Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 474/03
vom
4. Februar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet. I. Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der 1952 geborene Angeklagte vor der hier abgeurteilten Tat bereits vier Banküberfälle. Im Jahr 1982 überfiel er die Volksbank S. , wo er ca. 14.000 DM erbeutete, und auf der Flucht sodann eine Zweigstelle der Volksbank F. ; dort erreichte er die Herausgabe von 16.000 DM. Nachdem er seine Beute durch Glücksspiele verbraucht hatte, überfiel er schließlich eine Bank in D. und erwirkte die Übergabe von 97.000 DM. Deswegen verurteilte ihn das Landgericht Düsseldorf 1984 wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten,
die der Angeklagte verbüßte. Während eines Hafturlaubes überfiel er 1988 eine Bankfiliale in K. . Dort nahm er im Kassenraum 50.000 DM an sich und erreichte schließlich vom Filialleiter die Herausgabe weiterer 112.000 DM. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Landgericht Karlsruhe 1988 wegen schwerer räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten. Nachdem der Angeklagte zwischenzeitlich noch wegen Sachbeschädigung , begangen bei einem Fluchtversuch aus der Justizvollzugsanstalt, zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, wurde er im August 1999 aus der Strafhaft entlassen. Im August des Jahres 2002 sah der Angeklagte dem Verlust seines Arbeitsplatzes entgegen; er war zudem verschuldet. Mit zwei Bekannten erwog er, eine Bank zu überfallen. Nachdem drei verschiedene Objekte ins Auge gefaßt waren, überfiel er schließlich am 26. August 2002 gemeinsam mit dem früheren Mitangeklagten P. die Filiale der Kreissparkasse E. in O. . Der Angeklagte und P. führten je eine Schreckschußpistole bei sich, die für einen unbefangenen Beobachter wie echte Schußwaffen aussahen. Der Angeklagte hatte überdies - wie schon bei einem der früheren Überfälle - eine Bombenattrappe vorbereitet, mit der er die in einer gesicherten Kassenbox stehende Kassiererin zum Öffnen der Zugangstür zwingen wollte. P. war mit einer Gesichtsmaske aus Armeebeständen ausgestattet , der Angeklagte hatte lediglich eine Baseballmütze auf dem Kopf und verzichtete sonst auf Tarnung. Er trat vor die Kassenbox, zog aus dem mitgeführten Rucksack seine Schreckschußwaffe und richtete diese durch das Sicherheitsglas auf die Kassiererin. Gleichzeitig stellte er seine Bombenattrappe direkt an das Sicherheitsglas und sagte: "Dies ist ein Überfall. Jetzt geht gleich eine Bombe hoch. Machen Sie die Tür auf!" Als die Kassiererin erwiderte, der
Angeklagte solle "den Blödsinn" lassen, betrat auch der Mittäter P. die Bank und hielt seine Waffe in der Hand. Er ging zielstrebig zu den hinteren Büroräumen. Die Kassiererin fürchtete nun um ihr Leben und öffnete die Zugangstür zur Kassenbox. Der Angeklagte richtete weiter seine Waffe auf sie und befahl ihr, sich auf den Boden zu legen. Er ging zum Schalter und packte die auf dem Kassentisch liegenden Geldscheine ein. Er befahl der Zeugin, sie solle auf dem Boden liegen bleiben und ging dann zum Ausgang. Der Mittäter P. hatte im rückwärtigen Büroraum seine Waffe auf die junge Filialleiterin gerichtet, die im dritten Monat schwanger war, in Panik geriet und Todesangst verspürte. Auch sie mußte sich auf den Boden legen und die Arme spreitzen. Sie versuchte jedoch, sich etwas auf die Seite zu legen, da sie panische Angst hatte, sich in ihrem Zustand auf den Bauch zu legen. Sie flehte den Mittäter P. an, ihr nichts zu tun. Als dieser hörte, daß der Angeklagte dabei war, die Bank zu verlassen, drehte er sich um und folgte diesem. Beide fuhren davon. Die Beute belief sich auf knapp 50.000 Euro. Die beiden Bankbediensteten befanden sich infolge des Überfalls in einem Schockzustand. Die Filialleiterin war völlig aufgelöst, mußte einen Arzt aufsuchen und war für zwei Wochen krankgeschrieben. Sie mußte danach therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen , ist nach der Geburt ihres Kindes beurlaubt und hat sich nicht vorstellen können, wieder ihre Funktion als Filialleiterin auszuüben oder im Kassenbereich zu arbeiten. Das Landgericht hat von der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten abgesehen. Die formellen Voraussetzungen seien zwar erfüllt (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB). Der für die Anordnung erforderliche Hang des Angeklagten zu erheblichen Straftaten sei indessen nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Bei dem Angeklagten bestehe zwar ein "erhöhtes Rückfallrisiko". Er verfüge aber über ein
intaktes Wertesystem. Auf ihn könne durchaus positiv eingewirkt werden, wie seine positive Entwicklung nach einer fast zweijährigen Sozialtherapie im Rahmen des Vollzuges zeige. Das erhöhte Rückfallrisiko mindere sich bereits durch die erkannte vieljährige Freiheitsstrafe. Der Angeklagte werde nach der zu erwartenden vollständigen Verbüßung nahezu 60 Jahre alt sein. Dadurch mindere sich die Rückfallwahrscheinlichkeit, "jedenfalls für die Begehung von Banküberfällen". Aus einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit könne zudem nicht unmittelbar auf einen inneren Hang geschlossen werden. Sicherungsverwahrung sei die ultima ratio strafrechtlicher Sanktionen. Deshalb seien besondere Anforderungen an die Feststellung der Voraussetzungen zu stellen. Zudem unterscheide sich die neue Tat des Angeklagten von früheren Taten. Hier sei der Tatentschluß in Vorgesprächen mit dem Mittäter wechselseitig bestärkt worden. Der Angeklagte selbst habe am Tattag noch zweimal Vorwände gefunden , um die Tat bei verschiedenen angefahrenen Objekten nicht auszuführen , dann aber nicht über "genügend Kraft" verfügt, seine Bedenken auszusprechen und das Vorhaben "abzublasen". II. Die Begründung, mit der das Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1. Soweit die Strafkammer ausführt, ein Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten sei nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellbar , läßt dies besorgen, daß sie die Anforderungen an die Annahme eines solchen Hanges überspannt hat (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läßt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten
entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wie- der straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet; ebenso aber auch derjenige , der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist das Bestehen eines solchen Hanges, nicht dessen Ursache (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502; BGH, Beschluß vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01). Die Strafkammer hat ausgeführt, aus der - von ihr angenommenen - erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit könne nicht unmittelbar auf einen inneren Hang geschlossen werden. Sie hätte sich in diesem Zusammenhang näher mit den Vorverurteilungen und den Umständen, unter denen es zu diesen wie auch zur verfahrensgegenständlichen Tat kam, auseinandersetzen müssen. Der Angeklagte hat nach drei Banküberfällen aus einem Hafturlaub heraus erneut 1988 eine einschlägige Tat begangen und zwei langjährige Freiheitsstrafen verbüßen müssen. Zwar ist er nach seiner Haftentlassung etwa drei Jahre nicht straffällig geworden, hat dann aber, in einer schwieriger werdenden Lebenssituation im Alter von 50 Jahren die neue Tat begangen. Unter diesen Umständen hätte die Strafkammer darauf eingehen müssen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß der Angeklagte den durch seine Lebenslage bedingten Einflüssen und der von anderen Personen ausgehenden Versuchung letztlich nachgab. Dies deutet auf innere Haltlosigkeit und Willensschwäche hin, in deren Folge der Angeklagte Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Auch darin kann eine fest eingewurzelte Neigung gründen, in entsprechenden Situationen schwerwiegende Straftaten zu begehen. Nach der Begehung des fünften Banküberfalls liegt solches eher nahe. 2. Schließlich geben die Urteilsgründe Anlaß zu der Annahme, daß das Landgericht auch für die Gefährlichkeitsprognose von einem nicht zutreffenden
Maßstab ausgegangen sein könnte. Es hat ausgeführt, das erhöhte Rückfallrisiko mindere sich durch die erkannte vieljährige Freiheitsstrafe; der Angeklagte werde nach der zu erwartenden vollständigen Verbüßung nahezu 60 Jahre alt sein. Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist für die Gefährlichkeitsprognose (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich (vgl. BGHSt 25, 59, 61; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 3; BGH NStZ 2002, 535; siehe zu § 66 Abs. 2 StGB auch BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 1 StR 102/03 - UA S. 21). Die Frage, ob die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft noch vorhanden sein wird, muß grundsätzlich einer Überprüfung nach § 67 c Abs. 1 StGB vor Ende des Vollzuges der Strafe vorbehalten bleiben. Der Tatrichter darf - zumal bei der Frage einer obligatorischen Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB - dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges allenfalls dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daß aufgrund dessen eine Gefährlichkeit des Täters bei Ende des Vollzuges der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloße Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Umstände können die Gefährlichkeit jedoch nicht ausräumen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3; BGH, NStZ 2002, 535; NStZ-RR 1998, 206; BGH, Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; Urteil vom 20. Februar 2002 - 2 StR 486/01). Die Würdigung der Strafkammer, die genannten Umstände (vieljährige Freiheitsstrafe, Lebensalter nach Verbüßung nahezu 60 Jahre) minderten die Rückfallwahrscheinlichkeit, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Charakterisierung des Angeklagten und die Prognose legen eher nahe, daß eine nicht mehr bestehende Gefährlichkeit zum
Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft nicht sicher wird angenommen wer- den können. Das deutet die Strafkammer selbst an, indem sie von einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit ausgeht. III. Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung muß mithin neu befunden werden. Auch der Ausspruch über die Freiheitsstrafe kann danach keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat hervorgehoben, daß sie auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie die Sicherungsverwahrung hätte anordnen müssen. Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, daß zwischen der Bemessung der Höhe einer zu verhängenden Freiheitsstrafe und der Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung kein unmittelbarer und notwendiger Zusammenhang besteht. Die Zumessung der Strafe folgt grundsätzlich der Schuld des Täters; die Wirkungen, die von ihr für das künftige Leben des Täters zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 1 StGB; vgl. auch BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1). Die Sache ist an eine allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen, weil lediglich gegen den erwachsenen Angeklagten neu zu verhandeln und zu entscheiden ist.
Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf

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Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/01
vom
20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Februar
2002, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2001 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern und sexuellen Mißbrauchs von Kindern in jeweils elf Fällen in Tateinheit mit dem Sichverschaffen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften, sowie wegen Sichverschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich allein dagegen, daß das Landgericht die Anordnung von Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fertigte der Angeklagte während eines vierwöchigen Besuchs seiner damals fünfjährigen Nichte J. in 18 Fällen Film- und Fotoaufnahmen von dem nackten Mädchen. Unter anderem filmte der Angeklagte, wie er das Kind am Körper berührte und mit ihm
nachstellte, es werde geschlachtet. Er hängte seine Nichte nackt und an den Füûen gefesselt, mit dem Kopf nach unten, an einer in der Wohnung angebrachten elektrischen Seilwinde auf, was ihn stark sexuell erregte. Auch in diesem Zustand fotografierte und filmte er das Kind mit Hilfe der auf einem Stativ stehenden Videokamera. Dabei faûte er es an und stellte teilweise wiederum Schlachtszenen nach, indem er auch mit einem Küchenmesser an dem Körper des Kindes hantierte, ohne es aber zu verletzen. Obwohl es mit zunehmender Dauer und Häufigkeit dieser Behandlung immer heftiger protestierte, lieû der Angeklagte das Mädchen mehrfach einige Minuten lang laut schreiend und weinend an der Seilwinde hängen. Er kämpfte immer wieder mit der Idee, das Mädchen umzubringen, damit sie ihn nicht verraten könnte, konnte diesen Drang aus Zuneigung zu dem Kind aber überwinden. Wenige Wochen vor den geschilderten Vorfällen überredete der Angeklagte seine damals 13jährige Nichte N. zu fünf Besuchen in seiner Wohnung, nach denen sie jeweils Geldbeträge zwischen 20 und 100 DM erhielt. Auch während dieser Besuche fertigte der Angeklagte Videoaufnahmen, wobei er das nie völlig entkleidete Mädchen zum Teil fesselte und u.a. in dessen Genital - und Analbereich manipulierte. 2. Der Angeklagte weist eine schwere sexuelle Perversion in Form des Sadismus mit geringfügigen masochistischen Zügen und kannibalistischen sowie pädophilen Neigungen auf. Infolge dieser als schwere andere seelische Abartigkeit zu qualifizierenden Störung war er bei allen Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, ohne daû seine Schuldfähigkeit gänzlich aufgehoben war. Der Angeklagte, der eine von Gewalt und sexuellem Miûbrauch geprägte Kindheit erlebte, hatte seit seinem zwanzigsten Lebensjahr abnorme sexuelle Phantasien entwickelt, die z.B. das Aufhängen und
Schlachten von Frauen zum Gegenstand hatten. Er befriedigte seine Bedürfnisse viele Jahre lang mit Hilfe einschlägiger pornographischer Videos. Auch sammelte er Zeitungsartikel über Kannibalen und Massenmörder von Kindern; aus Werbeblättern mit Abbildungen aufgehängter Schweinehälften und Fotos kleiner blonder Mädchen fertigte er Collagen. Kurz vor den oben geschilderten Geschehnissen hatte der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte bereits unter einem Vorwand zwei kleine Mädchen zu sich nach Hause mitgenommen, diese dann aber unbehelligt gehen lassen. Die angeordnete Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus hat die Kammer damit begründet, daû sämtliche Taten in der sexuellen Abnormität des Angeklagten wurzeln und er auch zukünftig für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Das Landgericht meint aber, bei dem Angeklagten liege kein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, da für ihn nicht eine so schwere Störung prognostiziert werden müsse, daû die Allgemeinheit vor ihm nur im Wege der Sicherungsverwahrung geschützt werden könne. Es sei nicht auszuschlieûen, daû der Angeklagte in der Lage sein werde, im Rahmen der Unterbringung seine positiven Charaktereigenschaften dauerhaft zu mobilisieren und in Zukunft bei genügend gefestigten Lebensstrukturen seinen Sexualtrieb ausreichend zu beherrschen. II. Die Begründung, mit der das Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung verneint, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Diese führen gleichwohl nicht zur Aufhebung des Urteils, weil die Anordnung von Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten im Ergebnis zu Recht unterblieben ist. 1. Unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen ist die Wertung des Landgerichts zu § 63 StGB einerseits und § 66 StGB andererseits in sich
widersprüchlich. Die Kammer geht bei dem Angeklagten aufgrund der sexuellen Perversion von einem seine Schuldfähigkeit dauernd beeinträchtigenden Zustand aus und stellt fest, daû alle abgeurteilten Taten in seiner sexuellen Abnormität wurzeln, er daher auch in Zukunft für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Mit dieser Beurteilung unvereinbar ist der dann gezogene Schluû, der Angeklagte weise keinen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten auf. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läût. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist nur das Bestehen des verbrecherischen Hanges, nicht dessen Ursache, denn anders als bei dem die Gefährlichkeit begründenden Zustand im Sinne der §§ 63, 64 StGB beschreibt das Gesetz seine möglichen Ursachen nicht (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502; BGHSt 24, 160, 161). Die hier abgeurteilten Anlaûtaten stellen sich ohne weiteres als symptomatisch für die verbrecherische Neigung des Angeklagten dar, da sich in ihnen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB bereits hinreichend manifestiert hat. Auch die weitere Argumentation in dem angefochtenen Urteil begegnet rechtlichen Bedenken. Denn die Strafkammer stellt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auf eine - allenfalls mögliche, mehr erhoffte als erwartete - weitere positive Entwicklung des Angeklagten ab. Für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Täters sind aber die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Urteilsfindung entscheidend (st.Rspr., BGHSt 24, 160, 164; BGH
NStZ-RR 1998, 206). Zwar können im Rahmen der Ermessensentscheidung (§ 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB) auch solche Gesichtspunkte beachtlich sein, die sich auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung beziehen; die Gefährlichkeit eines Täters kann u.U. dann verneint werden, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daû sie bei Ende des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloûe Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Lebensumstände können die Gefährlichkeit eines Täters jedoch nicht ausräumen (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 206; Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00). Der Hangtäter ist für die Allgemeinheit gefährlich, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daû er auch in Zukunft Straftaten begehen wird und diese eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Diese Wahrscheinlichkeit ist regelmäûig schon gegeben, wenn die Eigenschaft als Hangtäter festgestellt ist. Nur wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen, kann die Gefährlichkeit verneint werden; dabei müssen diese Umstände feststehen (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3 und 5 m.w.N.). Daû von dem Angeklagten zur Zeit der Urteilsfindung die Gefahr weiterer , den Anlaûtaten vergleichbarer Straftaten ausging, ergibt sich aus den Urteilsgründen zu Entstehung, Verlauf, Ausbruch und Weiterentwicklung der sexuellen Perversion des Angeklagten. Umstände, die die hieraus folgende Gefährlichkeitsprognose entkräften könnten, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Unerheblich ist bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 StGB, daû möglicherweise der Gefährlichkeit des Angeklagten auch durch eine Unterbringung nach § 63 StGB begegnet werden kann.
2. Unbeschadet der fehlerhaften Rechtsanwendung durch das Landgericht ist die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung im Ergebnis aber nicht zu beanstanden. Denn bei der hier gegebenen Konstellation ist im Hinblick auf § 72 StGB für die Verhängung von Sicherungsverwahrung kein Raum. Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 63 StGB als auch des § 66 StGB vor, ist die kumulative Anordnung beider Maûregeln grundsätzlich möglich , da die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gegenüber der Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel darstellt (st.Rspr., vgl. BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1998, 35). Unter Beachtung des Grundsatzes, daû der Sicherungsverwahrung als "letztes Mittel der Kriminalpolitik" in starkem Maûe ultima-ratio-Charakter zukommt (vgl. BGHSt 30, 220, 222; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SexualdelBekG vom 14. November 1997, BTDrucks. 13/8586, S. 8), wird eine Anordnung beider Maûregeln freilich nur ausnahmsweise erfolgen, sofern die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Erreichung des Maûregelzwecks - Abwehr der Gefährlichkeit des Täters - im Einzelfall nicht ausreicht und Gründe vorliegen , die ein Nebeneinander der beiden Maûregeln zweckmäûig erscheinen lassen. Ausschlaggebend für die Auswahl oder Häufung der Maûregeln sind dabei die besonderen Umstände des Einzelfalles (BGHSt 5, 315). Wenn - wie im vorliegenden Fall - der im Rahmen von § 66 StGB vorausgesetzte Hang ausschlieûlich auf einen psychischen Defekt zurückgeht, welcher gleichzeitig die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet, ist die Unterbringung nach § 63 StGB vorrangig und deren alleinige Anordnung im Regelfall auch ausreichend (vgl. BGHR StGB § 63 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 1998, 35; BGHSt 42, 306, 308). Da § 63 StGB das Bestehen von Heilungsaussichten nicht voraussetzt, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit vor
kranken und gefährlichen Tätern dient, gilt dies prinzipiell auch bei mangelnder oder zweifelhafter Therapierbarkeit des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1995, 588; 1998, 35). Daû die Unterbringung von schwer oder gar nicht therapiefähigen Sexualstraftätern im psychiatrischen Krankenhaus tatsächliche Schwierigkeiten in der Vollzugspraxis mit sich bringt (vgl. Gutachten der unabhängigen Expertenkommission vom 31. Januar 1996, MSchrkrim 1996, 147, 156 f.; Hanack in LK 11. Aufl. § 72 Rdn. 25), vermag an der rechtlichen Ausgangssituation nichts zu ändern. Abweichend von dem dargelegten Grundsatz kann sich ein Bedürfnis für die zusätzliche Anordnung der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung (§ 72 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise dann ergeben, wenn im konkreten Fall zu besorgen ist, daû der von § 63 StGB vorausgesetzte Zustand des Täters - etwa nach erfolgreicher Therapie oder aus anderen Gründen - später entfällt, die Gefährlichkeit aufgrund eines weiterhin gegebenen Hanges aber gleichwohl fortbesteht. Denn bei Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB wäre diese Maûregel in analoger Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5 StGB für erledigt zu erklären, selbst wenn von dem Untergebrachten weiterhin Straftaten zu befürchten sind (vgl. BGHSt 42, 306, 310; OLG Hamm NStZ 1982, 300; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151; OLG Frankfurt StV 1985,
117). Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Bei der hier gegebenen Sachlage ist auch nicht ersichtlich , daû weitere, in diese Richtung gehende Feststellungen zu treffen wären. Jähnke Detter Bode Otten Fischer

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 102/03
vom
2. Dezember 2003
in der Strafsache
gegen
BGHR: ja
BGHSt: ja zu A. II. 2.
Veröffentlichung: ja
__________________________
Ein erkennender Richter ist nicht "in der Sache" als Staatsanwalt tätig gewesen und
deshalb von der Mitwirkung ausgeschlossen, weil er in seinem früheren Amt als
Staatsanwalt im Rahmen von Todesermittlungen die Obduktion der Leiche eines vor
der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen und Tatgeschädigten angeordnet hat.
Das gilt auch dann, wenn vor der Obduktion für den Fall einer bei dieser feststellbaren
Fremdverursachung hypothetische Erwägungen über eine etwaige Verantwortung
des Angeklagten für den Tod des Zeugen angestellt worden sind, die Obdukti-
on jedoch keinen Anhalt für ein Fremdverschulden erbracht und die Todesermittlungen
ohne weiteres eingestellt worden sind.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 1 StR 102/03 - LG Augsburg
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. Die Strafverfolgung wird in den Fällen zum Nachteil der Geschädigten E. und H. (B. II. 2.a. und 3.a. der Gründe des Urteils des Landgerichts Augsburg vom 25. Juli 2002) mit Zustimmung des Generalbundesanwalts dahin beschränkt, daß von der Ahndung wegen Zuhälterei abgesehen wird (§ 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO). II. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. Juli 2002 wie folgt im Schuldspruch geändert und im Rechtsfolgenausspruch berichtigt:
a) Der Angeklagte ist im Komplex I ("Taten vor der Zäsur", erste Gesamtstrafe) schuldig - der Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Körperverletzung in zwei Fällen, - der Nötigung in drei Fällen, - der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 30 Fällen, - des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 112 Fällen. Er ist deswegen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuburg/Donau vom 13. August 1998 und aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Juli 1999 sowie unter Auflösung der mit Beschluß des Amtsgerichts Augsburg vom 25. November 1999 gebildeten Gesamtstrafe zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Einzelstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei sowie der damit in Tateinheit stehenden Delikte zum Nachteil D. , Ha. , E. und H. entfällt.
b) Der Angeklagte ist im Komplex II ("Taten nach der Zäsur", zweite Gesamtstrafe) schuldig - der Zuhälterei in zwei tateinheitlichen Fällen, in weiterer Tateinheit mit Ausbeutung von Prostituierten in vier Fällen und mit elf Fällen der Körperverletzung, davon in je einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und mit Bedrohung, - der Nötigung in zwei Fällen, - der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit zwei Fällen der Körperverletzung, - der räuberischen Erpressung, - der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung , - der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, - der versuchten Nötigung, - des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, - des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 138 Fällen. Er ist deswegen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
c) Gegen den Angeklagten ist der erweiterte Verfall von Wertersatz in Höhe von 150.000 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen. III. 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird dieses mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. 2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen zahlreicher Straftaten - unter anderem Zuhälterei, Förderung der Prostitution , Körperverletzung, Handeltreiben mit und Abgabe von Betäubungsmitteln , Vergewaltigung, Nötigung und räuberischer Erpressung - unter Einbeziehung der Strafen aus zwei anderen Urteilen zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und neun Monaten sowie von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Überdies hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 150.000 angeordnet, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung indes entgegen einem von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gestellten Antrag abgelehnt. Die Revision des Angeklagten macht das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung geltend; sie erhebt mehrere Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt eine Verletzung der Aufklärungspflicht und beanstandet die Anwendung des sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zu einer Änderung des Schuldspruchs, zum Wegfall einer Einzelstrafe und zu einer geringfügigen Berichtigung des Rechtsfolgenausspruchs. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zum Rechtsfolgenausspruch insoweit begründet, als das Landgericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Im übrigen bleiben beide Revisionen ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens sind mehrere Straftaten, die der Angeklagte als Betreiber eines Bordells vornehmlich zum Nachteil von dort tätigen Prostituierten begangen hat.
A. Die Revision des Angeklagten I. An der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklage fehlt es entgegen der Auffassung der Revision nicht. Die zugelassene und verlesene Anklage wird ersichtlich ihrer Informations- und Umgrenzungsfunktion gerecht (§ 200 StPO). Der Anklagesatz enthält auch keine Beweiswürdigung (vgl. dazu BGHR StPO § 200 Abs. 1 - Anklagesatz 1). Die umfangreiche Sachverhaltsschilderung geht auf die Vielzahl der angeklagten Straftaten und zum Teil auf die Natur der Tatbestände zurück. II. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. 1. Der Angeklagte ist seinem gesetzlichen Richter nicht dadurch entzogen worden, daß das Präsidium des Landgerichts die Sache – neben anderen noch nicht terminierten Verfahren - nach Eingang der Anklage bei der 1. großen Strafkammer wegen deren Überlastung durch geschäftsverteilungsplanändernden Beschluß der 3. großen Strafkammer übertragen hat, die den Angeklagten dann schließlich verurteilt hat (§ 338 Nr. 1 StPO, § 21e Abs. 3 GVG). In dem Nachtrag zum Geschäftsverteilungsplan, den das Präsidium des Landgerichts am 23. Mai 2001 beschloß, liegt keine unzulässige Durchbrechung des sog. Jährlichkeitsprinzips (§ 21e Abs. 3 GVG) und auch keine unzulässige Einzelfallzuweisung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine Änderung der Geschäftsverteilung im laufenden Geschäftsjahr, wenn sie sachlich veranlaßt ist, auch bereits anhängige Verfahren erfassen darf (BVerfGE 95, 322, 332; BGHSt 30, 371; 44, 161, 165 m.w.N., hierzu Nichtannahmebeschlüsse des BVerfG vom 11. August 1998 – 2 BvR 1493, 1615, 1616/98). Das folgt bereits aus der Verpflichtung zur zügigen Förderung von Haftsachen und zur Vermeidung justitiell zu verantwortender Verfahrensverzö-
gerungen. Der Inhalt der - auf Veranlassung des Landgerichtspräsidenten ü- berprüften - Überlastungsanzeige des Vorsitzenden der 1. Strafkammer vom 15. Mai 2001 sowie die Belastung der 3. Strafkammer zu jenem Zeitpunkt (vgl. dazu den Vermerk des Vorsitzenden der 3. Strafkammer vom 10. August 2001) tragen den von der Revision beanstandeten Präsidiumsbeschluß ohne weiteres und weisen diesen als sachgerecht aus. Der Vorsitzende der 1. Strafkammer hatte auf 24 dort anhängige Verfahren hingewiesen, wovon 13 Haftsachen waren. Bei der 3. Strafkammer waren zum maßgeblichen Zeitpunkt nur zwei Verfahren anhängig. Auch die Revision macht nicht geltend, die Änderung sei in der Sache nicht vertretbar oder sonst ermessensfehlerhaft gewesen (zum Prüfungsmaßstab insoweit vgl. BGHSt 22, 237, 239 f.; 27, 397, 398; MeyerGoßner StPO 46. Aufl. § 21e GVG Rdn. 25). Rechtliche Bedenken gegen den Präsidiumsbeschluß sind nicht dadurch begründet, daß die Verfahren den Mitgliedern des Präsidiums zum Teil hinsichtlich ihres Gegenstandes und der vollständigen Namen der Angeklagten bekannt waren. Eine solche Kenntnisnahme von Gegenstand und Umfang der betroffenen Sachen und auch weiteren Einzelheiten ist vielfach unvermeidbar, mitunter sogar geboten, weil sonst das Maß der Belastung der einzelnen Strafkammern und der erforderlichen Entlastung nicht sachgerecht festgestellt werden kann (vgl. BGHSt 44, 161, 168). Soweit die Revision meint, die Überlastung der 1. Strafkammer habe vom Präsidium bereits vor Beginn des entsprechenden Geschäftsjahres berücksichtigt werden müssen, vermag das keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Ob dies so lag, kann auf sich beruhen. Es könnte jedenfalls nicht dazu führen, daß dem Präsidium die sachlich gebotenen Übertragungen später versagt wären, wenn die Folgen der änderungsbedürftigen Geschäftsverteilung
zunehmend Gewicht erlangen und zu größeren Unzuträglichkeiten führen. Anderenfalls müßten vermeidbare Verfahrensverzögerungen, zumal in Haftsachen hingenommen werden, weil eine mögliche frühzeitigere Umverteilung – zu Jahresbeginn - unterblieben ist. Es liegt auf der Hand, daß die Garantie des gesetzlichen Richters solches nicht gebietet. Eine in Durchbrechung des Jährlichkeitsprinzips erfolgende Änderung bleibt auch dann „nötig“ im Sinne des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Präsidiumsbeschluß ist schließlich nicht deshalb von Rechts wegen zu beanstanden, weil die Vorsitzenden der beiden betroffenen Strafkammern sich im Vorfeld der Änderung der Geschäftsverteilung untereinander über eine ihnen geeignet erscheinende Lösung verständigt hatten. Das konnte die autonome Entschließung des zur Entscheidung berufenen Gremiums ersichtlich nicht in unzulässiger Weise beeinflussen. 2. Die erkennende 3. Strafkammer des Landgerichts war richtig besetzt, Richterin am Landgericht He. nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 338 Nr. 2, § 22 Nr. 4 StPO).
a) Nach § 22 Nr. 4 StPO ist ein Richter u. a. dann von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen, wenn er "in der Sache" Beamter der Staatsanwaltschaft gewesen ist. Unter "der Sache" ist grundsätzlich dasjenige Verfahren zu verstehen, welches die strafrechtliche Verfolgung einer bestimmten Straftat zum Gegenstand hat. Es kommt also in erster Linie auf die Identität des historischen Ereignisses an, um dessen Aufklärung es zu der Zeit ging, als der Richter in nicht-richterlicher Funktion tätig war. Der Annahme einer solchen Identität steht auch das Vorliegen mehrerer selbständiger Taten im Sinne des § 264 StPO nicht entgegen. Vielmehr entscheidet in solchen Fällen regelmäßig die Einheit der Hauptverhandlung; sie kann auch solche Vorgänge, die bei na-
türlicher Betrachtung als verschiedene historische Ereignisse erscheinen, zu einer Einheit zusammenfassen (vgl. zu alldem BGHSt 28, 262, 263 ff. mit zahlr. weiteren Nachweisen). Der Verdacht der Parteilichkeit, den die in Rede stehende Bestimmung (§ 22 Nr. 4 StPO) vermeiden will, kann schließlich bei weiter Auslegung der Norm auch bei mehreren für eine einheitliche Behandlung in Betracht zu ziehenden Verfahren aufkommen, wenn zumindest ein enger und für die zu treffende Entscheidung bedeutsamer Zusammenhang besteht (vgl. BGHSt 9, 193; 28, 264, 267).
b) Eine „Einheit der Sache“ in diesem Sinne ist hier nicht gegeben. Der Angeklagte ist mit dem angefochtenen Urteil auch wegen Straftaten verurteilt worden, die er zum Nachteil der vor Beginn der Hauptverhandlung verstorbenen Ha. begangen hat. Richterin am Landgericht He. hatte in ihrem früheren Amt als Staatsanwältin mit Formularverfügung und als Vertreterin des zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Augsburg die Obduktion der Leiche von Ha. sowie deren anschließende Freigabe zur Bestattung verfügt, nachdem Ha. am 13. Januar 2000 in Friedberg (Hessen) tot aufgefunden worden war. Ha. war eine derjenigen geschädigten Prostituierten, die im vorliegenden Verfahren während der Ermittlungen als Zeugin vernommen worden waren. Sie hatte am 2. Juli und 6. Juli 1999 bei der Polizei und schließlich am 9. Juli 1999 vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt und den Angeklagten belastet. Sie wurde deshalb vorübergehend im Zeugenschutzprogramm geführt. Nachdem sie im Hessischen tot aufgefunden worden war, leitete die Staatsanwaltschaft Augsburg von sich aus Todesfallermittlungen ein und ersuchte die für den Auffindeort der Leiche zuständige Staatsanwaltschaft Gießen, das bei dieser anhängige Verfahren wegen des Todesfalles an sie abzugeben. Dies geschah. Bei der Obduktion der
Leiche ergab sich - wie das von der Revision vorgelegte vorläufige Gutachten des Rechtsmediziners belegt - keine pathologisch-anatomisch nachweisbare Todesursache. Hinweise für eine todesursächliche mechanische Gewalteinwirkung von dritter Hand fehlten. Als wahrscheinliche Todesursache wurde eine Überdosierung zentral wirksamer Substanzen in Betracht gezogen. Die Strafkammer hat in ihrem angegriffenen Urteil festgestellt, Ha. sei an einer Überdosis Methadon verstorben. Das Todesermittlungsverfahren wurde eingestellt. Unter diesen Umständen war die beisitzende Richterin in ihrer früheren Aufgabe als Staatsanwältin nicht in derselben Sache tätig. Die durch sie erfolgte Anordnung der Obduktion und die Freigabe der Leiche im Todesermittlungsverfahren erweisen sich für die Entscheidung der Strafkammer im gegenständlichen Verfahren nicht als Maßnahmen, die die Annahme eines "bedeutsamen Sachzusammenhanges" rechtfertigen. Für das vorliegende Verfahren war der Tod Ha. s lediglich insoweit von Bedeutung, als diese infolge dessen als Zeugin in der Hauptverhandlung nicht mehr zur Verfügung stand und es um die Voraussetzungen der Einführung ihrer im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen ging. Irgendwelche materiell-strafrechtlichen Auswirkungen für den Angeklagten waren mit den Todesermittlungen nicht verbunden. Hinzu kommt, daß die Ermittlungen im Falle eines unnatürlichen Todes (siehe § 159 i.V.m. § 87 StPO; sog. "Leichensachen") nach einhelliger Auffassung in der Literatur kein Ermittlungsverfahren im Sinne des § 160 StPO sind (so Krehl in HK-StPO 3. Aufl. § 159 Rdn. 1; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 159 Rdn. 1; KK-Wache 5. Aufl. § 159 Rdn. 1; zur Abgrenzung der Leichenöffnung bei bereits begründetem Verdacht einer Straftat - § 87 i.V.m. § 160 Abs. 1 StPO – von der bei sog. Todesfallermittlungen - § 87 i.V.m. § 159 Abs. 2
StPO – siehe Krause in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 87 Rdn. 5 f.). Die von der damaligen Staatsanwältin getroffene Anordnung diente ihrer Natur nach zunächst lediglich der Klärung der Todesursache. Nur wenn dabei Hinweise auf ein strafbares Verhalten Dritter angefallen wären, hätte diese Maßnahme Eingang in ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten gefunden. Irgendwelche Anhaltspunkte in Richtung auf ein Verschulden, zumal gerade des Angeklagten, am Tod der Ha. haben sich aber ersichtlich auch später nicht ergeben; im Blick auf das Ergebnis der Obduktion sind weitere Strafverfolgungsmaßnahmen nicht entfaltet worden, schon gar nicht solche gegen den Angeklagten. Das trägt auch die Revision nicht vor. Es bleibt mithin allein der Umstand, daß die Richterin He. früher als Staatsanwältin bei der Klärung der Todesursache einer Person tätig geworden ist, die in gänzlich anderem Zusammenhang Zeugin in einem gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren war.
c) Aus den von der Revision vorgelegten Vermerken der Kriminalpolizei ergibt sich keine andere Beurteilung: In dem Vermerk des Kriminalbeamten S. von der Kriminalpolizei Augsburg vom 14. Januar 2000 wird zunächst hervorgehoben, "nach Sachlage" habe Aspiration als Folge eines Drogenabusus zum Tode der 20jährigen Frau geführt. In diesem Vermerk ist ebenso wie im Schriftwechsel der Staatsanwaltschaften und in den Betreffangaben ausnahmslos von "Todesermittlungen" und von Ermittlungen aus Anlaß des Todes von Ha. die Rede. Unter diesen Umständen ist es rechtlich unerheblich , daß im Vermerk des Kriminalbeamten S. für den Fall einer Fremdeinwirkung auf Ha. Vermutungen zu einem etwaigen Verdacht gegen den Angeklagten angestellt wurden. Dort ist ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß dieser "in irgendeiner Form mit dem Tode der Ha. in Verbindung gebracht werden" könne und "ein Anfangsver-
dacht auf ein mögliches Tötungsdelikt nicht völlig unbegründet" sei. Damit verband der Kriminalbeamte seine Anregung an die Staatsanwaltschaft, die "weiteren Ermittlungen" im "Ablebensfall" nach Augsburg zu übernehmen. Entscheidend ist, daß es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Augsburg an die Staatsanwaltschaft Gießen vom 14. Januar 2000 heißt: "Sofern ein Fremdverschulden am Tode der Ha. in Betracht kommt, ist davon auszugehen , daß etwaige Verantwortliche aus dem hiesigen Zuständigkeitsbereich kommen." Damit war klar, daß jedwede weitere Strafverfolgungsmaßnahme gegen irgendeinen Beschuldigten zunächst vom Ergebnis der Obduktion abhing , namentlich davon, ob sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für "ein Fremdverschulden am Tode der Ha. " ergeben würden. Das war indes nicht der Fall. Damit erwiesen sich alle damals angestellten Überlegungen zu einem etwaigen Motiv eines – vorstellbar - aus dem Umfeld des zu jenem Zeitpunkt bereits inhaftierten Angeklagten kommenden Täters als Spekulationen , allenfalls als Hypothesen für den Fall sich ergebender Verdachtsmomente für eine Fremdeinwirkung, denen aber die notwendige Verknüpfung mit den objektiven Obduktionsbefunden fehlte. Tatsächlich sind konkrete Ermittlungsmaßnahmen gerade gegen den Angeklagten wegen des Todes der Ha. auch nach dem Vortrag der Revision zu keinem Zeitpunkt ergriffen worden. Die Todesfallermittlungen als solche haben insoweit außer Betracht zu bleiben. Das gilt auch für die in deren Rahmen angestellten hypothetischen Erwägungen, die zur Übernahme des Todesermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Augsburg geführt haben.
d) Darüber hinaus lag zum Zeitpunkt der Anordnung der Obduktion durch die damalige Staatsanwältin He. bereits eine polizeiliche Aussage der Inhaberin der Wohnung vor, in der Ha. verstorben war, die die Revision jedoch nicht mitgeteilt hat (vgl. § 344 Abs.2 Satz 2 StPO; Ermittlungsver-
merk der Polizeidirektion Friedberg vom 13. Januar 2000). Schon die dort ge- schilderten Umstände des Todes von Frau Ha. sprachen deutlich gegen ein Fremdverschulden an ihrem Tod. Die in jener Sache vernommene Zeugin B. hatte bekundet, Frau Ha. habe mit ihr gemeinsam die Nacht in ihrer, B. s, Wohnung verbracht, habe morgens beim Versuch des Aufweckens geröchelt und Sekret sei aus ihrem Mund gelaufen. Die Erstbefragung des Notarztes ist dort mit „verm. ... Rauschgift-Tote“ festgehalten. Der ebenfalls per Fax an die Staatsanwaltschaft und an die Kriminalpolizei Augsburg übermittelte Leichenschauschein des Notarztes enthält unter der Rubrik „Todesursache /klinischer Befund“ die Angaben „respiratorische Insuffizienz“, „Aspriration“ , „Bewußtlosigkeit“ und „Drogenabusus ...“. Aus der protokollierten Vernehmung der Zeugin B. , die der Kriminalpolizei Augsburg am 17. Januar 2000, dem Tag der Anordnung der Obduktion, zuging, ergibt sich weiter, daß Dritte nicht in ihrer Wohnung gewesen seien (Todesermittlungsakte Ha. , Bl. 41, Vernehmungsprotokoll vom 14. Januar 2001). All das schlägt sich auch eingangs des Vermerks des Augsburger Kriminalbeamten S. vom 14. Januar 2000 nieder („Folge eines Drogenabusus“). Unter diesen zusätzlichen Umständen besteht um so weniger Grund zu der Wertung, das Todesermittlungsverfahren habe später eine „einheitliche Behandlung“ mit dem gegenständlichen Verfahren gegen den Angeklagten erfahren ; es bestehe ein enger, bedeutsamer Zusammenhang mit der von der Strafkammer im Verfahren gegen den Angeklagten zu treffenden Entscheidung. Für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der Taten zum Nachteil Ha. kam es auf die Todesumstände der Zeugin ersichtlich nicht an. Auch die Strafzumessung ist davon erkennbar nicht beeinflußt. Das kam schon wegen des zeitlichen Abstandes zwischen den Taten und dem Tod der Zeugin nicht in Betracht. Daß die Todesermittlungsakte zu den Akten des ge-
genständlichen Verfahrens beigezogen wurde, vermag an dieser Beurteilung ebensowenig etwas zu ändern wie die möglicherweise nicht in jeder Hinsicht tragfähig begründbare Übernahme des Todesermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Augsburg. 3. Die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens sind nicht verletzt (§ 338 Nr. 6 StPO, § 171b GVG). Das Landgericht hat durch Beschluß die Öffentlichkeit für die Dauer der Vernehmung der Zeugin D. ausgeschlossen. Soweit die Revision die der Ausschlußentscheidung nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zugrunde liegende Abwägung beanstandet, verkennt sie, daß der Beschluß nicht anfechtbar und damit auch der revisionsgerichtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen ist (§ 171b Abs. 3 GVG, § 336 Satz 2 StPO). Anhaltspunkte für eine willkürliche Begründung zeigt die Revision nicht auf (BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5 m.w.N.). Der Ausschließungsbeschluß mußte schließlich nicht deshalb erneuert werden, weil die Vernehmung der Zeugin D. unterbrochen, vorübergehend auch öffentlich weiterverhandelt und schließlich die Vernehmung fortgesetzt worden war. Der Ausschließungsbeschluß deckt den Ausschluß der Öffentlichkeit für die gesamte Dauer der Vernehmung eines Zeugen, auch wenn diese unterbrochen wird (BGH NStZ 1992, 447). Daß der Vorsitzende während des Ausschlusses der Öffentlichkeit auch noch die Abladung eines anderen Zeugen bekannt gegeben, die Hauptverhandlung selbst unterbrochen und Termin zur Fortsetzung der Vernehmung der Zeugin D. bestimmt hat, verletzt den Öffentlichkeitsgrundsatz ebensowenig. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß Maßnahmen, die auch außerhalb der Hauptverhandlung erfolgen können, vom Schutz des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht erfaßt werden (BGH NStZ 1984,
134, 135). Das gilt namentlich für die Bestimmung eines Fortsetzungstermines, der etwa auch außerhalb der Hauptverhandlung verlegt werden kann. Auf der Unterbrechung der Hauptverhandlung in nicht öffentlicher Sitzung kann schließlich schon denkgesetzlich das Urteil nicht beruhen (vgl. BGH, Beschl. vom 15. April 2003 – 1 StR 64/03 – BA S. 4 f.; Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 2, 50b). 4. Die Ablehnungsrügen sind unbegründet (§ 338 Nr. 3, § 24 StPO). Soweit ein Ablehnungsantrag auf die Anordnung der Verlesung des Anklagesatzes gestützt war, ist dessen Zurückweisung schon deshalb nicht zu beanstanden , weil die Verlesung rechtens war (siehe oben unter A.I.). Die Äußerung des Vorsitzenden der Strafkammer, der der Verteidigung bei fortgeschrittener Hauptverhandlung vorgehalten hatte "wohl langsam den Überblick über die gestellten Beweisanträge verloren" zu haben, vermag ersichtlich das Vertrauen des Angeklagten in die Unparteilichkeit des Richters nicht zu berühren (vgl. zu Spannungen zwischen einem Richter und dem Verteidiger: BGH NStZ 1997,

19).

5. Die weiteren verfahrensrechtlichen Beanstandungen, namentlich die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 265 StPO), bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. April 2003 aufgeführten Gründen, auf die er sich in der Revisionshauptverhandlung bezogen hat, ohne Erfolg. III. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils führt in einem Teilbereich lediglich zu einer anderen Würdigung der Konkurrenzverhältnisse , deckt im übrigen jedoch keinen durchgreifenden rechtlichen Mangel auf.
1. Bei der Beweiswürdigung hat die Strafkammer nicht verkannt, daß es bei einer Reihe von Taten im wesentlichen auf die Aussage der jeweils geschädigten Zeuginnen ankam. Sie hat bei ihrer gründlichen und ausführlichen Würdigung der Angaben der geschädigten Prostituierten die dafür geltenden Maßstäbe ersichtlich beachtet. Soweit die Revision die Annahme unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beanstandet, wendet sie sich im Kern lediglich gegen die zugrunde liegende Beweiswürdigung der Strafkammer und versucht ihre eigene an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Damit vermag sie nicht durchzudringen. 2. Die Aufspaltung der Zuhälterei zum Nachteil D. und Ha. sowie der Förderung der Prostitution (richtig: der Ausbeutung von Prostituierten) zum Nachteil D. , Ha. , E. und H. in zwei selbständige Taten aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten anderweitigen Verurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß es sich bei diesen Delikten um Dauerstraftaten handelt , die erst mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustandes enden. Eine solche Tat ist nur dann vor einer anderweitigen, früheren Verurteilung im Sinne des § 55 Abs. 1 StGB begangen, wenn sie zuvor beendet war (vgl. BGH NJW 1999, 1344, 1346; siehe auch Laufhütte in LK 11. Aufl. vor § 174 Rdn. 20). Die Beendigung der in Rede stehenden Taten lag indessen erst nach dem anderweitigen Urteil vom 13. August 1998, dem Zäsurwirkung zukommt (UA S. 194). Dies hat zur Folge, daß die Verurteilung wegen Zuhälterei in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit "Förderung der Prostitution" in vier tateinheitlichen Fällen im ersten Komplex (zuerst gebildete Gesamtstrafe) entfallen muß. Die tateinheitlich mit diesen Dauerdelikten verwirklichten drei Körperver-
letzungstaten zum Nachteil D. stehen damit ebenfalls in Tateinheit mit der dem zweiten Komplex zuzuschlagenden Zuhälterei und "Förderung der Prostitution" , die beide den gesamten Tatzeitraum umfassen, zur Straffindung indessen im zweiten Komplex zu berücksichtigen sind. Der Schuldspruch ist entsprechend zu ändern. Im ersten Komplex entfällt mithin die insoweit verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Auswirkungen auf die Höhe der ersten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten schließt der Senat angesichts der Einsatzstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe, der Vielzahl der auch insoweit abgeurteilten Taten und des außergewöhnlich straffen Zusammenzuges der Einzelstrafen aus. Dadurch, daß wegen der nun ausgesprochenen tateinheitlichen Verbindung die Einzelstrafe wegen der Fälle der Ausbeutung von Prostituierten im zweiten Komplex angesichts des gesteigerten Unwertgehalts unbeschadet des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 StPO) höher ausfallen dürfte (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12), ist der Angeklagte nicht beschwert. 3. Der Senat berichtigt zugleich einen Fassungsmangel in der Urteilsformel des Landgerichts: Die Strafkammer hat, wie sie in den Urteilsgründen selbst ausführt, die Überwachung und Steuerung der vier Geschädigten E. , H. , Ha. und D. als "Ausbeutung von Prostituierten" (§ 180a StGB nF) gewertet (UA S. 197 f.), in der Urteilsformel indessen versehentlich die Bezeichnung der früheren Fassung des Tatbestandes "Förderung der Prostitution" verwendet. Neben diesem Tenorierungsfehler ist ebenso ein offensichtliches Schreibversehen in der Urteilsformel hinsichtlich des Datums des Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Juli 1999 zu berichtigen, dessen Strafen einbezogen worden sind.
4. Darüber hinaus ist die Bezeichnung der Verfallsanordnung in der Urteilsformel zu ergänzen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, daß die Strafkammer den erweiterten Verfall angeordnet hat (UA S. 264; § 73d StGB). 5. Die weitergehende sachlichrechtliche Prüfung fördert einen den Bestand des Urteils gefährdenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht zutage.
B. Die Revision der Staatsanwaltschaft I. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen den Angeklagten begünstigenden rechtlichen Mangel auf. Soweit sie zugleich auch zugunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) ist die insoweit gebotene Änderung des Schuldspruchs bereits auf die Revision des Angeklagten hin erfolgt (siehe oben). Soweit die Beschwerdeführerin meint, der Angeklagte habe wegen der Taten zum Nachteil der Prostituierten E. und H. auch wegen tateinheitlich begangener ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei verurteilt werden müssen (§ 181a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB), muß der Senat hierauf nach der Beschränkung der Strafverfolgung nicht eingehen (vgl. Urteilsformel unter I.). Eine etwaige Verurteilung auch wegen dieser Delikte zum Nachteil der beiden Frauen würde für die zu bildende Einzelstrafe, aber auch aufs Ganze gesehen nicht beträchtlich ins Gewicht fallen können (§ 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO). II. Die Strafzumessung ist aus den vom Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 23. April 2003 ausgeführten Gründen, auf die er sich in der
Hauptverhandlung bezogen hat, von Rechts wegen nicht zu beanstanden (aaO S. 4). III. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in der Siche- rungsverwahrung nach der Ermessensvorschrift des § 66 Abs. 2 (in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Nr. 3) StGB begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken; auf die insoweit erhobene Aufklärungsrüge kommt es deshalb nicht an. 1. Die Strafkammer ist bei der Beurteilung, ob der Angeklagte einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten hat, dem hinzugezogenen nervenfachärztlichen Sachverständigen nicht gefolgt. Sie hat einen solchen Hang vielmehr verneint und sich dabei mit dem Gutachten im einzelnen auseinandergesetzt. Unter den Gründen, aus denen sie meinte, dem Sachverständigen nicht folgen zu sollen, hat sie ausgeführt, es "verwundere", daß dieser die Art und die Schwere der in Zukunft vom Angeklagten zu erwartenden Taten allein mit dem "Spektrum der bereits begangenen Taten" umschrieben und die Bejahung eines Hanges ausdrücklich von dem Nachweis der angeklagten Taten abhängig gemacht habe. Damit sei der Sachverständige scheinbar „dem Zirkelschluß verfallen“, aus den begangenen Straftaten auf den Hang schließen zu wollen und die zu erwartenden Straftaten wiederum aus dem Hang herzuleiten (UA S. 271). Das ist rechtsfehlerhaft. Die Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung muß gerade die begangenen Taten mit in den Blick nehmen, und zwar sowohl für die Frage des Hanges als auch für die Gefährlichkeitsprognose. Das Sachverständigengutachten unter anderem auch deshalb für nicht tragfähig zu erachten, weil gerade dies geschehen ist, verkennt
die rechtlichen Grundlagen der anzuwendenden Norm. Schon das allein führt zur Aufhebung des Urteils in dem hier in Rede stehenden Umfang. Soweit die Strafkammer im Anschluß an die Auseinandersetzung mit dem eingeholten Gutachten lediglich noch ausführt, sie habe sich trotz der Vielzahl der Vorahndungen und der nunmehr abgeurteilten Taten nicht in der Lage gesehen, bei dem Angeklagten das Vorliegen eines Hanges mit hinreichender Sicherheit festzustellen (UA S. 274), genügt auch das im vorliegenden Falle nicht den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen. Die Würdigung erweist sich insoweit als lückenhaft. Es hätte der näheren Auseinandersetzung mit den Vorahndungen bedurft, insbesondere mit den Körperverletzungstaten und der einschlägigen Vorverurteilung wegen Förderung der Prostitution. Zudem wäre die Entwicklung des Angeklagten in den letzten Jahren, namentlich die Intensität und die Vielfalt der gegenständlichen, auch von wiederkehrender Gewaltanwendung gekennzeichneten Taten zu erörtern gewesen , die zum Teil auch von ausgeprägter Brutalität gegenüber den Prostituierten geprägt waren. 2. Die Strafkammer hat im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens einerseits angenommen, daß der Angeklagte gefährlich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 StGB ist. Sie hat andererseits dann aber hervorgehoben , die verhängte Strafe sei so hoch, daß erwartet werden könne, der Angeklagte werde sich "die Strafverbüßung hinreichend zur Warnung dienen lassen" (UA S. 275). Sie hat zudem ihre Erwartung angeführt, der Angeklagte werde die lange Vollzugsdauer nutzen, um mittels seiner „kognitiven Fähigkeiten“ seine Verhaltensmuster zu überdenken (UA S. 276). Dies läßt besorgen, daß die Strafkammer nicht in jeder Hinsicht von zutreffenden Maßstäben für die Gefährlichkeitsprognose und die Ermessensaus-
übung ausgegangen sein könnte. Für die Gefährlichkeitsprognose ist nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – auch bei einer Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB - grundsätzlich der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; vgl. BGHSt 25, 59, 61; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 3; BGH NStZ 2002, 535). Die Frage, ob die Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft noch vorhanden sein wird, muß grundsätzlich einer Überprüfung nach § 67c Abs. 1 StGB vor Ende des Vollzuges der Strafe vorbehalten bleiben. Zwar darf der Tatrichter bei seiner Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges auch Bedeutung beimessen; diese Umstände sind aber nur beachtlich , wenn sie – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung – eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten lassen (BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; siehe auch BGH NStZ 2002, 30, 31). Die Kammer spricht in diesem Zusammenhang jedoch lediglich von ihrer "begründeten Erwartung" (UA S. 276 oben), daß der Angeklagte in der Lage sei, seine Verhaltensmuster zu überdenken und zu ändern. Eine vertiefte Auseinandersetzung , aus welchem Grunde eine Haltungsänderung angesichts des bisherigen Weges des Angeklagten erwartbar sein könnte, findet nicht statt. Der Sache nach meint die Kammer lediglich, daß dem Angeklagten das Potential eigen sei, sich zu ändern. Allein das langjährige Bedenken der eigenen Situation im Strafvollzug vermag aber – zumal aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung – auch bei vorhandenem Änderungspotential noch nicht die substantielle Erwartung einer Haltungsänderung zum Zeitpunkt der Strafverbüßung zu begründen.
Soweit die Strafkammer darüber hinaus darauf abstellt, der Angeklagte habe in der Vergangenheit gezeigt, daß er in der Lage sei, aus Sanktionen zu lernen (UA S. 275 unten), ist dies nicht tragfähig belegt. Sein bisheriger Lebensweg sowie die Zahl und die Intensität der im Tatzeitraum begangenen Delikte deuten eher auf das Gegenteil hin. So hat es im Ergebnis auch der Sachverständige gesehen (UA S. 275 unten). Auch im Blick darauf hätte die Wertung der Kammer näherer Begründung bedurft. 3. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu befunden werden. Der Ausspruch über die verhängten Gesamtstrafen wird davon nicht berührt. Die Strafkammer hat zwar im Zusammenhang mit ihrer Ermessensausübung in der Frage der Sicherungsverwahrung die Höhe der Strafen hervorgehoben. Dies läßt angesichts der Besonderheiten des Falles jedoch nicht besorgen, daß umgekehrt die Höhe der Strafen von der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beeinflußt sein kann und daß im Falle der Anordnung von Sicherungsverwahrung niedrigere Strafen in Betracht gekommen wären. Der Senat schließt das aus; denn die Einsatzstrafen zur Bildung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen sind im einen Falle nur geringfügig, im anderen Falle ersichtlich sehr maßvoll erhöht worden, obgleich eine Vielzahl von Einzelstrafen in beachtlicher Höhe einzubeziehen waren. Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 377/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Bundesanwalt und Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

I.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Februar 2000, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, daß der Angeklagte im Fall B I der Urteilsgründe der Unterschlagung und im Fall B VIII der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Geiselnahme schuldig ist, und im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe gilt auch für den früheren Mitangeklagten S. . 4. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen ist und im gesamten Strafausspruch.

II.

Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1. Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte hat am 5. Oktober 1998 nachts zusammen mit dem früheren Mitangeklagten S. im Einvernehmen mit dem Nachtkassierer einen bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle fingiert, wobei ihm dieser den Kasseninhalt (mindestens 7.100 DM) sowie dreihundert Telefonkarten im Wert von insgesamt 3.600 DM aushändigte. Unbeteiligte Dritte waren nicht anwesend (Fall B I der Urteilsgründe).
b) Zwischen dem 19. Oktober und dem 28. November 1998 hat der Angeklagte sieben bewaffnete Überfälle begangen, sechs davon auf Drogeriemärkte , einen auf einen Lebensmittelmarkt. Einmal war er allein, viermal handelte er mit S. z usammen, in den letzten beiden Fällen handelte er zusammen mit dem Mitangeklagten E. (Fälle B II bis B VIII der Urteilsgründe).
c) Als sich der Angeklagte und E. nach der letzten Tat mit der Beute entfernen wollten, war der Drogeriemarkt von Polizei umstellt. Sie nahmen daher vier Angestellte des Drogeriemarkts mit Waffengewalt als Geiseln und forderten in stundenlangen Verhandlungen von der Polizei vergeblich freien Abzug, ehe sie sich, ersichtlich wegen Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen , ergaben (ebenso wie der Überfall Fall B VIII der Urteilsgründe). 2. Den fingierten Überfall auf die Tankstelle hat die Strafkammer wegen Bruchs des Gewahrsams des Tankstellenpächters als Diebstahl gewertet. Hierfür hat sie eine Einzelstrafe von zwei Jahren verhängt. Die Überfälle hat die Strafkammer je nach dem konkreten Geschehensablauf in drei Fällen als
schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub, in drei Fällen als schwere räuberische Erpressung und in einem Fall als schweren Raub gewertet. Die hierfür jeweils verhängten Einzelstrafen liegen zwischen sechs und sieben Jahren. Wegen der Geiselnahme hat die Strafkammer eine weitere Strafe von fünf Jahren verhängt. Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren gebildet. Von Maßnahmen der Besserung und Sicherung hat die Strafkammer abgesehen. 3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten, die auf die Sachrüge und eine Reihe von Verfahrensrügen gestützt ist. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision nur dagegen, daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben war.

II.

Zur Revision des Angeklagten: 1. Im Fall B I der Urteilsgründe liegt nicht Diebstahl sondern Unterschlagung (§ 246 StGB) vor.
a) Wie der Generalbundesanwalt vor dem Senat zutreffend ausgeführt hat, hat ein Angestellter, der allein eine Kasse zu verwalten und über deren
Inhalt abzurechnen hat, in aller Regel Alleingewahrsam am Kasseninhalt. Ohne seine Mitwirkung darf niemand Geld aus der Kasse nehmen, damit bei Fehlbeträgen die Verantwortlichkeit festgestellt werden kann. Das generelle Kontrollund Weisungsrecht des Dienstherren gegenüber seinem Bediensteten begründet nicht ohne weiteres den Mitgewahrsam des Dienstherrn (BGHR StGB § 246 Abs. 1 Alleingewahrsam 1 m.w.N.).
b) Hinsichtlich der Telefonkarten gilt unter den hier gegebenen Umständen nichts anderes.
c) Einem Schuldspruch gemäß § 246 StGB steht nicht entgegen, daß der Angeklagte vor der Tat noch nicht im Besitz der Beute war (vgl. Lackner/ Kühl, StGB 23. Aufl. § 246 Rdn. 12 m.w.N.; zur Rechtslage vor der Ä nderung von § 246 StGB durch das 6. StrRG vgl. BGHSt 40, 8, 22 f. m.w.N.).
d) Der Senat ändert den Schuldspruch selbst, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß noch tatsächliche Feststellungen möglich wären, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten. § 265 StPO steht nicht entgegen , da sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender hätte verteidigen können. 2. Im Fall B VIII der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu Unrecht Tatmehrheit zwischen der schweren räuberischen Erpressung und der Geiselnahme angenommen. Es besteht Tateinheit, da die Geiselnahme auch der endgültigen Beutesicherung diente (BGHSt 26, 24, 27 f.). Der Senat ändert den Schuldspruch selbst; auch hier hätte sich der geständige Angeklagte nicht erfolgversprechender verteidigen können.
3. Im übrigen hat die auf Grund des Revisionsvorbringen gebotene Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 4. Die Ä nderungen des Schuldspruchs führen hier zu einer Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zumal, da von den Ä nderungen mehrere Taten betroffen sind und die wegen Geiselnahme verhängte Einzelstrafe entfällt, kann der Senat eine Auswirkung der aufgezeigten Ä nderungen auch auf die übrigen Fälle nicht völlig ausschließen. Damit erledigen sich zugleich die nicht auf den Schuldspruch bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten. Die Grenze der im Fall B VIII neu festzusetzenden Strafe (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) ergibt sich aus der Summe der bisher in diesem Zusammenhang verhängten Einzelstrafen (BGH b. Holtz MDR 1980, 988). 5. Die Ä nderung des Schuldspruchs im Fall B I der Urteilsgründe war auch auf den früheren Mitangeklagten S. z u erstrecken (§ 357 StPO). Der Senat hat jedoch davon abgesehen, die gegen ihn in diesem Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten aufzuheben. Es ist zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen, daß eine neue Verhandlung für S. , der noch an v ier bewaffneten Überfällen beteiligt war und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun J ahren verurteilt wurde, ein günstigeres Ergebnis erbringen würde (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 3; Kuckein in KK 4. Aufl. § 357 Rdn. 17 m.w.N.). S. ist häufig vorbestraft, darunter allein dreimal wegen (einmal auch mehrfachen) schweren Raubes oder schwerer räuberischer Erpressung und hat deshalb schon insgesamt über acht Jahre Strafe verbüßt.

III.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft: 1. Die Strafkammer bejaht sowohl im Hinblick auf frühere Verurteilungen des Angeklagten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB. § 66 Abs. 3 StGB ist dagegen nicht angesprochen. Die bei sämtlichen Alternativen zusätzlich erforderlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden jedoch verneint: Die Taten gingen nicht unbedingt auf den dissozialen Charakter des Angeklagten zurück. Sie seien vielmehr durch eine innere Erregung des Angeklagten ausgelöst worden, die auf der Verhaftung der Ehefrau des Angeklagten am 21. Mai 1998 wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen beruhe. Außerdem sei nach sachverständiger Beratung davon auszugehen, "daß durch den natürlichen Alterungsprozeß insbesondere bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Gefährlichkeit des Angeklagten sich anders darstellen kann". Der Angeklagte werde voraussichtlich erst mit 55 Jahren aus der Strafhaft entlassen. Zumal, da er noch keine längeren Strafen verbüßt habe, reiche die verhängte Strafe aus, seiner "Gefährlichkeit ... zu begegnen". Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: 2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht, daß die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegen.
a) Das Urteil vom 21. Juni 1993 hat in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben. Der Angeklagte war damals unter Freispruch im übrigen in
einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, nachdem er am 25. Januar 1991, trunkenheitsbedingt möglicherweise schuldunfähig, seine Lebensgefährtin mit einer Schußwaffe in Tötungsabsicht verletzt hatte. Da der Angeklagte nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, liegt insoweit keine Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 66 Rdn. 12 m.w.N.).
b) Im übrigen hat der Angeklagte am 4. Juni 1986 vergeblich versucht, ein Juweliergeschäft zu überfallen; deshalb wurde er am 30. Oktober 1986 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er voll verbüßt hat. Außerdem wurde er am 30. Juli 1990 wegen vier Vergehen des fahrlässigen Vollrauschs (er war in diesem Zustand zwischen dem 5. Mai und dem 17. August 1988 gegen seine Lebensgefährtin gewalttätig geworden) und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Auch diese Strafe hat er voll verbüßt. Die Einzelstrafen betrugen einmal ein Jahr, dreimal sechs Monate und einmal vier Monate. Welche Strafe für welches Delikt verhängt wurde, wird nicht deutlich. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche Strafe von einem Jahr wegen einer Vorsatztat für das Waffendelikt verhängt wurde, ist jedenfalls die Tatzeit des (auch im übrigen nicht näher geschilderten) Waffendelikts nicht festgestellt. Diese Tat ist aber jedenfalls deutlich länger als fünf Jahre vor den hier abgeurteilten Taten begangen worden. Ob entgegen § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB gemäß § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB gleichwohl keine Rückfallverjährung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich, da auch der Zeitraum, in dem der Angeklagte sich in Strafhaft und im Maßregelvollzug befand, (zuletzt von "1991" bis "August 1994"), nicht präzise festgestellt ist.
3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB vor. 4. Die Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht rechtsfehlerfrei verneint. Die Strafkammer geht für sich genommen rechtsfehlerfrei davon aus, daß die Taten des Angeklagten dafür sprechen, daß er ein gefährlicher Hangtäter ist. Damit ist regelmäßig die bestimmte Gefahr weiterer schwerer Straftaten gegeben (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 3 m.w.N.). Die von der Strafkammer angeführten gegenteiligen Gesichtspunkte können kein anderes Ergebnis rechtfertigen.
a) Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Urteilszeitpunkt an, jedoch darf der Tatrichter den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges Bedeutung beimessen, soweit dieser nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung mit hoher prognostischer Sicherheit eine Haltungsänderung des Angeklagten erwarten läßt (st.Rspr., vgl. zuletzt BGH StV 2000, 615, 616 m.w.N.). Diese Sicherheit ergibt sich aber nicht aus der Annahme, daß sich die Gefährlichkeit des Angeklagten bei seiner Haftentlassung anders darstellen "kann". Daß der Angeklagte dann (voraussichtlich) 55 Jahre alt sein wird, kann daran nichts ändern (BGHR aaO Gefährlichkeit 5); Besonderheiten, die hier eine andere Annahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
b) Bei der Gewichtung der in der hier abgeurteilten Tatserie zum Ausdruck kommenden Gefährlichkeit des Angeklagten stellt die Strafkammer auch auf die Festnahme der Ehefrau als auslösendes Moment ab. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil es in der Regel ohne Bedeutung ist, warum sich ein bereits vorhandener Hang gesteigert hat (Stree aaO Rdn. 33 m.w.N.). Zumindest wäre aber zu erörtern gewesen, daß die Taten erst mehrere Monate nach der Festnahme begangen wurden. Darüber hinaus ist festgestellt, daß die
Ehefrau im November 1998 einige Zeit entwichen war und sich beim Angeklagten aufhielt. Auch in dieser Zeit hat der Angeklagte einen Überfall begangen. Damit hat sich die Strafkammer ebenfalls nicht auseinander gesetzt.
c) Soweit die Strafkammer darauf abstellt, daß der Angeklagte längere Haft noch nicht verbüßt hat, ist dies (jedenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 66 Abs. 2 StGB) ein nicht zu beanstandender Ansatz (BGH StV 1982, 114; NStZ 1985, 261). Die Annahme der Strafkammer ist jedoch mit der Feststellung, daß der Angeklagte - abgesehen von einer Unterbringung im Maßregelvollzug - insgesamt schon mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hat, unvereinbar. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muß nach alledem neu entschieden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn möglicherweise die Strafe bei Anordnung von Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000, 615, 617 m.w.N.). Da die Strafkammer ausdrücklich einen Bezug zwischen der Dauer der Strafe und der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat den Strafausspruch auf. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/01
vom
20. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Februar
2002, an der teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Mai 2001 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern und sexuellen Mißbrauchs von Kindern in jeweils elf Fällen in Tateinheit mit dem Sichverschaffen des Besitzes von kinderpornographischen Schriften, sowie wegen Sichverschaffens des Besitzes von kinderpornographischen Schriften in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich allein dagegen, daß das Landgericht die Anordnung von Sicherungsverwahrung abgelehnt hat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fertigte der Angeklagte während eines vierwöchigen Besuchs seiner damals fünfjährigen Nichte J. in 18 Fällen Film- und Fotoaufnahmen von dem nackten Mädchen. Unter anderem filmte der Angeklagte, wie er das Kind am Körper berührte und mit ihm
nachstellte, es werde geschlachtet. Er hängte seine Nichte nackt und an den Füûen gefesselt, mit dem Kopf nach unten, an einer in der Wohnung angebrachten elektrischen Seilwinde auf, was ihn stark sexuell erregte. Auch in diesem Zustand fotografierte und filmte er das Kind mit Hilfe der auf einem Stativ stehenden Videokamera. Dabei faûte er es an und stellte teilweise wiederum Schlachtszenen nach, indem er auch mit einem Küchenmesser an dem Körper des Kindes hantierte, ohne es aber zu verletzen. Obwohl es mit zunehmender Dauer und Häufigkeit dieser Behandlung immer heftiger protestierte, lieû der Angeklagte das Mädchen mehrfach einige Minuten lang laut schreiend und weinend an der Seilwinde hängen. Er kämpfte immer wieder mit der Idee, das Mädchen umzubringen, damit sie ihn nicht verraten könnte, konnte diesen Drang aus Zuneigung zu dem Kind aber überwinden. Wenige Wochen vor den geschilderten Vorfällen überredete der Angeklagte seine damals 13jährige Nichte N. zu fünf Besuchen in seiner Wohnung, nach denen sie jeweils Geldbeträge zwischen 20 und 100 DM erhielt. Auch während dieser Besuche fertigte der Angeklagte Videoaufnahmen, wobei er das nie völlig entkleidete Mädchen zum Teil fesselte und u.a. in dessen Genital - und Analbereich manipulierte. 2. Der Angeklagte weist eine schwere sexuelle Perversion in Form des Sadismus mit geringfügigen masochistischen Zügen und kannibalistischen sowie pädophilen Neigungen auf. Infolge dieser als schwere andere seelische Abartigkeit zu qualifizierenden Störung war er bei allen Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, ohne daû seine Schuldfähigkeit gänzlich aufgehoben war. Der Angeklagte, der eine von Gewalt und sexuellem Miûbrauch geprägte Kindheit erlebte, hatte seit seinem zwanzigsten Lebensjahr abnorme sexuelle Phantasien entwickelt, die z.B. das Aufhängen und
Schlachten von Frauen zum Gegenstand hatten. Er befriedigte seine Bedürfnisse viele Jahre lang mit Hilfe einschlägiger pornographischer Videos. Auch sammelte er Zeitungsartikel über Kannibalen und Massenmörder von Kindern; aus Werbeblättern mit Abbildungen aufgehängter Schweinehälften und Fotos kleiner blonder Mädchen fertigte er Collagen. Kurz vor den oben geschilderten Geschehnissen hatte der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte bereits unter einem Vorwand zwei kleine Mädchen zu sich nach Hause mitgenommen, diese dann aber unbehelligt gehen lassen. Die angeordnete Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus hat die Kammer damit begründet, daû sämtliche Taten in der sexuellen Abnormität des Angeklagten wurzeln und er auch zukünftig für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Das Landgericht meint aber, bei dem Angeklagten liege kein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, da für ihn nicht eine so schwere Störung prognostiziert werden müsse, daû die Allgemeinheit vor ihm nur im Wege der Sicherungsverwahrung geschützt werden könne. Es sei nicht auszuschlieûen, daû der Angeklagte in der Lage sein werde, im Rahmen der Unterbringung seine positiven Charaktereigenschaften dauerhaft zu mobilisieren und in Zukunft bei genügend gefestigten Lebensstrukturen seinen Sexualtrieb ausreichend zu beherrschen. II. Die Begründung, mit der das Landgericht die materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung verneint, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Diese führen gleichwohl nicht zur Aufhebung des Urteils, weil die Anordnung von Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten im Ergebnis zu Recht unterblieben ist. 1. Unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen ist die Wertung des Landgerichts zu § 63 StGB einerseits und § 66 StGB andererseits in sich
widersprüchlich. Die Kammer geht bei dem Angeklagten aufgrund der sexuellen Perversion von einem seine Schuldfähigkeit dauernd beeinträchtigenden Zustand aus und stellt fest, daû alle abgeurteilten Taten in seiner sexuellen Abnormität wurzeln, er daher auch in Zukunft für die Allgemeinheit sehr gefährlich ist. Mit dieser Beurteilung unvereinbar ist der dann gezogene Schluû, der Angeklagte weise keinen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten auf. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen läût. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist nur das Bestehen des verbrecherischen Hanges, nicht dessen Ursache, denn anders als bei dem die Gefährlichkeit begründenden Zustand im Sinne der §§ 63, 64 StGB beschreibt das Gesetz seine möglichen Ursachen nicht (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502; BGHSt 24, 160, 161). Die hier abgeurteilten Anlaûtaten stellen sich ohne weiteres als symptomatisch für die verbrecherische Neigung des Angeklagten dar, da sich in ihnen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB bereits hinreichend manifestiert hat. Auch die weitere Argumentation in dem angefochtenen Urteil begegnet rechtlichen Bedenken. Denn die Strafkammer stellt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auf eine - allenfalls mögliche, mehr erhoffte als erwartete - weitere positive Entwicklung des Angeklagten ab. Für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Täters sind aber die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Urteilsfindung entscheidend (st.Rspr., BGHSt 24, 160, 164; BGH
NStZ-RR 1998, 206). Zwar können im Rahmen der Ermessensentscheidung (§ 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB) auch solche Gesichtspunkte beachtlich sein, die sich auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung beziehen; die Gefährlichkeit eines Täters kann u.U. dann verneint werden, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, daû sie bei Ende des Vollzugs der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloûe Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Lebensumstände können die Gefährlichkeit eines Täters jedoch nicht ausräumen (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 206; Urteil vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00). Der Hangtäter ist für die Allgemeinheit gefährlich, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daû er auch in Zukunft Straftaten begehen wird und diese eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Diese Wahrscheinlichkeit ist regelmäûig schon gegeben, wenn die Eigenschaft als Hangtäter festgestellt ist. Nur wenn zwischen der letzten Hangtat und dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung neue Umstände eingetreten sind, die die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten entfallen lassen, kann die Gefährlichkeit verneint werden; dabei müssen diese Umstände feststehen (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1, 3 und 5 m.w.N.). Daû von dem Angeklagten zur Zeit der Urteilsfindung die Gefahr weiterer , den Anlaûtaten vergleichbarer Straftaten ausging, ergibt sich aus den Urteilsgründen zu Entstehung, Verlauf, Ausbruch und Weiterentwicklung der sexuellen Perversion des Angeklagten. Umstände, die die hieraus folgende Gefährlichkeitsprognose entkräften könnten, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Unerheblich ist bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 StGB, daû möglicherweise der Gefährlichkeit des Angeklagten auch durch eine Unterbringung nach § 63 StGB begegnet werden kann.
2. Unbeschadet der fehlerhaften Rechtsanwendung durch das Landgericht ist die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung im Ergebnis aber nicht zu beanstanden. Denn bei der hier gegebenen Konstellation ist im Hinblick auf § 72 StGB für die Verhängung von Sicherungsverwahrung kein Raum. Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 63 StGB als auch des § 66 StGB vor, ist die kumulative Anordnung beider Maûregeln grundsätzlich möglich , da die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gegenüber der Sicherungsverwahrung kein geringeres, sondern ein anderes Übel darstellt (st.Rspr., vgl. BGHSt 5, 312, 314; BGH NStZ 1998, 35). Unter Beachtung des Grundsatzes, daû der Sicherungsverwahrung als "letztes Mittel der Kriminalpolitik" in starkem Maûe ultima-ratio-Charakter zukommt (vgl. BGHSt 30, 220, 222; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SexualdelBekG vom 14. November 1997, BTDrucks. 13/8586, S. 8), wird eine Anordnung beider Maûregeln freilich nur ausnahmsweise erfolgen, sofern die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Erreichung des Maûregelzwecks - Abwehr der Gefährlichkeit des Täters - im Einzelfall nicht ausreicht und Gründe vorliegen , die ein Nebeneinander der beiden Maûregeln zweckmäûig erscheinen lassen. Ausschlaggebend für die Auswahl oder Häufung der Maûregeln sind dabei die besonderen Umstände des Einzelfalles (BGHSt 5, 315). Wenn - wie im vorliegenden Fall - der im Rahmen von § 66 StGB vorausgesetzte Hang ausschlieûlich auf einen psychischen Defekt zurückgeht, welcher gleichzeitig die erheblich verminderte Schuldfähigkeit begründet, ist die Unterbringung nach § 63 StGB vorrangig und deren alleinige Anordnung im Regelfall auch ausreichend (vgl. BGHR StGB § 63 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 1998, 35; BGHSt 42, 306, 308). Da § 63 StGB das Bestehen von Heilungsaussichten nicht voraussetzt, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit vor
kranken und gefährlichen Tätern dient, gilt dies prinzipiell auch bei mangelnder oder zweifelhafter Therapierbarkeit des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1995, 588; 1998, 35). Daû die Unterbringung von schwer oder gar nicht therapiefähigen Sexualstraftätern im psychiatrischen Krankenhaus tatsächliche Schwierigkeiten in der Vollzugspraxis mit sich bringt (vgl. Gutachten der unabhängigen Expertenkommission vom 31. Januar 1996, MSchrkrim 1996, 147, 156 f.; Hanack in LK 11. Aufl. § 72 Rdn. 25), vermag an der rechtlichen Ausgangssituation nichts zu ändern. Abweichend von dem dargelegten Grundsatz kann sich ein Bedürfnis für die zusätzliche Anordnung der Sicherungsverwahrung neben der Unterbringung (§ 72 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise dann ergeben, wenn im konkreten Fall zu besorgen ist, daû der von § 63 StGB vorausgesetzte Zustand des Täters - etwa nach erfolgreicher Therapie oder aus anderen Gründen - später entfällt, die Gefährlichkeit aufgrund eines weiterhin gegebenen Hanges aber gleichwohl fortbesteht. Denn bei Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB wäre diese Maûregel in analoger Anwendung des § 67c Abs. 2 S. 5 StGB für erledigt zu erklären, selbst wenn von dem Untergebrachten weiterhin Straftaten zu befürchten sind (vgl. BGHSt 42, 306, 310; OLG Hamm NStZ 1982, 300; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151; OLG Frankfurt StV 1985,
117). Anhaltspunkte für eine derartige Konstellation sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Bei der hier gegebenen Sachlage ist auch nicht ersichtlich , daû weitere, in diese Richtung gehende Feststellungen zu treffen wären. Jähnke Detter Bode Otten Fischer

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.