Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2015 - 1 StR 423/15

bei uns veröffentlicht am16.12.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 423/15
vom
16. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2015:161215U1STR423.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 10. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Betruges freigesprochen und ihm eine Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

I.

2
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen (UA S. 9 – 17):
3
Die anderweitig Verfolgten H. , F. und P. , die sich aus vorausgegangenen Haftaufenthalten kannten, planten 2010 die Verwirklichung von Solarpark-Großprojekten, die über die kurz zuvor als „Firmenmantel“ ohne Eigenkapital erworbene Firma N. Inc. (nachfolgend: „N. “) mit Sitz in Oregon (USA) mit einer Niederlas- sung in D. realisiert werden sollten. Da die N. über keine entsprechenden Mittel verfügte, sollten diese über Investoren organisiert werden. Dazu kam es am 16. Oktober 2010 zu einem ersten Treffen des H. mit dem anderweitig verfolgten T. . Nachdem eine Finanzierung durch einen russischen Oligarchen als Investor über eine russische Bank an noch unzureichenden Projektplanungen gescheitert war, brachte T. im Dezember 2010 den Angeklagten als Investor ins Gespräch. Der als Verantwortlicher der M. Trust (nachfolgend: „M. “) mit Sitz in Südafrika handelnde Angeklagte übermittelte daraufhin der N. zwei auf den 14. Januar 2011 bzw. 27. Januar 2011 datierte und von ihm unterzeichnete Urkunden zur Darlehensfinanzierung zwischen der M. und der N. . Darin verpflichtete sich die M. gegenüber der N. zur Gewährung zweier verzinslicher Darlehen mit einem jährlichen Zinssatz von 4,5 % über 285 bzw. 315 Millionen Euro. Die beiden Verträge standen unter dem Vorbehalt, dass von oder im Namen der N. eine angemessene Sicherheit durch Bankhandelspapiere , Schuldbrief oder eine andere annehmbare Sicherheit im Gegenwert von 250 Millionen bzw. von 450 Millionen Euro geleistet wird, die aber zu keinem Zeitpunkt erfolgte.
4
Im Rahmen der Bemühungen zur Finanzierung der Projekte kam es ab Januar 2011 zu Treffen der N. -Mitarbeiter mit verschiedenen Geldgebern. In der Folge wurde am 3. Februar 2011 von diesen Geldgebern einen Betrag von 285.000 Euro unmittelbar an den anderweitig verfolgten T. überwiesen, der davon am selben Tag einen Betrag von 55.000 Euro auf das Konto des Angeklagten weiterleitete. Am 27. Januar 2011 erfolgte eine weitere Zahlung von 285.000 Euro durch andere Geldgeber an T. , der am 28. Januar 2011 nochmals einen Betrag in Höhe von 55.000 Euro an den Angeklagten überwies. Da es in der Folge zu keiner Auszahlung der Kredite gekommen war, erfolgten zahlreiche E-Mail-Kontakte zwischen H. und dem Angeklagten. Dieser teilte mit, er habe lediglich 2 x 55.000 Euro erhalten für die Einrichtung von zwei Kreditlinien, nicht jedoch Zahlungen für Bankgarantien. Im weiteren Verlauf bot der Angeklagte an, gegen Zahlung von weiteren 127.000 Euro selbst eine Bankgarantie besorgen zu können. Deshalb kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu weiteren Kontakten der Verantwortlichen der N. mit Geldgebern, die weitere Geldbeträge leisteten, von denen im April 2011 und Mai 2011 insgesamt 65.000 Euro auf ein Konto des Angeklagten überwiesen wurden. In der Folgezeit kam es zu keinen Auszahlungen von Krediten.
5
2. Die Strafkammer kommt im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 18 – 44) zu dem Ergebnis, dass schon keine Täuschungshandlung des Angeklag- ten gegeben sei, da durch nichts belegt sei, dass der Angeklagte per se nicht im Stande gewesen wäre, eine Kreditauszahlung in den verfahrensgegenständlichen Größenordnungen zu bewerkstelligen (UA S. 28); er verkehrte unwiderlegten eigenen Angaben zufolge in Kreisen der Hochfinanz. Dies gelte auch für die Annex-Vereinbarungen mit der N. bzgl. der Kosten für die Einrichtung der Kreditlinien und Kreditfacilitäten (UA S. 28). Auch sei das Verhalten des Angeklagten nicht ursächlich für die Überweisungen. Die Strafkammer sieht auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Unrechtsvereinbarung mit dem anderweitig verfolgten T. . Aus den von diesem veranlassten Überweisungen von 2 x 55.000 Euro an den Angeklagten lasse sich entsprechendes nicht ableiten, da diese Zahlungen auch auf vertragliche Vereinbarungen zurückgeführt werden könnten (UA S. 30 – 31). Bei würdigender Gesamtschau halte es die Strafkammer daher zwar für gut möglich, dass der Angeklagte auch aus betrügerischen Motiven handelte, ist jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt.

II.


6
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es – wie hier – Zweifel an seiner Täterschaft oder am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind und dabei nicht beachtet wurde, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Juni 2015 – 5 StR 55/15, NStZRR 2015, 255; vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14; vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15, NStZ-RR 2011, 184; vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt]).
8
Der Tatrichter darf dabei entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209 und vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90 jew. mwN).
9
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

10
Die Strafkammer geht davon aus, dass der Angeklagte als „Vertreter“ (UA S. 11) bzw. entsprechend einem verlesenen „Letter of Authority“ als „Treu- händer“ des „handelsgerichtlich … im Sinn der einschlägigen Rechtsprechung“ nicht eingetragenen „M. Trusts“ (M. ) aufgetreten ist, wobei sich aber weder zu diesem noch zu einem angeblich weiteren Unternehmen des Angeklagten im Internet Informationen finden lassen (UA S. 39). Dies obwohl sich der Angeklagte „unwiderlegbaren eigenen Angaben“ zufolge „in Kreisen der Hochfinanz“ bewegte, wobei er auch schon „zahlreiche afrikanische Staaten in Finanzangelegenheiten beraten habe“ (UA S. 28).
11
Schon im Ansatz bleibt damit unklar, auf welche konkreten Anhaltspunkte die Kammer ihre Annahme stützt, dass der Angeklagte innerhalb weniger Wochen für die M. seriös über die Vergabe von zwei verzinslichen Darlehen über 285 Millionen bzw. 315 Millionen Euro (UA S. 11 – 12) entscheiden hätte können. Dies gilt insbesondere auch angesichts der Vorlage einer unwirksam ausgestellten oder gefälschten Bankgarantie einer russischen Bank, die „der Angeklagte ohne vorherige Prüfung akzeptieren und 'vercashen' werde“ (UA S. 10 – 11). Allein die Annahme der „rechtliche(n) Existenz des M. oder zumindest von einer entsprechenden Vorgesellschaft“ (UA S. 39), lässt einen Schluss darauf nicht zu, ob der M. Darlehen in der angenommenen Höhe hätte vergeben bzw. vermitteln können. Im Übrigen bleibt auch angesichts des nicht mitgeteilten vollständigen Inhalts der beiden genannten Verträge völlig unklar, ob und wenn ja welche weiteren Sicherheiten zu stellen waren (UA S. 21 und 37). Nicht nachvollziehbar ist auch die von der Kammer festgestellte unterschiedliche Höhe der zu stellenden Sicherheiten von 250 Millionen Euro für das Darlehen über 315 Millionen und von 450 Millionen Euro für das weitere Darlehen über 285 Millionen Euro (UA S. 11 – 12).

12
Hinzu kommt, dass sich nach den Feststellungen der Strafkammer bei der nur unvollständig erfolgten Auswertung des beim Angeklagten sichergestellten Rechners einerseits durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass auch andere Personen erfolglos versucht hätten, über den Angeklagten an Bankgarantien zu gelangen, sich aber andererseits keinerlei Hinweise dafür fanden, dass der Angeklagte Bankgarantiegeschäfte tatsächlich erfolgreich abgeschlossen habe (UA S. 40).
13
Nach den Feststellungen der Strafkammer bleibt zudem völlig offen, wel- ches „Geschäftsmodell“ (UA S. 37, 28) der Angeklagte letztlich verfolgt haben soll. Während ursprünglich vereinbart gewesen sei, „dass T. bzw. H. eine Bankgarantie einer russischen Bank liefern würden und er sich dann um die Erlangung bzw. Auszahlung des Kredits annehmen würde“ (UA S. 18), gehörte die Beschaffung einer Bankgarantie ursprünglich nicht zu seinen Aufgaben. Erst als keine Bankgarantien geliefert wurden, habe er schließlich angeboten, diese zur Absicherung der Kredite selbst zu organisieren.

III.


14
Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
15
Mit der Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die damit verknüpfte Entschädigungsentscheidung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG) und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 – 1 StR 114/14 juris Rn. 96 mwN). Raum Jäger Radtke Mosbacher Bär

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 8 Entscheidung des Strafgerichts


(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligte

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IM NAMEN DES VOLKES
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5StR 55/15
vom
3. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015,
an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay,
Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin C. ,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 19. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von den Vorwürfen freigesprochen, eine versuchte schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz sowie eine schwere Brandstiftung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz begangen zu haben, und ihm Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an.

I.


2
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
In den frühen Morgenstunden des 11. Juni 2011 gegen 3:20 Uhr kam es zunächst auf dem Gelände des Zustellstützpunkts der Deutschen Post in Spremberg zu einem Brand von Lieferfahrzeugen, der mittels offener Flamme bei zwei Fahrzeugen gelegt worden war. Insgesamt sieben Fahrzeuge, die auf zwei sich gegenüberliegenden Hofseiten jeweils nebeneinander stehend abgestellt waren, brannten aus. Ein Teil der Fahrzeuge stand vor der Wand eines zur Tatzeit von mehreren Menschen bewohnten Wohnhauses, deren Isolierung großflächig abbrannte. Außerdem wurden durch die Hitzeeinwirkung ein weiteres Kraftfahrzeug, ein überdachter Fahrradständer sowie drei Fahrräder der Deutschen Post beschädigt. Ihr Gesamtschaden belief sich auf ca. 35.000 Euro. An dem Wohnhaus entstand ein Schaden von ca. 27.000 Euro.
4
Der unbestrafte, zur Tatzeit 21 Jahre alte Angeklagte war Mitglied des Jugendclubs „P. e.V.“, der als Vereinsräumlichkeit ein Hinterhaus auf ei- nem Grundstück an einer Nachbarstraße des Postgeländes nutzt. Dorthin hatte sich der Angeklagte in der Nacht zwischen 1:00 Uhr und 2:00 Uhr begeben, nachdem er sich abends gegen 22:00 Uhr per SMS vergeblich mit einer Be- kannten zu einer „Aktion“ mit Treffpunkt beim Jugendclub zu verabreden ver- sucht hatte, zu der er ihre Nachfrage auf dem Kurznachrichtenweg nicht beantworten wollte. Noch zuvor hatte der Angeklagte, der ein vorübergehend vom Dienst suspendiertes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war, abends gegen 20:00 Uhr bei einem Treffen der Freiwilligen Feuerwehren aus der Region vorbeigeschaut , die an diesem Tag in Spremberg ihren alljährlichen Pokal- Wettkampf austrugen. Wo sich der Angeklagte im weiteren Verlauf der Tatnacht aufhielt, blieb ungeklärt.
5
Kurz nach Ausbruch des Brandes wurde in einer nahe dem Postgelände gelegenen Gasse ein schwarzer Stoffbeutel mit Glasscherben und einem De- ckel gefunden, in dessen Innenseite als Zeichen die Zahl „3“ oder der Buchstabe „M“ eingeritzt war. In dem Stoffbeutel, von demstarker Benzingeruch ausging und an dem Kraftstoffreste nachgewiesen wurden, befanden sich schwarzes Gewebeklebeband und ein Stofffetzen, der eine vom Angeklagten herrührende DNA-Spur aufwies. Weitere DNA-Mischspuren an Deckel und Klebeband stammten nicht von ihm. Schwarzes Klebeband der Art, wie es im Stoffbeutel aufgefunden wurde, befand sich auf einer Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs. Kurz nach dem Löschen des Brandes wurde bemerkt, dass eines der Post-Fahrräder auf dem Hofgelände nicht wie üblich im Fahrradständer abgestellt war, sondern an der Innenseite einer über zwei Meter hohen Mauer stand, die das Gelände von einer angrenzenden Straße trennt; das Zugangstor zum Hof war zur Tatzeit verschlossen. Auf dem Sattel des Fahrrades, das erst am 16. Juni 2011 sichergestellt wurde, befand sich der Schuhabdruck eines Stiefels des Angeklagten.
6
Wenige Minuten nach der Brandlegung auf dem Postgelände brannte in Spremberg in einer Kleingartenanlage eine bungalowartige Laube, in der die Eheleute G. nächtigten. Der Zeuge G. hatte sich bereits planmäßig gegen 3:20 Uhr wegen eines frühen Arbeitstermins wecken lassen, als er plötzlich rollende Geräusche vom Laubendach her hörte. Als er nach draußen trat, sah er an der Rückseite der Laube Flammen aufsteigen. Trotz seiner Löschversuche brannte die Laube aus. Durch den Brand entstand ein Sachschaden von über 10.000 Euro. Nach Beendigung der Löscharbeiten wurde bei der Spurensuche unmittelbar neben der Laube eine offene, mit schwarzem Klebeband versehene Glasflasche gefunden, auf die mit blauer Farbe der Buch- stabe „F“ geschrieben war.In der Flasche befand sich noch Flüssigkeit, in der mit Löschwasser vermischt Reste von Benzin nachgewiesen wurden. Ca. 10 bis 20 Meter von der Laube entfernt lagen an einer Böschung neben einem an der Kleingartenanlage entlang führenden Fahrradweg unter anderem drei Schraubdeckel mit schwarzem Klebeband, in deren Innenseiten die Zahlen „1“, „4“ und „5“ eingeritzt waren,eine Glasflasche mit einem Stofffetzen, auf die mit blauer Farbe die Zahl „5“ geschrieben war, und ein weißer Stoffbeutel. An zwei Schraubdeckeln und an dem Stoffbeutel befanden sich DNA-Spuren, die von dem Angeklagten herrührten; an dem weiteren Schraubdeckel befand sich eine nicht von dem Angeklagten stammende DNA-Spur. Das schwarze Klebeband war von der gleichen Art wie jenes auf der Klebebandrolle in den Räumen des Jugendclubs, bei der es sich um Massenware handelte.
7
Am Morgen nach den Bränden lief eine Hundeführerin mit einem Fährtenhund, dem als Geruchsspur der in der Gasse nahe dem Postgelände aufgefundene schwarze Stoffbeutel vorgehalten worden war, von dessen Fundort über den durch die Kleingartenanlage führenden Fahrradweg an der abgebrannten Laube vorbei bis zu den Räumlichkeiten des Jugendclubs. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden dort ein Plastikkanister mit Benzin, eine leere Glasflasche mit einem Deckel, in dessen Innenseite der Buchstabe „R“ eingeritzt war, und die Rolle mit schwarzem Klebeband sichergestellt.
8
2. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, nicht überzeugen können. Hinsichtlich des Brandes der Gartenlaube ist das Landgericht im Anschluss an das Gutachten eines Sachverständigen zu der Überzeu- gung gelangt, dass zwar die genaue Brandursache, die von den Ermittlungsbehörden nicht ermittelt worden sei, nicht mehr festzustellen sei, ein von der Anklage angenommener Wurf eines „Molotow-Cocktails“ auf das Laubendach den Brand aber nicht verursacht haben könne. Vielmehr habe sich der Brand vom Innenraum des Daches nach außen hin ausgebreitet.
9
Für eine Täterschaft des Angeklagten bei dem Brand auf dem Postgelände sprächen zwar einige Indizien wie der Schuhabdruck des Angeklagten auf dem Sattel des Zustellfahrrades, der ihn unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringe, und seine DNA am Stofffetzen im Beutel in unmittelbarer Tatortnähe , in dem sich Utensilien befunden hätten, die zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet und wohl auch bestimmt gewesen seien. Diese und die weiteren Indizien reichten jedoch auch in der Gesamtschau nicht aus, um den Angeklagten der Brandstiftung zu überführen.

II.


10
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
11
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts ; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anfor- derungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401; vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630; vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, insoweit in NStZ 2012, 648 nicht abgedruckt; vom 20. Juni 2012 – 5 StR 536/11, NJW 2012, 2453, 2454, und vom 29. April 2015 – 5 StR 79/15).
12
b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
aa) Das Landgericht hat der vom Angeklagten herrührenden Schuhabdruckspur auf dem Sattel des Zustellfahrrades, das naheliegend als Steighilfe zur Überwindung der Mauer diente, den Beweiswert als Indiz, das den Angeklagten unmittelbar mit dem Tatort in Verbindung bringt, rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Es durfte mangels in diese Richtung zielender objektiver Anhaltspunkte zugunsten des – in der Hauptverhandlung schweigenden – Angeklagten als alternative Erklärung für die Verursachung des Abdrucks nicht unterstellen, er könne nachträglich aus Neugierde auf das Postgelände gegangen sein und sich auf den Sattel gestellt haben, um sich den Tatort näher anzuschauen.
14
Diese hypothetische Möglichkeit lag nach den Gesamtumständen zudem äußerst fern: Das an der Mauer lehnende Fahrrad war bereits kurz nach dem Löschen des Brandes bemerkt worden (UA S. 9), und noch am Tattag war der Angeklagte mittags vorläufig festgenommen und als Beschuldigter vernommen worden. Wenn die Strafkammer meint, der Angeklagte habe auch im weiteren Zeitverlauf Gelegenheit gehabt, die Spuren auf dem Fahrrad zu hinterlassen, „weil der mögliche Tatort spätestens nach dem Pfingstwochenende nicht mehr abgesperrt war“ (UA S. 20), berücksichtigt es nicht, dass der Angeklagte in die- ser Zeit gar keinen Anlass mehr gehabt hatte, von dem Fahrrad aus den Brandort anzuschauen; denn die Inaugenscheinnahme wäre nach Öffnung des Geländes für die Allgemeinheit aus der Nähe und wesentlich einfacher als durch Erklettern eines Fahrradsattels möglich gewesen. Dass sich auf dem Sattel des Fahrrades Spuren befänden, war der Polizei im Übrigen schon am Pfingstmontag, dem 13. Juni 2011, von einer Sicherheitsmitarbeiterin der Deutschen Post mitgeteilt worden (UA S. 11), also noch bevor das Postgelände im Rahmen der Aufnahme des Dienstbetriebes wieder der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Schließlich hätte ein Besteigen des Fahrrades an dem festgestellten vom Brandgeschehen abgelegenen Standort zwar einen Blick über die Mauer auf den auch vom Landgericht für möglich gehaltenen Fluchtweg (UA S. 21) zugelassen, jedoch keine nähere Betrachtung des rückseitig gelegenen Tatorts ermöglicht.
15
bb) Mit dem den Angeklagten erheblich belastenden Indiz seiner DNASpuren auf dem Stofffetzen, der mitsamt der weiteren im Stoffbeutel in unmittelbarer Nähe des ersten Tatorts gefundenen Utensilien zur Herstellung eines Brandsatzes geeignet war (UA S. 19), hat sich das Landgericht lediglich isoliert auseinandergesetzt, indem es die Wertung traf, dass diese Spuren „allein nicht den Beweis der Täterschaft des Angeklagten“ erbrächten (UA S. 22).Abgese- hen davon, dass auch insoweit wiederum konkrete Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts fehlen, ein Alternativtäter könne im Jugendclub den Stofffetzen mit der DNA des Angeklagten an sich genommen und verwandt ha- ben, hätte schon hier auch der Umstand Berücksichtigung finden müssen, dass allein der Angeklagte in der Tatnacht in den ebenfalls in Tatortnähe befindlichen Räumen des Jugendclubs von deren Vermieter gesehen worden ist.
16
cc) Dies hat das Landgericht ebenfalls bei seiner eher formelhaft vorgenommenen Gesamtabwägung unbeachtet gelassen und auch im Übrigen die Vielzahl der vorhandenen Beweisanzeichen nicht erkennbar zueinander in Beziehung gesetzt. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Blick dafür verloren hat, dass Indizien, auch wenn sie einzeln betrachtet nicht zum Nachweis der Täterschaft ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln können (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Mai 1999 – 3 StR 110/99, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 20, und vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12), und dass es hierdurch zugleich überspannte Anforderungen an die tatgerichtliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
17
dd) Überdies enthält die Beweiswürdigung Lücken.
18
(1) Zunächst fehlt es an einer, bei der hier gegebenen Beweislage unerlässlichen , näheren und in sich geschlossenen Darlegung der Einlassung des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren. Seine diesbezüglichen polizeilichen Angaben sind in den Urteilsgründen lediglich so bruchstückhaft und verstreut mitgeteilt worden, dass keine revisionsgerichtliche Überprüfung erfolgen kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. August 2011 – 2 StR167/11, NStZ 2012, 227, 228, und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11). Das Landgericht selbst hat die Einlassung als in Teilen „merkwürdig“ bewertet (UA S. 27), wobei offen bleibt, worauf diese Wertung fußt. Auch insoweit hat das Landgericht im Übrigen mit der Spekulation, der Angeklagte habe sich „viel- leicht zunächst in der Rolle des Tatverdächtigen“ gefallen oder „tatsächlich Kenntnis von den ‚wahren‘ Tätern“ gehabt und diese decken wollen, erneut nicht beachtet, dass Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten nur dann rechtsfehlerfrei sind, wenn hierfür reale Anknüpfungspunkte bestanden.
19
(2) Zutreffend beanstandet die Revision zudem, dass die Darlegungen unzureichend sind, mit denen das sachverständig beratene Landgericht seine Annahme begründet hat, der Brand der Laube habe sich – bei ungeklärter Brandursache – vom Innenraum des Daches ausgehend nach außen ausge- breitet und eine Brandverursachung durch den Wurf eines „Molotow-Cocktails“ sei demgemäß ausgeschlossen (UA S. 13, 15). Insbesondere hat sich das Landgericht im Zusammenhang mit seiner Beweiswürdigung zur Brandentstehung und den hierzu mitgeteilten Erwägungen des Sachverständigen nicht näher mit der Spurenlage befasst, die eine Inbrandsetzung von außen nahelegt. So wurde unmittelbar neben der abgebrannten Laube unter einem Fenster eine Glasflasche mit einem Benzinrest sichergestellt, deren Fund sich mit dem vom Zeugen G. vernommenen rollenden Geräusch vom Dach her unschwer in Einklang bringen lässt. Zudem wurde wenige Meter von der Laube entfernt eine weitere Glasflasche mit Stofffetzen gefunden, die ebenso wie die am Brandort sichergestellte eine Markierung in blauer Farbe aufwies. Unberücksichtigt geblieben ist weiter der Umstand, dass der Zeuge G. nach dem Verlassen der Laube an der Rückseite des Bungalows Flammen aufsteigen sah, während nach den Feststellungen der Brand im Dach(innen)bereich ausgebrochen sein soll.
20
Die Urteilsgründe lassen darüber hinaus nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, inwieweit und aus welchen Gründen der gerichtliche Sachverständige in seinem mündlich erstatteten Gutachten von seinem vorläu- figen schriftlichen Gutachten abgewichen und offenbar zu einer geänderten Einschätzung des Brandverlaufs gelangt ist (vgl. zu den Darlegungsanforderungen bei Widerspruch zwischen vorbereitendem schriftlichen und mündlichen Sachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 – 4 StR 120/04, NStZ 2005, 161 mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 StR328/11). Den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, dass es eine Divergenz zwischen den schriftlichen und den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gab, der in der Hauptverhandlung von einer Brandentwicklung vom Inneren des Daches nach außen hin ausgegangen ist. Aufgrund welcher konkreten Erkenntnisse sich eine abweichende frühere Beurteilung des Sachverständigen als unrichtig erwiesen haben sollte, teilen die Urteilsgründe nicht mit, die nur auf weitere nicht näher beschriebene Lichtbilder und eine erneute Befragung des zuvor schon vernommenen Zeugen G. hinweisen. Damit ist eine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob das in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten, das eine Inbrandsetzung der Gartenlaube ausgeschlossen hat, zutreffend zu einem anderen Ergebnis als das vorbereitende Gutachten gelangt ist, nicht möglich.
21
2. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.
22
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass gegen eine Verwertbarkeit der Einlassung des Angeklagten in seiner haftrichterlichen Beschuldigtenvernehmung vom 12. Juni 2011 (UA S. 28), deren Nicht- verwertung die Revision mit einer Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) beanstandet hat, nach bisherigem Stand keine durchgreifenden Bedenken ersichtlich sind.

III.


23
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 129/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
der Angeklagte in Person,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom 26. Juni 2013 in den Fällen 2 und 3 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Halle vom 14. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen (Fälle 1 und 3 der Anklageschrift) und der gefährlichen Körperverletzung (Fall 2 der Anklageschrift) freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, beschränkt auf die Vorwürfe 2 und 3 der Anklageschrift, sowie – unbeschränkt – der Nebenklägerin. Beide Beschwerdeführer rügen die Verletzung materiellen Rechts, die Nebenklägerin beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Verfahrensrüge kommt es nicht an.

I.


2
1. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Halle vom 14. Januar 2013 warf dem Angeklagten Folgendes vor:
3
(1.) Am 16. März 2011 habe er vor der Arbeitsstelle der Nebenklägerin, seiner ehemaligen Lebensgefährtin, gewartet, diese beim Verlassen des Gebäudes zurückgedrängt, sie hochgehoben und in ein Büro getragen, wo er sie auf den Fußboden geworfen habe. Er habe sie mit einer Hand festgehalten, ihr Hose und Unterhose heruntergezogen und den ungeschützten Geschlechtsverkehr vollzogen. (2.) Am 21. Januar 2012 habe der Angeklagte der Nebenklägerin vor ihrem Wohnhaus aufgelauert, sie von hinten umklammert, zu Boden geworfen und ihr Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. (3.) Am 30. September 2012 sei der Angeklagte gegen 6.00 Uhr auf den Balkon der Nebenklägerin im 2. Obergeschoss geklettert, habe einen Blumenkübel ergriffen und damit die gläserne Balkontür eingeworfen. In der Wohnung habe er mit der völlig verschreckten Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt. Dies habe er gegen 10.00 Uhr erneut getan.
4
2. Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich von der Richtigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu den eigentlichen Tatvorwürfen nicht überzeugen können. Es vermochte nicht auszuschließen, dass in den Fällen 1 und 3 der Anklageschrift ein Geschlechtsverkehr einvernehmlich erfolgt sei und sich die Nebenklägerin im Fall 2 der Anklageschrift selbst Pfefferspray in die Augen gesprüht habe.

II.


5
Die für den Freispruch tragenden Erwägungen halten der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, Rn. 5 mwN).
7
Der Tatrichter darf entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).
8
2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil zu den Anklagepunkten 2 und 3 in mehrfacher Hinsicht nicht. Denn das Landgericht hat den Beweiswert objektiver Tatspuren in diesen Fällen, die für die Richtigkeit der Darstellung der Nebenklägerin sprechen, mit Erwägungen verneint, für die es keinerlei Anhaltspunkte in den Feststellungen gibt und die sich daher als reine Spekulationen und Vermutungen zu Gunsten des Angeklagten erweisen.
9
a) Die nach dem Vorfall vom 21. Januar 2012 bei der Nebenklägerin festgestellten Hämatome sprechen aufgrund ihrer Lokalisation für das von ihr geschilderte Geschehen (UA S. 65). Außerdem hatte sie stark gerötete tränende Augen und eine gerötete Gesichts- und Halshaut (UA S. 19). Anhaltspunkte für die Annahme des Landgerichts, dass die Nebenklägerin, die sich in der Nacht auf den 21. Januar 2012 im Haus ihrer Eltern aufgehalten hatte, bereits zuvor anderweit entstandene Hämatome gehabt haben und sich das Pfefferspray selbst ins Gesicht gesprüht haben könnte, ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Desgleichen ist kein Motiv dafür erkennbar, weshalb sich die Nebenklägerin selbst mit Pfefferspray verletzt haben sollte, um einen Überfall durch den Angeklagten vorzutäuschen. Die Nebenklägerin hat lediglich ihren Vater zu Hilfe gerufen, eine Anzeige erstattete sie erst Monate später nach dem Vorfall vom 30. September 2012. Soweit das Landgericht in anderem Zusam- menhang ausführt, Ziel der Nebenklägerin könne es gewesen sein, Aufmerksamkeit zu erlangen, benötigte sie gegenüber ihren Eltern, die sich intensiv um sie kümmerten (UA S. 64), ersichtlich nicht das Mittel einer falschen Anschuldigung. Gegenüber Dritten hat die Nebenklägerin den Vorfall nicht zum Anlass genommen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
10
b) Die Spurenlage im Wohnzimmer der Nebenklägerin nach dem Vorfall vom 30. September 2012 sprach für einen wuchtigen Wurf mit dem Blumenkübel und gegen eine nachträgliche Veränderung der Spurenlage (UA S. 44). Das Landgericht spricht dennoch dieser Spurenlage den Beweiswert für die Glaubhaftigkeit der Schilderung der Nebenklägerin ab. Die von ihm hierfür herangezogenen Begründungen erweisen sich jedoch allesamt als bloße Spekulationen bzw. denktheoretische Erwägungen zum Vorteil des Angeklagten. Dies gilt sowohl für einen zweiten, von der Nebenklägerin selbst ausgeführten Wurf des Blumenkübels durch die Glasscheibe als auch für die Möglichkeit, die Nebenklägerin habe den Angeklagten nach einem Streit auf dem Balkon ausgesperrt und er habe sich mit dem Wurf Zutritt zur Wohnung verschafft (UA S. 25/63). Ein Streit mit nachfolgendem Aussperren des Angeklagten auf dem Balkon findet weder in der Aussage der Nebenklägerin noch in der Darstellung des Angeklagten eine Grundlage. Soweit das Landgericht die Darstellung des Angeklagten , er sei beim Hineintragen des Blumenkübels in das Wohnzimmer gestolpert, für nicht widerlegbar hält (UA S. 44), stellt es darauf ab, dass die Nebenklägerin die Spurenlage durch einen Wurf mit dem Blumenkübel nachträglich verändert haben könnte. Dem steht aber die Feststellung entgegen, dass die Spurenlage gegen eine nachträgliche Veränderung spricht. Mit diesem Umstand setzt sich das Landgericht nicht auseinander. Im Übrigen ergeben sich aus den Feststellungen auch keinerlei Anhaltspunkte für ein solches Verhalten der Nebenkläge- rin zwischen dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten und dem Eintreffen ihrer Eltern.
11
3. Das Landgericht hat die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin verschiedentlich mit Erwägungen verneint, die von den Feststellungen nicht getragen werden; dies entzieht dem Freispruch auch im Fall 1 der Anklage die Grundlage.
12
a) Das Landgericht hat ein Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage nicht positiv feststellen können (UA S. 63), sondern hält solche Motive lediglich für möglich. Ein mögliches Motiv der Nebenklägerin für eine Falschaussage sieht es etwa in dem Bestreben, Aufmerksamkeit ihrer Umgebung zu erfahren (UA S. 64). Dies lässt sich nicht mit den Feststellungen vereinbaren, nach denen die Nebenklägerin die angeklagten Vorwürfe zu 1 und 2 zunächst monatelang nicht anzeigte und Dritten und ihren Eltern gegenüber eine Sexualstraftat im Fall 1 nicht oder nur als Versuch berichtet hat. Auch nahm die Nebenklägerin, trotz der von der Kammer festgestellten massiven StalkingHandlungen des Angeklagten, nur ansatzweise professionelle Hilfe in Anspruch. Schließlich finden sich auch für die Annahme, Grund für die Falschbeschuldigungen könne sein, dass sich die Nebenklägerin durch das Verhalten des Angeklagten während des Geschlechtsverkehrs am 30. September 2012 und danach zurückgesetzt und gedemütigt gefühlt haben könnte (UA S. 63), keine entsprechenden Anhaltspunkte in den Urteilsgründen. Zuvor hatte die Nebenklägerin, als sie sich durch das Verhalten des Angeklagten verletzt und zurückgesetzt gefühlt hatte, Konsequenzen nur in der Form gezogen, dass sie sich von ihm getrennt hatte.
13
b) Auch soweit die Strafkammer darauf abstellt, dass die Nebenklägerin mit der späteren Schilderung des Übergriffs im Fall 1 der Anklage möglicherweise ihre psychische Befindlichkeit eindrücklicher habe erklären wollen (UA S. 57), erschließt sich der Sinn dieser Annahme angesichts der festgestellten fortwährenden Nachstellungshandlungen des Angeklagten, die ihre psychische Befindlichkeit ohne weiteres zu erklären vermochten, nicht.
14
c) Das Landgericht geht zum Anklagevorwurf 3 davon aus, dass der Nebenklägerin ein Zeitfenster von zwei Stunden für ein Telefonat mit dem Angeklagten zwischen 22.00 Uhr und dessen Aufbruch in W. gegen 0.00 Uhr zur Verfügung gestanden habe (UA S. 62). Dies widerspricht den Feststellungen auf UA S. 23, wonach die Nebenklägerin nach einem Telefonat mit ihrer Mutter um 23.00 Uhr mit dem Angeklagten telefonierte. Widersprüchlich sind auch die Feststellungen zu einer SMS an C. insoweit, als das Landgericht auf UA S. 42 und 47 feststellt, dass die Nebenklägerin Angaben zum zeitlichen Zusammenhang der mit C. in der Nacht vom 29. auf den 30. September 2012 gewechselten SMS sowie den mit ihm geführten Telefonaten gemacht habe, die durch die Anlage zu dem EDVUntersuchungsbericht vom 9. Oktober 2012 gestützt würden, während ihr auf UA S. 62 angelastet wird, sie habe die SMS an C. zeitlich nicht einordnen können oder wollen.
15
Es ist nicht auszuschließen, dass der Freispruch bezüglich aller drei angeklagten Vorfälle auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache muss daher neu verhandelt und entschieden werden.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
19
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
20
a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
21
Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
22
b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
24
Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
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c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
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Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger
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1. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder - wie hier - lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07, Rn. 18; vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109).
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a) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, und vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15).
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a) Allerdings hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15 und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9).
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aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge- samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 Rn. 10).
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja, aber ohne die Ausführungen zu II. 2a und 3a (Verfahrensrügen
)
Veröffentlichung: ja
BranntwMonG §
143
1. Für ein Entziehen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus
einem Steueraussetzungsverfahren reicht ein Verhalten aus, mit dem
eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Waren
beseitigt wird, so daß für die Zollbehörden die Eigenschaft der Waren
als verbrauchsteuerpflichtig, aber unversteuert nicht mehr erkennbar ist.
2. Jedes in den Gesamtablauf eingebundene Mitglied einer Schmuggelorganisation
ist zur Anmeldung der durch die Entziehung entstandenen
Verbrauchsteuern verpflichtet und damit tauglicher Täter einer Steuerhinterziehung
im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn es nach
allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen als Mittäter der Entziehung
anzusehen ist.
3. Zur Berücksichtigung der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder
einer Schmuggelorganisation für entstandene Verbrauchsteuern im
Rahmen der Strafzumessung.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 23. und 24. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H ,
Rechtsanwältin S
als Verteidiger des Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt St ,
Professor J
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger des Angeklagten T ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 24. Oktober 2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ha und R wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2001 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten T wird das ihn betreffende, weitere Urteil des Landgerichts Berlin vom selben Tage im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten Ha und R wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten T hat es nach Abtrennung des Verfahrens durch gesondertes Urteil wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten haben nur zum Strafausspruch Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die Angeklagten spätestens seit Herbst 1998 zu einer Personenvereinigung, die arbeitsteilig im Rahmen einer eingespielten Organisation fortgesetzt Alkohol in erheblichem Umfang aus der Europäischen Union an den Zollbehörden vorbei nach Polen schmuggelte. Dabei wurden im Zeitraum zwischen Mitte Dezember 1998 und Ende März 1999 von Mitgliedern dieser Schmuggelorganisation unter Mitwirkung der Angeklagten sieben Transporte mit je 28.600 Litern (ein Lkw) bzw. 57.200 Litern (zwei Lkw) extra reinen Alkohols (96 %iger Feinsprit) von Frankreich nach Polen geschmuggelt, die jeweils zunächst im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr in die Ukraine abgefertigt worden waren. Die von der Organisation für den Schwarzmarkt in Polen bestimmten Alkoholtransporte wurden, um das in Polen bestehende Einfuhrverbot für Alkohol zu umgehen und um die nicht ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union zu verschleiern, bei der Ausfuhr aus Deutschland als Chemikalien deklariert und unter Täuschung der Zollbehörden über die wahre Ladung nach Polen eingeführt. Dazu wurden auf deutschem Hoheitsgebiet die im Steueraussetzungsverfahren mitzuführenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) gegen gefälschte CMR-Frachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen. Anschließend wurde der jeweils bis dahin auf Lastkraftwagen beförderte und von Mitgliedern der Organisation in Personenkraftwagen begleitete Alkohol in Hamburg in Bahncontainer umgeladen und per Eisenbahn nach Polen versandt. Durch die Nichtanmeldung der dem Steuerversandverfahren in den sieben Fällen entnommenen Alkoholtransporte wurde Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM hinterzogen.
Im Rahmen der Arbeitsteilung bei Durchführung der Transporte war der Angeklagte T für den Einkauf des Alkohols in Frankreich und dessen Bezahlung zuständig. Hierbei erhielt er für jede Lkw-Ladung Alkohol von der Schmuggelorganisation eine „Belohnung“ von mindestens 3.000 DM. Insgesamt bestellte er bis März 1999 sechzig Lkw-Ladungen Alkohol. Zu der Organisation gehörte auch sein Bruder, der gesondert verfolgte P T , der zusammen mit weiteren, zumeist unbekannt gebliebenen Personen aus Polen die Transporte steuerte, die Tarnpapiere beschaffte und den Absatz des Alkohols auf dem Schwarzmarkt in Polen organisierte. In den Aufgabenbereich des Angeklagten Ha fiel die Abwicklung der Umladung der bereits mit gefälschten Frachtpapieren angelieferten Alkoholladungen in Bahncontainer sowie die Prüfung der gefälschten CMR-Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung. Zur Abwicklung der Umladung zog er den Angeklagten R hinzu, der als einer der geschäftsführenden Gesellschafter die Lagerei Sch im Hamburger Freihafen leitete. Für ihre Mitwirkung erhielten der Angeklagte Ha von der Organisation 3.000 DM je umgeladener Lkw-Ladung, der Angeklagte R 1.000 DM pro Container. Daneben durfte der Angeklagte R in den vier Fällen, in denen die Umladung auf dem Gelände der Firma Sch durchgeführt wurde (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), als „Risikozuschlag“ eine Rechnung mit einer Gewinnspanne von 500 DM statt üblicherweise 100 DM pro Container stellen.
Die verfahrensgegenständlichen Transporte gingen im einzelnen wie folgt vonstatten:
Der Alkohol wurde von der Organisation bei der Distillerie G in Aigre/Frankreich bezogen. Dort bestellte der Angeklagte T jeweils die entsprechende Abnahmemenge. Anschließend wickelte er die Bezahlung – zumeist persönlich in bar – über die Luxemburger Firma E des Zeugen K ab. Nachdem die Firma E der Herstellerfirma die Bezahlung des Kaufpreises bestätigt hatte, eröffnete diese als Versender ein
Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr aus dem Ver- brauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft über das Grenzzollamt Frankfurt/Oder. Als Empfänger wurde die Firma „V “ in Vinogradov/Ukraine angegeben, die von der Schmuggelorganisation speziell zu dem Zweck gegründet worden war, als Tarnempfängerin aufzutreten. Der Alkohol wurde dann von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit Lastzügen statt zum Ausgangszollamt Frankfurt/Oder nach Hamburg gebracht. Vor der Anlieferung im Hamburger Hafen wurden die französischen, bei Alkoholtransporten im Steuerversandverfahren mitzuführenden begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) auf deutschem Hoheitsgebiet gegen CMRFrachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen und als Versender deutsche Tarnadressen nannten. Bei den CMR-Frachtbriefen handelte es sich um Totalfälschungen, die von Mitgliedern der Organisation in Polen für diesen Zweck hergestellt worden waren. Die begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) wurden mit nachgemachten Ausfuhrstempeln an die Firma G , welche die Steuerversandverfahren eröffnet hatte, zurückgesandt. Damit sollte der Anschein einer ordnungsgemäßen Ausfuhr des Alkohols unter zollamtlicher Überwachung erweckt werden. Ziel des Austausches der Frachtpapiere war die Täuschung der polnischen Zollbehörden zur Umgehung des polnischen Einfuhrverbotes.
Der Angeklagte Ha prüfte sodann die gefälschten CMRFrachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung und wickelte mit dem Angeklagten R die Umladung der Alkoholtransporte zum Weiterversand mit Bahncontainern nach Polen ab. Zur Verschleierung der Alkoholtransporte schalteten sie die Firma I aus Campione, einer italienischen Enklave in der Schweiz ein, welche mit der Umladung von „Chemikalien“ und deren anschließenden Transport nach Polen unter Einschaltung der Spedition Rü beauftragt wurde. In den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe wurde der angelieferte Alkohol auf dem Gelände der Firma Sch C , in den übrigen Fällen bei einer anderen Firma im Hamburger Hafen, in Bahncontainer umgeladen.
Bei Abwicklung der Transporte hielt der Angeklagte Ha Kontakt zu P T und weiteren polnischen Hintermännern und übermittelte ihnen die Containernummern. Diese wurden ihm jeweils vom Angeklagten R mitgeteilt, der mit dem Geschäftsführer der Firma I in Verbindung stand und – sofern die Umladungen nicht auf seinem Firmengelände stattfanden – die Containernummern bei der Spedition Rü erfragte.
Alle drei Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, daß durch den Austausch der Frachtpapiere in Deutschland und einer damit verbundenen Entziehung der Alkoholtransporte aus der zollamtlichen Überwachung deutsche Branntweinsteuer entstand; dennoch gaben sie entsprechende Steueranmeldungen nicht ab. Sie hielten einerseits eine ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union mit anschließendem Einführen unter falscher Warenbezeichnung nach Polen wegen der Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Grenzkontrollstellen nicht für möglich; andererseits war für sie nur unversteuerter Alkohol auf dem Schwarzmarkt in Polen mit Gewinn absetzbar.

II.


Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet.
1. Revision des Angeklagten Ha

a) Die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher bereits unzulässig.

b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jeweils den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung.
aa) Eine unechte Urkunde gebraucht (im Sinne von § 267 Abs. 1 3. Alternative StGB), wer sie zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich macht (vgl. BGHSt 36, 64, 65; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 267 Rdn. 23).
Der Angeklagte hat vorsätzlich falsche Urkunden gebraucht, indem er die von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit den Alkoholtransporten angelieferten Totalfälschungen von CMR-Frachtbriefen für Chemikalienlieferungen nach dem Umladen auf Bahncontainer in Hamburg den Alkohollieferungen wieder beifügen ließ. Hierdurch sollten insbesondere die Zollbehörden beim Weitertransport des Alkohols auf der Schiene nach Polen über die Art der transportierten Ware getäuscht werden.
Die von dem Angeklagten begangene Urkundenfälschung erstreckt sich auch auf das von anderen Mitgliedern der Schmuggelorganisation auf deutschem Hoheitsgebiet schon vor dem Anliefern des Alkohols in Hamburg vorgenommene Austauschen der begleitenden Verwaltungsdokumente mit gefälschten CMR-Frachtbriefen. Deren Handeln ist dem Angeklagten wie eigenes Handeln zuzurechnen. Der Angeklagte war Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) aller im Rahmen des Alkoholschmuggels von Frankreich nach Polen von Mitgliedern der Schmuggelorganisation arbeitsteilig begangenen Straftaten. Der Alkoholschmuggel umfaßte das gesamte Tatgeschehen von der Beschaffung des Alkohols in Frankreich über den Transport nach Deutschland , den Austausch der Frachtpapiere, die Umladung in Bahncontainer bis hin zum Einschmuggeln an den polnischen Zollbehörden vorbei nach Polen.
(1) Mittäterschaftlich handelt derjenige, der aufgrund eines gemeinsamen Tatplans einen für die Deliktsbegehung förderlichen Tatbeitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen läßt. Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beant-
worten. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung können das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2 m. w. N.). Auf der Grundlage gemeinsamen Wollens kann dabei sogar eine bloße Mitwirkung bei der Tatvorbereitung oder eine sonstige Unterstützungshandlung ausreichen (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609). Allerdings kommt eine (sukzessive) Mittäterschaft dann nicht (mehr) in Betracht, wenn eine tatunterstützende „Beteiligungshandlung“ erst nach Beendigung einer Straftat – also nach dem Handlungsgeschehen, mit dem das Tatunrecht seinen Abschluß findet – einsetzt, selbst wenn die Mitwirkung vorher zugesagt worden ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13. August 2002 – 4 StR 208/02; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 22 Rdn. 6, § 25 Rdn. 9 m. w. N.).
Die tatrichterliche Bewertung zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ist dabei nur begrenzt der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 226/97). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für diese Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil – wie hier – erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387; NStZ-RR 1998, 136; jeweils m. w. N.).
(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die vom Landgericht vorgenommene , auf der Hand liegende Würdigung des Verhaltens des Angeklagten als Mittäterschaft und nicht als Beihilfe aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Der Angeklagte hatte erhebliches Eigeninteresse an den Taten. Auch wenn sein aus jedem Schmuggeltransport resultierender Gewinn von jeweils
3.000 DM im Hinblick auf das Gesamtvolumen der einzelnen Alkoholtrans- porte nicht sehr bedeutend erscheint, hatte diese Einnahmequelle für den Angeklagten erhebliche Bedeutung. Die Taten waren auf vielfache Tatbegehung in hoher Tatfrequenz ausgelegt. Jedenfalls durfte das Landgericht die Tatherrschaft des Angeklagten über einen wichtigen Teil des Gesamtgeschehens als ausschlaggebenden Grund für die Annahme einer Mittäterschaft heranziehen. Der Angeklagte war in der Schmuggelorganisation für den gesamten Bereich der Umladung des Alkohols, der einen hohen logistischen Aufwand und die Einschaltung mehrere Firmen erforderte, sowie für den Weiterversand der Ware nach Polen verantwortlich (UA S. 8 f.). Zu seinen Aufgaben gehörte die Überprüfung der gefälschten Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung (UA S. 8) und der Kontakt zu den polnischen Hintermännern , die nur aufgrund seiner Übermittlung der Containernummern die Container in Empfang nehmen und den Alkohol auf den Schwarzmarkt bringen konnten (UA S. 13). Der in den Tatplan eingeweihte (UA S. 8) Angeklagte hatte damit innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation (UA S. 14) während eines wesentlichen Teils des Geschehensablaufes eine fast alleinige Herrschaft über wertvolle Ware, auf der bei einer Überführung in den freien Verkehr Verbrauchsteuern je Lieferung von 700.000 DM bzw. 1,4 Mio. DM lasteten.
Die Taten waren, als der Angeklagte seine Tatbeiträge erbrachte, noch nicht beendet, weil der Gebrauch der falschen Frachtpapiere andauerte und die steuerlichen Erklärungspflichten fortbestanden.
bb) Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten auch wegen (mittäterschaftlich begangener) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt. Er hat in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation gegen die sich aus § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG ergebende Pflicht verstoßen, für die Alkohollieferungen nach Austausch der begleitenden Verwaltungsdokumente gegen
gefälschte CMR-Frachtbriefe unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben.
Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann freilich nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1). Diese Pflicht ergab sich indes hier für den Angeklagten daraus, daß er als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in eigener Person Steuerschuldner der Branntweinsteuer geworden war (vgl. § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG). Der aus Frankreich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren zum Zwecke der Ausfuhr in die Ukraine nach Deutschland transportierte Alkohol wurde diesem Verfahren im Inland entzogen; diese Entziehung ist dem Angeklagten zuzurechnen.
(1) Der nach den Urteilsfeststellungen im Inland erfolgte Austausch der Frachtpapiere stellt eine Entziehung des unter Steueraussetzung transportierten Alkohols aus diesem Verfahren im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG dar.
(a) Die Alkohollieferungen befanden sich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren und damit in einem Steueraussetzungsverfahren, als sie zum Zwecke der Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft (zunächst ) nach Deutschland transportiert wurden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Sie wurden von der Distillerie G in Aigre/Frankreich zur Ausfuhr aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union unter Steueraussetzung abgefertigt (vgl. Art. 302 L i.V.m. Art. 302 E des französischen Code Général des Impôts, CGI; diese Regelung entspricht § 142 Abs. 1 BranntwMonG ) und durften steuerfrei in diesem Verfahren durch das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden (§ 133 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Das Steueraussetzungsverfahren ist auch wirksam eröffnet worden. Dem steht nicht entgegen, daß die Schmuggelorganisation nicht die Absicht hatte, den Alkohol tatsächlich an die lediglich als Tarnempfänger angegebene Firma „V “ in der Ukraine zu liefern.
Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger im Inland geliefert wird (BFH ZfZ 2000, 312) oder wenn der Versender in dem begleitenden Verwaltungsdokument einen nicht existierenden Empfänger angibt und dies auch weiß (FG Düsseldorf ZfZ 2000, 385).
Diese Fälle liegen hier aber nicht vor. Der Versender, die Firma G , hat einen tatsächlich existierenden Empfänger, die Firma „V “ angegeben und wollte die Ware auch dorthin liefern. Bei dieser Firma handelte es sich um eine Tarnfirma, nicht um eine Scheinfirma. Die Tatsache, daß die Schmuggelorganisation von Anfang an die Absicht hatte, die Ware nicht in die Ukraine, sondern nach Polen zu bringen, spielt für die Wirksamkeit des eröffneten Steueraussetzungsverfahrens ebensowenig eine Rolle wie die Tatsache, daß die angegebene Empfängerfirma die Ware nicht empfangen wollte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Versender bei Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens die Ausfuhr an den angegebenen Empfänger tatsächlich beabsichtigte. Selbst wenn die Empfängerfirma als Scheinfirma anzusehen wäre, würde dies nicht dazu führen, ein von Anfang an unwirksames Steueraussetzungsverfahren annehmen zu können. Die Ware sollte ausgeführt werden und damit zu keiner Zeit im Inland an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger gelangen. Ob der Empfänger in einem Drittland bezugsberechtigt ist, bleibt für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens , das am Ausgangszollamt endet, ohne Bedeutung. Der Alkohol ist damit nicht bereits in Frankreich mit Verlassen des Steuerlagers des Herstellers des Alkohols in den freien Verkehr gelangt.
Nach der Abfertigung und Entfernung aus dem Steuerlager des Her- stellers wurde der Alkohol unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens mit den entsprechenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumenten (DCA) von Frankreich nach Deutschland transportiert.
(b) Der Alkohol wurde im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen.
(aa) Der Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG, der die Rechtsfolgen von Unregelmäßigkeiten im Verkehr unter Steueraussetzung regelt, ist weder im BranntwMonG noch im sonstigen nationalen Recht ausdrücklich definiert. Seine Bedeutung ist daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln.
Zwar führt die Auslegung allein anhand der Wortbedeutung nicht zu einem sicheren Ergebnis. Ihr ist aber immerhin zu entnehmen, daß die Entziehung ein Verhalten voraussetzt, mit dem eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Gegenstände beseitigt wird. Die historische, die teleologische und die systematische Auslegung – unter Orientierung am Europäischen Gemeinschaftsrecht – bestätigen dies.
Da das System der Steueraussetzung von Verbrauchsteuern im europäischen Warenverkehr – und damit auch § 143 BranntwMonG – auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht, sind vorrangig diese zur Auslegung des Begriffs des Entziehens heranzuziehen. Das Steueraussetzungsverfahren ist ein durch Gemeinschaftsrecht geschaffenes neues Institut des Verbrauchsteuerrechts , das nach Abschaffung der Erhebung von Verbrauchsteuern im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Errichtung des europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 eingeführt wurde. Es ermöglicht in Bezug auf verbrauchsteuerpflichtige Waren die Vornahme bestimmter Maßnahmen
– wie z.B. die Beförderung –, ohne daß dabei für die betroffenen Waren ein Steueranspruch entsteht oder besteht (vgl. Beermann DStZ 1993, 291). Die Vorschriften über das Steueraussetzungsverfahren wurden durch das Verbrauchsteuer -Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2150) als nationale Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG 1992 Nr. L 76 S. 1; im folgenden: Systemrichtlinie) in die deutschen Verbrauchsteuergesetze eingefügt; zugleich wurde zur Überwachung der Verbrauchsteuerverfahren , insbesondere zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung, eine verbrauchsteuerrechtliche Steueraufsicht geschaffen (vgl. § 209 ff. AO).
§ 143 BranntwMonG basiert auf Art. 20 (i.V.m. Art. 4 lit. c und Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Systemrichtlinie 92/12/EWG. Der in § 143 BranntwMonG verwendete Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren wird allerdings in der Systemrichtlinie ebenfalls nicht definiert. Art. 20 dieser Richtlinie spricht vielmehr von Unregelmäßigkeiten und Zuwiderhandlungen, aufgrund derer eine Verbrauchsteuer entsteht, und setzt damit die Steuerentstehung , die Folge des Entziehens, bereits voraus.
Art. 6 Abs. 1 der Systemrichtlinie regelt die Entstehungstatbestände. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer mit der „Überführung in den steuerlich freien Verkehr“, darunter auch durch „jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung“ (Art. 6 Abs. 1 lit. a). Allerdings überläßt es die Systemrichtlinie wieder dem nationalen Recht, was als Überführung in den freien Verkehr anzusehen ist. Nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie richten sich nämlich die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerlich freien Verkehr stattfindet.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zur Erläuterung, wann eine solche Entnahme vorliegt, mit Urteil vom 5. April 2001 in der Rechtssache C-325/99 – G. van de Water – (Slg. 2001, I-2729) unter Tz. 35 den Wortlaut der Systemrichtlinie wiederholt: „Nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie gelten als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nicht nur jede Herstellung oder Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, sondern auch jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Waren aus einem solchen Verfahren“.
Allerdings lassen die Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie (92/12/EWG) deutlich werden, daß das Funktionieren des gemeinschaftsrechtlichen Verbrauchsteuersystems die Möglichkeit eines jederzeitigen Zugriffs auf die verbrauchsteuerpflichtige Ware und damit die Kenntnis des Ortes, wo sich die Ware befindet, voraussetzt. So wird in der Begründung zur Richtlinie ausdrücklich festgestellt: „Die Durchsetzung des Steueranspruchs setzt ... eine Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren voraus. Es ist deshalb ein Begleitpapier für diese Waren vorzusehen. ... Jede Ware muß leicht identifizierbar sein.“
Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte hat bisher noch keine einheitlichen Auslegungskriterien für die Begriffe „Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren“ und „Überführung in den freien Verkehr durch unrechtmäßige Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren“ entwickelt. Während einerseits das FG Düsseldorf ein Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren immer dann für gegeben hält, wenn dieses Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist (ZfZ 1998, 211), und somit auch dann, wenn bei einer zur Ausfuhr in das Außengebiet im Steueraussetzungsverfahren bestimmten Ware aufgrund der Fälschung des begleitenden Verwaltungsdokuments der Transportweg von abhanden gekommenen Branntweinerzeugnissen nicht nachvollzogen werden kann (ZfZ 2000, 242), wird andererseits nicht in jedem Fall der bloße Aus-
tausch von Begleitpapieren vor der Ausfuhr einer Ware als Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren angesehen (vgl. FG München ZfZ 2001, 246 und Urt. vom 12. September 2001 – 3 K 2464/98). Wieder andere legen den Begriff des Entziehens im Sinne von § 143 BranntwMonG nach den zu Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) entwickelten Grundsätzen aus (vgl. FG Hamburg , Urt. vom 24. April 2001 – IV 285/98).
Allerdings gibt es zum zollrechtlichen Begriff „Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung“ (Art. 203 Abs. 1 ZK) eine gefestigte Rechtsprechung. Danach ist zur Aufrechterhaltung der Kontrollmöglichkeit über Waren, die sich im (zollrechtlichen) Versandverfahren befinden, grundsätzlich erforderlich , daß diese nur in einer mit dem Versandverfahren zu vereinbarenden Weise behandelt werden (BFH ZfZ 2000, 419). Steht die Behandlung des Zollversandguts in keinem Zusammenhang mit dieser Beförderung, so gerät es in der Regel außerhalb der Kontrolle im Rahmen der zollamtlichen Überwachung und ist damit entzogen (BFHE 144, 311, 313). Maßgebliches Kriterium für die Abgabenbefreiung in einem Versandverfahren ist die ständige Kontrollmöglichkeit der Ware durch die für das Verfahren zuständigen Behörden.
Noch deutlicher wird das Erfordernis der jederzeitigen Kontrollmöglichkeit für ein solches Versandverfahren in der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens aus zollamtlicher Überwachung: Mit Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-371/99 – Liberexim BV (ZfZ 2002, 338), das insoweit auch auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-66/99 (D. Wandel, Slg. 2001, I-873) Bezug nimmt, ist der Begriff der Entziehung so zu verstehen, „daß er jede Handlung oder Unterlassung umfaßt, die dazu führt, daß die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (Tz. 55), wobei es nicht erforderlich ist, daß insoweit ein subjektives Element vorliegt (Tz. 61).
Auch wenn diese Rechtsprechung zum zollrechtlichen Entziehungstatbestand nicht ohne weiteres auf die Entziehung aus dem Steuerausset- zungsverfahren bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren übertragen werden kann, so wird anhand einer systematischen Auslegung deutlich, daß den Begriffen des Entziehens aus einem (zollrechtlichen) externen Versandverfahren und des Entziehens aus einem Steueraussetzungsverfahren wegen der Parallelität der Regelungen und ihrer inneren Verzahnung zumindest weitgehend derselbe Bedeutungsgehalt zukommt.
Die Regelungssysteme des EG-Zollrechts und des EG-Verbrauchsteuerrechts haben beide ihre Rechtsquellen im Europäischen Gemeinschaftsrecht und dienen gemeinsam der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes (vgl. Art. 14 EG). Während das Europäische Zollrecht seine Grundlage im Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92/EWG des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und der zugehörigen Durchführungsverordnung Nr. 2454/93/EWG hat, ist das Verbrauchsteuerrecht in der Europäischen Union durch die System-, Struktur- und Steuersatzrichtlinien weitgehend harmonisiert; dabei sind die Steuerentstehungstatbestände durch die Systemrichtlinie Nr. 92/12/EWG bereits im einzelnen einheitlich festgelegt (Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3). Sowohl für das EG-Zollrecht als auch parallel dazu für das EG-Verbrauchsteuerrecht sind die Kontrollen an den Binnengrenzen zur Schaffung des Europäischen Binnenmarktes abgeschafft worden; sie wurden durch gemeinsame Zoll- und harmonisierte Verbrauchsteuerregelungen ersetzt (vgl. zum Verbrauchsteuerrecht Beermann DStZ 1993, 257 ff., 291 ff.; Wolffgang in Lenz, EG-Vertrag 2. Aufl. Art. 93 Rdn. 27 ff.).
Beiden Rechtssystemen ist auch gemeinsam, daß Waren, die zum Zwecke der Ausfuhr in einem Versandverfahren befördert werden, der zollamtlichen Überwachung unterliegen (Zoll: externes Versandverfahren, Art. 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Nr. 13 ZK, Art. 84 Abs. 1 lit. a, Art. 91 ZK; Verbrauchsteuern : Steueraussetzungsverfahren, Art. 5 Abs. 2, Art. 15 Abs. 1
Systemrichtlinie 92/12/EWG i.V.m. § 209 AO). Die zollamtliche Überwachung soll in diesen Fällen sicherstellen, daß für die Waren, wenn sie nicht bestimmungsgemäß ausgeführt werden, die gesetzlichen Abgaben erhoben werden. Wird eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 lit. a) transportiert, dann befindet sie sich automatisch auch unter Steueraussetzung (vgl. Art. 5 Abs. 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Für den Fall der Einfuhr verweisen die Verbrauchsteuergesetze sogar insgesamt auf die für Zölle geltenden Vorschriften (vgl. § 21 Abs. 2 UStG; § 147 Abs. 1 BranntwMonG; § 21 TabStG; § 13 KaffeeStG; § 23 MinöStG; § 13 Abs. 1 BierStG).
Sowohl mit dem zollrechtlichen Versandverfahren als auch mit dem Steueraussetzungsverfahren werden Transporterleichterungen für Waren normiert, die nicht im Gemeinschaftsgebiet in den freien Verkehr gelangen sollen. Beide Verfahren können als Massenverfahren aber nur dann dauerhaft funktionieren, ohne das Abgabensystem als solches zu gefährden, wenn der Aufenthaltsort der in dem Versandverfahren beförderten Ware stets bekannt ist. Nur dann ist nämlich sichergestellt, daß die anfallenden Abgaben erhoben werden können, wenn die Ware aus dem Verfahren heraus einer abgabepflichtigen Verwendung zugeführt wird. Solches kann aber dann nicht mehr festgestellt werden, wenn die zuständigen staatlichen Stellen keine Kenntnis mehr vom Aufenthaltsort der Ware haben. Deshalb ist das Steueraussetzungsverfahren – ebenso wie das zollrechtliche externe Versandverfahren – gekennzeichnet durch eine stattfindende zollamtliche Überwachung bzw. Steueraufsicht (vgl. Schroer-Schallenberg in: Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (Hrsg.), Hemmnisse und Sanktionen in der EU, S. 125).
Diese Parallelität und enge innere Verzahnung der beiden Regelungssysteme ließe eine wesentlich unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Entziehung systemwidrig und nicht nachvollziehbar erscheinen. Bei der Auslegung des Begriffs der Entziehung bzw. der Entnahme sind daher für die
zollrechtlichen und die verbrauchsteuerrechtlichen Versandverfahren weitge- hend dieselben Grundsätze zu beachten, insbesondere das Erfordernis einer ständigen Kontrollierbarkeit der Waren als Voraussetzung für den Ausnahmefall der Abgabenbefreiung. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, daß zollrechtlich eine Entziehung vorliegt, wenn „die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (vgl. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-66/99 – D. Wandel, Slg. 2001, I-873, Tz. 55), jedenfalls immer dann ein Entziehen aus einem Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn durch einen objektiven Verstoß gegen die Regeln der Steueraussetzung eine auch nur vorübergehende Unterbrechung der Steueraufsicht gegeben ist (so auch Reiche in Teichner /Alexander/Reiche, MinöStG § 18 Rdn. 35). In einem solchen Fall ist nämlich die Ware als in einem steuerrechtlich freien Verkehr befindlich anzusehen (vgl. Reiche aaO Rdn. 33; Beermann aaO S. 292; Soyk ZfZ 1998, 2, 4 f. m. w. N.). Die nach der Systemrichtlinie 92/12/EWG erforderliche Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist dann nicht mehr gegeben.
Einer Vorlage an den EuGH zur Klärung des Begriffes der Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Systemrichtlinie) in einem Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 Abs. 3 EG) bedarf es hier nicht. Art. 234 EG hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dabei soll mit Abs. 3 des Art. 234 EG durch das Auslegungsmonopol des EuGH für Regelungen des Gemeinschaftsrechts insbesondere verhindert werden, daß sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht in Einklang steht (EuGH NJW 1983, 2751). Eine Vorlage an den EuGH ist daher nur dann entbehrlich, wenn im konkreten Fall bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt
oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß kein vernünftiger Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (EuGH NJW 1983, 1257). Zwar hat der EuGH eine Auslegung des Begriffs der Entziehung für das Steueraussetzungsverfahren bisher noch nicht vorgenommen. Es besteht aber angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum zollrechtlichen Begriff des Entziehens unter Berücksichtigung der Systematik und der Entstehungsgeschichte der betroffenen Regelungsmaterien kein ernsthafter Zweifel daran, daß der EuGH für den Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zur selben Auslegung wie für den zollrechtlichen Begriff des Entziehens gelangen würde. Die gesicherte Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens im Zollrecht, die der Senat seiner Auslegung des Begriffs des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zugrundelegt, läßt neben der vom Senat vorgenommenen Auslegung keine weiteren vernünftigerweise möglichen Auslegungen mehr zu.
Damit lag im Entfernen der begleitenden Verwaltungsdokumente von der im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkohollieferung und der Ersetzung durch auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren lautende CMR-Frachtbriefe eine Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG. Für die zuständigen Behörden war es ab diesem Zeitpunkt auch bei einer möglichen Kontrolle der Begleitpapiere nicht mehr erkennbar, daß es sich bei der Ware um eine verbrauchsteuerpflichtige , aber unversteuerte Ware handelt.
(bb) Der Einwand, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern könne dann nicht gegeben sein, wenn der Nachweis erbracht sei, daß die Ware letztlich tatsächlich noch ausgeführt worden sei, greift nicht durch. Entgegen der Ansicht der Verteidigung steht die Tatsache der späteren Ausfuhr des Alkohols der Annahme einer (vorher erfolgten) Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren nicht entgegen. Wie dies bereits in den Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie 92/12/EWG zum Ausdruck kommt, sind Steueraussetzungsverfahren sehr formelle Verfahren, die auf eine hinreichende
Kontrollmöglichkeit der in diesen Verfahren transportierten Erzeugnisse angewiesen sind. Besteht diese Kontrollmöglichkeit für die zuständigen Steuerbehörden nicht mehr, ist die Ware in den freien Verkehr gelangt und damit der Besteuerungstatbestand erfüllt. Die Tatsache, daß Bewegungen dieser verbrauchsteuerpflichtigen Ware über einen längeren Zeitraum ohne Kenntnis der zuständigen Behörden vonstatten gegangen sind, steht mit den Grundprinzipien des Steueraussetzungsverfahrens so im Widerspruch, daß es für die Frage der Entziehung nicht darauf ankommen kann, ob die Ware letztlich einer steuerfreien Verwendung zugeführt wird oder nicht bzw. ob das mit dem Steueraussetzungsverfahren beabsichtigte Ziel der Ausfuhr noch erreicht wird. Der Verstoß gegen die Vorschriften des innergemeinschaftlichen Versandverfahrens ist auch so erheblich, daß er nicht lediglich als Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften angesehen werden kann. Entgegen Schroer-Schallenberg (aaO S. 130 f.) liegt darin nicht lediglich ein Verfahrensverstoß ohne steuerschuldrechtliche Konsequenzen. Das Steueraussetzungsverfahren ist nämlich hier durch die Ausfuhr unter Vorlage falscher Frachtpapiere überhaupt nicht abgeschlossen worden. Das Verfahren der Steueraussetzung ist erst dann erledigt, wenn die Ausgangszollstelle bescheinigt , daß die verbrauchsteuerpflichtigen Waren die Gemeinschaft verlassen haben (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Auch sind die in § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG für den Fall des Entziehens normierten Ausnahmen von der Steuerentstehung nicht gegeben. Der Alkohol ist weder nachweislich untergegangen, noch an Personen im Steuergebiet abgegeben worden, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung berechtigt sind; ein dem Untergang nach § 143 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG gleichstehender Schwund liegt ebenfalls nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 143 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG , die keine tatbestandlichen Einschränkungen für die Fälle der Steuerentstehung bei einer „echten“ Entziehung nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG enthält, sondern im Gegenteil für bestimmte – hier nicht vorliegende – Fallkonstellationen die Fiktion einer Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren normiert.
Im übrigen muß die Frage, ob eine Entziehung gegeben ist, zum Zeitpunkt einer möglichen Entziehung eindeutig zu klären sein. Ob eine Entziehung vorliegt, kann damit nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis (eventuelle tatsächliche Ausfuhr auf anderem als dem vorgesehenen Wege) abhängig gemacht werden; die tatsächliche Ausfuhr führt auch nicht zu einem automatischen nachträglichen Wegfall einer einmal entstandenen Verbrauchsteuer. Wird die Ware letztlich doch noch ausgeführt, kann dies steuerschuldrechtlich allenfalls – damit die Erhebung der Steuer für eine ausgeführte Ware nicht einer ungewollten Sanktion gleichkommt (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56) – für die Frage eines möglichen Erlasses der Steuer (vgl. § 227 AO; Art. 239 ZK) und steuerstrafrechtlich nur für die Frage der Strafzumessung von Bedeutung sein.
(2) Der Angeklagte Ha ist aufgrund des Besteuerungstatbestandes § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der durch die Entziehung anfallenden Branntweinsteuer geworden. Zwar hat der Angeklagte die Entziehung nicht in eigener Person vorgenommen – vielmehr wurde der Alkohol im Hamburger Hafen bereits mit den gefälschten CMRFrachtbriefen angeliefert (vgl. UA S. 8) –; ihm ist aber die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren durch andere Mitglieder der Organisation wie eigenes Tun zuzurechnen.
Das BranntwMonG definiert nicht, wer Verantwortlicher einer Entziehung im Sinne des § 143 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung sein kann.
Eine ausdifferenzierte Regelung, wer bei einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung Zollschuldner wird, findet sich in Art. 203 Abs. 3 Zollkodex (ZK): Es sind dies nicht nur die Personen, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen haben (1. Spiegelstrich), sondern auch diejenigen Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren (2. Spiegelstrich) und sogar die Personen, welche die Ware in Besitz gehabt
haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erhalts der Ware wußten oder billigerweise hätten wissen müssen, daß diese der zollamtlichen Überwachung entzogen war (3. Spiegelstrich).
Diese Regelung kann allerdings nicht auf die Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren übertragen werden. Sie legt nämlich nicht fest, wer als Entzieher anzusehen ist, sondern bestimmt lediglich, daß neben dem Entzieher weitere Personen, z. B. Gehilfen, Steuerhehler, weitere Zollschuldner werden. Eine solche Regelung enthält § 143 BranntwMonG nicht. Gegen eine Regelungslücke insoweit und eine analoge Anwendung von Art. 203 Abs. 3 ZK spricht, daß beide Vorschriften etwa zum selben Zeitpunkt (1992) Gesetz geworden sind, der Gesetzgeber jedoch unterschiedliche Regelungen getroffen hat. Allenfalls kann aus der Regelung des Art. 203 Abs. 3 ZK im Umkehrschluß geschlossen werden, daß bloße Gehilfen bei einer Entziehung nicht selbst als Entzieher anzusehen sind.
Wer als Täter einer Entziehung anzusehen ist, muß damit sowohl für § 143 BranntwMonG als auch für Art. 203 Abs. 3 ZK nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (zur Entziehung aus zollamtlicher Überwachung) ist Täter der Entziehungshandlung derjenige, der die Handlung selbst ausführt, wie auch derjenige, der die Handlung veranlaßt, d.h. die Tatherrschaft hat (vgl. BFHE 161, 266, 270; BFH ZfZ 2000, 419). Für die Bestimmung der Täterschaft einer vorsätzlich herbeigeführten Entziehung im Sinne von § 143 BranntwMonG sind damit die von der Rechtsprechung für die Mittäterschaft bei einer Straftat entwickelten Grundsätze (vgl. oben) entsprechend anzuwenden. Der Senat verkennt dabei nicht, daß es sich bei § 143 BranntwMonG um einen Steuerentstehungstatbestand und nicht um einen Straftatbestand handelt: Erst wenn feststeht, daß der Steuertatbestand erfüllt ist, ergeben sich im Sinne des § 370 AO strafrechtlich relevante steuerliche Verhaltenspflichten (die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung).
Die Haftungsnorm des § 143 Abs. 4 Satz 2 BrannwMonG hat aber zumindest für den Fall vorsätzlicher Entziehung einen deliktischen Charakter, was die Heranziehung der Grundsätze über die Mittäterschaft rechtfertigt.
Danach ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts, den Angeklagten Ha wegen seiner fast alleinigen Tatherrschaft über einen wesentlichen Teil des Geschehensablaufes innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation als Mittäter des gesamten Alkoholschmuggels (siehe oben) und damit auch als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren anzusehen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, daß der Alkohol bereits mit ausgetauschten Frachtpapieren in Hamburg angeliefert wurde, als der eigentliche Tatbeitrag des Angeklagten Ha erst einsetzte. Die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren war durch die bloße Auswechslung der Frachtpapiere noch nicht so weit abgeschlossen, daß eine Beteiligung des Angeklagten Ha an ihr nicht mehr möglich gewesen wäre und seine Handlungen damit nur noch dem Absatz (§ 374 AO) einer bereits dem Verfahren entzogenen Ware oder der Begünstigung (§ 257 StGB) anderer Personen hätten dienen können. Die Alkohollieferungen befanden sich bis zur Umladung durch die Angeklagten Ha und R noch in denselben Lkw, die in den ursprünglichen Versandpapieren als Transportmittel angegeben waren, und waren, bis sie in den Machtbereich der Angeklagten Ha und R gelangten, noch nicht zur Ruhe gekommen. Erst durch die Überprüfung der „neuen“ Frachtpapiere auf ihre Eignung zur Täuschung durch den Angeklagten Ha und die Umladung der Alkoholladungen in Bahncontainer wurde die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren endgültig abgeschlossen.
(3) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten damit als Mittäter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) angesehen. Er hat nach Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren als Steuerschuldner (§ 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG) in
bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation unterlassen , gemäß § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG unverzüglich für die entzogenen Erzeugnisse eine Steueranmeldung abzugeben. Auf diese Weise konnte die Organisation den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Branntweinsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn absetzen.

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die Beweise zu würdigen. Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sachbeschwerde nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie Rechtsfehler enthält. Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten Überlegungen des Tatrichters in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder sie gegen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist hier nicht gegeben.
aa) Das Landgericht hat sich auf ausreichender Tatsachengrundlage davon überzeugt, daß die in Hamburg umgeladenen Alkoholmengen mit dem bei der Firma G in Frankreich geladenen Alkohol identisch waren. Dieser Schluß ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Bei seiner Überzeugungbildung durfte das Landgericht der Tatsache, daß die Lastzüge während des Transportes nicht gewechselt wurden, hohes Gewicht beimessen (UA S. 23). Die Strafkammer hat hierbei die Möglichkeit nicht verkannt, daß eine Entladung des Alkohols und eine Beladung mit anderen Alkoholmengen durchaus möglich gewesen wäre, hat aber diese – eher fernliegende – Möglichkeit im Hinblick auf den erhöhten organisatorischen und finanziellen Aufwand, das höhere Entdeckungsrisiko und die mangelnde Eignung zur Verschleierung des Transportwegs bei Benutzung derselben Lastkraftwagen als unwahrscheinlich angesehen. Auch die festgestellte Differenz in der Grädigkeit des sichergestellten Alkohols von 0,3 % Vol. gegenüber den Herstellerangaben hat das Landgericht in seine Erwägungen einbezogen. Nach
vertretbarer Ansicht der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer liegt die Abweichung im Rahmen der üblichen Toleranz, so daß von einer Meßdifferenz auszugehen ist.
bb) Die Erwägungen, aufgrund derer das Landgericht zur Überzeugung gelangt ist, daß der Austausch der Frachtpapiere noch nicht in Frankreich , sondern erst in Deutschland erfolgt ist, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
Auch hier hat das Landgericht die Möglichkeit eines Austauschs bereits in Frankreich oder in den Benelux-Staaten gesehen und erörtert (UA S. 25). Wenn das Landgericht diese Möglichkeit dann aber unter Hinweis darauf wieder verworfen hat, daß zum einen die tatsächlich gefahrene Route nach Hamburg von der zu dem in den Frachtpapieren angegebenen Zielort Frankfurt/Oder erst auf deutschem Hoheitsgebiet abzweigt, zum anderen die verwendeten Tarnpapiere ausschließlich auf deutsche Tarnversender und polnische Empfänger ausgestellt waren, die in Frankreich oder den BeneluxStaaten Argwohn erweckt und zu einem höheren Risiko geführt hätten, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Im Ergebnis ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat sich das Landgericht auch davon überzeugt, daß der Angeklagte Ha zumindest billigend in Kauf genommen hat, daß durch die vorgenommene Abwicklung der Alkoholtransporte (auch) deutsche Verbrauchsteuer entstehen und durch die Nichtanmeldung hinterzogen werden könnte.
(1) Der Angeklagte Ha hat sich eingelassen, er habe nicht an die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere durch auf Chemikalien lautende Fälschungen gedacht (UA S. 16, 24). Er sei nur von einem Verstoß gegen polnische Zollformalitäten, die ihm egal gewesen seien, ausgegangen und habe nicht geglaubt, sich in Deutschland strafbar zu machen. Auch habe er nicht gewußt, daß der Alkohol bis Ham-
burg im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei. Der Pole, der ihn beauftragt habe und dessen Namen er nicht nennen wolle, habe ihm er- klärt, es sei Ware im Freiverkehr, nicht aus einem Steuerlager.
Das Landgericht konnte sich von einer positiven Kenntnis des Angeklagten , daß der Alkohol im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei (UA S. 27), nicht überzeugen. Die Strafkammer sieht es jedoch als erwiesen an, daß der Angeklagte den Transport im Steueraussetzungsverfahren , die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere und – ohne dies ausdrücklich zu erwähnen – seine Pflicht, dann die Ware bei den Steuerbehörden anzumelden, zumindest billigend in Kauf genommen hat.
(2) Die Erwägungen, aufgrund derer sich das Landgericht von einem bedingten Tatvorsatz des Angeklagten Ha überzeugt hat, lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen.
Der Eintritt einer Steuerverkürzung ist Tatbestandsmerkmal des § 370 AO. Damit setzt auch die innere Tatseite der Steuerhinterziehung voraus, daß der Täter den angegriffenen Steueranspruch dem Grunde nach kennt und dessen Höhe zumindest für möglich hält (BGH wistra 1989, 263; 1990, 193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226). Einer genauen Kenntnis der steuerlichen Vorschriften bedarf es insoweit nicht (BGH wistra 1998, 225, 226).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, nicht ohne weiteres den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrundezulegen. Vielmehr muß der Tatrichter auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Dies gilt im besonderen Maße bei der Behauptung eines dem Angeklagten günstigen inneren Vorgangs, ohne
daß objektivierbare Tatsachen, in denen die angebliche innere Einstellung einen erkennbaren Niederschlag gefunden hätte, deutlich würden (BGH wistra 1998, 225, 226; BGH, Urt. vom 7. September 1993 – 1 StR 325/93). Der Tatrichter muß allerdings die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden Würdigung unterziehen und dabei auch äußere Umstände bei der Beurteilung der subjektiven Seite mit heranziehen (vgl. BGH StPO § 261 Einlassung

5).


Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Wenn es mangels konkreterer Anhaltspunkte im wesentlichen auf die Umstände der Beauftragung des Angeklagten in Verbindung mit seinen langjährigen beruflichen Erfahrungen als selbständiger Vollkaufmann im Exportgeschäft mit den dort bestehenden Regeln und Usancen abstellt und deshalb die Einlassung des Angeklagten für widerlegt hält, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht durfte dabei auch den naheliegenden Schluß ziehen, daß der von dem Angeklagten angegebene Zweck seines Tuns, der Verkauf des Alkohols auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn, wegen der hohen Verbrauchsteuern mit in der Europäischen Union versteuertem Alkohol nicht zu erreichen gewesen wäre.
(3) Ein durchgreifender Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus der Erwägung des Landgerichts, daß die Angeklagten selbst dann vorsätzlich gehandelt hätten, wenn sie zu Unrecht davon ausgegangen sein sollten, der Austausch fände in Frankreich statt (UA S. 29).
Das Landgericht ist der Ansicht, daß in diesem Fall eine Verkürzung französischer Steuern vorliege; eine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf sei dennoch nicht gegeben, weil es sich bei der tatsächlich verkürzten deutschen Branntweinsteuer um eine harmonisierte Verbrauchsteuer handele, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise erhoben werde. Die Verkürzung der einem anderen Mitgliedstaat zustehenden Verbrauchsteuer sei gemäß
§ 370 Abs. 6 Satz 2 AO auch in Deutschland strafbar. Daß eine Verfolgung in Deutschland mangels der hierfür nach § 370 Abs. 6 Sätze 3 und 4 AO erforderlichen Rechtsverordnung und des daraus resultierenden Verfahrenshindernisses derzeit ausgeschlossen ist, sei für den Vorsatz unerheblich.
Diese Erwägung gefährdet den Schuldspruch nicht, da sie sich lediglich mit den Auswirkungen eines vom Gericht letztlich nicht auszuschließenden Irrtums über einen Umstand befaßt, der kein Merkmal betrifft, das zum gesetzlichen Tatbestand gehört.
Maßgebliches subjektives Tatbestandsmerkmal des § 370 AO ist der Vorsatz, Steuern zu hinterziehen. Durch seine mittäterschaftliche Beteiligung am gesamten den Alkoholschmuggel von Frankreich nach Polen betreffenden Gesamtgeschehen ist der Angeklagte aber unabhängig davon, ob der Austausch der Frachtpapiere in Deutschland oder in Frankreich erfolgt ist, Steuerschuldner deutscher Branntweinsteuer geworden.
Ist der Austausch der Frachtdokumente – wie vom Landgericht festgestellt – erst in Deutschland erfolgt, ist der Angeklagte gemäß § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der entstandenen Branntweinsteuer geworden.
Wäre der Austausch aber bereits in Frankreich vorgenommen worden, dann wäre ebenfalls deutsche Branntweinsteuer entstanden und der Angeklagte insoweit Steuerschuldner geworden. Zwar wäre durch eine Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in Frankreich zunächst französische Branntweinsteuer angefallen, die der Angeklagte hätte anmelden müssen. Zusätzlich wäre aber durch Weiterbeförderung des Alkohols nach Deutschland gemäß § 144 Abs. 2 BranntwMonG auch noch deutsche Branntweinsteuer entstanden, die der Angeklagte ebenfalls hätte anmelden und abführen müssen. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer nämlich auch dadurch, daß Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu ge-
werblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden, nachdem sie aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in das Steuergebiet Deutsch- lands verbracht worden sind. Dieser Fall läge hier dann vor, weil der Alkohol nach Austausch der Frachtpapiere in Frankreich und der Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren bereits in Frankreich in den freien Verkehr gelangt wäre. Indem der Angeklagte den Alkohol in Hamburg umladen ließ, um ihn nach Polen zur Veräußerung auf dem Schwarzmarkt weiterzuversenden , hat er den Alkohol nach dem Verbringen nach Deutschland erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Die Pflicht, unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben, ergibt sich in diesem Fall aus § 144 Abs. 4 Satz 1 BranntwMonG. Die entstandene französische Verbrauchsteuer würde dann wieder erlassen werden (vgl. § 148 BranntwMonG als entsprechende Regelung im deutschen Verbrauchsteuerrecht).
In jedem Fall ist damit – unabhängig vom Ort des Austauschs der Frachtpapiere – durch das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Entfernung der begleitenden Verwaltungsdokumente und der Umladung des Alkohols in Bahncontainer deutsche Branntweinsteuer entstanden.
Der Ort des Austauschs der Frachtpapiere hätte für den Vorsatz, deutsche Steuern zu hinterziehen nur dann Bedeutung gehabt, wenn der Angeklagte der Ansicht gewesen wäre, er würde nur französische aber keine deutschen Verbrauchsteuern hinterziehen. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Nicht einmal der Angeklagte selbst hat dies behauptet, sondern angegeben, überhaupt nicht an das Entstehen von Verbrauchsteuern gedacht zu haben. Dies hat das Landgericht mit tragfähigen Erwägungen widerlegt und hinreichend deutlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte aus Gewinnstreben (UA S. 27) billigend in Kauf genommen hat, (auch) deutsche Verbrauchsteuer zu hinterziehen, damit das Gesamtunternehmen der Schmuggelorganisation erfolgreich durchgeführt werden kann.
2. Revision des Angeklagten R

a) Die Verfahrensrügen entsprechen weitgehend nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
Mit Recht rügt die Revision, daß das Landgericht den Inhalt einer verlesenen Urkunde im Urteil unrichtig gewürdigt und damit gegen die Vorschrift des § 261 StPO verstoßen hat (vgl. BGH NStZ 1997, 294). Das Landgericht ist im Urteil davon ausgegangen, daß auch im Fall des verlesenen Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth der Alkoholschmuggel über die deutschpolnische Grenze erfolgt sei (UA S. 25), obwohl es sich dort um die deutschtschechische Grenze handelte.
Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht, weil das Landgericht den Inhalt des verlesenen Urteils nicht zu Beweiszwecken verwertet, sondern mit dem Hinweis auf die Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren lediglich das bereits getroffene Beweisergebnis bestätigt hat. Im übrigen ist nicht ersichtlich , weshalb im Hinblick auf das vorliegende Verfahren den Abläufen bei einem Alkoholschmuggel nach Tschechien ein minderer Indizwert als bei einem solchen nach Polen zukommen soll. In beiden Fällen geht es um ein „Durchschmuggeln“ durch die Bundesrepublik Deutschland.

b) Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten R wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Die Ausführungen zu diesen Taten beim Angeklagten Ha gelten für den Angeklagten R entsprechend.
Das Landgericht hat auch den Angeklagten R als Mittäter angesehen und nicht nur als Gehilfen des Angeklagten Ha . Diese aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommene – und nur einge-
schränkt überprüfbare (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387) – Wertung bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar wurde der Angeklagte R erst von dem Mitangeklagten Ha zur gemeinsamen Abwicklung der in dessen Aufgabenbereich fallenden Umladung der Alkoholtransporte in Hamburg gewonnen und nahm innerhalb der Schmuggelorganisation eine deutlich niedrigere Stellung als der Angeklagte Ha ein. Auch lag die Entlohnung des Angeklagten R für seine Mitwirkung nicht unerheblich unter der der Mitangeklagten Ha und T . Trotzdem durfte das Landgericht entscheidend auf die dennoch bestehende erhebliche Tatherrschaft des Angeklagten R über bedeutsame Teile des gesamten Tatgeschehens abstellen und ihn deshalb als Mittäter ansehen. Die Umladung der Alkoholladungen in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe fand auf dem Gelände der Lagerei Sch und unter Kontrolle des Angeklagten R statt, der Geschäftsführer dieser Firma war. Des weiteren hatte er eigenverantwortlich den Kontakt zur Firma I hergestellt und aufrechterhalten, welche zu Verschleierungszwecken mit der Umladung beauftragt worden war. Nur über den Angeklagten R , der insoweit eine Schlüsselstellung innehatte, war es auch dem Angeklagten Ha möglich, die Containernummern zu erfragen , welche die Hintermänner in Polen unbedingt benötigten, um die Container mit dem Alkohol in Empfang nehmen zu können.

c) Die Beweiswürdigung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern; es gilt das zum Angeklagten Ha Gesagte entsprechend. Der Angeklagte R hat sich darauf berufen, daß er ausschließlich daran gedacht habe, daß ein polnisches Einfuhrverbot umgangen werden sollte. Er sei zu einer Mitarbeit nur unter der Bedingung bereit gewesen, daß versteuerter Alkohol umgeladen werde (UA S. 17). Insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls langjährige Erfahrung des Angeklagten im Exportgeschäft als Geschäftsfüh-
rer einer Lagerei im Hamburger Hafen brauchte das Landgericht diese Einlassung nicht zu glauben.
3. Revision des Angeklagten T

a) Die erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
aa) Die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin (§ 338 Nr. 4 StPO) ist unbegründet. Hinsichtlich des Angeklagten T war der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Nach § 13 StPO ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das auch nur für eine der dem Angeklagten zur Last gelegten, gemäß § 3 StPO zusammenhängenden Straftaten örtlich zuständig ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Dabei liegt ein sachlicher Zusammenhang bei einer strafbaren, in dieselbe Richtung zielenden Mitwirkung an einer Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO vor (BGHSt 38, 376, 379). Bei der Prüfung des Zusammenhangs kommt es auf die tatsächliche Annahme an, die den Anschuldigungen bei Erhebung der Anklage und bei Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, und nicht auf die Feststellungen, die als Ergebnis des durchgeführten Hauptverfahrens getroffen worden sind (vgl. BGHSt 18, 238, 239; BGHR aaO).
Zum hierbei maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens vor dem Landgericht (vgl. BGHSt 18, 238, 239) bestand für die Fälle 3 bis 17 der Anklage wegen des Vorwurfes gemeinschaftlichen Handelns ein sachlicher Zusammenhang mit den den Angeklagten Ha und R zur Last liegenden Taten. Im Fall 2 der Anklage bestand wiederum ein sachlicher Zusammenhang der Taten der der Mittäterschaft beschuldigten Angeklagten Ha , R und Du . Da der frühere Mitangeklagte Du seinen Wohnsitz in Berlin hatte und damit für ihn der Gerichtsstand des Wohnsitzes
gegeben war (§ 8 Abs. 1 StPO), war für sämtliche dem Angeklagten T zur Last liegenden Taten der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Die Tatsache, daß das Verfahren gegen den Angeklagten Du später abgetrennt wurde, läßt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin nicht wieder entfallen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Eine Zuständigkeit, die durch die Verbindung zusammenhängender Strafsachen geschaffen worden ist, bleibt auch dann bestehen, wenn der Grund der Verbindung nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegfällt (BGHSt 16, 391, 393).
Der Angeklagte T kann im Revisionsverfahren nicht damit gehört werden, daß hinsichtlich des Falles 2 bei Eröffnung des Verfahrens kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Soweit das Kammergericht das Verfahren eröffnet hat, ist dies nicht anfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Anhaltspunkte dafür, daß bei der Anklageerhebung ein willkürlich erhobener Tatvorwurf dazu benutzt werden sollte, einen Gerichtsstand des Zusammenhangs zu begründen, sind nicht ersichtlich.
bb) Die gegen die Ablehnung der vier am 1. Juni 2001 gestellten Hilfsbeweisanträge erhobenen Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Die vom Landgericht zur Begründung der Ablehnung dieser Anträge auf Vernehmung von Zeugen dargelegten Erwägungen können aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Mit ihrem Versuch, Wertungen des Tatrichters durch eigene zu ersetzen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.
cc) Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet. Das Landgericht hat den Angeklagten T und seinen Verteidiger durch Beschluß für die Hauptverhandlungstermine am 9. und 13. Februar 2001 beurlaubt. Der Verteidiger des Angeklagten blieb daraufhin an diesen Tagen von der Hauptverhandlung fern. Die Beurlaubung war gesetzlich nur zulässig, wenn und soweit der Angeklagte von der Hauptverhandlung an
diesen Verhandlungstagen „nicht betroffen“ war (§ 231c Satz 1 StPO). An die Grenzen, die ihm durch diese Voraussetzung gezogen waren, hat sich das Landgericht gehalten. Es ging am 9. Februar 2001 nicht um einen für den Beschwerdeführer wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 17; BGH, Beschl. vom 24. Januar 1995 – 1 StR 744/94 m. w. N.). Dies gilt auch für den 13. Februar 2001, an welchem allein die strafrechtlichen Vorbelastungen eines Mitangeklagten behandelt wurden. Da mithin die Anwesenheit des Angeklagten an den genannten Verhandlungstagen nicht geboten war, kommt es nicht darauf an, daß er an diesen Tagen nicht verteidigt war.
dd) Die Rüge der Verletzung des § 229 StPO greift ebenfalls nicht durch. Die Freistellung des Angeklagten und seines Verteidigers nach § 231c StPO von der im übrigen fortgeführten Hauptverhandlung stellt keine Unterbrechung der Hauptverhandlung im Sinne von § 229 StPO dar; dessen zeitliche Beschränkungen gelten für die Beurlaubung nach § 231c StPO nicht (vgl. Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 231c Rdn. 15; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. § 231c Rdn. 18).
ee) Im übrigen sind die Formalrügen nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form erhoben und damit unzulässig.

b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch bei dem Angeklagten T den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Daß das Landgericht ihn nicht zugleich wegen jeweils tateinheitlich begangener Urkundenfälschung verurteilt hat, beschwert den Angeklagten nicht.
aa) Obwohl der Angeklagte zu einem großen Teil im Ausland gehandelt hat, sind die Taten im Inland begangen worden (vgl. § 3 StGB), weil die Steueranmeldungen für den dem Steueraussetzungsverfahren entzogenen Alkohol in Deutschland vorzunehmen gewesen wären (§ 9 Abs. 1 StGB).
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Angeklagten T als Mittäter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen angese- hen, weil es für das Gelingen des gemeinsamen Tatplans, den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Verbrauchsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt abzusetzen, erforderlich war, daß keiner der an dem „Alkoholschmuggel“ beteiligten Personen eine Steueranmeldung abgab.
Der Angeklagte konnte Täter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen sein (vgl. hierzu BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1), weil er zur Abgabe einer Steueranmeldung selbst verpflichtet war (§ 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG).
Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, daß der Angeklagte T an der Entziehung des Alkohols aus dem innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unmittelbar persönlich mitgewirkt hat. Das Landgericht durfte aber die auf einem gemeinsamen Tatplan beruhenden Handlungen der anderen Mitglieder der Schmuggelorganisation während der Alkoholtransporte dem Angeklagten wie eigenes Handeln zurechnen und ihn selbst als „Entzieher“ im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG behandeln. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen , daß das Landgericht in wertender Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt ist, seine Handlungen nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller anzusehen, und dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Der Angeklagte, der für seine Tatbeteiligung wie der Angeklagte Ha pro Transport einen Betrag von 3.000 DM erhielt, hatte maßgeblichen Einfluß auf die Durchführung der Alkoholtransporte , die ohne ihn in der durchgeführten Weise nicht hätten stattfinden können. Es fiel innerhalb der Schmuggelorganisation in seinen alleinigen Zuständigkeitsbereich, geeignete Lieferanten für entsprechende Alkoholmengen ausfindig zu machen, den Einkauf vorzunehmen einschließlich der Preisverhandlungen und schließlich durch eigenhändige Sicherstellung der
Bezahlung den Zeitpunkt der Alkoholtransporte mitzubestimmen. Die Tatsa- che, daß er damit bezüglich des späteren Entziehens nur eine Vorbereitungshandlung vorgenommen hat, steht der Annahme von Mittäterschaft nicht entgegen (vgl. BGHSt 40, 299, 301).

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe aus Gefälligkeit für seinen Bruder P T , der in Polen ein In- und Exportgeschäft für Feinsprit betrieben habe, neue Lieferanten gesucht. Dabei sei er davon ausgegangen , daß der Alkohol nicht für Polen bestimmt sei, ohne aber zu wissen für wen. Um den Transport selbst habe er sich nicht gekümmert; das Steueraussetzungsverfahren und die Bedeutung der begleitenden Verwaltungsdokumente seien ihm unbekannt gewesen. Einen falschen Paß auf den Namen F habe er auf Vorschlag seines Bruders nur deswegen verwendet, damit es keine Schwierigkeiten mit den alten Lieferanten gebe (UA S. 17 f.).
Das Landgericht war nicht gehalten, diese entlastenden Angaben des Angeklagten, für die es keinerlei Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrundezulegen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Ohne Rechtsfehler hat es in einer erschöpfenden Würdigung der vorhandenen Beweise die Einlassung des Angeklagten T für widerlegt angesehen und seinen Tatvorsatz bejaht. Hierbei durfte sich das Landgericht hinsichtlich seiner Kenntnisse über das Steueraussetzungsverfahren insbesondere auf die Angaben der im internationalen Handel mit Alkohol tätigen Zeugen W , Ri und M stützen, die übereinstimmend angegeben haben, den Angeklagten für einen im Handel mit Feinsprit erfahrenen Geschäftsmann gehalten zu haben (UA S. 25). Ergänzend konnte es die Angaben des Zeugen P heranziehen, daß der Angeklagte T bei Alkoholgeschäften mit ihm die begleitenden Verwaltungsdokumente jeweils selbst zurückgebracht habe und – unter Berufung auf den für das vorliegende Verfahren nicht zur Verfügung stehenden Zeugen K – die
zollrechtliche Abwicklung am Grenzzollamt Frankfurt/Oder selbst vorgenommen habe (UA S. 26). Hinzu kommt sein konspiratives Auftreten unter fal- schem Namen und sein Kontakt zur Tarn-Empfängerfirma „V “ in der Ukraine.

III.


Die angefochtenen Urteile können jedoch bei allen Angeklagten zum Strafausspruch keinen Bestand haben.
1. Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, z. B. weil der Tatrichter rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht läßt oder weil sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349). Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist hingegen ausgeschlossen (BGH aaO).
2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, daß das Landgericht die Höhe der jeweils hinterzogenen Branntweinsteuer strafschärfend berücksichtigt hat. Durch die Taten der Angeklagten sind trotz der letztlich erfolgten Ausfuhr tatsächlich und nicht nur theoretisch Verbrauchsteuern verkürzt worden.
Sind aber verkürzte Steuerforderungen des deutschen Steuerfiskus nur aus formalen Gründen entstanden, ist dies bei der Strafzumessung im Hinblick auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung zu berücksichtigen (vgl. BGH StV 2000, 497). Im europäischen Verbrauchsteuersystem soll grundsätzlich nur der Verbrauch von Waren im Steuergebiet der Europäischen Gemeinschaft besteuert werden; Ausfuhren sind daher regelmäßig steuerbefreit (§ 142 BranntwMonG). Somit war hier erheblich zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, daß keine Branntweinsteuer angefallen wäre, wenn der
Alkohol nicht heimlich und falsch deklariert, sondern ordnungsgemäß in dem dafür vorgesehenen innergemeinschaftlichen Versandverfahren unter Steueraussetzung (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; § 142 BranntwMonG) ausgeführt worden wäre. Die Erhebung der Branntweinsteuer kommt in einem solchen Fall einer systemwidrigen Sanktion gleich, weil die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf des Steuergebiets eingegangen sind (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56).
Diese Umstände sowie die Tatsache, daß der Alkohol zu keinem Zeitpunkt im Verbrauchsteuergebiet in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt ist, hat das Landgericht ausdrücklich zugunsten der Angeklagten berücksichtigt. Es hat auch gerade mit Hinweis darauf, daß dem Steuerfiskus im Vergleich mit der vorgesehenen Ausfuhr im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren kein wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist (vgl. auch BGH wistra 2001, 216, 217), trotz der hohen Hinterziehungsbeträge einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO verneint.
3. Das Landgericht hat jedoch einen wesentlichen Strafzumessungsgrund nicht erörtert, der sich zugunsten der Angeklagten auswirken könnte:
Die Angeklagten sind „Entzieher“ im Sinne des § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen, weil sie als „weitere“ Steuerschuldner selbst eine Steueranmeldung abzugeben hatten. Damit haften sie persönlich gemäß § 71 AO als Gesamtschuldner mit anderen – zum Großteil im Ausland befindlichen – Steuerschuldnern für die gesamte entstandene Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM und müssen auch mit ihrer Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung rechnen. Das Landgericht hätte den Umstand dieser Haftung vor dem Hintergrund nicht unerörtert lassen dürfen, daß die Angeklagten im Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Rolle spielten und an dem wirtschaftlichen Erfolg der Taten nur im geringen Umfang beteiligt waren. Bei
ihnen handelte es sich nach den Urteilsfeststellungen nicht um die führenden Mitglieder der Schmuggelorganisation; sie wurden entsprechend ihrer Rolle in der Organisation am Taterfolg nur mit einer geringen Entlohnung von wenigen tausend DM beteiligt. Die Angeklagten wurden daher durch die steuerliche Haftung für die gesamte entstehende Verbrauchsteuer erheblich stärker belastet, als es ihrer Rolle im Tatgeschehen und ihrer wirtschaftlichen Beteiligung am Taterfolg entsprach. Der Senat kann nicht ausschließen, daß unter Bedacht auf diesen gewichtigen Gesichtspunkt eine den Angeklagten günstigere Sanktion verhängt worden wäre. Dies führt zur Aufhebung des gegen die Angeklagten jeweils verhängten gesamten Strafausspruchs.
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 159/07
vom
25. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja zu Nr. 2
Veröffentlichung: ja
____________________________
Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Tatbeitrag habe sich
darin erschöpft, die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten zu transportieren,
und individualisiert er seinen Auftraggeber nicht, so ist der Tatrichter nicht auf
Grund des Zweifelssatzes gehalten, diese auf eine Beihilfe zum Handeltreiben
abzielende Einlassung zugrunde zu legen, wenn keine zuverlässigen Anhaltspunkte
für Auftrag und Person des Auftraggebers vorliegen.
BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringerMenge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Ergebnis zu Recht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, verurteilt. Zwar ist die bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens in nicht geringer Menge, wenn sie im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes erfolgt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt" (BGH NStZ 2003, 440; Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 jew. m.w.N.). Soweit das erworbene Heroin gewinnbringend verkauft werden sollte, ist hier deshalb die Tatbestandsalternative der Einfuhr ausgeschlossen. Der Angeklagte hat jedoch 40 g der erworbenen Menge (Wirkstoffgehalt 59,4 = 60 %) zum Eigenverbrauch bestimmt. Insoweit ist in Tateinheit zum Handeltreiben auch der Tatbestand der Einfuhr, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, erfüllt, da diese Teilmenge nicht von der Tatbestandsalternative des Handeltreibens erfasst wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 22/00; Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 StR 555/04). 2. Die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens und nicht wegen Beihilfe ist - auch im Lichte neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kuriertätigkeiten (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2007, 1220) - ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet. Er war unmittelbar mit Eigeninitiative am Erwerb beteiligt; insbesondere konnte er, nachdem ihm in Holland eine Kontaktaufnahme zu dem Drogenhändler "P. " nicht gelungen war, eigenverantwortlich entscheiden, das Heroin mit dem von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Geld bei einem "A. " zu erwerben. Er hatte auch darüber hinaus ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts , weil ihm für die Betäubungsmittelbeschaffung eine erhebliche Entlohnung in Form eines Schuldenerlasses in Höhe von 1.000 € in Aussicht gestellt war und er von den zu erwerbenden 300 g Heroin 40 g für den Eigenkonsum behalten sollte. Im Übrigen wäre das Landgericht nicht gehalten gewesen, die Einlassung des Angeklagten, er habe die Betäubungsmittel lediglich im Auftrag eines Drogenhändlers, dessen Name er nicht nennen wolle, von Holland nach Bayern transportiert, den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Die Strafkammer hat für einen solchen Auftrag und für die Person des Auftraggebers keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt. Bei ei- ner solchen Sachlage muss der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371 LS; NStZ 2004, 35, 36). Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen (BVerfG aaO). Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 292/08
vom
21. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - und
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, welche vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit der Sachrüge.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte bewohnte gemeinsam mit dem Geschädigten S. das Doppelzimmer Nr. 24 des Männerwohnheims der C. in Stutt- gart. Zwischen ihnen bestand ein freundschaftliches Verhältnis. Der Angeklagte unterstützte S. in privaten sowie behördlichen Angelegenheiten und hat ihm auch den Platz im Wohnheim beschafft. Beide sind dem Trinkermilieu zuzurechnen.
5
Am Vormittag des 2. Juni 2007 erhielten sie Besuch von dem Mitbewohner K. , der ebenfalls "russlanddeutscher Aussiedler" war und sich mit S. angefreundet hatte. Das Verhältnis des Angeklagten zu K. war dagegen aufgrund nicht aufgeklärter Vorfälle belastet. Die drei Personen tranken im Zimmer eine 0,7 Liter fassende Flasche Wodka aus.
6
Um die Mittagszeit - nach 11.30 Uhr - verließen S. und K. das Wohnheim, während der Angeklagte allein im Zimmer 24 zurückblieb. Die beiden suchten eine Tankstelle auf, wo sie eine weitere Flasche Wodka und einige Flaschen Bier konsumierten, die S. , der am Tag zuvor sein Arbeitslosengeld II erhalten hatte, bezahlte. Im Laufe des Nachmittags - der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht feststellen - kehrten sie ins Wohnheim zurück. S. war so betrunken, dass er nur von K. gestützt sein Zimmer erreichen konnte. Die dem später Geschädigten um 19.30 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 4,2 ‰. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Angeklagte bei der Rückkehr S. s sich in ihrem Zimmer aufhielt. K. ging in sein eigenes Zimmer Nr. 20.
7
Der Angeklagte kaufte sich um 15.37 Uhr in einem Kiosk am Stuttgarter Hauptbahnhof zwei Schachteln der von ihm gerauchten Zigarillos der Marke "Basic Blue". Die Uhrzeit ergibt sich aus den Aufzeichnungen der Registrierkasse. Der Weg vom Wohnheim dorthin beträgt ca. zehn Gehminuten.
8
Am Nachmittag des 2. Juni 2007 vor 17.45 Uhr wurde der Zeuge S. von einer unbekannten Person in seinem Zimmer angegriffen und schwer verletzt. Es bestand akute Lebensgefahr. Er erlitt eine stark blutende, doppelte offene Unterkiefer- sowie Nasenbeinfraktur und verschiedene Schürfwunden. Außerdem wurde er am Hals mit einem kabelartigen Gegenstand, dessen Adern teilweise freilagen, gedrosselt, wodurch im Halsbereich deutlich sichtbare Strangmarken entstanden. Ein Stahldraht - ein Teil des Tatwerkzeugs - wurde am 5. Juni 2007 in der Nähe des Bettes des Angeklagten unter dort abgestellten Badezimmerpantoffeln aufgefunden.
9
Der verletzte S. wurde am Tattag gegen 17.45 Uhr vom Pförtner L. in nicht ansprechbarem, blutverschmiertem Zustand, auf einem Treppenabsatz liegend, vorgefunden. Mit Hilfe eines weiteren Bewohners brachte dieser ihn zurück in sein Zimmer. Herbeigerufene Polizeibeamte, Rettungssanitäter und Notarzt hielten sich dort von ca. 18.00 Uhr bis 19.05 Uhr auf. In diesem Zeitraum war der Angeklagte nicht im gemeinsam bewohnten Zimmer. Der Geschädigte wurde ins Krankenhaus verbracht und auf der Intensivstation behandelt.
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Um 20.20 Uhr versuchten Kriminalbeamte, die inzwischen den Fall übernommen hatten, die Tür zum Zimmer 24 mit einem überlassenen Schlüssel zu öffnen. Sie trafen in dem von innen verschlossenen Raum den Angeklagten an und nahmen ihn mit zur Kriminalwache. Die Beamten hatten mehrere blutverdächtige Antragungen an Hemd und Hose des Angeklagten festgestellt. Die sachverständig beratene Kammer gelangt auf der Grundlage eines molekulargenetischen Gutachtens zu der Überzeugung, dass diese Blutspuren vom Geschädigten S. herrühren.
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2. Der gegen den Angeklagten sprechende Tatverdacht beruht auf folgenden Erkenntnissen:
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a) Die wechselnden Einlassungen des einschlägig vorbestraften Angeklagten :
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Gegenüber KOK T. gab er am Tattag um 20.20 Uhr an, er habe gegen 18.00 Uhr das Wohnheim verlassen. Zu dem Zeitpunkt sei es S. noch gut gegangen. Vor dem Haftrichter führte er aus, als er gegen 16.30 Uhr das Wohnheim verlassen habe, seien S. und K. bereits zurück gewesen. In der Hauptverhandlung ließ er sich dahin ein, er habe S. am Tattag nicht mehr gesehen, nachdem dieser mit K. fortgegangen sei. Er selbst habe das Wohnheim gegen 15.00 Uhr verlassen, habe nach dem Zigarillokauf noch zwei Bekannte getroffen und sei um 18.30 Uhr in das Zimmer zurückgekehrt. Zu dem Zeitpunkt sei niemand darin gewesen. Beim Haftrichter sei er falsch verstanden worden.
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b) Die Blutspuren des Geschädigten auf Hemd und Hose des Angeklagten :
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In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich ferner dahin eingelassen , das Blut des Geschädigten auf seiner Kleidung sei dadurch zu erklären, dass S. am Vormittag des Tattages in einem Krampfanfall mit dem Kopf auf den Tisch geschlagen sei und Nasenbluten bekommen habe. Hierbei müsse er selbst mit dem Blut des Geschädigten in Kontakt gekommen sein. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B. sind die Blutspuren nicht mit einem Nasenbluten zu vereinbaren, weil es sich um Spritzspuren handele.
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3. Das Landgericht hat sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht.
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a) Die wechselnden Einlassungen des Angeklagten sieht es zwar hinsichtlich der zeitlichen Einordnung seines Verlassens und seiner Rückkehr zum Wohnheim als widerlegt an, zumal auch die benannten Bekannten sich an ein Treffen mit dem Angeklagten nicht erinnern konnten. Gleichwohl ist das Landgericht der Auffassung, dass nicht ausgeschlossen werden könne, die Tat sei in der Abwesenheit des Angeklagten von mindestens einer halben Stunde, die er zum Zigarillokauf um 15.37 Uhr gebraucht habe, begangen worden.
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b) Die Blutspuren, bei denen auch das Landgericht von Spritzspuren ausgeht, die nicht von einem Nasenbluten herrühren, seien "nicht geeignet die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen , da das Alter dieser Blutantragungen nicht geklärt werden konnte". In diesem Zusammenhang führt die Kammer u.a. aus, im Trinkermilieu, dem der Angeklagte und S. zuzuordnen seien, stünden Sauberkeit und Hygiene nicht an erster Stelle, sodass nicht damit gerechnet werden könne, dass Kleidungsstücke regelmäßig gewaschen werden. Deshalb sei "es nicht nur nicht auszuschließen, sondern sogar zu einem gewissen Grad wahrscheinlich", dass die auf der Kleidung des Angeklagten gefundenen Blutspuren des Geschädigten schon älter seien.
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c) Den aufgefundenen Stahldraht hat der Sachverständige B. als Teil des Tatwerkzeugs qualifiziert, weil sich mit diesem zwar nicht alle am Hals des Geschädigten festgestellten Strangmarken erklären ließen, jedoch ein großer Teil. Die molekulargenetische Untersuchung dieses Stahldrahtstückes hat eine Mischspur von zumindest zwei Personen ergeben, die im Hauptspurenanteil dem Geschädigten zuzuordnen ist. Der Angeklagte war aber als Mischspurenverursacher sicher auszuschließen. Nach Meinung der Kammer liege es nicht fern, dass der zweite Verursacher, eine unbekannte Person, der Täter der Körperverletzung sei. Sie könne mit Sicherheit ausschließen, dass nach der Tat jemand mit dem Stahldrahtstück in Berührung gekommen sei, da das Zimmer nach dem Antreffen des Angeklagten um 20.20 Uhr des Tattages von den Kri- minalbeamten verschlossen und danach von niemandem mehr betreten worden sei.
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d) Ein beim Angeklagten bestehendes Motiv "sei nicht zu erkennen". Es spreche nichts dafür, dass es vor der Tat zu einem Bruch im guten Verhältnis zwischen dem Angeklagten und S. gekommen sei. Bei dieser Sachlage sei "das fehlende Motiv des Angeklagten als ein ihn nicht unerheblich entlastender Gesichtspunkt zu bewerten".

II.

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Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders würdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft , wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht (z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes), wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06; BGH NJW 2005, 1727; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
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2. Das Landgericht hat umfänglich die den Angeklagten belastenden Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Gleichwohl werden die Abwägungen den vorstehenden Grundsätzen nicht in vollem Umfang gerecht. Insbesondere hat das Landgericht den Zweifelssatz rechtsfehlerhaft angewendet.
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Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichende Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschl. vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371; NStZ 2004, 35, 36; NJW 2007, 2274). Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urt. vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24 m.w.N.).
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a) Das Landgericht hatte u.a. als besonders gewichtiges Belastungsindiz zu prüfen, ob die dem Geschädigten zuzuordnenden Blutspuren auf Hemd und Hose des Angeklagten dessen Täterschaft belegen können. Soweit es eine vor der Tat liegende Entstehung der Blutspuren in Form von Spritzspuren unter Hinweis auf das Trinkermilieu und die in Augenschein genommenen Fotos des Tatortes, die ein vermülltes und unaufgeräumtes Zimmer zeigen, für wahrscheinlich hält, fehlt es an jeglichen Anknüpfungstatsachen, zumal nicht festgestellt werden konnte, wann die betreffenden Kleidungsstücke zuletzt gewaschen oder gereinigt wurden. Das Landgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass sich frühere Übergriffe des Angeklagten auf den Geschädigten nicht feststellen ließen. Der Sachverständige hat Kontakt- oder Tropfspuren ausgeschlossen, das Blut müsse vielmehr auf die Kleidungsstücke gespritzt sein. Das spricht für eine massive Gewalteinwirkung und nicht etwa für eine bloße Verletzung im Alltag. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass im Trinkermilieu Blutanhaftungen in Form von Spritzspuren üblicherweise entstehen. Bei der früheren Entstehung handelt es sich daher um eine rein denktheoretische Möglichkeit ohne verlässliche Tatsachengrundlage. Der Angeklagte selbst hat sich auf eine Entstehung vor dem Tattag nicht berufen. Seine Einlassung, die Ursache sei in einem Nasenbluten des Geschädigten zu sehen, wurde widerlegt. Allein das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten eine frühere Entstehung angenommen, was besorgen lässt, dass der Zweifelssatz auf eine einzelne Indiztatsache angewendet wurde. Dafür spricht auch die Formulierung, die Blutspuren seien nicht geeignet, die volle Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten zu begründen.
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b) Im Rahmen der Motivprüfung stellt die Kammer fest, ein Motiv für einen Angriff auf S. sei beim Angeklagten "nicht zu erkennen". Daraus zieht sie zu Gunsten des Angeklagten den Schluss, ein Motiv "fehle", was sie als einen ihn nicht unerheblich entlastenden Gesichtspunkt bewertet. Bei diesem Schluss wurde der Zweifelssatz - was hier durchgreifend rechtsfehlerhaft ist - auf ein einzelnes Indiz, das Tatmotiv, angewendet. Das Landgericht konnte nämlich ein Tatmotiv lediglich "nicht erkennen", hat daraus aber gleichwohl den Schluss gezogen, dass ein Tatmotiv "fehle". Ein bloß unaufklärbares Motiv ist aber nicht gleichbedeutend mit einem tatsächlich fehlenden Tatmotiv, welches in der Tat ein nicht unerhebliches Entlastungsindiz wäre.
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3. Im Übrigen wird zur weiteren Begründung auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift Bezug genommen.

III.

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Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

(1) Über die Verpflichtung zur Entschädigung entscheidet das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt. Ist die Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht möglich, so entscheidet das Gericht nach Anhörung der Beteiligten außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß.

(2) Die Entscheidung muß die Art und gegebenenfalls den Zeitraum der Strafverfolgungsmaßnahme bezeichnen, für die Entschädigung zugesprochen wird.

(3) Gegen die Entscheidung über die Entschädigungspflicht ist auch im Falle der Unanfechtbarkeit der das Verfahren abschließenden Entscheidung die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig. § 464 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Strafprozeßordnung ist entsprechend anzuwenden.

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Durch die Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die damit verknüpfte Entschädigungsentscheidung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG) und die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos (BGH, Urteile vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12 und vom 25. März 2010 – 1 St1 StR 601/09, Rn. 20). Raum Rothfuß Jäger Radtke Mosbacher