Bundesgerichtshof Urteil, 12. Sept. 2013 - 4 StR 228/13

bei uns veröffentlicht am12.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 228/13
vom
12. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. September
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Richter am Amtsgericht
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. Oktober 2012 im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung einer Verfallsanordnung in dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 25. Mai 2012 unterblieben ist.
2. Die nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Aufrechterhaltung einer Verfallsanordnung ist im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO durch das nach § 462a Absatz 3 StPO dafür zuständige Gericht zu treffen, das auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Bonn vom 25. Mai 2012 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufrechterhaltung eines in dem früheren Urteil angeordneten Verfalls. Das wirksam auf dieses Anfechtungsziel beschränkte, vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel erweist sich als begründet.
2
1. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen verurteilte das Landgericht Bonn den Angeklagten am 25. Mai 2012 rechtskräftig wegen Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Einen Ausspruch über eine Maßnahme enthält der in den Gründen des angefochtenen Urteils wiedergegebene Tenor nicht. In den anschließend mitgeteilten Gründen der Vorverurteilung heißt es unter anderem wie folgt: „G. (erweiterter Verfall) III. Bei dem Angeklagten R. war ebenfalls der erweiterte Verfall anzuordnen. Nach den getroffenen Feststellungen erhielt dieser für seine Mithilfe bei den Ernten der Taten 1 bis 4 insgesamt 4.000.-- €. Dieser Betrag ist aus rechtswidrigen Katalogtaten im Sinn des § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erlangt worden und unterliegt damit in voller Höhe dem erweiterten Verfall…….“
3
2. Damit weisen die Feststellungen zu der – mit Recht gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB einbezogenen – Vorverurteilung vom 25. Mai 2012 einen Widerspruch auf, der im Revisionsverfahren nicht auflösbar ist. Tenor und Gründe des Urteils des Landgerichts Bonn widersprechen sich zu der Frage, ob eine Verfallsanordnung ergangen ist. Im Falle einer vorangegangenen Anordnung hätte der Tatrichter nach § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB über die Aufrechterhaltung der Maßnahme zu entscheiden gehabt; gegebenenfalls hätte er die Maßnahme ausdrücklich in der Urteilsformel aufrechterhalten müssen (vgl. BGH, Urteile vom 10. April 1979 – 4 StR 87/79, NJW 1979, 2113, 2114 und vom 10. Februar 2011 – 4 StR 552/10). Demgemäß kann der Senat nicht entscheiden, ob ein solcher Ausspruch zu Unrecht unterblieben ist. Das ist ein auf Sachrüge zu beachtender materiell-rechtlicher Fehler (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 108).
4
3. Der Senat kann mit Blick auf die unklaren Feststellungen nicht selbst in der Sache entscheiden. Er hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO zu verfahren (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2006 – 4 StR 278/06, NStZ-RR 2007, 107). Über die Aufrechterhaltung einer etwa angeordneten Maßnahme wird das nach § 462a Abs. 3 StPO zuständige Gericht zu befinden haben, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels obliegt.
5
4. Für den Fall, dass über die Aufrechterhaltung einer solchen Verfallsanordnung zu entscheiden sein wird, nimmt der Senat auf sein – den Wertersatzverfall nach § 73a StGB betreffendes – Urteil vom 10. Februar 2011 (4 StR 552/10) Bezug.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 552/10
vom
10. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen falscher Verdächtigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Februar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. Februar 2010 dahin ergänzt , dass die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 220.000 Euro aufrechterhalten wird.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der falschen Verdächtigung schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Juni 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; eine Entscheidung über den in jenem Urteil angeordneten Wertersatzverfall in Höhe von 220.000 Euro hat das Landgericht nicht getroffen. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Ergänzung der Urteilsformel um den Ausspruch über die Aufrechterhaltung des in dem früheren Urteil angeordneten Wertersatzverfalls. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung sind Maßnahmen, auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden (§ 55 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Aufrechterhalten von Maßnahmen dann nicht in Betracht kommt, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1996 - 3 StR 317/96, BGHSt 42, 306, 308 m.w.N. - Zeitablauf bei Sperrfrist nach § 69a StGB -; Urteil vom 22. Mai 2003 - 4 StR 130/03, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 8 - Eigentumsübergang nach § 74e Abs. 1 StGB -).
3
Derartige, einer Aufrechterhaltung entgegenstehende Umstände liegen hier nicht vor. Das Landgericht war daher hinsichtlich der Anordnung des Wertersatzverfalls an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1991 - 3 StR 500/91, NStZ 1992, 231). Es hätte deswegen in der Urteilsformel (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1979 - 4 StR 87/79, NJW 1979, 2113; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 38) den in der früheren Entscheidung angeordneten Wertersatzverfall ausdrücklich aufrechterhalten müssen.
4
Dies holt der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft nach.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 278/06
vom
30. November 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
zu 1.: wegen schweren räuberischen Diebstahls
zu 2.: wegen Diebstahls
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. November
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein
und die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten We. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten We. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. November 2005 in dem den Angeklagten We. betreffenden Gesamtstrafenausspruch mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten We. sowie die Revision des Angeklagten W. werden verworfen. 3. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen; die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten W. wegen schweren räuberischen Diebstahls auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt und ihn unter Einbeziehung einer rechtskräftigen neunmonatigen Freiheitsstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten We. hat es wegen Diebstahls zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hieraus unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Apolda vom 5. Februar 2004 und unter weiterer Einbeziehung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 28. April 2005 auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erkannt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten und - zu deren Ungunsten - die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind hinsichtlich beider Angeklagten wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Der Angeklagte We. stellt das Urteil mit seiner ebenfalls allein auf die Sachrüge gestützten Revision insgesamt zur Überprüfung des Revisionsgerichts. Der Angeklagte W. erhebt Verfahrensbeschwerden und rügt die Verletzung sachlichen Rechts; er beanstandet, dass das Landgericht die Annahme drogenbedingter erheblich verminderter Schuldfähigkeit verneint hat. Die Rechtsmittel führen lediglich zur Aufhebung des den Angeklagten We. betreffenden Gesamtstrafenausspruchs ; im Übrigen sind sie unbegründet.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen brachen unbekannte Täter in der Nacht zum 4. Januar 2004 in ein Praxis- und Bürogebäude in Magdeburg ein und entwendeten dort aus den Räumen einer Fußpflegepraxis diverse elektronische Geräte. In derselben Nacht drang auch der Angeklagte We. in das Gebäude ein, hebelte die Eingangstür zum Büro der Caritas auf und entwendete einen Umschlag mit 150 € Bargeld. We. berichtete dem Angeklagten W. davon und bedeutete ihm, dass dort "noch etwas zu holen" sei. Darauf begab sich auch W. , zusammen mit einem unbekannten Mittäter, zu dem Gebäude. Sie hebelten die Eingangstür zur Arztpraxis Dr. W. auf und entwendeten zwei Computer und drei Flachbildschirme. Als sie gerade das Gebäude mit der Beute verlassen wollten, kam ihnen an der Eingangstür der Apotheker O. entgegen, dessen Sohn zu den Geschädigten zählte und der bereits die Polizei informiert hatte. Um die vermuteten Einbrecher im Gebäude einzusperren, versuchte er, die Eingangstür von außen zuzuziehen. Dies ver- hinderte der unbekannte Mittäter des Angeklagten W. , indem er ihm den Karton, in dem sich die beiden Computer befanden, ins Gesicht rammte. Auch W. entschloss sich, die Flucht mit der Beute zu erzwingen. Hierzu stellte er den Karton, in dem sich die drei Flachbildschirme befanden, zunächst ab, zog einen der als Aufbruchwerkzeuge mitgeführten beiden Schraubenzieher und stieß damit "dolchartig" in Richtung des Kopfes und des Oberkörpers des Zeugen, der darauf die Hauseingangstür losließ. Diesen Augenblick nutzte der Angeklagte W. und verließ unter Mitnahme der Beute das Gebäude.
3
2. Revisionen der Angeklagten
4
a) Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionen der Angeklagten haben weder zu den Schuldsprüchen noch zu den Strafaussprüchen - letzteres hinsichtlich des Angeklagten We. mit Ausnahme der Gesamtstrafenbildung – die Angeklagten beschwerende Rechtsfehler ergeben, wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 30. August 2006 zutreffend ausgeführt hat. Die Angriffe des Angeklagten We. gegen die Beweiswürdigung zu seiner Täterschaft stellen lediglich den im Revisionsverfahren untauglichen Versuch dar, die tatrichterliche Überzeugungsbildung durch eine eigene Wertung zu ersetzen. Ebenso wenig vermag die Revision des Angeklagten W. aufzuzeigen, dass das Landgericht zu Unrecht das Vorliegen der nach der Rechtsprechung (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 21 Rdn. 13 m.w.N.) engen Voraussetzungen drogenbedingter erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) verneint und auch eine weitere Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat.
5
b) Dagegen beanstandet der Angeklagte We. zu Recht den Gesamtstrafenausspruch. Die Einbeziehung der sechsmonatigen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 28. April 2005 ist fehlerhaft, wie das Landgericht nachträglich selbst erkannt hat. Dies ist hier auch auf die Revision des Angeklagten We. zu beachten. Zwar wird es im Fall fehlerhafter Einbeziehung einer Strafe nach § 55 Abs. 1 StGB zumeist an einer Beschwer des Angeklagten fehlen, weil das gesonderte Bestehenbleiben der einbezogenen Strafe regelmäßig zu einem größeren (Gesamt )Strafübel führt. Hier wirkt sich die fehlerhafte Einbeziehung aber schon deshalb nachteilig für den Angeklagten aus, weil die Einbeziehung zum Wegfall der Aussetzung zur Bewährung der sechsmonatigen Freiheitsstrafe geführt hat.
6
3. Revisionen der Staatsanwaltschaft
7
Die Staatsanwaltschaft wendet sich ohne Erfolg gegen die Bemessung der gegen die Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Freiheitsstrafen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterliche Strafzumessung Rechtsfehler enthält, insbesondere wenn sie lückenhaft oder widersprüchlich ist oder sie gegen anerkannte Strafzwecke verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 345, 349 f.). Derartige Rechtsfehler zeigen die Revisionen hinsichtlich keines der beiden Angeklagten auf. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen , dass die erkannten Einzelstrafen angesichts der erheblichen, insbesondere auch einschlägigen Vorbelastungen vergleichsweise milde sind; sie entfernen sich aber noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs. Zwar hätten die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstände auch anders gewertet werden und deshalb Anlass geben können, höhere Strafen zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft versucht aber lediglich, diese Gesichtspunkte anders als der Tatrichter zu gewichten. Damit kann sie jedoch im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
8
Dagegen kann - wie bereits zuvor unter 2. ausgeführt - der Gesamtstrafenausspruch bezüglich des Angeklagten We. nicht bestehen bleiben. Der dem zugrunde liegende Rechtsfehler ist zwar bereits auf die Revision dieses Angeklagten zu berücksichtigen und deshalb insoweit unbeschadet der Regelung des § 301 StPO kein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9 a.E.). Dies gilt indes nur, soweit der Angeklagte durch die fehlerhafte nachträgliche Gesamtstrafenbildung - wie aufgezeigt - beschwert ist. Die fehlerhafte Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 28. April 2005 begünstigt den Angeklagten aber auch, denn die vom Landgericht gebildete Gesamtstrafe ist niedriger als das „Gesamtstrafübel“, wenn die fehlerhaft einbezogene Freiheitsstrafe gesondert bestehen bleibt. Deshalb ist die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs auch ein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft.
9
4. Die notwendig werdende neue Gesamtstrafenbildung bedarf keiner Entscheidung aufgrund neuer Hauptverhandlung. Der Senat macht deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu entscheiden. Diese Vorschrift findet nicht nur bei den Angeklagten beschwerenden, sondern auch bei ihn begünstigenden, auf Revision der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigenden Rechtsfehlern Anwendung (vgl. zu Absatz 1 a der Vorschrift Senatsurteil vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05). Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung hinsichtlich des Angeklagten We. obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht.
10
5. Der Senat kann hinsichtlich der Kosten im Revisionsverfahren auch hinsichtlich des Angeklagten We. bereits abschließend entscheiden. Denn im vorliegenden Fall ist sicher abzusehen, dass sowohl das Rechtsmittel dieses Angeklagten, der seine Verurteilung umfassend angegriffen hat, als auch das ihn betreffende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit dem Teilerfolg zur Ge- samtstrafe nur einen geringfügigen Rechtsmittelerfolg erbracht haben. Jedenfalls bei dieser Sachlage kann der Senat die abschließende Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO sofort treffen und braucht sie nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2). Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanović Sost-Scheible

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 552/10
vom
10. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen falscher Verdächtigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Februar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. Februar 2010 dahin ergänzt , dass die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 220.000 Euro aufrechterhalten wird.
2. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der falschen Verdächtigung schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Juni 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; eine Entscheidung über den in jenem Urteil angeordneten Wertersatzverfall in Höhe von 220.000 Euro hat das Landgericht nicht getroffen. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Ergänzung der Urteilsformel um den Ausspruch über die Aufrechterhaltung des in dem früheren Urteil angeordneten Wertersatzverfalls. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung sind Maßnahmen, auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden (§ 55 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Aufrechterhalten von Maßnahmen dann nicht in Betracht kommt, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1996 - 3 StR 317/96, BGHSt 42, 306, 308 m.w.N. - Zeitablauf bei Sperrfrist nach § 69a StGB -; Urteil vom 22. Mai 2003 - 4 StR 130/03, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 8 - Eigentumsübergang nach § 74e Abs. 1 StGB -).
3
Derartige, einer Aufrechterhaltung entgegenstehende Umstände liegen hier nicht vor. Das Landgericht war daher hinsichtlich der Anordnung des Wertersatzverfalls an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1991 - 3 StR 500/91, NStZ 1992, 231). Es hätte deswegen in der Urteilsformel (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1979 - 4 StR 87/79, NJW 1979, 2113; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 38) den in der früheren Entscheidung angeordneten Wertersatzverfall ausdrücklich aufrechterhalten müssen.
4
Dies holt der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft nach.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer