BGH IV ZR 318/13

ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:070916UIVZR318.13.0
published on 07.09.2016 00:00
BGH IV ZR 318/13
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 13. August 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer infolge des Bezugs von Krankengeld einbehaltenen Betriebsrente.

2

Die beklagte Zusatzversorgungskasse (im Folgenden: die Beklagte) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage entsprechender Versorgungstarifverträge im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.

3

Die Klägerin ist als Bankkauffrau bei einer Sparkasse beschäftigt und bei der Beklagten pflichtversichert. Nach einem Schlaganfall bewilligte ihr die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 26. August 2003 rückwirkend ab dem 1. Januar 2002 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Von der Beklagten erhielt die Klägerin seit dem 1. Januar 2002 eine Betriebsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

4

Die Klägerin, die auch nach Rentenbewilligung im Rahmen der Hinzuverdienstgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin bei ihrer bisherigen Arbeitgeberin beschäftigt blieb, erkrankte im Jahre 2010 an Krebs. Sie bezog nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums in der Zeit vom 6. Dezember 2010 bis zum 23. November 2011 Krankengeld sowie in der Zeit vom 24. November 2011 bis zum 29. Januar 2012 Übergangsgeld. Eine Kürzung der gesetzlichen Rente unterblieb in diesen Zeiträumen, weil Kranken- und Übergangsgeld die Hinzuverdienstgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung nicht überschritten.

5

Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 3. Juni 2011 vom Krankengeldbezug in Kenntnis gesetzt hatte, stellte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Juni 2011 das Ruhen der Betriebsrente wegen des Bezugs von Krankengeld ab dem 6. Dezember 2010 fest. Zugleich forderte sie bis zum 31. Juli 2011 erbrachte Rentenleistungen in Höhe von 1.149,60 € zurück und verrechnete diesen Betrag später nach Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Klägerin mit anderen Rentenleistungen.

6

Die Beklagte beruft sich auf § 39 ihrer Satzung (im Weiteren: BayZVKS) in der Neufassung vom 25. Juni 2002, wo es auszugsweise heißt:

"§ 39 Nichtzahlung und Ruhen

(1) Die Betriebsrente wird von dem Zeitpunkt an nicht gezahlt, von dem an die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 100 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 SGB VI endet. 2Die Betriebsrente ist auf Antrag vom Ersten des Monats an wieder zu zahlen, für den der/dem Rentenberechtigten die Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder geleistet wird. 3Wird die Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls (§ 31) als Teilrente gezahlt, wird die Betriebsrente nur in Höhe eines entsprechenden Anteils gezahlt.

(2) Ist der Versicherungsfall wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung eingetreten und wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Hinzuverdienstes nicht oder nur zu einem Anteil gezahlt, wird auch die Betriebsrente nicht oder nur in Höhe eines entsprechenden Anteils gezahlt.

(3) Die Betriebsrente ruht, solange die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ganz oder teilweise versagt wird.

(4) Die Betriebsrente ruht ferner, solange die/der Berechtigte ihren/seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union hat und trotz Aufforderung der Kasse keine Empfangsbevollmächtigte/keinen Empfangsbevollmächtigten im Inland bestellt. 2Die Kasse kann Ausnahmen zulassen.

(5) Die Betriebsrente ruht ferner in Höhe des Betrages des für die Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente gezahlten Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit dieses nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen oder bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine Rente wegen Alters als Vollrente dem Träger der Krankenversicherung zu erstatten ist. […]"

7

Die Klägerin hält das Vorgehen der Beklagten für unzulässig und fordert die einbehaltenen bzw. verrechneten Rentenzahlungen. Zuletzt hat sie Zahlung in Höhe von 2.201,64 € nebst Zinsen und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten begehrt.

8

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

10

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe trotz des Bezugs von Krankengeld Anspruch auf Zahlung der Betriebsrente. Deren Ruhen komme nach § 39 Abs. 5 BayZVKS für die Zeit nach Rentenbeginn nur in Betracht, wenn Krankengeld nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen sei. An dieser Voraussetzung fehle es, da die Klägerin Krankengeld für eine nach Rentenbeginn eingetretene Arbeitsunfähigkeit erhalten habe. Dieses Krankengeld sei nach § 96a Abs. 3 SGB VI dem Arbeitsentgelt gleichgestellt und mithin auf eine gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung grundsätzlich anzurechnen. Darauf, dass diese Anrechnung im Streitfall wegen Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen unterblieben sei, komme es nicht an, denn § 39 Abs. 5 BayZVKS nehme lediglich auf § 96a Abs. 3 SGB VI, nicht jedoch auf die Anrechnungsvorschriften zu den Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 1 und 2 SGB VI Bezug. Die Satzungsbestimmung sei daher nur anzuwenden, wenn Krankengeld zwar in der Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente, jedoch wegen einer schon vor Rentenbeginn eingetretenen Arbeitsunfähigkeit gezahlt werde; nur in diesem Fall werde das Krankengeld dem Arbeitsentgelt gemäß § 96a Abs. 3 SGB VI nicht gleichgestellt und sei deshalb nicht auf die gesetzliche Rente anzurechnen.

11

Dieser Auslegung stehe der Zweck der Satzungsbestimmung, einerseits eine Leistungskumulation zu begrenzen und andererseits eine zweimalige Anrechnung zu vermeiden, nicht entgegen. Durch die Zahlung des Krankengeldes anstelle des Arbeitsentgelts trete hier keine Leistungskumulation ein. Auch eine Doppelanrechnung erfolge nicht, da das Krankengeld weder auf die gesetzliche Rente noch auf die Betriebsrente angerechnet werde.

12

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

13

§ 39 Abs. 5 BayZVKS bestimmt unter anderem, die Betriebsrente ruhe in Höhe des Betrages eines für die Zeit nach dem Beginn der Betriebsrente gezahlten Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit dieses nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen ist. Damit hat die Beklagte inhaltsgleich die Regelung aus § 12 Abs. 5 des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 12. März 2003 (ATV-K) übernommen.

14

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats finden die Satzungsbestimmungen der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskassen als Allgemeine Versicherungsbedingungen auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der Zusatzversorgungskasse als Versicherer zugunsten der versicherten Arbeitnehmer, abgeschlossen werden (Senatsurteile vom 23. Juni 1999 - IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103, 106 ff. unter 2 a [juris Rn. 10-13]; vom 12. Januar 2011 - IV ZR 118/10, VersR 2011, 611 Rn. 11; vom 29. September 2010 - IV ZR 99/09, juris Rn. 13; vom 24. März 2010 - IV ZR 296/07, VersR 2010, 656 Rn. 15, jeweils zur Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder; vom 14. Juni 2006 - IV ZR 55/05, VersR 2006, 1248 Rn. 8 zur Satzung der Zusatzversorgungskasse des Saarlandes). Für die Auslegung der Satzungsbestimmungen einer solchen Gruppenversicherung kommt es auch auf das Verständnis und Interesse eines durchschnittlichen Versicherten an (Senatsurteile vom 12. Januar 2011; vom 29. September 2010; vom 24. März 2010, jeweils aaO; vom 3. Dezember 2008 - IV ZR 104/06, VersR 2009, 201 Rn. 13; vom 14. Februar 2007 - IV ZR 267/04, VersR 2007, 676 Rn. 10; vom 14. Juni 2006 - IV ZR 55/05, VersR 2006, 1248 Rn. 8; vom 14. Mai 2003 - IV ZR 76/02, VersR 2003, 895 unter II 1 a [juris Rn. 27]).

15

2. Er wird zunächst die in § 39 BayZVKS getroffene Regelung über Nichtzahlung und Ruhen der Betriebsrente als Ganzes in den Blick nehmen und feststellen, dass die von der Beklagten gewährte Betriebsrente in Abhängigkeit von der gesetzlichen Rente gezahlt wird. So ist in § 39 Abs. 1 BayZVKS bestimmt, die Zahlung der Betriebsrente ende mit dem Ende der gesetzlichen Rente und werde bei Fortsetzung der gesetzlichen Rentenzahlungen wieder geleistet. § 39 Abs. 2 BayZVKS kann der Versicherte weiter entnehmen, dass bei Anrechnung eines Hinzuverdienstes auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente auch die Zusatzrente wegen Erwerbsminderung einer entsprechenden Anrechnung des Hinzuverdienstes unterliegt. Der Versicherte wird diese Regelung so verstehen, dass ihm Rentenleistungen wegen Erwerbsminderung  sowohl aus der gesetzlichen Rentenversicherung als auch aus der Zusatzversicherung - nicht zustehen sollen, soweit ein Hinzuverdienst bestimmte Grenzen übersteigt und daher auf die Rentenleistungen anzurechnen ist.

16

Die Grenzen eines insoweit neben der Erwerbsminderungsrente unbedenklichen Hinzuverdienstes sind für die gesetzliche Rente in § 96a Abs. 1 und 2 SGB VI festgelegt. § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI, auf welchen der Versicherte in § 39 Abs. 5 BayZVKS hingewiesen wird, bestimmt insoweit ergänzend, dass bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung dem Arbeitsentgelt oder -einkommen der Bezug von Krankengeld gleichsteht, welches aufgrund einer nach Rentenbeginn eingetretenen Arbeitsunfähigkeit geleistet wird. Daraus kann der durchschnittliche Versicherte entnehmen, dass ein - anstelle seines Hinzuverdienstes - im Krankheitsfalle gezahltes Krankengeld grundsätzlich in gleicher Weise wie der ursprüngliche Hinzuverdienst nach § 39 Abs. 2 BayZVKS auf die gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung anzurechnen ist und insoweit dieselben Hinzuverdienstgrenzen gelten. Daraus folgt weiter, dass das einen Hinzuverdienst ersetzende Krankengeld ohne Einfluss sowohl auf die gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung als auch die Zusatzrente der Beklagten bleibt, solange die gesetzlichen Hinzuverdienstgrenzen aus § 96a Abs. 2 SGB VI nicht überschritten werden.

17

3. § 39 Abs. 5 BayZVKS enthält eine weitere Regelung über das Ruhen der Betriebsrente infolge von Krankengeldzahlungen. Die Satzungsklausel setzt für das Ruhen einer Betriebsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung voraus, dass der Versicherte ein nach Rentenbeginn gezahltes Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung erhält, welches nicht nach § 96a Abs. 3 SGB VI auf die gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen ist.

18

a) Die Bestimmung wirft für den durchschnittlichen Versicherten, der in erster Linie vom Klauselwortlaut ausgehen wird, die Frage auf, ob davon auch ein den Hinzuverdienst ersetzendes Krankengeld erfasst wird, welches lediglich infolge einer Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 SGB VI nach § 96a Abs. 1 SGB VI nicht auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente anzurechnen ist, oder ob die Bestimmung nur in Fällen anzuwenden ist, in denen eine Krankengeldanrechnung schon an den Voraussetzungen des § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI scheitert.

19

b) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sprechen sowohl der Bedingungswortlaut als auch der systematische Regelungszusammenhang, in den die Bestimmung gestellt ist, für die letztgenannte Auslegung.

20

§ 39 Abs. 5 BayZVKS macht dem durchschnittlichen Versicherten schon nicht deutlich, dass mit dieser Klausel die in § 39 Abs. 2 BayZVKS getroffene Regelung über Hinzuverdienst ergänzt oder verändert werden soll. Im Anschluss an § 39 Abs. 2 BayZVKS enthalten die Absätze 3 und 4 der Satzungsbestimmung weitere selbständige Regeln über das Ruhen der Zusatzrente bei Versagung der gesetzlichen Rente (Abs. 3) sowie im Falle eines Wohnsitzes des Versicherten außerhalb der Europäischen Union (Abs. 4). Diese Ruhenstatbestände stehen mit der in § 39 Abs. 2 BayZVKS getroffenen Regelung über Hinzuverdienst ersichtlich in keinem inneren Zusammenhang. Hätte der Satzungsgeber mit der erst in Absatz 5 getroffenen Regelung die bereits in Absatz 2 getroffene Regelung über die Anrechnung von Hinzuverdienst modifizieren oder ergänzen wollen, hätte es daher nahegelegen, die Regelung entweder in Absatz 2 selbst oder zumindest im unmittelbaren Anschluss daran in Absatz 3 zu treffen. § 39 Abs. 5 BayZVKS verweist im Übrigen für die Frage der Anrechenbarkeit von Krankengeld auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente lediglich auf § 96a Abs. 3 SGB VI, welcher die grundsätzlichen Voraussetzungen der Anrechenbarkeit des Krankengeldes regelt, nicht jedoch auf § 96a Abs. 1 und 2 SGB VI, wo die für eine Anrechnung maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen geregelt sind.

21

Auch soweit sich der durchschnittliche Versicherte bemüht, den inhaltlichen Regelungszusammenhang zu erfassen, in den § 39 Abs. 5 BayZVKS gestellt ist, deutet für ihn die in Absatz 2 der Klausel getroffene Regelung über die Anrechnung von Hinzuverdienst auf beide Renten in Verbindung mit § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI darauf hin, dass die Frage einer Anrechnung von Hinzuverdienst oder (diesen ersetzendes) Krankengeld dort abschließend geregelt ist und § 39 Abs. 5 BayZVKS, in welchem von einem Hinzuverdienst nicht die Rede ist und die Nichtanwendung des § 96a Abs. 3 SGB VI gerade vorausgesetzt wird, einen anderen Fall regelt.

22

c) Bei dem von der Beklagten vertretenen Verständnis des § 39 Abs. 5 BayZVKS ergeben sich zudem inhaltliche Widersprüche, die sich für den durchschnittlichen Versicherten nicht auflösen lassen.

23

aa) Beträfe auch die in § 39 Abs. 5 BayZVKS getroffene Ruhensregelung das einen Hinzuverdienst ersetzende Krankengeld im Sinne von § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI und hinge das Ruhen der Betriebsrente davon ab, ob das Krankengeld die Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 SGB VI unterschreitet, stünde der Versicherte wie die Klägerin im Streitfall bei Erhalt eines niedrigen Krankengeldes unter Umständen schlechter da, als wenn das Krankengeld die Hinzuverdienstgrenze überschritte. Denn in diesem Fall wäre die Betriebsrente lediglich nach § 39 Abs. 2 BayZVKS anteilig zu kürzen, während sie bei Unterschreitung der Hinzuverdienstgrenzen in voller Höhe zum Ruhen gebracht werden könnte.

24

bb) Der durchschnittliche Versicherte wird den Sinn der gesetzlichen und satzungsmäßigen Verbote des Kumulierens sozialer Leistungen darin erkennen, dass bestimmte Beeinträchtigungen seiner Erwerbsfähigkeit nicht mehrfach ausgeglichen werden sollen und er insoweit nicht besser gestellt werden soll als durch das zu ersetzende Arbeitsentgelt oder -einkommen (vgl. BT-Drucks. 13/8671, S. 118; Jentsch in  jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. § 96a Rn. 31). Er wird deshalb verstehen, dass er für denselben Einnahmeausfall nicht mehrfachen Ausgleich von verschiedenen sozialen Leistungsträgern erhalten kann, sofern eine solche Kumulation ihm nicht  wie bei der von der Beklagten getragenen Zusatzversorgung neben der gesetzlichen Rente  ausdrücklich gesetzlich oder vertraglich zugesagt ist. Er wird mithin weiter verstehen, dass derselbe Erwerbsausfall ihm nicht zugleich durch Renten- und Krankengeldzahlungen ausgeglichen werden soll. Dieses Verständnis setzt allerdings voraus, dass zwischen beiden Ansprüchen eine Kongruenz hinsichtlich des auszugleichenden Einnahmeausfalls besteht (vgl. zur Kongruenz auch BSG, Urteil vom 25. November 2015  B 3 KR 3/15 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, hier zitiert aus juris Rn. 10 und 24).

25

An dieser Deckungsgleichheit des Ausfallgrundes fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat vor ihrer Krebserkrankung einen Ausgleich für ihre zuvor bereits erlittene teilweise Erwerbsminderung in Form von gesetzlicher Erwerbsminderungsrente und Zusatzrente erhalten und daneben aus ihrer verbliebenen (und insoweit nicht durch Rentenzahlungen ausgeglichenen) Arbeitskraft einen unterhalb der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen liegenden Hinzuverdienst erzielt. Das nach ihrer Krebserkrankung bezogene Krankengeld hat allein den Wegfall der diesen Hinzuverdienst tragenden Rest-Arbeitsfähigkeit, nicht hingegen die bereits zuvor erlittene Erwerbsminderung ausgeglichen. Von einer Leistungskumulation kann insofern keine Rede sein. Die Ruhensentscheidung der Beklagten hat deshalb auch nicht eine nach der Erkrankung der Klägerin eingetretene Besserstellung beseitigt, sondern zu einer Schlechterstellung geführt, denn vor ihrer Krebserkrankung bezog die Klägerin zwei Erwerbsminderungsrenten und ihren Hinzuverdienst, während ihr danach infolge der Entscheidung der Beklagten lediglich die gesetzliche Erwerbsminderungsrente und das Krankengeld als Ersatz für den ausgefallenen Hinzuverdienst verblieb.

26

cc) Die dargelegten inhaltlichen Widersprüche, welche sich bei der von der Beklagten vertretenen Auslegung des § 39 Abs. 5 BayZVKS ergeben, werden den durchschnittlichen Versicherten in der Annahme bestärken, dass die in § 39 Abs. 5 BayZVKS getroffene Regelung für Krankengeld im Sinne von § 96a Abs. 3 SGB VI, welches einen Hinzuverdienst ersetzt, keine Anwendung findet, gleichviel ob es die Hinzuverdienstgrenzen überschreitet oder nicht.

27

4. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass nicht ersichtlich sei, in welchen Fällen § 39 Abs. 5 BayZVKS bei der hier vertretenen Auslegung noch zur Anwendung komme, überspannt sie die Anforderungen an die Erkenntnismöglichkeiten eines juristisch nicht vorgebildeten durchschnittlichen Versicherten. Er hat keinen Überblick über die komplizierten sozialrechtlichen Regelungen zur Anrechnung von Krankengeld. Insbesondere ist ihm auch die gesetzliche Regelung in § 50 SGB V über die Beendigung oder Kürzung von neben Rentenzahlungen gewährtem Krankengeld nicht geläufig. Er ist deshalb zu der von der Beklagten angesprochenen Prüfung nicht in der Lage. Auch soweit die Revision geltend macht, die Beschränkung der Regelung in § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI auf Krankengeld, das aufgrund einer erst nach Rentenbeginn eingetretenen Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, habe ihren Grund allein in einer unterschiedlichen Leistungsabwicklung der Krankenkassen, und erlaube nicht den Rückschluss, dass § 39 Abs. 5 BayZVKS lediglich auf Krankengeld anzuwenden sei, welches wegen einer vor Rentenbeginn eingetretenen Erkrankung gezahlt werde, ist der durchschnittliche Versicherte zu solchen Überlegungen nicht in der Lage, weil sie im Bedingungswortlaut keine ausreichende Stütze finden und er weder die Entstehungsgeschichte und Motive des § 39 Abs. 5 BayZVKS noch des § 96a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB VI kennt.

Mayen                             Felsch                             Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                  Dr. Bußmann

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(1) Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nur in voller Höhe geleistet, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 1c nicht überschritten wird. (1a) Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, wird die Rente nur te

(1) Versicherte und ihre Hinterbliebenen haben Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen
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published on 25.11.2015 00:00

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Juni 2014 und des Sozialgerichts Osnabrück vom 6. September 2012 sowie der Bescheid der
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Annotations

(1) Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nur in voller Höhe geleistet, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 1c nicht überschritten wird.

(1a) Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, wird die Rente nur teilweise geleistet. Die teilweise zu leistende Rente wird berechnet, indem ein Zwölftel des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrages zu 40 Prozent von der Rente in voller Höhe abgezogen wird. Die Rente wird nicht geleistet, wenn der von der Rente abzuziehende Hinzuverdienst den Betrag der Rente in voller Höhe erreicht.

(1b) (weggefallen)

(1c) Die Hinzuverdienstgrenze beträgt

1.
bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung das 9,72fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Absatz 1 Nummer 1 bis 3) des Kalenderjahres mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, mindestens jedoch sechs Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße,
2.
bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe drei Achtel der 14fachen monatlichen Bezugsgröße,
3.
bei einer Rente für Bergleute das 10,68fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Absatz 1 Nummer 1 bis 3) des Kalenderjahres mit den höchsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit oder der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 45 Absatz 3, mindestens jedoch das 0,824fache der 14fachen monatlichen Bezugsgröße.

(2) Als Hinzuverdienst sind Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen zu berücksichtigen. Diese Einkünfte sind zusammenzurechnen. Nicht als Hinzuverdienst gilt das Entgelt,

1.
das eine Pflegeperson von der pflegebedürftigen Person erhält, wenn es das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, oder
2.
das ein behinderter Mensch von dem Träger einer in § 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Einrichtung erhält.

(3) Bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Rente für Bergleute sind zusätzlich zu dem Hinzuverdienst nach Absatz 2 Satz 1 als Hinzuverdienst zu berücksichtigen:

1.
Krankengeld,
a)
das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder
b)
das aufgrund einer stationären Behandlung geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente begonnen worden ist,
2.
Versorgungskrankengeld,
a)
das aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit geleistet wird, die nach dem Beginn der Rente eingetreten ist, oder
b)
das während einer stationären Behandlungsmaßnahme geleistet wird, wenn diesem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt,
3.
Übergangsgeld,
a)
dem ein nach Beginn der Rente erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegt oder
b)
das aus der gesetzlichen Unfallversicherung geleistet wird und
4.
die weiteren in § 18a Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 des Vierten Buches genannten Sozialleistungen.
Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung sind zusätzlich zu dem Hinzuverdienst nach Absatz 2 Satz 1 als Hinzuverdienst zu berücksichtigen:
1.
Verletztengeld und
2.
Übergangsgeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Als Hinzuverdienst ist die der Sozialleistung zugrunde liegende beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen.

(4) Absatz 3 wird auch für vergleichbare Leistungen einer Stelle mit Sitz im Ausland angewendet.

(5) Als Hinzuverdienst ist der voraussichtliche kalenderjährliche Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Dieser ist einmal im Kalenderjahr neu zu bestimmen, wenn sich dadurch eine Änderung ergibt, die die Höhe des Rentenanspruchs betrifft.

(6) Von dem Kalenderjahr an, das dem folgt, in dem erstmals Hinzuverdienst berücksichtigt wurde, ist jeweils für das vorige Kalenderjahr der tatsächliche Hinzuverdienst statt des bisher berücksichtigten Hinzuverdienstes zu berücksichtigen, wenn sich dadurch rückwirkend eine Änderung ergibt, die die Höhe des Rentenanspruchs betrifft. In dem Kalenderjahr, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird, ist dies nach Ablauf des Monats durchzuführen, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde; dabei ist der tatsächliche Hinzuverdienst bis zum Ablauf des Monats des Erreichens der Regelaltersgrenze zu berücksichtigen. Kann der tatsächliche Hinzuverdienst noch nicht nachgewiesen werden, ist er zu berücksichtigen, sobald der Nachweis vorliegt.

(7) Änderungen des nach Absatz 5 berücksichtigten Hinzuverdienstes sind auf Antrag zu berücksichtigen, wenn der voraussichtliche kalenderjährliche Hinzuverdienst um mindestens 10 Prozent vom bisher berücksichtigten Hinzuverdienst abweicht und sich dadurch eine Änderung ergibt, die die Höhe des Rentenanspruchs betrifft. Eine Änderung im Sinne von Satz 1 ist auch der Hinzutritt oder der Wegfall von Hinzuverdienst. Ein Hinzutritt von Hinzuverdienst oder ein höherer als der bisher berücksichtigte Hinzuverdienst wird dabei mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt.

(8) Ergibt sich nach den Absätzen 5 bis 7 eine Änderung, die die Höhe des Rentenanspruchs betrifft, sind die bisherigen Bescheide von dem sich nach diesen Absätzen ergebenden Zeitpunkt an aufzuheben. Soweit Bescheide aufgehoben wurden, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten; § 50 Absatz 3 und 4 des Zehnten Buches bleibt unberührt. Nicht anzuwenden sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 des Zehnten Buches), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 des Zehnten Buches) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 des Zehnten Buches).

(9) Ein nach Absatz 8 Satz 2 zu erstattender Betrag in Höhe von bis zu 300 Euro ist von der laufenden Rente bis zu deren Hälfte einzubehalten, wenn das Einverständnis dazu vorliegt. Der Aufhebungsbescheid ist mit dem Hinweis zu versehen, dass das Einverständnis jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.

(1) Für Versicherte, die

1.
Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
2.
Ruhegehalt, das nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gezahlt wird,
3.
Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3,
4.
Leistungen, die ihrer Art nach den in den Nummern 1 und 2 genannten Leistungen vergleichbar sind, wenn sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt werden,
5.
Leistungen, die ihrer Art nach den in den Nummern 1 und 2 genannten Leistungen vergleichbar sind, wenn sie nach den ausschließlich für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet geltenden Bestimmungen gezahlt werden,
beziehen, endet ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Krankengeldanspruch nicht. Ist über den Beginn der in Satz 1 genannten Leistungen hinaus Krankengeld gezahlt worden und übersteigt dieses den Betrag der Leistungen, kann die Krankenkasse den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern. In den Fällen der Nummer 4 gilt das überzahlte Krankengeld bis zur Höhe der dort genannten Leistungen als Vorschuß des Trägers oder der Stelle; es ist zurückzuzahlen. Wird eine der in Satz 1 genannten Leistungen nicht mehr gezahlt, entsteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn das Mitglied bei Eintritt einer erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist.

(2) Das Krankengeld wird um den Zahlbetrag

1.
der Altersrente, der Rente wegen Erwerbsminderung oder der Landabgaberente aus der Alterssicherung der Landwirte,
2.
der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder der Teilrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
3.
der Knappschaftsausgleichsleistung oder der Rente für Bergleute oder
4.
einer vergleichbaren Leistung, die von einem Träger oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt wird,
5.
von Leistungen, die ihrer Art nach den in den Nummern 1 bis 3 genannten Leistungen vergleichbar sind, wenn sie nach den ausschließlich für das in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiets geltenden Bestimmungen gezahlt werden,
gekürzt, wenn die Leistung von einem Zeitpunkt nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der stationären Behandlung an zuerkannt wird.