Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2015 - 4 StR 183/15

bei uns veröffentlicht am05.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 183/15
vom
5. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung –
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 9. Dezember 2014 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Dem Angeklagten liegt zur Last, am 4. Februar 2013 in P. B. vergewaltigt zu haben.
3
2. Die Strafkammer hat hierzu im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
4
B. feierte am Abend des 3. Februar 2013 mit Kameraden der britischen Armee im Unteroffiziersheim der N. -Kaserne und später in einer Diskothek in P. . Dort lernte sie den Angeklagten kennen. Gegen 4.30 Uhr suchte sie mit ihm die Damentoilette auf, wo sie sich „küssten und streichelten“, bis sie von einer Angestellten der Diskothek aus der Toilette ver- wiesen wurden. Vor 5 Uhr verließen beide die Diskothek. Etwa um 6.45 Uhr erfolgte auf einem ca. 2,9 km von der Diskothek entfernten Weg „ein sexueller Angriff“ auf die Zeugin B. .
5
3. Das Landgericht vermochte sich von der Täterschaft des die Tatbegehung bestreitenden Angeklagten nicht zu überzeugen. Zwar folgte es den Angaben von B. zum Tatgeschehen, zumal ein auf dem Weg zur Schule befindlicher Zeuge gesehen hat, wie ein Mann vor einer unbekleideten Frau stand und weglief, als er ihn bemerkte, ihn anschließend die weinende Zeugin B. um Hilfe bat und kurze Zeit später eingetroffene Polizeibeamte die nur mit Jeans und einem BH bekleidete B. auffanden, an deren gesamten Körper Blutergüsse festgestellt wurden. Auch stellt die Strafkammer die „Wahrnehmungs- und Speicherfähigkeit“ der Zeugin trotz deren Alkoholisie- rung nicht in Frage und vermag bei ihr ein Falschbelastungsmotiv nicht zu erkennen. Hinsichtlich der Belastung des Angeklagten als Täter hält sie die Zeu- gin indes für „persönlich unglaubwürdig“. Dafür sei entscheidend, dass sie „in der Vergangenheit bereits dreimal andere Personen wegen, zum Teil erheb- licher Straftaten falsch bezichtigt“ habe. Zudem habe die Zeugin in der Hauptverhandlung „mindestens zweimal objektiv falsche Tatsachen“ geschildert, zum einen zu einem Streit mit ihren Kameraden in der Diskothek, zum anderen zu ihrem Alkoholkonsum seit Februar 2013. Es bestünden daher „ernstliche Zweifel an der Täterschaft gerade des Angeklagten“.
6
4. Gegen die Würdigung der Beweise wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel.

II.


7
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat keinen Erfolg.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Seine Schlussfolgerungen müssen nur möglich sein (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 2 BvR 2067/07, Rn. 43); das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näherliegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13 mwN).
9
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
10
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
11
aa) Die tatrichterliche Beweiswürdigung kann ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13). Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert. Bei der Prüfung, ob eine solche Lücke vorliegt, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13).
12
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
13
Sie erschöpfen sich zum einen in Hinweisen auf nicht oder unzureichend getroffene Feststellungen etwa zu dem von der Zeugin B. behaupteten Einbruch der Zeugin Bo. sowie zu den Beschuldigungen der Zeugin B. gegen die Zeugin C. und den Zeugen H. . Weder hierzu noch zu der Beanstandung, dass (nähere) Feststellungen zu dem Geschehen auf der Toilette und zu der Frage fehlen, ob und gegebenenfalls wie dabei DNA – deren Mitverursachung durch den Angeklagten indes lediglich nicht auszuschließen war – an die Bekleidungsstücke der Zeugin B. (u.a. BH, Slip) gelangt sein könnte, hat die Staatsanwaltschaft keine Verfahrensrügen erhoben. Soweit sie zum anderen geltend macht, einzelne Feststellungen der Strafkammer seien nicht von den erhobenen Beweisen getragen, sind diese Beanstandungen aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 30. Juni 2015 dargelegten Gründen erfolglos.
14
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
15
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt, aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64; vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13).
16
Vor dem Hintergrund, dass mehrere Zeugen den „Beziehungskonflikt“ zwischen der Zeugin B. und dem Zeugen A. geschildert haben, stellt es daher keinen die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen in Frage stellenden Widerspruch dar, dass die Zeugin B. auf die Zeugin H. eifersüchtig war, obwohl unter den britischen Soldaten bekannt war, dass die Zeugin H. lesbisch sei.
17
c) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
18
Eine Gesamtwürdigung hat die Strafkammer vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder naheliegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen, noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Vielmehr hat sie ihre Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten auf insofern bestehende Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin B. gestützt.
19
Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn bei einem Widerspruch zwischen mehreren Erkenntnisquellen hat das Gericht ohne Rücksicht auf deren Art und Zahl darüber zu befinden, in welchen von ihnen die Wahrheit ihren Ausdruck gefunden hat. Stehen sich Bekundungen eines – insbesondere einzigen – Zeugen und des Angeklagten unvereinbar gegenüber, darf das Gericht allerdings den Bekundungen dieses Zeugen nicht etwa deshalb, weil er (gegebenenfalls) Geschädigter ist, ein schon im Ansatz ausschlaggebend höheres Gewicht beimessen als den Angaben des Angeklagten. Maßgebend ist der innere Wert einer Aussage, also deren Glaubhaftigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 379/03, NStZ 2004, 635 f.). Bei deren Prüfung darf und muss der Tatrichter gegebenenfalls aber auch berücksichtigen, ob der Zeuge schon andere zu Unrecht der Begehung von Straftaten bezichtigt hat (vgl. § 68a Abs. 2 Satz 2 StPO; BGH, Beschluss vom 12. März 2002 – 1 StR 557/01, NStZ 2002, 495). Zwar ist in solchen Fällen eine sorgfältige Beweiswürdigung geboten; der Tatrichter ist aber aus Rechtsgründen nicht gehindert, auch aufgrund solcher Umstände in Teilen der Aussage des Belastungszeugen zu glauben, obwohl er ihr in anderen Teilen nicht folgt (allgemein hierzu: BGH, Beschlüsse vom 3. September 2013 – 1 StR 206/13; vom 25. Oktober 2010 – 1 StR 369/10; vom 29. Juli 2003 – 4 StR 253/03 jeweils mwN). Dass bei der Strafkammer auf dieser Grundlage Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten verblieben sind, obwohl sie von einer Vergewaltigung der Zeugin überzeugt ist, weist keinen Rechtsfehler auf. Die Erwägung, „dass die Zeugin auf der Suche nach ihren Kameraden allein durch P. geirrt ist und dann von einem unbekannten Täter attackiert wurde“, ergänzt lediglich die Ausführungen zu den bereits für sich zu dem Freispruch des Angeklagten führenden Zweifeln der Strafkammer an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin B. zu dessen Täterschaft. Anders als die Staatsanwaltschaft meint, stützt das Tatgericht damit den Freispruch des Angeklagten nicht nur auf eine denktheoretische Möglichkeit , sondern auf das Ergebnis ihrer Glaubhaftigkeitsprüfung, zumal die Tatbegehung durch einen Dritten nicht lediglich denkbar, sondern aufgrund der nicht auf den Angeklagten zutreffenden Täterbeschreibung des Schülers (Regenjacke, schwarze Kapuze) durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützt ist.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 68a Beschränkung des Fragerechts aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes


(1) Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die im Sinne des § 52 Abs. 1 sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, sollen nur gestellt werden, wenn es unerläßlich ist. (2)

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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
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als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
6
Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


7
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
10
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
11
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
12
aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
15
Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
16
Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
17
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
18
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
19
c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
20
Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
23
Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 285/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K. , verbrachten Wochenende , in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb , versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer „Aua“ oder „Scheiße“ rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei „etwas passiert“, was der Angeklagte , ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung „Mir auch“ beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P. , der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.
4
2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können , dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J. , später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.


5
Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe lie- gende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
8
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.
9
a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade , eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen ; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit zie- hen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.
10
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-HirnVerletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und – als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten – nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.
11
c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die – im Wesentlichen konstanten – Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig. Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.
12
Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch. Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht er- schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – 2 StR 35/10).
14
3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 – 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 – 3 StR 280/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/13
vom
5. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
6
Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


7
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
10
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
11
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
12
aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
15
Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
16
Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
17
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
18
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
19
c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
20
Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
23
Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 317/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Februar 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 7. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist,
b) im Strafausspruch. Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen im Strafausspruch aufgehoben. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von dem Vorwurf, in sieben weiteren Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung des Teilfreispruchs und - wegen Rechtsfehlern zu Gunsten des Angeklagten - des Strafausspruchs. Außerdem rügt sie, dass das Landgericht keine Entscheidung über den Verfall von Wertersatz getroffen hat. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision das Verfahren und erhebt die Sachrüge. Die Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
A. Revision der Staatsanwaltschaft
4
I. Der Freispruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe war wegen eines durchgreifenden Beweiswürdigungsfehlers aufzuheben. In den übrigen Fällen II. 1. bis 6. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte freigesprochen worden ist, hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten ergeben.
5
1. Mit der - unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen - Anklageschrift vom 11. Mai 2009 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten u.a. sieben Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Er soll Anfang März 2007 mit den gesondert Verfolgten Waldemar und Jakob B. die Lieferung von 2,2 Kilogramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 40 % HHC sowie von 1,5 Kilogramm Streckmittel verabredet haben, wobei es zu der geplanten Auslieferung des bereits bezahlten Rauschgifts nach dessen Sicherstellung durch die Polizei nicht gekommen sein soll. In sechs weiteren Fällen, nämlich am 3. April 2007, 6. November 2007, 14. Januar 2008, 25. Januar/5. Februar 2008, 19. März 2008 und 21. September 2008, soll er jeweils ca. 500 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 40 % HHC an den gesondert Verfolgten S. verkauft haben. S. soll jeweils das Rauschgift beim Angeklagten bestellt und diesem den Kaufpreis im Voraus übergeben haben. Anschließend soll der Angeklagte seinen "Bunkerhalter", der spätestens ab November 2007 der gesondert Verfolgte Mitangeklagte W. gewesen sein soll, angewiesen haben, das gekaufte Heroin aus einem zwischengelagerten Vorrat an den Käufer auszuliefern.
6
2. Zum Fall II. 7. der Urteilsgründe ist die Beweiswürdigung widersprüchlich und lückenhaft. Die Ausführungen des Landgerichts, es hätten keine Feststellungen dazu getroffen werden können, dass das Rauschgift, das der Mitangeklagte W. an den Käufer S. übergeben habe, für den Angeklagten bestimmt gewesen sei, sind angesichts des Vorwurfs, Heroin in nicht geringer Menge verkauft zu haben, unverständlich. Zudem lässt sich ihnen nicht entnehmen , ob und gegebenenfalls wie sich der wegen dieser Tat verurteilte Mitangeklagte W. zu diesem Anklagepunkt eingelassen hat. Dies wäre aber jedenfalls deswegen erforderlich gewesen, weil das Landgericht bei der Erörterung der Fälle II. 1. bis 6. ausdrücklich mitteilt, der Mitangeklagte W. habe sich zu diesen Anklagepunkten nicht geäußert, während es zum Fall II. 7. lediglich ausführt, der Mitangeklagte W. sei wegen seiner Beteiligung an diesem Geschehen bereits durch Urteil vom 28. Januar 2010 verurteilt worden. Diese differenzierende Darstellung des Landgerichts deutet darauf hin, dass sich der Mitangeklagte W. zu dem Anklagevorwurf im Fall II. 7. eingelassen hat.
7
3. In den übrigen Fällen, in denen der Angeklagte freigesprochen worden ist, liegt weder ein durchgreifender Darstellungsmangel noch ein Fehler in der Beweiswürdigung vor, der sich aus den Urteilsgründen ergibt, die allein Grundlage der rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht aufgrund der erhobenen Sachrüge sind (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rn. 22).
8
a) Zu diesen Taten, zu denen sich der Angeklagte nicht eingelassen hat, hat das Landgericht ausgeführt: "Die unter II. 1. bis 6. dargestellten Taten konnten dem Angeklagten nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Der Mitangeklagte W. hat sich zu diesen Fällen, soweit er nach der Anklage daran beteiligt sein sollte, nicht geäußert. Die gesondert Verfolgten Waldemar und Jakob B. sowie S. haben von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht. Diese Beweiswürdigung hat sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag auf Teilfreispruch hinsichtlich dieser Anklagevorwürfe selbst zu eigen gemacht."
9
b) Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Nach den Urteilsgründen ist davon auszugehen, dass sämtliche Beweiserhebungen , die das Landgericht zu den Tatvorwürfen in den Fällen II. 1. bis 6. versucht hat, keine Erkenntnisse erbracht haben, da die dazu gehörten Zeugen sowie der Mitangeklagte W. von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben. Dies trägt den Freispruch in materiell-rechtlicher Hinsicht. Insbesondere kann bei dieser Beweislage nicht beanstandet werden, das Landgericht habe fehlerhaft den für erwiesen erachteten Sachverhalt nicht dargestellt, um erst daran anschließend darzulegen, weswegen dem Angeklagten für eine Verurteilung erforderliche weitere Tatsachen nicht nachweisbar gewesen sind (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 267 Rn. 33); denn hierfür ist von vorneherein kein Raum, wenn sich nach den Urteilsgründen keinerlei Beweisertrag ergeben hat.
10
Es ist nicht Sache des Revisionsgerichts, im Hinblick auf die äußerst knappen, in Teilen ohne die gebotene Sorgfalt abgefassten Urteilsgründe Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr wäre es Sache der Staatsanwaltschaft gewesen, entweder durch Erhebung der Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden , dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO). Wenn sie sich demgegenüber mit der Erhebung der Sachrüge begnügt, muss sie die Konsequenzen ihres unzureichenden prozessualen Verhaltens tragen und die Bestätigung des Teilfreispruchs durch das Revisionsgericht akzeptieren.
11
II. Die hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Strafausspruchs allein zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO).
12
1. Nach den Feststellungen organisierte der Angeklagte in leitender Funktion eine Lieferung von ca. 14 Kilogramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 85 % KHC, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war, auf dem Seeweg von Ecuador nach Montenegro. Im Widerspruch dazu hat das Landgericht der Strafzumessung die Lieferung von ca. 14 Kilogramm Heroin zu Grunde gelegt und strafschärfend gewertet, dass die Grenzmenge der nicht geringen Menge "an Heroin als einer der gefährlichsten Hartdrogen um mehr als das 7.900-fache überschritten" worden sei. Daraus ergibt sich, dass es von dem für Heroin geltenden Grenzwert der nicht geringen Menge von 1,5 Gramm anstatt von 5 Gramm Wirkstoff für Kokain ausgegangen ist und deshalb einen zu großen Schuldumfang angenommen hat. Der Senat kann nicht ausschließen , dass sich dieser Rechtsfehler auf die verhängte Strafe ausgewirkt hat.
13
2. Der Strafausspruch war aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft nicht zum Nachteil des Angeklagten aufzuheben. Strafzumessungsfehler zu Gunsten des Angeklagten liegen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht vor.
14
Ergänzend bemerkt der Senat: Soweit der Angeklagte den Mitangeklagten K. als Hauptorganisator des Betäubungsmittelhandels belastet hat, handelt es sich um ein zulässiges Verteidigungsverhalten (Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 53). Die Formulierung im angefochtenen Urteil, die Tat sei von der Polizei überwacht worden, bezieht sich erkennbar auf das Geschehen nach der Entdeckung des Kokains durch die kroatischen Zollbehörden. Dass der Rauschgifttransport mit einem erheblichen Aufwand vorbereitet und der Tatplan nahezu perfekt umgesetzt wurde, hat das Landgericht gesehen, wie sich aus den Ausführungen ergibt, mit denen es einen minder schweren Fall verneint hat. Die behaupteten Angaben des Mitangeklagten K. über die zugesagte Abnahme einer großen Menge Kokain durch den Chef der Familie M. aus Montenegro sind urteilsfremd und können auf die Sachrüge hin nicht berücksichtigt werden.
15
Die von der Staatsanwalt vermisste Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73 Abs. 1, § 73a StGB) kam schon deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen aus der Tat, wegen der er verurteilt worden ist, weder Geld noch einen sonstigen Vermögensvorteil erlangte.
16
B. Revision des Angeklagten
17
I. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Aufklärungsrüge auch deswegen unzulässig ist, weil das von der Vernehmung des Zeugen Sch. erwartete Beweisergebnis lediglich pauschal mit "legalen Geschäften" bezeichnet wird, ohne diese zu benennen.
18
II. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg, weil aus den oben dargestellten Gründen das Landgericht von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 371/13
vom
5. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als Vorsitzende,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 24. April 2013 wird verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklageschrift legt dem Angeklagten fünf tateinheitlich zusammentreffende Fälle des versuchten Mordes, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zur Last, wobei es in einem Fall der gefährlichen Körperverletzung beim Versuch geblieben sei. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, die sich ausschließlich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet und insbesondere deren Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit geltend macht. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

I.


2
Der nicht vorbestrafte Angeklagte war als ausgebildeter Chemiker bei der Fa. F. GmbH in L. in der Qualitätssicherung angestellt. Am Morgen des 29. März 2010, einem Montag, tranken vier Mitarbeiter des Un- ternehmens Kaffee, den einer von ihnen nach 6.40 Uhr in einem Büro in einer von mehreren Angestellten genutzten Kaffeemaschine zubereitet hatte. Eine fünfte Mitarbeiterin hatte sich zwar von dem Kaffee eine Tasse eingeschenkt, kam aber nicht mehr dazu, davon zu trinken. Kurze Zeit nach dem Konsum des Kaffees litten die vier Mitarbeiter, die von dem Kaffee getrunken hatten, unter anderem an Schwindelanfällen, wurden bewusstlos und mussten notärztlich und anschließend in einem Krankenhaus versorgt werden.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde in dem in den Tassen der fünf Mitarbeiter verbliebenen Kaffee sowie im Filterrückstand der Giftstoff Scopolamin festgestellt; auch im Blut und Urin der vier Geschädigten wurde Scopolamin gefunden.
4
Die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am Morgen des 29. März 2010 in den Wasserbehälter der Kaffeemaschine mindestens 193 mg Scopolamin geschüttet zu haben.
5
Zur Täterschaft hat das Schwurgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: - es ist "sehr wahrscheinlich", dass sich der Täter mit den Gegebenheiten in dem Unternehmen gut auskannte und deshalb aus dem Kreis dessen Mitarbeiter oder der dem Unternehmen nahe stehenden Personen kam; - der seit dem Jahr 2005 bei dem Unternehmen beschäftigte Angeklagte hatte ein Motiv dafür, den Mitarbeitern Schaden zuzufügen, denn er wurde unter anderem mit zwei Abmahnungen im Jahr 2009 massiv kritisiert und hegte einen "tiefen Groll" gegen den 2006 eingesetzten Geschäftsführer des Unternehmens; - der die Tatbegehung bestreitende Angeklagte hielt sich - was nicht ungewöhnlich war - am Tattag ab etwa 4.00 Uhr vorübergehend auf dem Betriebsgelände auf; zwei auf 5.50 und 5.53 Uhr dieses Tages datierte Messprotokolle aus dem Bereich der Qualitätssicherung, für die der Angeklagte zuständig ist, sind von ihm unterzeichnet; etwa ab 6.00 Uhr war er - anders als sonst - über mehrere Stunden hin telefonisch nicht mehr erreichbar; als sich eine Mitarbeiterin am späten Vormittag nach seinem Befinden erkundigte, benahm sich der Angeklagte aus deren Sicht ungewöhnlich (er habe "ironisch gelacht"); - in dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand, brannte etwa um 5.45 bzw. 5.50 Uhr Licht; kurze Zeit später war die Hoftür zu dem Büro abgeschlossen und es brannte in dem Büro kein Licht mehr; - der Angeklagte hatte Zugang zu dem Büro, in dem die Kaffeemaschine stand; - auf dem Wassertank an der Rückseite der Kaffeemaschine wurde ein Fingerabdruck des Angeklagten sichergestellt; - die Kaffeemaschine war von einer Reinigungskraft am Samstag, dem 27. März 2010, gereinigt worden, unter anderem hatte sie den Was- sertank feucht abgewischt; anschließend bereitete sich die Zeugin selbst Kaffee zu, ohne nach dessen Konsum zu erkranken; - auf der Festplatte des Computers eines in dem Unternehmen beschäftigten Praktikanten, den auch der Angeklagte benutzte, wurde ein am 18. September 2007 erstelltes "Browsercookie" aufgefunden, nach dem im Jahr 2007 unter dem Namen "k. " das Forum der Internetseite "www. .de" besucht wurde; in diesem Forum hatte ein (nicht ermittelter) Nutzer am 9. März 2007 nach der "Totalsynthese" , also der chemischen Zusammensetzung von Scopolamin gefragt; - an der Kaffeemaschine und der Kaffeekanne wurde DNA gesichert, die allerdings nicht für eine Typisierung ausreichte bzw. für die lediglich festgestellt werden konnte, dass sie von drei bzw. zwei Personen herrührt; - ein an einer anderen Stelle des Gehäuses der Kaffeemaschine gesicherter weiterer Fingerabdruck konnte keinem konkreten Verursacher zugeordnet werden; - in dem vom Angeklagten und seiner Ehefrau bewohnten Haus wurde eine Vielzahl chemischer Substanzen - aber kein Scopolamin - aufgefunden.
6
Aufgrund dieser Feststellungen vermochte sich das Landgericht nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen.

II.


7
Dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
8
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.; MeyerGoßner , StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 26 ff.).
9
Schließlich unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180 mwN). Jedoch ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof als Maßstab seiner revisionsrechtlichen Kontrolle darauf abstellt, ob die vom Tatgericht gezogenen Schlussfolgerungen möglich sind (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, Rn. 43). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbildung sogar dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise näher liegend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89). Dies gilt unabhängig von der Bedeutung und dem Gewicht des strafrechtlichen Vorwurfs des jeweiligen Verfahrens; denn diese vermögen eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze revisionsgerichtlicher Rechtsprüfung nicht zu rechtfertigen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146).
10
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände.
11
a) Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
12
aa) Auch im Fall eines Freispruchs muss der Tatrichter die wesentlichen Gründe seiner Entscheidung in den schriftlichen Urteilsgründen darlegen (BGH, Urteile vom 2. April 2008 - 2 StR 19/08; vom 24. Januar 2006 - 5 StR 410/05). Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10, NStZ-RR 2011, 50; ähnlich Urteil vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 375/05, NStZ-RR 2006, 82, 83).
13
Lückenhaft ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann, wenn sie wesentliche Feststellungen nicht erörtert (BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob nicht naheliegend weitere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden hätten oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt worden sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger Mutmaßungen das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklärungsrüge geltend zu machen, dass das Landgericht weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat (§ 261 StPO; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 317/10, NStZ-RR 2011, 88 f.).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts zur Lückenhaftigkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
15
Sie erschöpfen sich zum einen in einer anderen Bewertung von Tatsachen , die das Landgericht in seine Würdigung einbezogen und ersichtlich bedacht hat, etwa dass der Angeklagte - insbesondere zeitlich und räumlich - Gelegenheit zur Tatbegehung hatte, er sich nach der Tat auffällig verhielt und keine konkreten Hinweise dafür vorliegen, welche andere Person Täter sein könnte. Es ist jedoch allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien zu bewerten; das Revisionsgericht kann nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339).
16
Zum anderen sehen Revisionsführerin und Generalbundesanwalt Lücken in einer nicht hinreichenden Aufklärung etwa zu den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten oder zu der Frage, ob andere Firmenangehörige mit chemischen Kenntnissen Zugang zu dem Büro und ein ebenso starkes Motiv für die Vergiftung hatten. Da Grundlage der materiell-rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht allein das tatrichterliche Urteil ist, liegt hierin angesichts der im Übrigen getroffenen Feststellungen kein auf die Sachrüge hin zu beachtender Rechtsfehler, sondern ein Mangel, der mit einer Aufklärungsrüge gerügt werden musste (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 8. August 2001 - 5 StR 252/01; zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen in einer anders gearteten Konstellation auch BGH, Urteil vom 21. November 2013 - 4 StR 242/13).
17
b) Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch keine einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
18
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt (hier z.B. zur - gründlichen - Reinigung der Kaffeemaschine am 27. März), aber hieraus nicht die von der Staatsanwaltschaft gezogene Schlussfolgerung ziehen will (dass dann der Fingerabdruck des Angeklagten nicht am Tag zuvor an die Kaffeemaschine gelangt sein kann).
Vielmehr ist bei ambivalenten Beweisanzeichen, die dem Tatrichter im Einzelfall rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen, eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber , welche indizielle Bedeutung ein solcher Umstand im konkreten Fall entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, StraFo 2013, 339; vom 4. April 2013 - 3 StR 37/13; vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89).
19
c) Auch die Würdigung der Einlassung des Angeklagten lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
20
Zwar ist der Tatrichter nicht verpflichtet, einer Einlassung zu folgen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt, mittels derer die Behauptung sicher widerlegt werden kann. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Sachverhalte zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2009 - 2 StR 229/09, NStZ 2010, 102; vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; ferner BVerfG, NStZ-RR 2007, 381, 382).
21
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dass - wie der Generalbundesanwalt anführt - das Schwurgericht nach der im letzten Wort erfolgten Einlassung des bis dahin schweigenden Angeklagten weder Vorhalte gemacht noch Nachfragen gestellt oder erneut in die Beweisaufnahme eingetreten ist, ist auf die allein erhobene Sachrüge hin unbeachtlich.
22
d) Schließlich hat das Landgericht weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstän- de unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte Anforderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
23
Eine Gesamtwürdigung hat das Schwurgericht vielmehr ausdrücklich vorgenommen. Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer dabei die für ihre Überzeugungsbildung maßgeblichen Beweisanzeichen weiter gehend oder noch detaillierter hätte erörtern können. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den Angeklagten belastenden Umstände weder nahe liegende andere Deutungsmöglichkeiten außer Acht gelassen , noch bloße Schlussfolgerungen zur Begründung von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Auch die Gesamtwürdigung weist daher keinen Rechtsfehler auf.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 45/13
vom
16. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 7. November 2012 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt, rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet im Einzelnen die Ablehnung des (bedingten) Tötungsvorsatzes der Angeklagten durch das Landgericht. Das Rechtsmittel ist unbegründet; die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachbeschwerde ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) der Angeklagten.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Morgen des 17. September 2011 kam es in der Nähe einer Diskothek in A. zunächst zu einem verbalen Konflikt zwischen einer Gruppe um die - erheblich alkoholisierten und in ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich verminderten - Angeklagten und dem Geschädigten S.. Dieser begab sich danach zum Eingangsbereich der Diskothek und setzte sich auf die dortigen Stufen. Nachdem die Angeklagten und zwei ihrer Begleiter ein Taxi bestiegen hatten und aus diesem Fahrzeug heraus beim Vorbeifahren an dem Geschädigten und dessen Bekannten K. ein sogenannter "Stinkefinger" gezeigt worden war, stand K. auf, folgte dem Taxi und schlug gegen die Scheibe, um die Insassen zu einer Klärung aufzufordern. Die Insassen des Taxis stiegen aus. Einer von ihnen, der Zeuge Sch. , begab sich sogleich zum Zeugen K. , worauf sich zwischen diesen beiden eine verbale Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beleidigungen ergab. Der Geschädigte ging in die Richtung der Streitenden, um K. aus der Auseinandersetzung herauszuholen. Daraufhin kam es zwischen dem Angeklagten D. und dem Geschädigten ebenfalls zu Beleidigungen und zu einem Gerangel. Schließlich versetzte der Angeklagte D. dem Geschädigten zwei bis drei gezielte heftige Faustschläge in das Gesicht, wodurch dieser zu Boden ging. Der Angeklagte D. beugte sich sodann herunter und schlug jedenfalls ein weiteres Mal mit der Faust auf den Oberkörper oder in das Gesicht des Geschädigten, wobei dieser versuchte, sich durch seine Hände und Arme vor der Wucht der Schläge zu schützen. Der Angeklagte G. , der sich bis dahin irgendwo im Umfeld des Geschehens aufgehalten hatte, ohne selbst einzugreifen, kam hinzu, als der Geschädigte bereits am Boden lag, um mit seinem Freund D. gemeinsam auf den Geschädigten einzuwirken. Der Angeklagte G. trat aus dem Lauf heraus mit der Innenseite seines mit Straßenturnschuhen beschuhten linken Fußes wuchtig gegen den Kopf des Geschädigten. In schneller Abfolge folgten von diesem Angeklagten ausgeführte vier bis fünf weitere Tritte in das Gesicht des am Boden Liegenden. Der Angeklagte D. , der leichte Straßenturnschuhe trug, nahm dies wahr, billigte das Vorgehen seines Freundes G. und trat nunmehr ebenfalls zwei- bis dreimal heftig auf das sich nicht mehr wehrende Opfer ein. Die Tritte gingen jedenfalls auch gezielt auf den Kopf des Opfers. Sie waren wuchtig und potentiell lebensbedrohlich, ohne dass es allerdings zu einer konkreten Lebensgefahr kam. Schließlich ließ der Angeklagte D. von dem Geschädigten ab und lief, sich die Jacke über den Kopf ziehend, in Richtung einer nahegelegenen Tankstelle davon. Der Angeklagte G. führte noch einen Tritt aus und flüchtete dann, sich seine Jacke ebenfalls über den Kopf ziehend, unmittelbar hinter dem Angeklagten D. her. Bei der Tankstelle blieben sie gut sichtbar stehen.
4
Infolge der Gewalteinwirkung durch die Angeklagten erlitt der Geschädigte im Wesentlichen eine Fraktur des Orbitabogens links, eine Kieferhöhlenfraktur links sowie eine Nasenbeinfraktur. Er verlor insgesamt drei Zähne. Im Bereich des linken Auges bis hinunter zum Jochbogen hatte er ein sogenanntes Monokelhämatom. Der Geschädigte verbrachte einen Tag im Krankenhaus; er litt auch danach noch in erheblichen Umfang und längere Zeit an den psychischen Folgen der Tat, die auch zum Verlust seines Arbeitsplatzes führten.
5
2. Den Schuldspruch hat das Landgericht auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB gestützt. Die Angeklagten hätten jedenfalls billigend in Kauf genommen, mit ihren wuchtigen Tritten gegen den Kopf des Geschädigten er- hebliche Körperverletzungen hervorzurufen. Demgegenüber hat das Landgericht nicht sicher feststellen können, "dass der vor Beginn der Tathandlung gefasste Entschluss einen Tötungsvorsatz enthielt" oder die Angeklagten "im Verlauf der Geschehnisse einen Tötungsvorsatz fassten". Die Jugendkammer hat daher den Tatbestand des versuchten Totschlags nicht festzustellen vermocht. Dies hat das Landgericht ausführlich und im Einzelnen begründet. Dabei hat es sich davon überzeugt, dass das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten gegeben war, aber unter Abwägung der festgestellten Gesamtumstände das Vorliegen des Willenselementes des bedingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten nicht ohne vernünftige Zweifel festzustellen vermocht.

II.

6
Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung , auf welcher die Überzeugung der Jugendkammer beruht, ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz sei nicht zweifelsfrei festzustellen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen , wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.
8
Gleichermaßen allein Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich gewesen sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Umstandes, die einer Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung widerspräche.
9
Dieselben Grundsätze gelten für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN).
10
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten.
11
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Beweiswürdigung weitgehend mit eigenen Wertungen; damit kann die Revision regelmäßig nicht erfolgreich begründet werden. Im Einzelnen:
12
Das Landgericht ist bei seiner Würdigung der Feststellungen und Beweisanzeichen von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Jugendkammer habe den Indizwert der Tritte gegen den Kopf des Geschädigten und das äußere Tatgeschehen für das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes zu gering bewertet, zeigt sie einen Rechtsfehler nicht auf. Die Gewichtung der objektiven Tatumstände und die Bewertung ihrer Bedeutung für den subjektiven Tatbestand sind allein dem Tatrichter vorbehalten. Dies gilt auch bei Tritten des Täters gegen den Kopf des Opfers, die nicht stets und gleichsam automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes begründen. Auch die Einordnung und Würdigung der - ambivalenten - Beweisanzeichen einer erheblichen Alkoholisierung und eines spontanen Handelns in affektiver Erregung obliegen dem Tatrichter (BGH, aaO, juris Rn. 16). Zudem ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen , unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN). Ebenso dem Tatrichter vorbehalten ist die Entscheidung, welcher Stellenwert dem Nachtatverhalten des Täters im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung beizumessen ist. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten nach der Tat, das nach den Feststellungen nicht nur von einer Flucht unter Verbergen des Gesichts, sondern auch durch ein sichtbares Verbleiben in der Nähe des Tatortes gekennzeichnet war, unter Heranziehung aller insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt. Der Senat kann mit Blick auf die Urteilsgründe ausschließen, dass die Jugendkammer bei der Bewertung der Verletzungen des Geschädigten die von ihr festgestellten Gesichtsschädelfrakturen außer Acht gelassen hat. Die Würdigung des Landgerichts, es könne trotz der Heftigkeit der Tritte nicht ausgeschlossen werden, dass die - fußballerisch erfahrenen - Angeklagten nicht mit der ihnen möglichen vollen Wucht auf den Kopf des Opfers eintraten, stellt angesichts der hierfür herangezogenen Umstände eine mögliche Schlussfolgerung dar; diese ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13
Auch im Übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 37/13
vom
4. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. April 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. September 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags, zumindest aber der Verhängung einer höheren Strafe eingelegte und mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
1. Die Überzeugung der Strafkammer, der Angeklagte habe bei den mit einem Baseballschläger ausgeführten Schlägen nur mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
3
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
4
b) Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Über- zeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11, juris Rn. 9 mwN).
5
c) Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
6
d) Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
7
e) An diesen Grundsätzen (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77) gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.
8
Die Strafkammer hat alle bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände der Tat in ihre Überlegungen einbezogen und insbesondere gesehen, dass die teils wuchtig geführten Schläge gegen den Kopf des Tatopfers hochgradig lebensgefährliche Gewalthandlungen waren, die ein gewichtiges Indiz dafür sind, dass der Angeklagte den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes auch billigte. Dass das Landgericht seine Zweifel am Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes wegen u.a. des vor Ausführung der Schläge gezeigten Verhaltens des Angeklagten, dessen bisheriger Unbestraftheit und unauffälligen Lebenswandels, des Fehlens verbaler Drohungen und eines Tötungsmotivs sowie des Nachtatverhaltens nicht hat überwinden können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenngleich einzelne der vom Landgericht als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechend gewerteten Umstände jeweils für sich genommen nicht von allein ausschlaggebendem Gewicht sein mögen, so ergibt doch die Gesamtbetrachtung aller vom Landgericht erwogenen Indizien eine ausreichende Grundlage für die rechtsfehlerfreie Annahme eines lediglich auf Körperverletzung gerichteten Vorsatzes.
9
2. Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Angesichts aller Umstände in der Person des Angeklagten, in der Tat und in dem dieser vorangehenden Verhalten des Nebenklägers kann die Strafe nicht als zu einem gerechten Schuldausgleich nicht mehr geeignet bezeichnet werden.
Schäfer Pfister Mayer
Gericke Spaniol

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 158/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlag u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers R. wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen ausgehoben 1. soweit der Angeklagte im Fall B. I. der Urteilsgründe wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers verurteilt worden ist; 2. im Ausspruch über die Jugendstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag, sowie wegen schweren Raubes zu der Jugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Während die Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag sowie wegen schweren Raubes in Rechtskraft erwachsen sind, beanstandet der Nebenkläger R. mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, dass das Landgericht bei der zu seinem Nachteil begangenen Tat einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht festgestellt und diesen insoweit nur wegen gefährlicher Körperverletzung, nicht aber wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte am 29. Mai 2010 am Rheinufer in Düsseldorf, um dort mit anderen den sogenannten Japan-Tag zu begehen. Ganz in der Nähe hatten sich andere junge Leute, unter ihnen der Nebenkläger, niedergelassen, die aus der Gruppe des Angeklagten heraus mit Steinchen beworfen wurden, was zu verbalen Reaktionen führte. Die dadurch hervorgerufene Unruhe bekam auch der Angeklagte mit, der unvermittelt ein mitgeführtes Springmesser hervorzog, mit ausgefahrener Klinge am ausgestreckten Arm vor sich hielt und schrie, wer hier Stress mache, den steche er ab. Als es in der Folge zu auch körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern beider Gruppen kam, griff der Angeklagte auf Seiten seiner Freunde ein, indem er mit dem Messer in der Faust auf den Nebenkläger, der von anderen zu Boden gebracht worden war und im Begriff stand, sich unter Abwehr seiner Gegner aufzurichten, zustürzte und "im Bewusstsein in der konkreten Art der jetzigen Anwendung Lebensgefährlichkeit des Messers" in schneller Folge vielfach auf diesen einstach. Dabei führte er möglicherweise zwanzig oder mehr unkontrollierte und unkoordinierte Stichbewegungen aus. Der Nebenkläger wurde im Bereich des Rückens, der Schulter und des linken Armes neun Mal vom Messer des Angeklagten getroffen, wobei die beiden tiefsten Einstiche einen vier bis fünf Zentimeter tiefen Stichkanal aufwiesen, von denen einer bis hinter das Bauchfell reichte. Die Stiche, die nicht lebensbedrohlich waren, führten zu keinen Organverletzungen. Während ein anderer beruhigend auf den Angeklagten einredete, nahm dieser wahr, wie der Nebenkläger sich aufrichtete, wandte sich aber ab und ging davon, wobei er in der Folge mit einem gezielten und wuchtigen Stich in den Rücken eines weiteren Geschädigten die von der Strafkammer rechtskräftig als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung abgeurteilte Tat beging.
3
Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil des Nebenklägers als gefährliche Körperverletzung - mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung sowie gemeinschaftlich begangen - gewürdigt und ausgeführt, es habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Angeklagte beim Einstechen auf den Nebenkläger mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Zwar habe er kurze Zeit vor der Tat durch seine Äußerung eine hohe Gewaltbereitschaft und Kenntnis davon gezeigt, dass das geführte Messer zur Beibringung tödlicher Verletzungen geeignet sei. Doch habe er auf den Oberkörper des Nebenklägers nicht gezielt eingestochen, sondern im bewegten Geschehen des fortdauernden Kampfes in schneller Folge eine Vielzahl unkontrollierter und unkoordinierter Stichbewegungen ausgeführt, von denen viele das Opfer verfehlt oder nur gestreift hätten. Auch wenn es sich dabei um schwerwiegende Gewalthandlungen gehandelt habe, die die billigende Inkaufnahme des Todeseintritts nicht fernliegend erscheinen ließen, lasse sich aus dieser objektiven Gefährlichkeit wegen des wahllosen Einstechens auf den Nebenkläger, das ein bewusstes Zielen auf besonders empfindliche Körperregionen oder gar lebenswichtige Organe nicht habe erkennen lassen, ein hinreichend sicherer und vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietender Schluss auf eine billigende Inkaufnahme des Todes des Nebenklägers als mögliche Folge der Tathandlung nicht ziehen.
4
2. Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZRR 2010, 144). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443; vom 27. August2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
6
Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
7
Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZRR 2010, 144; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
8
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen , sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
9
b) Auch unter Berücksichtigung dieses tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
Zwar entzieht es sich revisionsgerichtlicher Kontrolle, mit welcher Bewertung und in welchem Beweiszusammenhang das Landgericht vorliegend das ambivalente Indiz, dass der Angeklagte nicht gezielt auf den Nebenkläger eingestochen , sondern eine Vielzahl unkontrollierter und unkoordinierter Stichbewegungen ausgeführt hat, in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat. Doch erweisen sich die Urteilsgründe in der Frage, welche indizielle Bedeutung der den Tätlichkeiten vorangegangenen Ankündigung des Angeklagten, wer Stress mache , den steche er ab, beizumessen ist, als teilweise widersprüchlich und lückenhaft. Denn während das Landgericht aus dieser von einem Vorzeigen des Messers mit ausgefahrener Klinge am ausgestreckten Arm begleiteten Bemerkung im Zusammenhang mit der später zum Nachteil eines weiteren Geschädigten verübten Tat die sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement wesentliche Folgerung gezogen hat, dem Angeklagten sei die Möglichkeit, mit dem Messer nicht nur verletzende, sondern auch tödliche Stiche versetzen zu können, bewusst und er sei hierzu jedenfalls grundsätzlich auch bereit gewesen, hat es ihr für die Tat zum Nachteil des Nebenklägers die allein für das Wissenselement bedeutsame Kenntnis um die Eignung des Messers zur Beibringung tödlicher Verletzungen entnommen. Bestand aber bereits vor Beginn der Tätlichkeiten eine grundsätzliche Bereitschaft des Angeklagten, im Rahmen der erwarteten Auseinandersetzung gegebenenfalls auch tödliche Stiche zu versetzen, dann bedurfte es der Erörterung, warum der Angeklagte erst bei der Tat zum Nachteil des anderen Geschädigten, dagegen noch nicht schon bei der vorangegangenen Tat zum Nachteil des Nebenklägers die Gefahr eines möglichen Todeseintritts in Kauf nahm.
11
Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann den Feststellungen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte von einem möglichen Tötungsversuch zurückgetreten wä- re. Zwar lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass der Angeklagte wahrnahm , wie der Nebenkläger sich aufrichtete, sich aber gleichwohl abwandte und davonging. Doch wurden Feststellungen zu der Vorstellung des Angeklagten über die Folgen der von ihm gesetzten Stiche, die Schlüsse auf einen möglichen Rücktrittshorizont zuließen, nicht getroffen.
12
Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs entzieht der verhängten Einheitsjugendstrafe die Grundlage.
Becker Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 379/03
vom
21. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Januar 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt ,
Staatsanwältin
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
richts Landshut vom 9. Mai 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (II 1 der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) soweit der Angeklagte von den ihm unter Nrn. 1, 3 und 5 der Anklage und den beiden ersten der ihm unter Nr. 6 der Anklage zur Last gelegten Vorwürfen freigesprochen worden ist. 2. Die Revision wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen
a) die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung (II 2 der Urteilsgründe);
b) den Freispruch von dem dem Angeklagten unter Nr. 4 der Anklage zur Last gelegten Vorwurf richtet. Insoweit hat die Beschwerdeführerin die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Dem Angeklagten liegen zahlreiche, zum Teil schwerwiegende Delikte zur Last, die er sämtlich zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau begangen haben soll.
Die Strafkammer hat die entsprechenden Aussagen der Nebenklägerin für sich genommen jedoch nicht als hinreichend sichere Verurteilungsgrundlage angesehen und ist ihnen nur insoweit gefolgt, als sie sich auch anderweitig bestätigt haben.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenklägerin greift die Beweiswürdigung an und hält es für rechtsfehlerhaft, daß die Strafkammer über die abgeurteilten Taten hinaus "die weiteren Taten" nicht festgestellt hat. Bezug genommen ist damit erkennbar auf die (unverändert zugelassene) Anklage und die dort vorgenommene rechtliche Bewertung der Taten. Beantragt ist, das Urteil in vollem Umfang aufzuheben.
Die Revision ist zwar nicht in vollem Umfang, wohl aber überwiegend zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie auch begründet.

I.


1. Verurteilt wurde der Angeklagte wegen

a) gefährlicher Körperverletzung (Mißhandlung der Nebenklägerin mit einem Stock und einem Gürtel) zu einem Jahr Freiheitsstrafe (II 1 der Urteilsgründe , entspricht Nr. 2 der Anklage);


b) vorsätzlicher Körperverletzung (Mißhandlung der Nebenklägerin mit den Fäusten) zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (II 2 der Urteilsgründe, entspricht dem dritten Vorwurf von Nr. 6 der Anklage).
Hieraus wurde eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten gebildet.
Soweit dem Angeklagten tateinheitlich neben der gefährlichen Körperverletzung auch noch Vergewaltigung und Freiheitsberaubung und tateinheitlich neben der vorsätzlichen Körperverletzung auch noch Freiheitsberaubung und Bedrohung vorgeworfen wurde, konnte sich die Strafkammer nicht überzeugen. Von einem Freispruch hat sie insoweit aber abgesehen. Dies ist auf der Grundlage des Standpunkts der Strafkammer zutreffend (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 12 m.w. Nachw.).
2. Freigesprochen wurde der Angeklagte von insgesamt vier, teilweise in Tateinheit mit weiteren Delikten stehenden Vorwürfen der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung (Nr. 1 und Nr. 5 der Anklage, 2. Fall von Nr. 3 und 2. Fall von Nr. 6 der Anklage), von zwei, ebenfalls in Tateinheit mit weiteren Delikten stehenden Vorwürfen der (vorsätzlichen) Körperverletzung (jeweils der erste Fall von Nrn. 3 und 6 der Anklage) und dem Vorwurf einer räuberischen Erpressung (Nr. 4 der Anklage).
3. Ein Nebenkläger kann nur im Zusammenhang mit Nebenklagedelikten Revision einlegen, also insbesondere mit der Behauptung, der Angeklagte sei zu Unrecht vom Vorwurf eines Nebenklagedelikts freigesprochen worden, oder es sei bei einer Verurteilung nicht auch die Verurteilung wegen eines tateinheitlich erfüllten (gegebenenfalls weiteren) Nebenklagedelikts erfolgt (vgl. im einzelnen Meyer-Goßner aaO § 400 Rdn. 4 m.w. Nachw.).


a) Dementsprechend ist die Revision nicht zulässig im Fall II 2 der Urteilsgründe (vgl. oben I 1 b), in dem zusätzlich noch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung und Bedrohung in Betracht gekommen wäre und hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der räuberischen Erpressung im Fall Nr. 4 der Anklage (vgl. oben I 2 am Ende), da insoweit allein nicht nebenklagefähige Delikte im Raum stehen.

b) Im übrigen ist die Revision zulässig, da es in sämtlichen verbleibenden Fällen allein oder jedenfalls auch um die unterbliebene Verurteilung wegen eines Sexual- oder eines vorsätzlich begangenen Körperverletzungsdelikts, also jeweils eines Nebenklagedelikts (§ 395 Abs. 1 Nr. 1 a oder Nr. 1 c StPO) geht.

II.


Im aufgezeigten Umfang ist die Revision begründet.
Während der Angeklagte jedes Fehlverhalten abgestritten hat, hat die Nebenklägerin die Vorgänge unter Angabe zahlreicher Details so geschildert, wie dies auch in der Anklage geschehen ist.
Ihr könne jedoch, so die Strafkammer, nur in sehr beschränktem Umfang geglaubt werden. Sie habe, wie im einzelnen dargelegt wird, schon öfter die Unwahrheit gesagt, auch gegenüber Gerichten und Behörden, und damit dem Angeklagten jeweils helfen wollen. Dies begründe Zweifel an ihrer generellen Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus bestünden aber auch näher ausgeführte Bedenken gegen ihre auf die Anklagevorwürfe bezogenen Aussagen, so daß ihre Angaben nur dann Grundlage einer Verurteilung sein könnten, wenn sie durch andere Beweismittel bestätigt würden, wie dies bei den abgeurteilten Taten
- hier lagen ärztliche Atteste oder die Angaben unbeteiligter Zeugen vor - hin- sichtlich der Körperverletzungen der Fall sei. All dies liegt zwar im Ansatz im Rahmen einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden tatrichterlichen Beweiswürdigung, konkret ist die Beweiswürdigung aber lückenhaft und eine Reihe einzelner Erwägungen erscheinen so fernliegend, daß sie mangels näherer Begründung nicht mehr als tragfähig angesehen werden können. 1. Schon gegen die Ausführungen zur „generellen“ Glaubwürdigkeit der Person der Nebenklägerin – die ohnehin allenfalls begrenzte Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der konkreten fallbezogenen Aussage zuläßt (vgl. BGH StV 1994, 64 m.w. Nachw.; vgl. hierzu auch Boetticher in NJW-Sonderheft für G. Schäfer 2002, 8, 12 f.) – bestehen Bedenken:
a) Die Nebenklägerin hat den Angeklagten, ihren damaligen Ehemann, nach den Feststellungen der Strafkammer mit unwahren Angaben gegenüber amtlichen Stellen insbesondere vor ihm nachteiligen ausländerrechtlichen Konsequenzen schützen wollen. Es liegt nicht ohne weiteres nahe, daß dies ein gewichtiges Indiz für die Annahme sein könnte, vorliegend belaste sie ihn zu Unrecht. Die gegenläufige Zielrichtung der von der Strafkammer festgestellten früheren Unwahrheiten und der vorliegenden Angaben wäre jedenfalls erkennbar zu erwägen gewesen.
b) Ebensowenig ist in diesem Zusammenhang ein weiterer sich aufdrängender Gesichtspunkt erörtert: Die Strafkammer hat festgestellt, daß der (einschlägig vorbestrafte) Angeklagte gegen die Nebenklägerin "öfters gewalttätig" wurde und es dabei - ersichtlich über die abgeurteilten Fälle hinaus - "zu massiven Körperverletzungen" gekommen ist. Eine Reihe von Zeugen haben insoweit Details bekundet , z. B. Verletzungsspuren gesehen oder beobachtet zu haben, wie der An-
geklagte die Nebenklägerin die Treppe hinuntergeworfen und für den Fall der Benachrichtigung der Polizei weitere Gewalt angedroht hat. Ein möglicher Zusammenhang zwischen den festgestellten Tendenzen zu falschen, den Angeklagten begünstigenden Angaben und der vom Angeklagten offenbar immer wieder ausgeübten massiven Gewalt wäre bei der Gewichtung der festgestellten Falschaussagen ebenfalls in die Erwägungen einzubeziehen gewesen.
c) Demgegenüber erwägt die Strafkammer in diesem Zusammenhang auch folgendes: Die Nebenklägerin hat das dargelegte Verhalten zu Gunsten des Angeklagten unter anderem damit erklärt, daß der Angeklagte sie bedroht habe und dies dahin erläutert, daß er zu ihr "nicht nett" gewesen sei. Eine in dieser Weise gekennzeichnete Drohung, so folgert die Strafkammer, könne "dem Wortsinn nach ... nicht besonders gravierend" gewesen sein und deswegen das Verhalten der Nebenklägerin nicht erklären. Dies ist jedoch für die genannte Bewertung von Bedrohungen der Nebenklägerin durch den Angeklagten deshalb keine tragfähige Erwägung, weil die Strafkammer auch in diesem Zusammenhang die von ihr festgestellten massiven Körperverletzungen, die der Angeklagte der Nebenklägerin zugefügt hat, nicht erkennbar bedacht hat. 2. Von alledem abgesehen, hat die Strafkammer aber auch bei der Bewertung der tatbezogenen Angaben der Nebenklägerin einen rechtlich nicht unbedenklichen Maßstab angelegt:
a) Bei einem Widerspruch zwischen mehreren Erkenntnisquellen hat das Gericht ohne Rücksicht auf deren Art und Zahl darüber zu befinden, in welchen von ihnen die Wahrheit ihren Ausdruck gefunden hat. Stehen sich Bekundungen eines - insbesondere einzigen - Zeugen und des Angeklagten unvereinbar gegenüber ("Aussage gegen Aussage"), darf das Gericht allerdings den Bekundungen dieses Zeugen nicht deshalb, weil er Anzeigeerstatter und
(gegebenenfalls) Geschädigter ist, ein schon im Ansatz ausschlaggebend höheres Gewicht beimessen als den Angaben des Angeklagten (vgl. zusammenfassend Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 71 m. zahlr. Nachw.). Maßgebend ist nicht allein die formale Stellung des Aussagenden im Prozeß, sondern der innere Wert einer Aussage, also deren Glaubhaftigkeit. Es ist in einer Gesamtwürdigung (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f. m.w. Nachw.) zu entscheiden, ob einer solchen Zeugenaussage gefolgt werden kann (zu den im Rahmen einer kriterienorientierten Aussageanalyse vielfach bedeutsamen, gleichwohl einer schematischen Bewertung aber nicht zugänglichen aussageimmanenten Qualitätsmerkmalen vgl. eingehend BGHSt 45, 164, 170 ff. m.w. Nachw.).
b) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Strafkammer nicht in vollem Umfang gerecht. Sie hat nämlich nicht erkennbar gewürdigt, daß in den abgeurteilten Fällen die Angaben der Nebenklägerin durch andere, von der Strafkammer als zuverlässig angesehene Beweismittel bestätigt wurden. Insoweit hat also die Nebenklägerin die Wahrheit gesagt, während der Angeklagte demgegenüber gelogen hat. Hinsichtlich der übrigen Teile der Aussage besteht unter diesen Umständen gerade nicht die durch das Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete "Aussage gegen Aussage"-Situation. Zwar ist der Tatrichter im Ergebnis nicht gehindert, einem Zeugen nur teilweise zu glauben, dies bedarf jedoch einer eingehenden Gesamtwürdigung aller bei der Prüfung einer Aussage insgesamt angefallener Erkenntnisse und nicht einer lediglich isolierten Prüfung jedes einzelnen Teils einer Aussage. 3. Hinzu kommt hier, daß auch gegen mehrere auf die Angaben zum Tatgeschehen bezogene Erwägungen der Strafkammer rechtliche Bedenken bestehen:

a) Die Strafkammer hat festgestellt, daß die Nebenklägerin auf dem Scheidungsantrag den Namen des Angeklagten "mit einem großen Herz" eingerahmt hat. Dies, so die Nebenklägerin, sei ironisch gemeint gewesen, man gebrauche in Bayern den Ausdruck "des is a Herzerl". Die Strafkammer hält diese Ausführungen für psychologisch nicht nachvollziehbar, da "Herzerl" Ausdruck für eine "harmlose Person" sei. Eine Zeugin, so heißt es dann ohne nähere Erläuterung, habe bekundet, die Nebenklägerin habe den Angeklagten als "Herzerl" bezeichnet, wenn sie sich ihm überlegen gefühlt habe. All dies, so die Strafkammer dann zusammenfassend, könne dafür sprechen, daß sich die Nebenklägerin rächen wolle. Diese Ausführungen können nicht ohne weiteres nachvollziehbar verdeutlichen , warum das auf den Scheidungsantrag gemalte Herz für eine Falschaussage sprechen könnte. Im übrigen bemerkt der Senat, daß selbst dann, wenn die Nebenklägerin ihre Angaben gemacht hätte, um sich am Angeklagten zu rächen, dies nicht ohne weiteres die Unrichtigkeit ihrer Angaben belegen würde (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 206, 208 m.w. Nachw.). Es ist nicht erkennbar , daß sich die Strafkammer dessen bewußt gewesen wäre.
b) Die Strafkammer erwägt, daß die Nebenklägerin "niemandem etwas von den Vergewaltigungen" berichtet habe. Sie führt aber auch aus, daß die Nebenklägerin einer Freundin gesagt habe, sie habe zwar mit dem Angeklagten geschlafen, aber nicht freiwillig. Hierzu erwägt die Strafkammer, es bestünden Zweifel, ob die Nebenklägerin ihre "fehlende Bereitschaft (zum Geschlechtsverkehr ) nach außen signalisiert" habe. Die Annahme, die Nebenklägerin habe Vergewaltigungen (z. B. aus Rache) nur erfunden, wofür auch spreche , daß sie früher niemandem etwas davon erzählt habe und die Annahme, die Nebenklägerin habe zwar gegenüber Zeugen von unfreiwilligem Geschlechtsverkehr berichtet, möglicherweise habe der Angeklagte aber nicht bemerkt, daß Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin stattfand , sind miteinander nicht vereinbar und können daher auch nicht, wie hier in
unklarer Weise geschehen, miteinander vermengt werden. Einmal fehlte es schon am objektiven Tatbestand, einmal nur am subjektiven Tatbestand. Wäre - obwohl eine konkrete Grundlage für eine solche Annahme nicht zu erkennen ist - davon auszugehen, daß der Angeklagte etwaigen Widerstand der Nebenklägerin lediglich nicht bemerkt hat, wäre gegebenenfalls auch auf die im Urteil zwar wiedergegebenen, aber nicht näher behandelten Tatumstände einzugehen gewesen. Danach soll der Angeklagte der Nebenklägerin z. B. nach (gewaltsamem ) Geschlechtsverkehr "eine Knoblauchwurst, ein Holzstück und Flaschen" in die Scheide eingeführt haben. Die Annahme, daß er etwa irrtümlich geglaubt habe, die Nebenklägerin sei mit solchem Vorgehen einverstanden, erscheint sehr fernliegend und hätte jedenfalls eingehender Begründung bedurft.
c) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist auch die Würdigung der Aussage der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zehn Jahre alten Tochter der Nebenklägerin. Diese hat bekundet, sie habe am Kommunionstag ihrer Cousine durch die Tür gesehen, wie ihre Mutter ans Bett gefesselt und dabei ganz nackt gewesen sei. Der Angeklagte habe auf der Mutter gelegen und vergeblich versucht , die Tür mit seinem Fuß zu schließen, als er sie bemerkt habe. Die Strafkammer hält dies nicht für glaubhaft. Die Zeugin sei von ihrer Mutter beeinflußt. So habe sie etwa auf die Frage, warum die Mutter den Angeklagten (1995) geheiratet hat, keine anderen Gründe angegeben als diese und auch deren Worte gebraucht (Der Angeklagte habe "genervt"). Grundsätzlich kann allerdings gerade bei der Würdigung von Kinderaussagen eine Rolle spielen, daß Kinder in erhöhtem Maße (bewußten oder unbewußten) Beeinflussungen unterliegen und darüber hinaus auf Grund eines Autoritätsgefälles besonders bestrebt sein können, sich entsprechend dem Wunsch eines Erwachsenen, zumal der Mutter, zu verhalten. Steht eine solche Möglichkeit im Raum, bedarf es vor allem näherer Erwägungen zur Persönlich-
keit des Kindes und hierzu angefallener Erkenntnisse. Je nach den Umständen des Falles kann dabei auch sachverständige Beratung zweckmäßig sein (vgl. zu alledem näher Eisenberg, Beweisrecht der StPO 4. Aufl. Rdn. 1861 m.w. Nachw.). Ohne derartige Erwägungen ist jedenfalls die Annahme nicht tragfähig , die detaillierte Schilderung eines von ihr angeblich beobachteten konkreten Vorganges durch die Tochter der Nebenklägerin sei hier nicht zuletzt deshalb nicht glaubhaft, weil sie keine eigenständige Äußerung dazu abgegeben hat, warum ihre Mutter den Angeklagten geheiratet hat. Dies gilt um so mehr, als die Zeugin zum Zeitpunkt dieser Eheschließung höchstens drei Jahre alt war. 4. Nach alledem ist das Urteil in dem Umfang aufzuheben, in dem es auf Grund der Revision der Nebenklägerin einer Überprüfung durch den Senat zugänglich ist. Soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe nur wegen gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, kann auch der für sich genommene rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung nicht bestehen bleiben, da die Vergewaltigung hierzu gegebenenfalls in Tateinheit stünde (st. Rspr., vgl. d. Nachw. b. Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 12). Damit entfällt zugleich die Gesamtstrafe. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die im Sinne des § 52 Abs. 1 sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, sollen nur gestellt werden, wenn es unerläßlich ist.

(2) Fragen nach Umständen, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere nach seinen Beziehungen zu dem Beschuldigten oder der verletzten Person, sind zu stellen, soweit dies erforderlich ist. Der Zeuge soll nach Vorstrafen nur gefragt werden, wenn ihre Feststellung notwendig ist, um über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Nr. 2 zu entscheiden oder um seine Glaubwürdigkeit zu beurteilen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 557/01
vom
12. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. März 2002 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 2. August 2001 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten bleibt erfolglos, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


Vergeblich macht die Revision geltend, die Strafkammer habe zwei gegen die Schöffin P. gerichtete Befangenheitsanträge zu Unrecht zurückgewiesen (§ 338 Nr. 3 StPO).
1. Nachdem die Hauptverhandlung schon mehrere Monate gedauert hatte, erschien im Plattlinger Anzeiger ein mehrspaltiger Artikel "BankräuberProzeß tritt auf der Stelle". Darin heißt es, die Schöffin habe "schon vor Wo-
chen ... bei einem zufälligen Flurgespräch auf die Frage nach der Dauer des Prozesses gemeint, daû von einer so langen Prozessdauer bei Antritt ihres Amtes keine Rede war." Wörtlich habe sie gesagt: "Der soll doch endlich gestehen , dass er es war."
Auf diesen Satz ist der Ablehnungsantrag gestützt, der darüber hinaus eingehende, ersichtlich an die gemäû § 31 Abs. 2 Satz 2 StPO zur Entscheidung berufenen berufsrichterlichen Mitglieder gerichtete Rechtsausführungen enthält. Da die Hauptverhandlung bei Eingang des Schriftsatzes für einige Tage unterbrochen war, übersandte ihn der Vorsitzende - ohne weitere Zusätze - an die Schöffin "zur eiligen Stellungnahme".
In der daraufhin eingegangenen mehrseitigen handschriftlichen Stellungnahme der Schöffin legt sie eindringlich dar, sie habe lediglich auf die Frage nach der mutmaûlichen Dauer des Verfahrens geäuûert, für sie sei "kein Ende in Sicht. Es sei denn, es käme ein Geständnis, wenn der B. es gewesen ist."
Darüber hinaus wendet sie sich gegen die "Vorwürfe" des Verteidigers, sie sei befangen. "Woher will er wissen, ob und daû ich bereits von der Schuld des Angeklagten überzeugt bin?", da er doch "nicht der liebe Gott" und auch "kein Hellseher" sei. In diesem Zusammenhang führt sie auch aus, es sei "Tradition" des Verteidigers, "erst die Staatsanwältin, dann das Gericht und jetzt die Schöffen abzulehnen".
Ohne daû dies Gegenstand des Ablehnungsantrags gewesen wäre, befaût sie sich dann auch noch mit ihren in dem Artikel wiedergegebenen Äuûe-
rungen zur Dauer des Verfahrens. Wenn sie noch nicht berentet wäre sondern noch immer als Akkordarbeiterin am Flieûband einer Fabrik arbeiten würde, hätte sie Schwierigkeiten in dem für dieses Verfahren erforderlichen Umfang frei zu bekommen.
Diese dienstliche Äuûerung, insbesondere die den Verteidiger betreffenden Passagen, ist Grundlage eines weiteren Ablehnungsantrags.
2. Der Senat hat das gesamte Vorbringen auch in tatsächlicher Hinsicht (nach "Beschwerdegrundsätzen") zu würdigen. Ebenso wie die Strafkammer hält er die Anträge im Ergebnis für unbegründet.

a) Ohne daû dies näherer Darlegung bedürfte, griffe der Ablehnungsantrag durch, wenn die Schöffin geäuûert hätte, der Angeklagte solle endlich gestehen.
Jedoch ergibt die dienstliche Äuûerung, daû die Schöffin diese Aussage nicht getan hat. Im Ergebnis erhärtet wird ihr Inhalt durch die von der Revision nicht bestrittene Erklärung des Journalisten, er habe den Artikel erst in deutlichem zeitlichen Abstand zu dem Gespräch geschrieben - dies ergibt sich auch aus dem Artikel selbst - und sich über dessen Inhalt auch keine Notizen gemacht. Dementsprechend könne er die Richtigkeit des Zitats "nicht beschwören" ; vielmehr würde er gegebenenfalls einen Wunsch der Schöffin nach einer Gegendarstellung befürworten. Dieses entgegen der Auffassung der Revision widerspruchsfreie Ergebnis der Ermittlungen zu dem Pressezitat ist geeignet, ursprünglich berechtigtes Miûtrauen gegen die Unbefangenheit der Schöffin
auszuräumen (vgl. schon BGHSt 4, 264, 269, 270 zu einer im Kern identischen Fallgestaltung; vgl. auch Pfeiffer in KK 4. Aufl. § 26 Rdn. 7 m. w. N.).

b) Auch der Inhalt der dienstlichen Äuûerung begründet die Besorgnis der Befangenheit nicht.
Nach ihrem Inhalt und ihrem gesamten Duktus versteht der Senat die dienstliche Äuûerung vielmehr dahin, daû sich die Schöffin des Kerns ihrer richterlichen Pflicht, am Ende des Prozesses unvoreingenommen über Schuld oder Unschuld zu entscheiden, genau bewuût ist und sie sich mit ihren Worten nachhaltig gegen die Annahme wendet, sie werde dieser Pflicht nicht nachkommen. Wenn die Schöffin dies betont, folgt daraus auch dann nicht die Besorgnis ihrer Befangenheit wenn sie sich dabei, wie es in dem Antrag heiût, "den rechtlich erheblichen Unterschied zwischen Befangenheit und Besorgnis der Befangenheit nicht vergegenwärtigt" hat. "Ungeheuerliche" Vorwürfe gegenüber dem Verteidiger, die eine Voreingenommenheit gegen den Angeklagten besorgen lassen könnten, sind auch im übrigen der dienstlichen Äuûerung nicht zu entnehmen. Schlieûlich führt es auch zu keinem anderen Ergebnis, daû die Schöffin auch auf vorangegangene Verfahrensvorgänge hingewiesen hat, mit denen mangelnde Objektivität von Verfahrensbeteiligten geltend gemacht wurde. Mag dieser Hinweis auch nicht unbedingt geboten gewesen sein und überdies zeigen, daû der Schöffin der Zweck von §§ 22 ff StPO als "materiell -rechtliche Garantie des in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG manifestierten Prinzips... gänzlich unbekannt" ist, so ist er doch in tatsächlicher Hinsicht im Kern nicht falsch und schon deshalb kein Anzeichen für eine Befangenheit. Der ihr in diesem Zusammenhang unterlaufene Irrtum - zusätzlich zu dem Antrag auf Ablösung der Sitzungsstaatsanwältin war nicht das Gericht abgelehnt worden
sondern beantragt worden, insgesamt "die Staatsanwaltschaft Deggendorf auszuwechseln" - ist unwesentlich und daher ebenfalls kein Anzeichen für Befangenheit (vgl. Pfeiffer in KK 4. Aufl. § 24 Rdn. 7 m. w. N.).
3. Unbeschadet der Unbegründetheit der Anträge sieht der Senat Anlaû zu folgenden Hinweisen:

a) In aller Regel wird erfahrungsgemäû ein abgelehnter Schöffe vom Vorsitzenden mündlich zur Abgabe der dienstlichen Erklärung (§§ 26 Abs. 3, 31 Abs. 1 StPO) aufgefordert. Ergeht diese Aufforderung, wie hier, schriftlich, sollte bei der Gestaltung des Schriftverkehrs schon zur Vermeidung von Miûverständnissen darauf Bedacht genommen werden, daû ein Schöffe nicht über die gleiche strafprozessuale Ausbildung und Erfahrung verfügt wie ein Berufsrichter (vgl. auch Nr. 126 Abs. 2 Satz 2 RiStBV).

b) Aus dem selben Grunde sollte sich die dem Vorsitzenden anempfohlene Belehrung von Schöffen über mögliche Befangenheitsgründe (vgl. Nr. 126 Abs. 1 Satz 1 RiStBV) jedenfalls in erkennbar Aufsehen erregenden Verfahren auch auf die Behandlung von Presseanfragen in laufender Hauptverhandlung erstrecken.

II.

Zu den übrigen Verfahrensrügen verweist der Senat auf das auch durch die Erwiderung der Revision vom 4. Januar 2002 nicht entkräftete Vorbringen des Generalbundesanwalts und bemerkt ergänzend:
1. Der Antrag auf Ladung des Polizeibeamten S. ist von der Strafkammer rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden.
a) Hinsichtlich der Wertungen, die vorliegenden Banküberfälle seien für den Angeklagten "untypisch" bzw. "persönlichkeitsfremd", war der Polizeibeamte entsprechend der Einordnung der Strafkammer ein völlig ungeeignetes Beweismittel. Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden (BGHSt 39, 251, 253). Er ist als Beweismittel völlig ungeeignet, wenn er nicht über die besondere Befähigung verfügt, die zur Wahrnehmung eines Vorgangs erforderlich ist, der nur einem Sachverständigen verständlich werden kann (Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeû, 5. Aufl. S. 605). Die genannten Wertungen sind dem Sachverständigenbeweis bzw. dem Gericht vorbehalten.
b) Hinsichtlich der Beweisbehauptung, der Angeklagte habe bei den "Altfällen" nie Mitwisser gehabt, ist bereits fraglich, ob darin eine konkrete Tatsachenbehauptung liegt. Insoweit hat die Strafkammer den Antrag ausweislich der Beschluûgründe jedenfalls rechtsfehlerfrei wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. 2. Die Rüge, das Landgericht habe gegen die Verpflichtung zur erschöpfenden Beweiswürdigung gemäû § 261 StPO verstoûen, weil es die durch Verlesung eingeführten Vorstrafen des Hauptbelastungszeugen im Urteil nicht erörtert habe, ist unbegründet. Aus dem Schweigen der Gründe zu erhobenen Beweisen kann nicht geschlossen werden, der Tatrichter habe diese ungewürdigt gelassen (BGH NJW 1951, 325; BGH MDR 1989, 114). Richtig ist zwar, daû es für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen regelmäûig nicht unerheblich ist, ob er in anderem Zusammenhang vorsätzlich die Unwahrheit vor Gericht bekundet hat.
Eine bindende Beweisregel des Inhalts, daû einem Zeugen, der zu anderen Punkten vorsätzlich die Unwahrheit ausgesagt hat, generell nicht geglaubt werden dürfe, besteht jedoch nicht (BGH StV 1999, 80, 81). Die Erörterung der beiden Vorstrafen in den Entscheidungsgründen war hier nicht unbedingt erforderlich. Die Strafkammer stellt nämlich nicht auf die "allgemeine Glaubwürdigkeit" des Zeugen, sondern im Rahmen einer ausführlichen Beweiswürdigung anhand anerkannter Kriterien auf die - wesentlich besser zu überprüfende - Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage des Zeugen ab. Insbesondere aufgrund der Selbstbelastungen des Zeugen und der Bestätigung durch andere Beweismittel bejaht die Kammer die Glaubhaftigkeit der Aussage. Die abgeurteilte Falschaussage des Zeugen betrifft zudem eine Konstellation, die erhebliche Unterschiede zur vorliegenden Aussage aufweist. Bei der Vorstrafe ging es um die Verlobte des Zeugen; dem Angeklagten steht er dagegen "neutraler" gegenüber. Hinzu kommt, daû Falschbelastungen hinsichtlich ihrer Indizwirkung für die Persönlichkeit des Aussagenden schwerwiegender sind als eine - hier bei der Vorstrafe vorliegende - falsche entlastende Aussage (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 69). Es liegt schlieûlich auch nicht die Fallgestaltung "Aussage gegen Aussage" vor, so daû die dort geltenden strengeren Kriterien - die Erörterung sämtlicher Umstände (vgl. BGH NStZ 1997, 494; Sander StV 2000, 45, 47) - nicht eingreifen. 3. Die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Beweisbehauptung, daû es sich bei dem Angeklagten "um einen guten Zellengeber handelt", entgegen § 244 Abs. 6 StPO nicht beschieden, ist zulässig. Die Beweisbehauptung ist der Revisionsbegründung zu entnehmen. Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages , mit dem eine zunächst versehentlich nicht übersandte Ablichtung der dritten Seite des Beweisantrages nachgereicht wurde, kann daher dahingestellt
bleiben. Die Rüge ist jedoch unbegründet, weil die Strafkammer dem Beweisantrag nachgekommen ist. Zur Beweisfrage hat sie ein Behördengutachten eingeholt und verlesen. Dabei ist unerheblich, daû sie einen Sachverständigen vom BKA und nicht - wie beantragt - einen solchen vom LKA beauftragt hat. Die Auswahl des Sachverständigen obliegt nach § 73 StPO dem Gericht. Mangelhafte Sachkunde des beauftragten Sachverständigen oder einen Verstoû gegen die Aufklärungspflicht macht die Revision insoweit nicht geltend. 4. Schlieûlich greift auch die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht durch, mit der angegriffen wird, daû die in den sichergestellten Turnschuhen entdeckten DNA-Mischspuren nicht mit allen beim BKA gespeicherten DNADaten verglichen worden sind. Es ist nicht ersichtlich, was die Strafkammer zu dieser Beweiserhebung gedrängt haben sollte. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte diese Turnschuhe, die zu den am Tatort gefundenen Schuhabdrücken passen, bei den beiden Banküberfällen getragen. Daû die beiden an den Schuhen gefundenen DNA-Spuren nicht vom Angeklagten stammten, hat die Strafkammer gesehen. Dies wurde im Rahmen der Beweiswürdigung als entlastendes Indiz berücksichtigt. Die Spuren schlieûen - wie die Kammer aufgrund sachverständiger Beratung rechtsfehlerfrei festgestellt hat - nicht aus, daû der Angeklagte diese Schuhe bei den Überfällen getragen hat, ohne dabei eigene Spuren zu hinterlassen. Erkenntnisse darüber, wer die Schuhe noch getragen hat, hätten die Täterschaft des Angeklagten daher nicht ausgeschlossen. Zumal unter Berücksichtigung des übrigen Beweisergebnisses brauchte sich die Strafkammer daher zu einem Datenabgleich nicht gedrängt zu sehen.

III.


Zur Sachrüge ist lediglich zu bemerken:
Die Strafkammer hat die Notwendigkeit einer Sicherungsverwahrung nach sachverständiger Beratung rechtsfehlerfrei aus den zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten (etwa wegen über zehn bewaffneten Überfällen) und den sonstigen zu seiner Persönlichkeit angefallenen Erkenntnissen geschlossen. Wie eine Gesamtschau der Urteilsgründe mit hinlänglicher Klarheit ergibt, hat sie dabei nicht auch auf das Prozeûverhalten des Angeklagten abgestellt, was rechtsfehlerhaft wäre (vgl. BGH StV 1993, 469; BGH b. Pfister NStZ-RR 2000, 365). Sie hat vielmehr nur dargelegt, daû auch das Prozeûverhalten keinen Anlaû gibt, die Gefährlichkeitsprognose in Zweifel zu ziehen. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH Urteil vom 30. August 1994 - 1 StR 271/94 m. w. N.).
Schäfer Wahl Boetticher Herr RiBGH Dr. Kolz ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 206/13
vom
3. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 11. Dezember 2012 mit den Feststellungen
aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen.

Gründe:

1
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen 20 tatmehrheitlicher Fälle der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung zweier Geldstrafen aus früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
2
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht mehr bedarf.

I.


3
1. Nach den Feststellungen der Strafkammer fuhr der Angeklagte, ohne im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis zu sein, bei jeweils zehn Gelegenheiten im Oktober und November 2010 mit dem PKW von Cham nach Tschechien und erwarb dort jeweils mindestens zehn Gramm Metamphetamin, die er nach Deutschland einführte. Das Metamphetamin war, wie der Angeklagte wusste, jeweils von zumindest durchschnittlicher Qualität im oberen Bereich mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 50 % Metamphetaminbase.
4
In einem Fall brachte der Angeklagte im November 2010 zusätzlich mindestens zehn Gramm Heroin nach Deutschland mit. Das Heroin war, womit der Angeklagte auch rechnete, von zumindest durchschnittlicher Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Heroinhydrochlorid.
5
2. Die Strafkammer stützt ihre Feststellungen zum Tatgeschehen maßgeblich auf die Angaben des Zeugen I. .
6
a) Der Zeuge I. ist im Verlauf des Verfahrens insgesamt dreimal vernommen worden.
7
In der ersten, polizeilichen Vernehmung hat er angegeben, der Angeklagte habe nach seinem Einzug in die auch von ihm – I. – bewohnte Wohnung in Cham im Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 alle zwei Tage Beschaffungsfahrten nach Tschechien unternommen. Pro Fahrt habe der Angeklagte jeweils – wie die Kammer aus den Angaben des seinerzeitigen Vernehmungsbeamten referiert – „20 bis 30 Gramm“ bzw. – wie es im späteren Urteilsverlauf heißt – „10 bis 20 Gramm“ Metamphetamin nach Deutschland verbracht. Die Gesamtmenge habe ca. ein Kilogramm betragen.
8
In der Hauptverhandlung hat der Zeuge I. den Beginn der Beschaffungsfahrten durch den Angeklagten bereits auf Oktober 2010 datiert. In den ersten zwei bis drei Wochen habe der Angeklagte täglich, danach alle zwei Tage Rauschgift aus Tschechien geholt. Die eingeführten Einzelmengen hätten jeweils zwei bis zehn Gramm Metamphetamin betragen, die Menge habe vari- iert. Er selbst habe das Rauschgift „in 85 % der Fälle“ gesehen. Insgesamt ha- be der Angeklagte ca. ein Kilogramm Metamphetamin eingeführt; allerdings umfasse diese Gesamtmenge auch Einfuhren nach dem 1. März 2011.
9
Im Verlauf der Hauptverhandlung erneut einvernommen, hat der Zeuge schließlich angegeben, er habe das eingeführte Rauschgift nur „manchmal“ gesehen. Er habe den Angeklagten dreimal beim Wiegen beobachtet; das Ergebnis sei nie im dreistelligen Bereich gewesen. Einmal habe er 23 Gramm von der Waage abgelesen. Der Angeklagte habe im Oktober 2010 „sicher 10 Fahrten“ und im November „sicher mindestens ebenso viele Fahrten wie im Oktober“ durchgeführt. Die monatlich eingeführte Menge hat der Zeuge mit einem „halben Päckchen Meersalz“ umschrieben und sie visualisiert, indem er mit den Händen eine gehäufte Menge geformt hat. Jedenfalls habe die Gesamtmenge ein Kilogramm betragen, jedoch resultiere diese Menge aus Beschaffungsfahrten bis Juli 2011.
10
b) Die Strafkammer hat die Angaben des Zeugen als überwiegend glaubhaft erachtet und hierzu im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
11
Widersprüchliche Angaben des Zeugen in den einzelnen Vernehmungen , vor allem zur Häufigkeit der Fahrten und zur Menge des eingeführten Rauschgifts, seien nicht gravierend.
12
Die Begehung der festgestellten Taten – wegen der übrigen der ursprünglich angeklagten sechzig Taten zwischen November 2010 und Februar 2011 ist eine Verfahrensbeschränkung erfolgt und durch die Erhebung einer Nachtragsanklage sind zehn Taten im Monat Oktober 2010 zum Verfahrensgegenstand gemacht worden – sei dem Angeklagten ungeachtet seiner damaligen , durch die Angaben der Arbeitgeber und einen Dienstplan belegten Berufstätigkeit in Baiersbronn möglich gewesen.
13
Zur Mengenberechnung: Das von I. während der Hauptverhand- lung visualisierte Volumen eines „halben Päckchens Meersalz“ entspreche ei- ner monatlichen Einfuhrmenge von ca. 200 Gramm, bei einem Sicherheitsabschlag von 50 % ca. 100 Gramm. Auch die angegebene Gesamtmenge von einem Kilogramm, die sich nach seiner – während der Hauptverhandlung korrigierten – Aussage auf die Monate Oktober 2010 bis längstens Juli 2011 beziehe , spreche für eine monatliche Einfuhrmenge von 100 Gramm. Durch deren „möglichst gleichmäßige“ Verteilung auf zehn Fahrten je Monat ergäben sich Einzelmengen von jeweils zehn Gramm. Diese Verteilung stelle die für den An- geklagten „günstigste Variante“ dar.
14
Die von I. in der Hauptverhandlung zunächst angegebenen geringeren Einzelmengen von zwei bis zehn Gramm pro Fahrt schlössen höhere Mengen nicht aus, weil der Zeuge auch von „variierenden“ Mengen gesprochen habe. Auch sei es unwirtschaftlich und mit einem unverhältnismäßig hohen Ri- siko behaftet, zum Erwerb von „Kleinstmengen deutlich unterhalb von 10 Gramm“ nach Tschechien zu fahren. Gegen die Annahme besonders hoher oder besonders geringer Einfuhrmengen spreche auch, dass der Zeuge I. keinen dreistelligen Wert auf der Feinwaage beobachtet habe; für eine Mindestmenge von zehn Gramm spreche indes der einmalig abgelesene Einzel- wert von 23 Gramm. „Zu Gunsten des Angeklagten“ sei daher jeweils von zehn Gramm auszugehen.
15
Nicht tragfähig, weil sachverständig widerlegt, seien die Angaben des Zeugen zum Umfang des Eigenkonsums des Angeklagten. Mit dem planvollen Vorgehen des Angeklagten sei der von dem Zeugen geschilderte massive Konsum nicht vereinbar. Ebenfalls nicht glaubhaft seien die Angaben des Zeugen zu angeblichen Hintermännern des Angeklagten und dessen Weiterveräußerungsgeschäften.

II.


16
Die Beweiswürdigung weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
17
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11; vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11, NStZ-RR 2012, 148 mwN).
18
An diesen Grundsätzen gemessen, hält die Beweiswürdigung der Strafkammer sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist insgesamt lückenhaft (nachfolgend 1. a), hinsichtlich der Feststellungen zur Häufigkeit der Be- schaffungsfahrten (nachfolgend 1. b) und zu den Einfuhrmengen (nachfolgend 2.) lückenhaft und nicht nachvollziehbar.
19
1. Da die Beschuldigung des Angeklagten im Kern allein auf der Aussage des Zeugen I. aufbaute, bedurfte diese einer besonders sorgfältigen Prüfung, und mussten die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Strafkammer alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen konnten, erkannt und in ihre Überlegungen einbezogen hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 1997 – 4StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13; vom 22. April1987 – 3 StR 141/87, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1). Glaubt das Gericht in Teilen der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihr in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 3 StR 96/03, NStZ-RR 2003, 332; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153). Daran gemessen, bleibt die Beweiswürdigung insgesamt lückenhaft.
20
a) Die Strafkammer hat zum einen nicht dargelegt, weshalb sie dem Zeugen hinsichtlich des von ihm bezeugten Kernvorwurfs Glauben geschenkt hat, obwohl andere Inhalte seiner Aussage – namentlich zum Eigenkonsum des Angeklagten – objektiv widerlegt waren, und sie die Angaben zu den Hintermännern des Angeklagten und deren Weiterveräußerungsgeschäften ebenfalls nicht glaubhaft fand.
21
b) Vor allem aber hat sie nicht in den Blick genommen, dass die Angaben des Zeugen I. zur Häufigkeit der Beschaffungsfahrten mit den übrigen Feststellungen nicht zu vereinbaren sind.
22
Der von der Strafkammer festgestellte Dienstplan des Angeklagten weist für Oktober 2010 zwölf und für November 2010 elf arbeitsfreie Tage aus. Unter ihrer Prämisse, Beschaffungsfahrten seien nur an dienstfreien Tagen möglich gewesen, sind die festgestellten Abwesenheitszeiten des Angeklagten weder mit der Behauptung des Zeugen I. , der Angeklagte habe beginnend bereits im Oktober 2010 über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen tägliche und anschließend jeden zweiten Tag Beschaffungsfahrten von Cham nach Tschechien durchgeführt, noch mit seiner Angabe, der Angeklagte habe beginnend im November 2010 alle zwei Tage Einfuhrfahrten unternommen, zu vereinbaren.
23
Danach hat der Zeuge I. den Angeklagten auf der Grundlage der Feststellungen überschießend belastet, bevor er in der zweiten Vernehmung in der Hauptverhandlung nur noch zehn Fahrten pro Monat behauptet hat. Mit diesem Umstand hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen. Dieser Erörterungspflicht genügt sie durch die Wertung, die Angaben des Zeugen I. würden „allenfalls geringfügige Restunstimmigkeiten“ aufweisen, die nicht geeignet seien, die „Richtigkeit der übrigen Angaben in Frage zu stellen“, nicht. Dies lässt vielmehr besorgen, dass sie die Unvereinbarkeit der früheren belastenden Angaben des Zeugen I. mit den Feststellungen nicht in den Blick genommen und eine sich daraus möglicherweise ergebende Belastungstendenz nicht in Erwägung gezogen hat.
24
Auch im Übrigen bleiben die Widersprüche in den Angaben des Zeugen I. unerörtert. So soll der Angeklagte einerseits im Oktober über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen zunächst täglich, anschließend alle zwei Tage nach Tschechien gefahren sein, andererseits soll er im November bei einem allenfalls zweitägigen Fahrtrhythmus „sicher mindestens ebenso viele“ Fahrten wie im Oktober durchgeführt haben.
25
2. Schließlich weist auch die Beweiswürdigung zu den Einfuhrmengen durchgreifende Rechtsfehler auf.
26
a) Zunächst fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Unterschieden in den Angaben des Zeugen zu Einfuhrmengen, dazu, in wieviel Fällen er die eingeführten Mengen gesehen hat und zum Zeitraum, indem die Gesamtmenge beschafft worden sein soll. Soweit die Strafkammer „quantitative Abweichungen“ damit erklärt, dass bei der zweiten Vernehmung in der Haupt- verhandlung vom Zeugen verlässlichere und detailliertere Angaben gefordert worden seien als bei den anderen Vernehmungen, genügt dies der Erörterungspflicht nicht. Denn inwieweit die Angabe, er habe die eingeführte Menge „manchmal“ gesehen, detaillierter sein soll als die Angabe, er habe die einge- führte Menge in 85 % der Fälle gesehen, erschließt sich nicht und wird von der Strafkammer auch nicht erhellt. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Mengenund Zeitraumangaben.
27
b) Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Strafkammer aus der Bekundung des Zeugen I. , er habe bei keinem der von ihm beobachteten Wiegevorgänge ein dreistelliges Ergebnis wahrgenommen, ableitet, der Angeklagte habe nicht nur keine besonders hohen, sondern auch keine besonders niedrigen Mengen eingeführt. Zwar hält es die Strafkammer für „durchaus denkbar, dass der Angeklagte theoretisch eine Fahrt mit einer Menge von 91 Gramm Crystal Speed […] und neun weitere monatliche Fahrten mit je lediglich einem Gramm Crystal Speed“ durchgeführt hat. Die Möglichkeit eines geringe- ren Gefälles zwischen den jeweiligen Einfuhrmengen erörtert sie jedoch nicht. Diese Möglichkeit lag aber (mit der Folge der Erörterungsbedürftigkeit, vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2009 – 2 StR 300/09, wistra 2010, 70 mwN) schon deshalb nahe, weil sich der Zeuge I. an mindestens ein Wiegeergebnis von 23 Gramm erinnerte, und weil die Strafkammer bei der Würdigung seiner Angaben selbst davon ausgegangen ist, dass die vom Angeklagten eingeführten Mengen variierten.
28
c) Schließlich lassen die Ausführungen zur Feststellung der jeweils eingeführten Mengen eine fehlerhafte Anwendung des Zweifelsgrundsatzes besorgen. Denn die Annahme, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der monatlichen Einfuhrmenge auf zehn Fahrten stelle die für den Angeklagten günstigste Variante dar, ist schon im Ansatz fehlerhaft.
29
Durch die Zugrundelegung gleichmäßiger Einzelmengen von zehn Gramm und einer – für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten – Wirkstoffmenge von 50 % Metamphetaminbase erreichten alle Taten exakt den Grenzwert zur nicht geringen Menge (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89), wodurch sie als Verbrechen i. S. v. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu bewerten waren. Demgegenüber hätte die naheliegende Möglichkeit eines – wenn auch nur geringfügigen – Unterschreitens des Grenzwerts bezüglich mehrerer Einzeltaten eine für den Angeklagten wesentlich günstigere Verurteilung wegen Vergehen nach § 29 Abs. 1 BtMG nach sich gezogen.

III.


30
Die bezeichneten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils insgesamt; auf die Strafzumessung kam es nicht mehr an. Insoweit sieht der Senat jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass eine straferschwerende Würdigung besonderer krimineller Energie, die ihren Ausdruck darin findet, dass der Täter „das Risiko auf sich genommen hat, durch die Einfuhr der beschafften Betäubungsmittel in das Bundesgebiet sich eines erhöhten Risikos der Aufdeckung seiner Taten anlässlich des Grenzübertritts auszusetzen“, gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84). Wahl Graf Cirener Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 369/10
vom
25. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2010 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Konstanz vom 29. März 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie von einem weiteren Tatvorwurf freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

I.


2
Das Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil unterliegt durchgreifenden Bedenken.
3
Der Tatrichter muss sich in der Fallkonstellation, in der "Aussage gegen Aussage" steht, bewusst sein, dass er die Angaben der einzigen Belastungszeugin , die nicht durch zusätzliche Indizien belegt sind, einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen hat. Eine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien ist dann von besonderer Bedeutung (vgl. BGHR StPO § 261 Indizien 1, 2; BGH StV 1996, 582; 1997, 513; NStZ-RR 1998, 15). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1, 13; § 267 Abs. 1 Satz 1 Beweisergebnis 8; BGH StV 1995, 6, 7; 1997, 513; BGH, Beschluss vom 5. November 1997 - 3 StR 558/97). Dies gilt besonders, wenn die einzige Belastungszeugin in der Hauptverhandlung ihre Vorwürfe ganz (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 2 StR 591/97) oder teilweise nicht mehr aufrechterhält, der anfänglichen Schilderung weiterer Taten nicht gefolgt wird (vgl. BGH NStZ 1996, 294; NJW 1996, 206; BGH, Beschluss vom 1. April 1998 - 3 StR 22/98) oder sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Der Tatrichter muss dann jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben.
4
Dies war hier angezeigt vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Geschädigte bei ihrer Aussage in der Hauptverhandlung den Tatvorwurf, welchen sie bis dahin am detailliertesten geschildert hatte, nicht mehr aufrecht erhielt. Das angefochtene Urteil wird daher den genannten Anforderungen an die Beweiswürdigung nicht in vollem Umfang gerecht.
5
Die Geschädigte hatte nämlich neben drei Taten, welche in der damals von der Geschädigten und deren Mutter bewohnten Wohnung begangen worden seien und bei denen der Angeklagte die Geschädigte in zwei Fällen aufgefordert habe, ihn manuell zu befriedigen, detailliert einen Vorfall bei einer gemeinsamen Autofahrt im Pkw des Angeklagten geschildert, bei welcher sie diesen auf seine Aufforderung mit der Hand bis zum Samenerguss habe befriedi- gen müssen, wobei der Angeklagte das Ejakulat in der Folge mit einem Tempotaschentuch abgewischt habe. Diesen letztgenannten - im Vergleich zu den anderen angegebenen Taten eher außergewöhnlichen - Vorfall konnte die Geschädigte im Gegensatz zur polizeilichen Vernehmung trotz Vorhalts der damaligen Aussagen in der Hauptverhandlung nicht mehr bestätigen. Vielmehr gab sie an, sie habe lediglich den Bauch des Angeklagten streicheln müssen; mehr sei nicht passiert.
6
In ihrer Beweiswürdigung geht die Strafkammer über diesen Umstand, ohne dafür tragfähige Gründe anzuführen oder sich damit auseinanderzusetzen , hinweg. Allein die Angabe, die Zeugin habe sich an diesen Vorfall nicht mehr erinnern können, reicht nicht hin, um in ausreichendem Umfang darzulegen , weshalb sie der Zeugin trotz dieser markanten "Erinnerungslücke" die weiteren Tatvorwürfe geglaubt hat, zumal die diesbezüglichen Schilderungen recht detailarm wiedergegeben werden.
7
Zwar stützt sich das Landgericht zusätzlich auch auf die Schilderungen der Mutter, welche zwar zu den Tatvorwürfen selbst nichts berichten konnte, jedoch ausgesagt hatte, dass sie bemerkt habe, dass ihre Tochter sich Ende 2008 den Arm geritzt hatte, und im Mai 2009 habe sie erneut Schnitte bemerkt. Allerdings setzt sich das Gericht dabei nicht damit auseinander, dass zu beiden Zeitpunkten die Beziehung der Mutter der Geschädigten zu dem Angeklagten längst beendet und auch eine räumliche Trennung herbeigeführt worden war und beide in einer neuen räumlichen Umgebung lebten.

II.


8
Die Gesamtwürdigung der Beweise, die für und gegen die Glaubhaftigkeit der Tatschilderungen der einzigen Belastungszeugen sprechen, erscheint daher insgesamt unvollständig und leidet unter Darstellungsmängeln. Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung.
Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 253/03
vom
29. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Juli 2003 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 22. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Vom Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten zum Nachteil der Nebenklägerin, der am 25. August 1986 geborenen Sarah N. , bestritten. Er hat sich dahin eingelassen, im Frühjahr oder Sommer 1997 (Fall B II 1) habe er keine sexuellen Handlungen an dem damals zehn oder elf Jahre alten Mädchen vorgenommen. Im September 2001 (Fall B II 2) und kurz vor Weihnachten 2001 (Fall B II 3) habe er zwar mit Sarah N. den Geschlechtsverkehr vollzogen , jedoch sei dies im "gegenseitigen Einvernehmen" geschehen. Im September 2001 habe er Sarah N. , die Geld gebraucht habe, dafür 70 DM gegeben. Die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen (Fälle B II 1 und 3) stützt die Strafkammer auf die Angaben Sarah N. s. Vom Vorwurf der Vergewaltigung der Nebenklägerin im Fall B II 2 hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen, da die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben habe, daß er sie auch im September 2001 gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. In diesem Fall folgt die Strafkammer nicht den Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung. Vielmehr habe sie am 18. Februar 2002 zu diesem Vorfall gegenüber der Sozialarbeiterin P. anderslautende Angaben gemacht, dieser nämlich berichtet, im September 2001 den Beischlaf mit dem Angeklagten freiwillig vollzogen zu haben, nachdem er ihr angeboten habe, ihre Schulden aus Katalogbestellungen zu begleichen, und ihr 50 DM gegeben habe. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß die Angaben Sarah N. s insoweit unrichtig sind.
Wenn wie hier Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegung einbezogen hat (st. Rspr.;
vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23). Dies gilt besonders, wenn sich die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt oder - wie hier - dies jedenfalls nicht auszuschließen ist. Dann muß der Tatrichter regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen , der Zeugenaussage im übrigen dennoch zu glauben (vgl. BGHSt 44, 153, 159; 44, 256, 257).
Diesen strengen Anforderungen wird die Beweiswürdigung zu den der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer folgt insoweit den Angaben Sarah N. s mit der Begründung, ihre Aussage in der Hauptverhandlung sei "flüssig, detailreich, widerspruchsfrei und insgesamt glaubhaft" (UA 13) gewesen bzw. sie habe den Vorfall "sehr differenzierend, detailreich (und) präzise" (UA 18) geschildert. Außerdem seien ihre Angaben zu diesen Fällen gegenüber der Sozialarbeiterin P. und der sie in der psychiatrischen Klinik behandelnden Ärztin, der Zeugin G. , und in der Hauptverhandlung "inhaltlich zum Kerngeschehen konstant geblieben". Vom Vorfall im Jahr 1997 habe die Nebenklägerin einige Monate später überdies ihrer Mutter und einer Freundin berichtet.
Damit hat die Strafkammer die Beweiswürdigung nicht erschöpft. Soweit sie bei der Glaubwürdigkeitsprüfung in den Fällen B II 1 und 3 auf den Detailreichtum , die Widerspruchsfreiheit bzw. Differenziertheit der Aussage Sarah N. s abstellt, setzt sie sich nicht damit auseinander, daß diese Glaubwürdigkeitskriterien gleichermaßen auf die Angaben zutreffen, die die Zeugin in der Hauptverhandlung zum Fall B II 2 gemacht hat, an deren Glaubhaftigkeit das Landgericht gleichwohl nicht zu überwindende Zweifel hat. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß die Strafkammer diesen Glaubwürdigkeitskriterien in den
Fällen, die der Verurteilung zugrundeliegen, ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Hinzu kommt, daß die Aussage der Zeugin G. im Urteil nur insoweit wiedergegeben wird, als Sarah N. ihr über den Vorfall aus dem Jahr 1997 berichtet hat (UA 15). Welche Angaben die Geschädigte gegenüber dieser Zeugin zu dem Vorfall vom Dezember 2001 gemacht hat, ergeben die Urteilsgründe nicht. Der Senat kann die vom Landgericht zur Begründung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin herangezogene inhaltliche Konstanz der Aussage zum Kerngeschehen deshalb nicht nachvollziehen. Zur Beurteilung der Aussagekonstanz hätte es in einem Fall wie dem vorliegenden überdies der Mitteilung der Angaben bedurft, die die Geschädigte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung gemacht hat. Hieran fehlt es ebenfalls. Schließlich legt die Strafkammer nicht dar, in welcher Weise sich die bei Sarah N. festgestellten "psychischen Auffälligkeiten" ausgewirkt haben. In Anbetracht dessen , daß die Zeugin nur eine Woche, nachdem sie gegenüber der Zeugin P. über die sexuellen Übergriffe des Angeklagten berichtet hatte, aufgrund einer "dringlich qualifizierten Einweisungsverfügung" ihres Hausarztes in ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie eingewiesen und dort fast zwei Monate stationär behandelt wurde, ist die lediglich abstrakte Schilderung des ersichtlich erheblichen Krankheitsbildes nicht geeignet, nachvollziehbar darzutun, daß die psychischen Auffälligkeiten keine "durchgreifenden Zweifel an ihrer Persönlichkeit und ihren Angaben" (UA 22) zu begründen vermochten.
Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß die Strafkammer bei der gebotenen erschöpfenden Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit der Zeugin N. in den Fällen B II 1 und 3 anders beurteilt hätte.
Trotz der sich nur auf den verurteilenden Teil erstreckenden Aufhebung des Urteils ist der neue Tatrichter nicht gehindert, die Glaubhaftigkeit der An- gaben der Nebenklägerin hinsichtlich des dem in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruchs zugrundeliegenden Sachverhalts anders als bisher geschehen zu würdigen.
In Anbetracht der psychischen Auffälligkeiten der Nebenklägerin ist die vom Landgericht angenommene eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin nicht frei von rechtlichen Bedenken. Die Hinzuziehung eines geeigneten Sachverständigen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 10, 18 und Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 3, 4, 5) in der neuen Hauptverhandlung erscheint deshalb angeraten.
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible