

bei uns veröffentlicht am10.07.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 236/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 10. Juli 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2000 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten, jeweils mit der Verfahrens- und der Sachrüge begründeten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft – letztere wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten – bleiben ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte – Mitinhaber einer Gaststätte – hatte am 28. März 2000 mit der Zeugin H ein Beschäftigungsverhältnis als Kü-
chenhilfe begründet. Am Ende des ersten Arbeitstages gegen 22.00 Uhr tranken beide “Brüderschaft”. Der Angeklagte zog sich sodann im hinteren Teil der Gaststätte um. Als er zurückkehrte, stellte er sich vor die auf einem Barhocker sitzende Zeugin und faßte ihr unter der Kleidung an die Brust. Er drückte die Knie der Zeugin mit den Händen auseinander, stellte sich zwischen ihre Beine und küßte sie ins Gesicht, am Hals und an der Brust. Nachdem die Zeugin den Angeklagten vergeblich aufgefordert hatte aufzuhören , versuchte sie ihn wegzudrücken. Dies gelang ihr nicht, weil der Angeklagte sie an den Armen festhielt. Trotz ihrer wiederholten Aufforderung aufzuhören, drückte der Angeklagte die Zeugin zu Boden. Mit einer Hand auf Hals und Brust hielt er die Zeugin, die sich aufzurichten versuchte, am Boden und drang – auf der Zeugin liegend – mit einem Finger in ihre Scheide ein. Um der Situation zu entkommen, erklärte die Zeugin, sie sei an Aids erkrankt. Der Angeklagte ließ daraufhin kurz von ihr ab, so daß sie sich zunächst zum Ausgang der Gaststätte begeben konnte. Hier hielt der Angeklagte sie erneut an der Hüfte fest und versuchte nun mit seinem steifen Glied in ihren After einzudringen. Schließlich ließ er von der Geschädigten ab.

II.


Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des Angeklagten Rechtsfehler auf.
1. Soweit der Angeklagte die Verletzung des Verfahrensrechts rügt, genügt sein Vortrag nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Auch die Einwendungen gegen die Strafzumessung erweisen sich als unbegründet. Das
Landgericht ist vom zutreffenden Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Manipulationen in der Scheide, gefolgt von dem Versuch des Analverkehrs stellen ein die Geschädigte besonders erniedrigendes Verhalten dar (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 [i.d.F. des 6. StrRG] – Straf-rahmenwahl 12; BGH NStZ 2001, 369), das keiner ins einzelne gehenden Erörterung durch das Landgericht bedurfte.
2. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos.

a) Mit der Verfahrensrüge macht die Beschwerdeführerin geltend, das Landgericht habe entweder seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen der Zeugin hinsichtlich eines vollendeten Analverkehrs nicht in die Hauptverhandlung eingeführt habe, oder aber fehlerhaft die sich daraus ergebenden Widersprüche nicht erörtert (§ 261 StPO).
Die Rüge ist unzulässig. Sie erfaßt keine essentiellen, unerklärlichen Widersprüche zwischen Urteil und Akteninhalt (vgl. BGHSt 43, 212, 216), sondern setzt voraus, daß ein in die Hauptverhandlung eingeführtes Beweismittel – die Aussage der Zeugin H – nicht ausgeschöpft worden ist. Es liegt überaus nahe, daß die Zeugin in der Hauptverhandlung ihre früheren Angaben weiter relativiert hat, so daß das Landgericht sich nicht von einem vollendeten Analverkehr überzeugen konnte. Damit handelt es sich um eine unzulässige Rüge der “Aktenwidrigkeit” (vgl. BGH NStZ 2000, 156).

b) Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Aussage der Belastungszeugin in jeder Hinsicht einer ausreichenden Glaubwürdigkeitsprüfung unterzogen (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.); es hat auf die innere Stimmigkeit der Aussage, auf die damit einhergehende emotionale Bewegtheit der Geschädigten und auf die Übereinstimmung ihrer Angaben mit
objektiv überprüfbaren Umständen und den Aussagen anderer Zeugen abgestellt. Dabei bedurfte es einer noch detaillierteren Wiedergabe ihrer Aussage
nicht, weil das Landgericht die Feststellungen auf die Schilderung der Geschädigten gestützt hat. Auch der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Harms Häger Tepperwien Raum Brause

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2005 - 5 StR 518/04

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.