Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2013 - 2 StR 468/12

bei uns veröffentlicht am30.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 468/12
vom
30. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Januar
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des M. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Y. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des V. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des S. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft das Verfahren und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Rüge Erfolg, das Landgericht habe einen Beweisantrag in rechtsfehlerhafter Weise abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO). Auf die Sachrüge kommt es daher nicht mehr an.
2
1. Mit der Anklageschrift vom 11. August 2011 hat die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Folgendes zur Last gelegt:
3
Die Angeklagten, bei denen es sich um Geschäftsführer und Mitarbeiter eines Sportwetten-Unternehmens handele, hätten sich am 17. Oktober 2010 gegen 23.00 Uhr zu einer Filiale begeben, auf die kurz zuvor ein Raubüberfall verübt worden sei. Dort hätten die Angeklagten die Ladentür verschlossen und dem an diesem Tag als Kassierer tätig gewesenen Geschädigten C. unterstellt, in den Überfall involviert gewesen zu sein. Sie hätten ihn aufgefordert , den Namen des Täters zu nennen. Nach seiner Beteuerung, mit der Tat nichts zu tun zu haben, hätten ihm die Angeklagten M. , Y. und V. abwechselnd jeweils mit der Faust wuchtig ins Gesicht geschlagen. Weiter hätten die Angeklagten mit einem Tischbein gegen Kopf und Körper des Geschädigten C. geschlagen und ihn eine Treppe hinunter zur Toilettenanlage getreten. Dort hätten sie seinen Kopf in die Toilettenschüssel gedrückt und währenddessen mehrfach die Spülung betätigt. Die Angeklagten hätten den Geschädigten dabei wiederholt aufgefordert, den durch den Raub entstandenen Schaden von rund 6.000 € wiedergutzumachen. Anschließend hätten sie von ihm Autoschlüssel und Fahrzeugpapiere für seinen Pkw Mercedes CLK 200 verlangt. Während zwei der Angeklagten das Auto erfolglos nach dem geraubten Geld abgesucht und den dabei gefundenen Fahrzeugbrief einbehalten hätten, sei der Geschädigte C. von den anderen Angeklagten weiter geschlagen worden. Schließlich hätten die Angeklagten einen handschriftlichen Kaufvertrag zwischen dem Angeklagten M. und dem Geschädigten über dessen Pkw aufgesetzt. Der Kaufvertrag habe als Sicherheit dienen sollen, damit die Angeklagten den Pkw unter Vorlage des Vertrages und der Fahrzeugpapiere an Dritte hätten weiterverkaufen können. Der Geschädigte C. habe durch die Misshandlungen neben zahlreichen Hämatomen u.a.
Frakturen des Jochbeins, des Orbitalbodenknochens, des Oberkiefers und des Nasenseptums erlitten.
4
2. In den Urteilsgründen hat das Landgericht zur Würdigung der Beweise im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einem unmittelbaren Beweismittel fehle, da sowohl der Geschädigte C. als auch die Zeugen D. , A. und J. , die zur Tatzeit in der Sportwetten-Filiale anwesend und an den Taten beteiligt gewesen sein sollen und deshalb ursprünglich ebenfalls der verfahrensgegenständlichen Tat angeklagt gewesen seien, von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht hätten. Allein aufgrund der Aussagen der Polizeibeamten, die seinerzeit die polizeilichen Vernehmungen des Geschädigten C. durchgeführt hätten, habe die Kammer nach dem in-dubio-Grundsatz das angeklagte Geschehen nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit feststellen können. Der Tatverdacht habe sich dadurch relativiert, dass die Herkunft der erheblichen Verletzungen des Geschädigten C. im Bereich seines Auges völlig unklar geblieben sei und er gegenüber den ihn behandelnden Ärzten angegeben habe, seine Verletzungen rührten von einer tätlichen Auseinandersetzung bereits am 16. Oktober 2010 her.
5
3. In der Hauptverhandlung hat die Staatsanwaltschaft die Vernehmung der drei Polizeibeamten B. , K. und L. zum Beweis der Tatsache beantragt, dass der Geschädigte C. am 17. Oktober 2010 bei Anzeigenaufnahme des Raubüberfalls im Sportwettenbüro zwar einen leichten blauen Fleck unter dem Auge gehabt, nicht jedoch die auf den Lichtbildern in der Akte dokumentierten Verletzungen – nämlich insbesondere einen blauen Fleck auch auf dem Oberlid, eine geschwollene Nase und einen geschwollenen Kiefer – aufgewiesen habe. Das Landgericht hat den Antrag als Beweisermittlungsantrag gewertet, dem aus Gründen der Aufklärungspflicht nachzugehen es keinen Anlass gesehen hat. Zur hilfsweisen Begründung der Ablehnung des Antrags hat das Landgericht ausgeführt, bei den Zeugen handele es sich um ungeeignete Beweismittel, weil die im Antrag in Bezug genommenen Lichtbilder erst im Nachhinein aufgenommen und den Zeugen nie bekannt geworden seien , sodass sie keine Rückschlüsse ziehen könnten.
6
4. Die Ablehnung des Antrags, der den an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen genügte, ist rechtsfehlerhaft und zwingt zur Aufhebung des Urteils.
7
a) Ein Beweisantrag kann wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2010 – 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211; vom 5. Oktober 2011 – 4 StR 465/11, NStZ-RR 2012, 51). Dies ist dann der Fall, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244, Rn. 230 mwN). Hier sollten die drei als Zeugen benannten Polizeibeamten ihre eigenen Wahrnehmungen zu etwaigen Verletzungen des Zeugen C. zu dem benannten Zeitpunkt bekunden. Der vom Landgericht angeführte Umstand, dass den Polizeibeamten die später von Verletzungen des Zeugen C. gefertigten Lichtbilder nie bekannt geworden seien, steht in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Wahrnehmungen gemacht haben und sich an sie erinnern können, und spricht daher nicht gegen ihre Eignung als Beweismittel. Für eine völlige Ungeeignetheit der benannten Zeugen ist auch sonst nichts erkennbar.
8
b) Das Urteil beruht auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags, denn es ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es die beantragte Beweiserhebung durchgeführt hätte.
9
5. Der Senat weist zum grundsätzlichen Aufbau eines freisprechenden Urteils auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hin (vgl. zu den formellen Anforderungen, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind, auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 267 Rn. 33; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl., Rn. 619 ff.).
Becker Appl Berger Eschelbach Ott

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2011 - 4 StR 465/11

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bei uns veröffentlicht am 12.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 519/09 vom 12. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2010 gemäß

Referenzen

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 519/09
vom
12. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 26. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB in Tateinheit mit Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 Abs. 4 Ziffer 1 StGB und in Tateinheit mit Zuhälterei sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision rügt mit Erfolg die fehlerhafte Behandlung von Beweisanträgen.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts brachte der Angeklagte die damals 20jährige Nebenklägerin mit Schlägen und der Drohung, sie ansonsten den Hells Angels zu übergeben, zur Aufnahme der Prostitution. Er bestimmte sodann Zeit, Ort und Ausmaß der Tätigkeit. In einem Fall erzwang er den Anal- verkehr mit dem Opfer, bei anderer Gelegenheit schlug und trat er die Nebenklägerin und würgte sie bis zur einsetzenden Bewusstlosigkeit.
3
Der Angeklagte hat die Vorwürfe lediglich in seinem letzten Wort pauschal bestritten, im Übrigen hat er zu ihnen geschwiegen. Das Landgericht hat sich seine Überzeugung "insbesondere" aufgrund "der glaubhaften Aussage der Nebenklägerin" verschafft.
4
Das Urteil muss aufgehoben werden, weil das Landgericht mehrere Beweisanträge mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat und der Senat nicht ausschließen kann, dass das Urteil auf diesen Fehlern beruht.
5
1. Die Verteidigung hatte die Vernehmung eines Arztes und seiner Ehefrau als Zeugen zu der Tatsache beantragt, dass die Nebenklägerin zumindest im Sommer/Frühherbst 2007 keinerlei sichtbare Verletzungen an den Armen, Schultern oder im Gesichtsbereich hatte. Sie hatte dazu ausgeführt, die Nebenklägerin und der Angeklagte hätten in diesem Zeitraum im Haus der Zeugen in deren Anwesenheit gearbeitet und bei Tätigkeiten im Garten auch nur spärliche Kleidung getragen. Hintergrund des Antrags war die Behauptung der Nebenklägerin , vom Angeklagten im Jahr 2007 häufig geschlagen worden zu sein und am ganzen Körper Hämatome davongetragen zu haben. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt, "da die Vernehmung der Zeugen völlig ungeeignet" sei, "die Angaben der Nebenklägerin zu durch Einwirkung des Angeklagten erlittenen Hämatomen zu widerlegen. Selbst wenn die Zeugen bei der Nebenklägerin keine Hämatome bemerkt haben sollten, wäre das nicht einmal ein Indiz dafür, dass tatsächlich keine vorhanden waren."
6
Dies findet in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO keine Stütze. Die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Ungeeignetheit der Beweiserhebung ist dort nicht vorgesehen. Sollte das Landgericht gemeint haben, die benannten Beweismittel seien ungeeignet, wäre auch dies hier rechtsfehlerhaft. Zwar kann ein Beweisbegehren , das sich auf ein völlig ungeeignet es Beweismittel stützt, nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Dabei muss es sich aber um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (vgl. BGH StV 1997, 338, 339). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Begründung, die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt. Hieran fehlt es. Für die völlige Ungeeignetheit der benannten Zeugen ist auch sonst nichts erkennbar.
7
Sofern das Landgericht zuletzt den Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache vor Augen gehabt haben sollte, hielte die Entscheidung ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Tatrichter darf eine Tatsache nur dann als (aus tatsächlichen Gründen) bedeutungslos ansehen, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen kann, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulässt, und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Dies ist vom Tatrichter in freier Beweiswürdigung auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen. Allerdings darf das Gericht dabei die unter Beweis gestellte Tatsache nicht in Zweifel ziehen oder Abstriche an ihr vornehmen; es hat diese vielmehr so, als sei sie voll erwiesen, seiner antizipierenden Würdigung zu Grunde zu legen (BGH StV 2008, 288 m. w. N.). Danach hätte das Landgericht der in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsache den Charakter eines den Angeklagten entlastenden Indizes nicht schlechthin absprechen dürfen, sondern darlegen müssen, aus welchen Gründen es in Ansehung des bisherigen Beweisergebnisses der Tatsache keine Bedeutung für die Erschütterung seiner bisherigen Überzeugung (von der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin) beizumessen vermochte. Auch hieran fehlt es.
8
2. Mit demselben Ziel hatte die Verteidigung die zeugenschaftliche Vernehmung eines Polizeibeamten beantragt zum Beweis der Tatsache, dass die Nebenklägerin auch in dessen Haushalt im Sommer 2007 zusammen mit dem Angeklagten gearbeitet hatte und dem Zeugen trotz luftiger Kleidung keine Verletzungsspuren an der Nebenklägerin aufgefallen waren. Diesen Antrag hat das Landgericht abgelehnt, "da das Beweismittel völlig ungeeignet ist, die Angaben der Nebenklägerin zu widerlegen" und sich im Übrigen auf die Ablehnung des vorigen Beweisantrags (vorstehend 1.) bezogen. Auch diese Entscheidung ist aus den vorgenannten Gründen rechtfehlerhaft.
9
3. Auf der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht das angefochtene Urteil. Hierzu im Einzelnen:
10
Ein Urteil beruht schon dann auf einem Rechtsfehler, wenn es als möglich erscheint oder wenn nicht auszuschließen ist, dass es ohne den Rechtsfehler anders ausgefallen wäre. An dem Beruhen fehlt es nur, wenn die Möglichkeit , dass der Verstoß das Urteil beeinflusst hat, ausgeschlossen oder rein theoretisch ist (Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 337 Rdn. 255). Die Entscheidung über das Beruhen hängt - insbesondere bei Verstößen gegen das Verfahrensrecht - stark von den Umständen des Einzelfalls ab (Hanack aaO Rdn. 257).
11
Bei mit fehlerhafter Begründung abgelehnten Beweisanträgen kann ein Beruhen des Urteils in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden, wenn die Anträge mit anderer Begründung zu Recht hätten abgelehnt werden können und die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten hierdurch nicht berührt wurden (Kuckein in KK 6. Aufl. § 337 Rdn. 38 m. w. N.). Insbesondere im Zusammenhang mit Hilfstatsachen des Beweises, also mit Tatsachen, die einen zwingenden oder möglichen Schluss auf den Beweiswert eines Beweismittels zulassen, kann sich für das Revisionsgericht die Überzeugung ergeben, dass der Tatrichter den Beweisantrag auch mit der Begründung der tatsächlichen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache hätte zurückweisen und der Angeklagte sich in Kenntnis einer solchen Ablehnung nicht weitergehend hätte verteidigen können. Hierfür ist die gesamte Beweissituation, wie sie sich aus dem Urteil darstellt, ebenso von Bedeutung wie die Art und Anzahl der gestellten Beweisanträge.
12
Vorliegend hat sich der Angeklagte mit einer Vielzahl von Beweisanträgen verteidigt. Soweit dabei Tatsachen unter Beweis gestellt wurden, handelte es sich überwiegend um solche, die der Widerlegung einzelner, mit dem Tatgeschehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehender Bekundungen der Nebenklägerin oder allgemein der Weckung von Zweifeln an deren Glaubwürdigkeit dienen sollten. Die Revision rügt über die beiden vorgenannten Fälle hinaus die Ablehnung weiterer Beweisanträge als rechtsfehlerhaft. Auch insoweit weisen die Entscheidungen des Landgerichts Mängel auf, die den Generalbundesanwalt veranlasst haben, in seinem Antrag, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, jeweils umfangreich darzulegen, dass ein Beruhen des Urteils auf dem einzelnen Rechtsfehler ausgeschlossen werden könne.
Was bei isolierter Betrachtung der Beweisanträge und ihrer Behandlung durch die Strafkammer möglicherweise zu einer solchen Überzeugung des Revisionsgerichts hätte führen können, ist dem Senat vorliegend aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände nicht möglich.
13
Die Sache muss deshalb erneut verhandelt werden.
VRiBGH Becker ist wegen Pfister RiBGH von Lienen ist wegen Urlaubs an der Unterschrifts- Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. leistung verhindert. Pfister Pfister Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 465/11
vom
5. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Erörterung der Sachrüge und der weiteren Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
2
1. Nach den Feststellungen griff der Angeklagte die auf dem Sofa schlafende Geschädigte ohne Vorwarnung an und würgte sie in Tötungsabsicht, bis die gemeinsame Tochter Janine H. das Zimmer betrat. Die sich gegen den Vorwurf der Heimtücke richtende Einlassung des Angeklagten, der Angriff sei aus einer verbalen Streitigkeit heraus entstanden, die in eine körperliche Auseinandersetzung umgeschlagen sei, hat das Landgericht insbesondere aufgrund der Zeugenaussagen der Geschädigten und der gemeinsamen Tochter Janine H. als widerlegt erachtet. Die Tochter hatte in der Hauptverhandlung erklärt, von einem Röcheln geweckt worden zu sein, Kampfgeräusche aber nicht gehört zu haben.
3
2. In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger die Vernehmung der Zeugin S. zum Beweis der Tatsache, dass Janine H. gegenüber dieser unmittelbar nach der Tat angegeben habe, sie habe Geräusche in der Wohnung gehört, als ob etwas geschoben oder geruckelt werde, und sei deswegen aufgestanden, was die Annahme nahe lege, dass es, der Einlassung des Angeklagten entsprechend, zwischen diesem und dem Tatopfer vor der Tat einen Streit gegeben habe. Das Landgericht wies den Antrag zurück und führte zur Begründung aus, „bei verständiger Auslegung“ sei der Beweisantrag wegen Ungeeignetheit gem. § 244 Abs. 3 StPO abzulehnen, da sich mit diesem Be- weismittel das im Antrag begehrte Beweisergebnis nicht „nach sicherer Lebenserfahrung erzielen“ lasse. Ausführungen zum Grund für die angenommene Ungeeignetheit fehlen.
4
3. Die Ablehnung des Antrags ist rechtsfehlerhaft und zwingt zur Aufhebung des Urteils.
5
a) Ein Beweisantrag kann wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244, Rn. 230). Zeugen sind grundsätzlich geeignete Beweismittel zum Nachweis des Inhaltes von ihnen geführter Gespräche. Im vorliegenden Fall käme die Annahme völliger Ungeeignetheit der Zeugin als Beweismittel daher nur dann in Betracht, wenn ausgeschlossen werden könnte, dass diese Zeugin den Gesprächsverlauf zuverlässig in ihrem Gedächtnis behalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2004 – 4 StR 309/04, BGHR StPO, § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 23). Dies hat der Tatrichter anhand allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, die dafür oder dagegen sprechen, dass ein Zeuge die in sein Wissen gestellten Wahrnehmungen gemacht hat und sich an sie erinnern kann (Senatsbeschluss vom 14. September 2004 – 4 StR 309/04, aaO). Eine solche Beurteilung enthält die Begründung des den Antrag ablehnenden Beschlusses nicht. Die völlige Ungeeignetheit der Zeugin als Beweisperson zu Bekundungen über ein Gespräch, das bei Antragstellung weniger als sieben Monate zurücklag und das einen außergewöhnlichen Lebensvorgang zum Gegenstand hatte, lag auch nicht auf der Hand.
6
b) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Das Landgericht hat sich bei der Annahme heimtückischer Tatbegehung wesentlich darauf gestützt, die Einlassung des Angeklagten, dem Würgen sei eine Auseinandersetzung vorausgegangen , werde auch durch die Bekundung der Tochter Janine widerlegt, die bekundet hatte, keine darauf hindeutenden Geräusche gehört zu haben. Es ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Landgerichts hinsichtlich der Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke gehabt hätte.
7
4. Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Ernemann Cierniak Franke Mutzbauer Quentin

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.