Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2003 - 5 StR 425/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Die Angeklagte war als Staatsanwältin mit den Ermittlungen gegen die damaligen Beschuldigten T und H wegen mehrerer Fälle schwerer räuberischer Erpressung bzw. schweren Raubes (nämlich bewaffneter Überfälle auf Bank- oder Postfilialen) befaßt. Hierzu wurde sie am 27. September 2000 und 9. Oktober 2000 in der gegen T und H durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Potsdam als Zeugin vernommen. Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, hierbei eine falsche uneidliche Aussage und zugleich eine versuchte Strafvereitelung im Amt begangen zu haben (§ 153, § 258 Abs. 1, § 258a Abs. 1 und 2, §§ 22, 23, 52 StGB). So habe die Angeklagte wahrheitswidrig folgendes bekundet : Bei einer von ihr durchgeführten Vernehmung des damaligen Beschuldigten T am 21. August 1998 habe dieser auf die Frage, ob er Drogen konsumiere, bestätigend genickt. Weiterhin habe er ausgesagt, er hätte am Abend des 20. August 1998 sowie am folgenden Morgen Heroin konsumiert. Auf die Frage, ob er vernehmungsfähig sei, habe er geantwortet, es gehe. Er habe weiterhin erklärt, er empfinde aufgrund von Entzugserscheinungen ein leichtes Frieren auf der Haut. Dagegen habe T in Wahrheit keinerlei seiner Verhaftung vorausgehenden Drogenkonsum behauptet , vielmehr von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Die Angeklagte habe ihre unwahren Bekundungen mit dem Ziel abgegeben, daß das Landgericht Potsdam zugunsten des T zu Unrecht den Strafmilderungsgrund erheblich verminderter Schuldfähigkeit annehme. Ferner habe die Angeklagte wahrheitswidrig folgendes bekundet: Bei der von ihr durchgeführten Vernehmung der Zeugin W am 10. Juni 1999 habe keine Lichtbildervorlage stattgefunden. Dagegen habe die Angeklagte in Wahrheit der Zeugin W drei von einer Überwachungskamera anläßlich eines Banküberfalls aufgenommene Lichtbilder vorgelegt. Die Zeugin habe auf diesen Bildern die damaligen Beschuldigten T und H als die beiden maskierten Bankräuber erkannt und dies gegenüber der Angeklagten geäußert.
Das Landgericht hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es hat zwar festgestellt, daß die Angeklagte als Zeugin so ausgesagt hat, wie die Anklage es ihr vorwirft. Es hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, daß diese Bekundungen unwahr gewesen wären. Gegen diesen Freispruch richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Die auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO gestützte Verfahrensrüge ist nicht in der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Weise begründet worden und daher unzulässig. Für die Frage, ob das Urteil, das grundsätzlich nach § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO spätestens am 1. Februar 2002 zu den Akten zu bringen war, jedoch erst am 4. Februar 2002 zu den Akten gelangt ist, gleichwohl – wegen einer nach
§ 275 Abs. 1 Satz 4 StPO zulässigen Fristüberschreitung – rechtzeitig eingegangen ist, kommt es möglicherweise auf die Urlaubszeiten der beisitzenden Richterin an. Denn die vom Vorsitzenden der Strafkammer am 1. Februar 2002 vorgenommene „Überarbeitung des Urteilsentwurfs der Berichterstatterin“ (Vermerk des Vorsitzenden vom 4. Februar 2002) hätte der Zustimmung der Berichterstatterin bedurft, wenn diese sich an diesem Tag noch nicht in Urlaub befunden hätte. Indes teilt die Revision die (erst vom Generalbundesanwalt ermittelten) Urlaubsdaten der beisitzenden Richterin (4. bis 8. Februar 2002) nicht mit.
Im übrigen hätte in dem vom Vorsitzenden mitgeteilten Ereignis – plötzliche lebensgefährliche Erkrankung seiner Mutter – ein Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO gelegen.
II.
Der Freispruch hält auch sachlichrechtlicher Prüfung stand.
1. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise nähergelegen hätte. Kann der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft , Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt hat (BGH, Urteil vom 28. Januar 2003 – 5 StR 378/02 m.w.N.; ständige Rechtsprechung).
2. Derartige Rechtsfehler weist das angefochtene Urteil nicht auf. Ins- besondere ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht widersprüchlich; sie unterliegt auch keinen durchgreifenden Bedenken wegen Lückenhaftigkeit.
Es wäre freilich vorzugswürdig gewesen, wenn das Landgericht näher erörtert hätte, ob und inwieweit aufzuklären war, daß zwischen der Angeklagten und dem inhaftierten Beschuldigten des Ausgangsverfahrens, dem jetzigen Zeugen T , ein Liebesverhältnis bestand, in dem möglicherweise ein Motiv für die der Angeklagten angelastete Tat hätte gefunden werden können. In dem angefochtenen Urteil wird hierzu auffallend zurückhaltend Stellung genommen (UA S. 7, 9; ferner S. 6, 10). Gleichwohl liegt hierin kein durchgreifender Sachmangel. Dem Gesamtzusammenhang des Urteils ist letztlich noch ausreichend deutlich zu entnehmen, daß das Landgericht sich auch bei Feststellung eines solchen Liebesverhältnisses unter Berücksichtigung der sonst gegebenen Beweislage aufgrund gegenläufiger Indizien von einer vorsätzlichen Falschaussage der Angeklagten in beiden Fällen nicht hätte überzeugen können.
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Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.
(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.
(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.
(1) Ist in den Fällen des § 258 Abs. 1 der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren oder dem Verfahren zur Anordnung der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) oder ist er in den Fällen des § 258 Abs. 2 als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) § 258 Abs. 3 und 6 ist nicht anzuwenden.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muß spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen; diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen. Nach Ablauf der Frist dürfen die Urteilsgründe nicht mehr geändert werden. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Zeitpunkt, zu dem das Urteil zu den Akten gebracht ist, und der Zeitpunkt einer Änderung der Gründe müssen aktenkundig sein.
(2) Das Urteil ist von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht.
(3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen.
(4) (weggefallen)