Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juni 2005 - 1 StR 499/04

bei uns veröffentlicht am15.06.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 499/04
vom
15. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 30. April 2004 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und di e der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage entfällt,
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine Jugendschutzkammer des Landgerichts Regensburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen und wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Seine Revision bleibt erfolglos. Die Staatsanwaltschaft hat zum Nachteil des Angeklagten Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie erstrebt im Fall B. IV. der Urteilsgründe eine tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung und beanstandet den Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage sowie die Strafzumessung. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat teilweise Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Das Tatopfer ist die am 5. September 1982 geborene leibliche Tochter des Angeklagten. Fall B. I.: Zwischen dem 5. September 1993 und dem 4. September 1995 suchte der Angeklagte am Abend seine damals elf oder zwölf Jahre alte Tochter E. in deren Kinderzimmer auf, um ihr - wie üblich - Gute Nacht zu sagen.
Sie lag schon im Bett. Plötzlich zog er ihr unter der Bettdecke die Unterhose herunter, führte einen Finger in die Scheide ein und tastete mindestens eine Minute lang innen die Vagina ab. Das Mädchen hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine leichte Schambehaarung. Er erklärte seiner Tochter, er müsse nachsehen, ob bei ihr am Unterleib alles in Ordnung sei. Das sei ganz normal. Auch andere Väter würden das bei ihren Töchtern tun. Sie glaubte ihm dies. Als sie klagte, daß es weh tue und ihn bat aufzuhören, erwiderte er, daß sie sich den Schmerz nur einbilde. Schließlich hörte er doch auf. Fall B. II.: Zwischen dem 5. September 1995 und dem 4. September 1996 kam der Angeklagte ins Badezimmer, als die 13jährige E. in der Badewanne saß und ein Vollbad nahm. Er sagte, er wolle ihr zeigen, wie man sich richtig wäscht. Dann nahm er einen Waschlappen und fuhr ihr damit wiederholt über die Scheide und auch etwas in die Schamlippen hinein. Das ganze war ihr unangenehm und sie dachte, das könne sie ja selber machen. Fall B. III.: Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 5. September 1995 und dem 4. September 1999 traf die 13, 14, 15 oder 16 Jahre alte E. im Badezimmer auf ihren nackten Vater. Er forderte sie auf, seinen Penis anzufassen, was sie ablehnte. Daraufhin nahm er ihre Hand, führte diese zu seinem Glied, so daß sie das Glied ihres Vaters in der Hand hatte. Als er ihre Hand losließ, ließ auch sie das Glied sofort wieder los. Er lachte, weil sie so "gschamig" sei.
Fall B. IV.: Im Oktober 1999, als der Angeklagte am Morgen eines Wochenendes mit der 17jährigen E. allein in der Küche war, packte er sie plötzlich von hinten über der Bekleidung an beide Brüste und presste sie an sich. Als sie sich wehrte und versuchte, seine Hände wegzudrücken, faßte er noch fester zu, bezeichnete sie als Zicke und sagte, sie solle sich nicht so anstellen. Schließlich konnte sie sich losreißen, flüchtete weinend aus der Küche an der Mutter vorbei in ihr Zimmer. Die Mutter, die einen normalen Streit vermutete, schickte den Vater zur Aussprache hinterher. In dem Gespräch sagte er seiner Tochter, "sie sei so geil und er werde sie eines Tages richtig nehmen". Sie machte ihm klar, daß das so nicht weitergehe und daß für sexuelle Dinge seine Frau zuständig sei. Er reagierte - wie auch sonst, wenn sie ihn zurückwies - mit Ignorieren und behandelte sie über Monate hinweg wie Luft.
In den Jahren 1998 bis 2000 fügte sie sich ca. zehnmal mit einer Einwegrasierklinge mehrere kleine blutende Schnittwunden am Arm zu. Sie wollte sich wehtun, weil sie sich die Schuld an dem gab, was passiert war. Am 17. August 2000 zog sie aus dem Elternhaus aus. 2. Der Angeklagte bestreitet die Taten, ohne sich sonst zur Sache einzulassen. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen (UA S. 13, 38 bis 44, 130 bis 132), daß die Strafkammer bei Fall B. I. aufgrund der für glaubhaft erachteten Aussage der Geschädigten in der Hauptverhandlung
einen weiteren Teilakt für erwiesen hält, wenn sie ihn auch in die Sachverhaltsschilderung nicht aufgenommen hat. Sie sieht folgende Angaben als erwiesen an: "So habe sich der Angeklagte eines Abends in ihrem Kinderzimmer vor ihr Bett gekniet, das ziemlich niedrig gewesen sei, habe ihre Beine gespreizt und sei langsam mit seinem Mund zu ihrer Vagina. Dann habe er mit der Hand ihre Schamlippen auseinandergezogen und sei mit der Zunge in die Scheide eingedrungen. Zudem sei er mit der Zunge auch auf ihrer Klitoris auf und ab gefahren. Dazu habe er gesagt, er wolle ihr Gutes tun und sie stimulieren. Ihrer Mutter würde das auch immer gefallen und das sei alles ganz normal. Weh getan habe es nicht. Das Ganze sei ihr aber unangenehm und eklig gewesen" (UA S. 38). "... sie glaube, der Vorfall mit dem Finger in der Scheide und mit der Zunge in der Scheide sei am gleichen Abend gewesen und das mit dem Finger in der Scheide sei das Erste gewesen. Aus heutiger Sicht komme ihr das Ganze wie ein Vorfall vor" (UA S. 42). Das Tatgeschehen mit dem Eindringen der Zunge war unter Ziffer 2 der Anklage in Tatmehrheit angeklagt. Die Kammer hat nach der Hauptverhandlung einen einheitlichen historischen Vorgang mit Tat I. als möglich angesehen und meinte unter Berücksichtigung des Grundsatzes "ne bis in idem" den Angeklagten in diesem Punkt aus rechtlichen Gründen freisprechen zu müssen.

II.

Die Revision des Angeklagten:
1. Die auf § 244 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO gestützte Verfahrensrüge , das Landgericht habe den Beweisantrag vom 1. Dezember 2003 auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich der Geschädigten zu Unrecht mit eigener Sachkunde abgelehnt, hat keinen Erfolg. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs "ureigenste" Aufgabe des Tatrichters (so schon BGHSt 8, 130). Ein Ausnahmefall ist hier bei der erwachsenen Zeugin nicht gegeben. Die Revision argumentiert auf der Basis einer gravierenden Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert. In dem Beweisantrag wurde behauptet , daß die Zeugin ab Juli 2000 an einer solchen leide. Dazu wurde Bezug genommen auf die Aussage der Psychotherapeutin L. , die mit der Geschädigten vom 26. Juli 2000 bis zum 25. Oktober 2001 Beratungsgespräche geführt hat. Nach den Urteilsfeststellungen hat die Zeugin L. sich dahingehend geäußert, E. sei das alles sichtlich peinlich gewesen. Sie habe viel geweint und sei sehr aufgewühlt gewesen. Sie habe Angst vor dem Vater, Selbstmordgedanken, Schlafstörungen und Depressionen gehabt (UA S. 62). Dieser Beweisantrag wurde vor der Vernehmung der Geschädigten in der Hauptverhandlung gestellt. Nach deren Vernehmung beantragte der Verteidiger am 12. März 2004 ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, daß bei der Geschädigten keinerlei psychophysische Ausfallerscheinungen oder Erkrankungen vorliegen, die einen Rückschluß auf einen stattgefundenen sexuellen Mißbrauch zulassen , was die Kammer als wahr unterstellt hat. Damit hat die Verteidigung selbst die Behauptung einer gegenwärtigen Persönlichkeitsstörung fallengelassen. Weder die Urteilsfeststellungen zum Zustand der Geschädigten während der psychotherapeutischen Behandlung, zu ihrem weiteren Lebenslauf nach
dem Auszug aus dem Elternhaus - Abschluß Wirtschaftsschule, erfolgreiche Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau, eigene Wohnung - noch die Unsicherheiten in der zeitlichen Einordnung der Taten ergeben Anknüpfungstatsachen für eine frühere oder derzeit noch bestehende schwere Persönlichkeitsstörung von Krankheitswert oder sonstige besondere Umstände, die die Kammer zur Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich der Geschädigten gedrängt hätten. 2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten ist frei von Rechtsfehlern. Eine vom Fehlen sonstiger Erkenntnisse gekennzeichnete Konstellation von "Aussage gegen Aussage" (BGH NStZ 2004, 635, 636) liegt nicht vor. Es gibt nämlich eine Reihe von Indizien, die die Strafkammer in die Würdigung der zentralen Aussagen der Geschädigten einbeziehen konnte, wie ihre früheren Offenbarungen gegenüber Dritten, der psychische und physische Zustand der Geschädigten in den Tatzeiträumen und danach sowie die Selbstverletzungen. Dies sind objektive Umstände von Gewicht, die die Kammer für die Richtigkeit der Darstellung des Opfers herangezogen hat. Gleichwohl hat sie die Prüfungskriterien aus der Entscheidung BGHSt 45, 164 angewandt. Sie hat eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen. Ausführlich hat sie sich damit auseinandergesetzt, ob die Mißbrauchsvorwürfe von der Belastungszeugin erfunden wurden, um häuslichen Pflichten zu entgehen, um vom Vater Unterhalt für ein freies unabhängiges Leben zu
erhalten, und ist zu dem nachvollziehbaren Schluß gelangt, daß sämtliche Übergriffe erlebnisfundiert sind und die Angst vor dem angekündigten Geschlechtsverkehr die Tochter aus dem Elternhaus getrieben hat. Die Aussagegenese , die Konstanz, den Detailreichtum und die Originalität in den jeweiligen Bemerkungen des Vaters bei den einzelnen Taten hat die Kammer herausgearbeitet. Sie hat sich weiter für den Erlebnisbezug sämtlicher Vorfälle auf die von Zeugen bestätigten Selbstverletzungen und Selbstvorwürfe der Geschädigten sowie deren freiwillige, von ihren begrenzten finanziellen Mitteln selbst bezahlten psychotherapeutischen Gespräche gestützt. Die Kammer hat sich auch mit den verschobenen Tatzeiträumen im Vergleich zur Anklage in den Fällen B. I., II. und III. und in den früheren Aussagen des Opfers auseinandergesetzt und ist einerseits zum Ergebnis gelangt, daß unabhängig vom Tatzeitraum die Taten unverwechselbar individualisiert seien, selbst bei der Zeitspanne von 1995 bis 1999 im Fall III.. Insoweit befindet sie sich im Einklang mit der Rechtsprechung (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Mindestfeststellungen 6). Andererseits sieht sie rechtsbedenkenfrei in den Problemen der Zeugin mit der zeitlichen Einordnung Jahre nach den Taten, die diese selbst mit einem Verdrängungsmechanismus erklärt hat, keinen Anlaß, an der Glaubhaftigkeit der Kernaussagen zu zweifeln. An die Erinnerungsfähigkeit von Zeugen, die Opfer sexueller Serienstraftaten geworden sind (eine Vielzahl wurde eingestellt), dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BGHSt 40, 44, 46). II I. Die Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Die Urteilsfeststellungen tragen die angestrebte tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung im Fall B. IV. der Urteilsgründe nicht. Diesen tateinheitlich angeklagten Tatbestand hat das Landgericht nicht als erfüllt an-
gesehen, weil die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht bestätigt hat, daß sie bei diesem sexuellen Übergriff Schmerzen erlitten habe. Ob überhaupt eine negative Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens herbeigeführt wurde, wofür die Staatsanwaltschaft ein Indiz im Weinen der Zeugin sieht, oder ob nur das seelische Wohlbefinden berührt war, kann offenbleiben. Jedenfalls kommt im Falle einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens dieser kein selbstständiger Unrechtsgehalt zu, weil es sich hier um nicht mehr als einen zwangsläufigen Begleitumstand der sexuellen Nötigung handelt (BGH, Beschluß vom 2. Juli 2002 - 3 StR 201/02; BGH bei Miebach NStZ 1995, 224). 2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht den Teilfreispruch hinsichtlich Ziffer 2 der Anklage. Das Landgericht, das nach der Hauptverhandlung eine Tat im Rechtssinne zwischen dem Tatgeschehen aus Ziffer 2 der Anklage und Fall B. I. der Urteilsgründe als möglich annimmt, hat den Zweifelssatz zu Gunsten des Angeklagten zutreffend auf die Konkurrenzen angewendet (BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 1 bis 4; BGH StV 1992, 54). Dann hätte aber bei dem für erwiesen erachteten Sachverhalt kein Teilfreispruch ergehen dürfen (BGHSt 44, 196). Vielmehr erhöht der zweite Teilakt - das Eindringen mit der Zunge in die Scheide - den Schuld- und Unrechtsgehalt im Fall B. I. nicht unerheblich. Er hätte bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne berücksichtigt werden müssen. 3. Der Tatrichter hat § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6. StrRG fehlerhaft ausgelegt und daraus fehlerhafte Schlüsse auf das als mildestes Gesetz anzuwendende Tatzeitgesetz (§ 2 Abs. 3 StGB) im Fall B. I. gezogen.
Das Eindringen mit dem Finger in die Scheide erfüllt den Tatbestand des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Sinne der zitierten Vorschrift (BGH NJW 2000, 672). In der irrigen Annahme, dieses Geschehen könne einen solchen schweren sexuellen Mißbrauch nicht begründen, hat das Landgericht "aus dem gleichen Grund" einen unbenannten besonders schweren Fall im Sinne des Tatzeitgesetzes nach § 176 Abs. 3 Satz 1 StGB in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung des 4. StrRG verneint (UA S. 113). 4. Die Strafzumessung zu Fall B. I., für den das Landgericht eine Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt hat, ist danach mit zwei Rechtsfehlern behaftet. Der Oralverkehr blieb völlig unberücksichtigt und das Eindringen mit dem Finger wurde falsch bewertet. Die aufgezeigten Mängel führen im Ergebnis nicht nur zur Aufhebung der eher milden Einzelstrafe für die Tat B. I., sondern auch zur Aufhebung der übrigen Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei Tatmehrheit die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung der übrigen Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, daß diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt sind (BGH NJW 1979, 378; NJW 1981, 2204, 2206; NStZ 2001, 323). Dies kann insbesondere dann gelten, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Beides ist hier der Fall. Hinzu kommt, daß es sich bei der fehlerhaften Einzelstrafe um diejenige für die erste Tat handelt. Der Senat hat daher den Strafausspruch insgesamt aufgehoben. 5. Weitere den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler hat die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge der Staatsanwaltschaft nicht ergeben.

IV.

Der Senat sieht Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat der Tatrichter - wie hier geschehen - grundsätzlich drei unterschiedliche Strafmilderungsgründe zu bedenken:
a) Langer zeitlicher Abstand zwischen Tat und Urteil
b) Belastungen durch lange Verfahrensdauer
c) Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (vgl. BGH NStZ 1999, 181). Dies gilt sowohl für die Festsetzung der Gesamtstrafe als auch für die Festsetzung der Einzelstrafen (BGH NStZ 2003, 601). 2. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots hat das Landgericht hier darin gesehen, daß das Verfahren über elf Monate nicht gefördert worden ist. Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt aber nicht ohne weiteres zu einer derartigen Verletzung (BGH NStZ 2003, 384). Es ist auf die Gesamtdauer des Verfahrens abzustellen, deren Angemessenheit sich nach einer Gesamtwürdigung bestimmt, in die neben Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens auch das Verhalten des Beschuldigten und seines Verteidigers einzubeziehen ist.
Ob Umstände vorliegen, die eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung oder deren fehlerhafte Annahme begründen, kann das Revisionsgericht allerdings nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge überprüfen (BGH NStZ 2000, 418; StV 1999, 205). Nack Wahl Kolz Elf Graf

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2002 - 3 StR 201/02

bei uns veröffentlicht am 02.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 201/02 vom 2. Juli 2002 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Juli 2002 g

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 201/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Juli 2002 gemäß
§ 154 a Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das Verfahren gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der sexuellen Nötigung (Fall II 2) und der Vergewaltigung (Fall II 3) beschränkt;
b) das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 4. März 2002 aa) im Schuldspruch zur Klarstellung dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung schuldig ist sowie bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung sowie wegen Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschluûformel ersichtlichen Umfang Erfolg. 1. Der Senat hat die Strafverfolgung gemäû § 154 a Abs. 2 StPO auf die Vorwürfe der sexuellen Nötigung (Fall II 2 der Urteilsgründe) und der Vergewaltigung (Fall II 3 der Urteilsgründe) beschränkt. Die getroffenen Feststellungen belegen bezüglich der jeweils tateinheitlich angenommenen Körperverletzung nicht hinreichend, daû die Opfer über die in der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung liegenden üblen und unangemessenen Behandlung hinaus körperlich miûhandelt worden sind (vgl. dazu BGH NJW 1963, 1683; BGH bei Miebach NStZ 1995, 224).
2. Auf Grund der Verfolgungsbeschränkung war der Schuldspruch wie geschehen zu ändern und der Strafausspruch aufzuheben. Die Strafkammer hat ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten gewertet, daû er in beiden Fällen zwei Straftatbestände verwirklicht und jeweils tateinheitlich den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt hat. Winkler Miebach Pfister von Lienen Becker

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.