Bundesgerichtshof Urteil, 20. Apr. 2006 - 4 StR 604/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
A.
- 2
- 1. Nach den der Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen der Strafkammer besuchte der Angeklagte während eines Hafturlaubs seine Ehefrau , die ihm bereits vor Monaten mitgeteilt hatte, dass sie sich von ihm trennen wolle. Sie hielt trotzdem weiter Kontakt zu dem Angeklagten, obwohl sie sich inzwischen einem anderen Mann zugewandt, die gemeinsame Wohnung aufgegeben und eine neue Wohnung bezogen hatte. Beide verabredeten, eine Kirmes zu besuchen. Zuvor wollte die Ehefrau jedoch noch duschen und sich umziehen. Der Angeklagte nutzte diese Gelegenheit, sie in ihrer Wohnung zu bedrängen und unter Anwendung körperlicher Kraft u.a. den Geschlechtsverkehr mit ihr zu erzwingen.
- 3
- 2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, dass es zwischen seiner Ehefrau und ihm zu einverständlichen sexuellen Handlungen gekommen sei. Die Strafkammer hat der Geschädigten geglaubt, die das Geschehen wie festgestellt geschildert hat.
B.
- 4
- Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
- 5
- I. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
- 6
- 1. Die Aufklärungsrüge (Anhörung eines weiteren Sachverständigen, der bekundet hätte, dass auf Grund der - wie festgestellt - "massiven sexuellen Übergriffe" bei der Geschädigten hätten Verletzungen vorliegen müssen) ist unzulässig erhoben, weil das "schriftliche Gutachten" der gehörten Sachverständigen (RB S. IV – Bd. I Bl. 46 bis 53 d.A.: Ärztlicher Untersuchungsbericht) nicht vollständig mitgeteilt wurde. Die insoweit von der Revision in Bezug genommenen Urteilsstellen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob sich das Landgericht hätte gedrängt sehen müssen, einen weiteren Sachverständigen anzuhören (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 45; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 81).
- 8
- a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
- 9
- Der Angeklagte hatte behauptet, die Geschädigte habe nicht nur ihn zu Unrecht belastet, sondern früher auch gegen ihren ehemaligen Freund Peter K. jun. unwahre Vorwürfe erhoben. So habe sie Peter K. jun. u.a. in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu Unrecht belastet.
- 10
- Peter K. jun. wurde im Hauptverhandlungstermin vom 22. Juni 2005 als Zeuge gehört. Nach seiner Entlassung wurde die Geschädigte vernommen und "im Zuge (ihrer) Vernehmung ... wurden die Ermittlungsakten 200 Js 2384/01 erörtert" (Bd. II Bl. 247 d.A.). Weiter heißt es in der Sitzungsniederschrift : "Nach Anhörung und mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten auf Anordnung des Vorsitzenden: Die Beschuldigtenvernehmung des Peter K. vom 10.12.2001 Bl. 13-16 aus der Beiakte 200 Js 2384/01 soll verlesen werden, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO.
- 11
- Danach ordnete der Vorsitzende an, dass die Geschädigte unvereidigt bleibt. Sie wurde im allseitigen Einverständnis entlassen und die Beweisaufnahme wurde geschlossen.
- 12
- Im Urteil ist ausgeführt, dass eine im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung von Vernehmungsprotokollen aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hagen 22 [gemeint ist: 200] Js 2384/01 die Behauptung des Angeklagten, die Geschädigte habe Peter K. jun. in diesem Verfahren zu Un- recht belastet, nicht bestätigt, sondern widerlegt habe, “da alle wesentlichen Angaben der (Geschädigten) in diesem Verfahren von Peter K. jun. bestätigt worden (seien)“.
- 13
- b) Die Revision macht geltend:
- 14
- aa) Die Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Verlesungsvorschrift (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) hätten nicht vorgelegen, weil nach dieser Bestimmung die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung der Niederschrift über seine frühere richterliche Vernehmung nur ersetzt werden dürfe, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln sei. Der Strafkammer sei aber die ladungsfähige Anschrift des zuvor vernommenen Zeugen K. jun. bekannt gewesen. Er hätte daher gemäß § 250 StPO erneut persönlich gehört werden müssen.
- 15
- bb) Die ursprüngliche Fassung des Protokolls habe den Zusatz, "dass alle Prozessangehörigen zugestimmt haben sollen", nicht enthalten; die Sitzungsniederschrift sei vielmehr insoweit handschriftlich ergänzt worden. Eine Genehmigung dieser Protokollergänzung bzw. –berichtigung fehle. Eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne daher "nicht festgestellt" werden.
- 16
- cc) Verlesbare Protokolle nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO seien nur richterliche Vernehmungsprotokolle. Verlesen worden sei aber eine polizeiliche Vernehmung des Zeugen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens.
- 17
- dd) Die Verlesung sei nicht durch einen Gerichtsbeschluss, sondern auf Grund einer Anordnung des Vorsitzenden erfolgt. Der Beschluss müsse im Üb- rigen so genau begründet sein, dass eine rechtliche Nachprüfbarkeit möglich ist. Dies sei bei der Anordnung des Vorsitzenden nicht der Fall gewesen.
- 18
- ee) Das Gericht hätte - trotz der Verlesung - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die Beweisperson persönlich hören müssen, und zwar selbst dann, “wenn die Prozessbeteiligten mit der Verlesung … einverstanden (waren) …, insbesondere wenn die Vernehmungsschrift ersichtlich ungenau oder unklar oder die Beweisperson das alleinige Beweismittel ist“. Hier habe die Strafkammer "trotz der kurzfristigen Kenntnis der Akte von einer eingehenden Prüfung und ggf. erneuten Ladung oder Vernehmung des bekannten Zeugen K. jun. abgesehen".
- 19
- Das Urteil beruhe auf den Verfahrensfehlern, weil die fehlerhaft verlesene Beschuldigtenvernehmung zu Lasten des Angeklagten verwendet worden sei und “die erneute Vernehmung des Zeugen K. jun. den Inhalt der Beschuldigtenvernehmung bzw. deren Feststellungen aus dem Verfahren widerlegt hätte“.
- 20
- c) Die Einwendungen der Revision greifen nicht durch:
- 21
- aa) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO beziehe sich nur auf frühere richterliche Vernehmungen, die zudem nur verlesen werden dürften, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist (Rügen B I 2 b aa, cc), beruft er sich auf die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr aktuelle Gesetzeslage vor dem 1. September 2004. Durch Art. 3 Nr. 12 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl I 2198) wurde die Vorschrift mit Wirkung vom 1. September 2004 dahingehend neu gefasst, dass die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung einer (auch polizeilichen) Niederschrift über eine Vernehmung ersetzt werden kann, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.
- 22
- bb) Die Rüge B I 2 b bb (eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne nach dem Protokoll "nicht festgestellt" werden) ist unzulässig; denn die Revision kann nicht auf einen möglichen Mangel des Protokolls – hier: dessen nicht genehmigte Berichtigung - gestützt werden (vgl. Meyer-Goßner aaO § 273 Rdn. 36, § 344 Rdn. 26 m.w.N.). Auf einem Fehler des Protokolls kann das Urteil nicht beruhen (BGHSt 7, 162, 163). Die Revision behauptet nicht, dass die Zustimmung nicht erteilt worden ist.
- 23
- cc) Die Beanstandungen B I 2 b dd und ee (es sei kein begründeter Gerichtsbeschluss ergangen; die Aufklärungspflicht habe eine erneute Vernehmung des Zeugen geboten) haben ebenfalls keinen Erfolg:
- 24
- Grundsätzlich begründet es allerdings die Revision, wenn der nach § 251 Abs. 4 StPO geforderte Gerichtsbeschluss nicht ergangen ist (vgl. BGH NStZ 1988, 283; 1993, 144). Der Beschluss dient der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten über den Grund der Verlesung und der eindeutigen Bestimmung des Umfangs der Verlesung. Bei Kollegialgerichten - wie hier – soll er zudem unter Beachtung der Aufklärungspflicht die Meinungsbildung des gesamten Gerichts, und nicht nur des Vorsitzenden, über das einzuschlagende Verfahren sicherstellen und insbesondere den Schöffen im Hinblick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit den Ausnahmecharakter der Verlesung deutlich machen. Entscheidend ist insoweit, ob die (erneute) persönliche Vernehmung des Zeugen zur weiteren Aufklärung erforderlich ist oder ob die Verlesung der Niederschrift genügt (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 261).
- 25
- Das Urteil kann auf dem nicht ergangenen Gerichtsbeschluss beruhen, wenn sich den Verfahrensbeteiligten der Grund der Verlesung nicht erschlossen hat und damit die der Anordnung der Verlesung zu Grunde liegenden Erwägungen rechtlich nicht überprüfbar sind (vgl. BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss 1, 3, 4; § 251 Abs. 4 S. 1 Anordnung 1) bzw. das Gericht die Verlesungsvoraussetzungen (im Gegensatz zum Vorsitzenden) möglicherweise verneint hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1979 – 5 StR 531/79).
- 26
- (1) Soweit die Unterrichtungs- und Überprüfungsfunktion des § 251 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO betroffen ist, beruht das Urteil ersichtlich nicht auf dem fehlenden Beschluss; denn der Grund und der Umfang der Verlesung waren klar – nämlich die Einführung der Beschuldigtenvernehmung des Zeugen K. jun. in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung mit allgemeinem Einverständnis (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ob es (daneben) geboten war, den Vernehmungsbeamten und/oder den damaligen Beschuldigten K. jun. dazu als Zeugen zu hören, war eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht (vgl. dazu BGH NStZ 1988, 283; BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss
4).
- 27
- (2) Zur Prüfung der Frage, ob ein Beruhen des Urteils auf dem fehlenden Gerichtsbeschluss nicht auszuschließen ist, weil das Gericht unter Beachtung von Aufklärungsgesichtspunkten anders entschieden hätte als der Vorsitzende allein – es insbesondere statt der Verlesung der Beschuldigtenvernehmung den Zeugen K. jun. (nochmals) gehört hätte, ist die Kenntnis des Inhalts der verlesenen Niederschrift sowie der vorangegangenen Aussage des Zeugen K. jun. erforderlich; denn daraus kann sich ohne weiteres erschließen , dass die (nochmalige) Vernehmung des Zeugen fern lag. Da die Revision den Wortlaut oder zumindest den wesentlichen Inhalt der verlesenen Niederschrift und den Inhalt der Zeugenaussage nicht mitteilt, kann der Senat die Beruhensfrage nicht prüfen. Das gilt auch, wenn die Rüge in eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) umgedeutet würde. Die Rüge ist insoweit nicht zulässig erhoben (vgl. BGH NStZ 1998, 369 [zu § 338 Nr. 8 StPO], Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 251 Rdn. 103).
- 28
- II. Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
- 29
- Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch und den Strafausspruch.
- 30
- Soweit die Revision geltend macht, die Beweiswürdigung sei widersprüchlich , "zu pauschal" und lückenhaft, setzt sie ihre eigenen Wertungen an die Stelle der Würdigung durch den Tatrichter. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Entsprechendes gilt für die vom Beschwerdeführer erhobenen Beanstandungen zur Strafzumessung. Das Landgericht musste nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); das hat es getan. Dass es im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen zu Lasten des Angeklagten gewertet habe, er habe bereits vor oder bei Betreten der Wohnung der Geschädigten einen Vergewaltigungsvorsatz gehabt, ist dem Urteil - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu entnehmen. In den Strafzumessungsgründen ist lediglich zu Lasten des Angeklagten gewertet worden, dass er die Tat während einer Strafhaft begangen und er das Vertrauen des Tatopfers, das ihn arglos in die Wohnung mitgenommen hatte, grob missbraucht und für sich ausgenutzt hat. Das entspricht den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen.
Solin-Stojanović Ernemann
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Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.
(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,
- 1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind; - 2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen; - 3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann; - 4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.
(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn
- 1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen; - 2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann; - 3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.
(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.