Bundesgerichtshof Urteil, 07. Nov. 2018 - IV ZR 14/17
Gericht
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 4. Zivilkammer - vom 14. Dezember 2016 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger, dessen linkes Bein am Oberschenkel amputiert ist, trägt seit Mai 2013 eine Beinprothese, die mit einem computergesteuerten Kniegelenk im Wert von über 40.000 € ausgestattet ist. Er fordert vom beklagten Versicherungsverein a.G., seinem privaten Krankenversicherer, die Erstattung anlässlich der Wartung des Kniegelenks entstandener Kosten.
- 2
-
Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung des Beklagten (MB/KK 2009) zugrunde, deren § 1 unter anderem bestimmt:
-
"(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse. Er erbringt, sofern vereinbart, damit unmittelbar zusammenhängende zusätzliche Dienstleistungen. Im Versicherungsfall erbringt der Versicherer
-
a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen.
-
(…)
-
(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. …
-
(3) Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Musterbedingungen mit Anhang, Tarif mit Tarifbedingungen) sowie den gesetzlichen Vorschriften. …"
- 3
-
Im zwischen den Parteien vereinbarten Tarif AS 100 (Krankheitskostentarif für ambulante Behandlung, im Folgenden nur noch als Tarif bezeichnet) heißt es unter B Nr. 2.4:
-
"Erstattungsfähig sind die Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen.
-
Das sind: Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen, Einlagen oder maßgefertigte orthopädische Schuhe, Gummistrümpfe, Hörgerät, Sprechhilfe, Kunstaugen, Schienenapparate, handbetriebener Krankenfahrstuhl, Umstandsleibbinden.
-
…
-
Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art sind einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig."
- 4
-
Mit dem Erwerb der Prothese im Mai 2013 war eine dreijährige Herstellergarantie für das Kniegelenk verbunden. Nach den Herstellervorgaben für das Gelenk war unter anderem zur "Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit und Garantie" nach 24 Monaten eine Service-Inspektion erforderlich. Diese ließ der Kläger im Sommer 2015 in der Weise durchführen, dass das Kniegelenk von seiner Orthopädiewerkstatt aus der Prothese ausgebaut, an den Hersteller zur Inspektion versandt und nach Rücksendung von der Orthopädiewerkstatt wieder eingebaut wurde. Dabei wurde auch ein so genannter Gel-Liner mit Distalanschluss ausgewechselt, der der Verbindung zwischen dem Prothesenschaft und dem Beinstumpf dient und für den passgerechten Halt der Prothese sorgt, indem er den Beinstumpf in gleichmäßiger Form hält und Druckstellen vermeidet. Hierfür wurden dem Kläger Nettobeträge von 730,80 € (Rechnungsposition Nr. 4) und 27,25 € (Rechnungsposition Nr. 5) in Rechnung gestellt. Während die Herstellerinspektion im Kaufpreis der Prothese enthalten war, fielen bei der Orthopädiewerkstatt Montage- und Service-Kosten, ferner die genannten Kosten für den Gel-Liner und weitere Kosten für diverse Kleinteile (u.a. Edelstahlschrauben) an, die diese dem Kläger unter dem 21. Juli 2015 mit insgesamt 1.688,43 € berechnete. Diesen von ihm verauslagten Betrag möchte der Kläger vom Beklagten erstattet bekommen.
- 5
-
Der Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil die Prothesenwartung keine medizinisch notwendige Heilbehandlung und in der abschließenden Hilfsmittelliste des Tarifs auch nicht aufgeführt sei. Im Übrigen seien Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig. Das gelte auch für Neben- und/oder Betriebskosten.
- 6
-
Der Kläger meint, bei dieser Auslegung werde er von der Tarifbedingung unangemessen benachteiligt; die im Tarif versprochene Hilfsmittelversorgung sei nicht gewährleistet, wenn erhebliche Hilfsmittelkosten nur alle drei Jahre erstattet würden.
- 7
-
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
-
I. Nach dessen Auffassung hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung.
- 10
-
Den von ihm in Anspruch genommenen Leistungen liege bereits kein bedingungsgemäßer Versicherungsfall zugrunde. Es erschließe sich nicht, warum es sich bei einer Serviceleistung zur Garantieverlängerung für ein computergestütztes Prothesenknie und damit in Zusammenhang stehenden Montagearbeiten um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln solle. Eine entsprechende ärztliche Verordnung behaupte der Kläger nicht. Das Leistungsversprechen aus § 1 i.V.m. § 4 MB/KK 2009 beziehe sich nicht auf Leistungen, die nicht in direktem Zusammenhang mit ärztlichem Handeln stünden.
- 11
-
Bei den in Frage stehenden Leistungen, d.h. den unter Nr. 4 und 5 abgerechneten technischen Mitteln, handele es sich schon vom Wortlaut her nicht um eine Prothese im Sinne von B Nr. 2.4 des Tarifs, sondern allenfalls um (Verschleiß-)Teile eines Körperersatzstücks oder Leistungen im Zusammenhang mit der Wiederanpassung der Prothese nach Demontage.
- 12
-
Die erkennbar abschließende Hilfsmittelaufzählung in B Nr. 2.4 des Tarifs verbiete es, dass derartige Reparatur-, Neben- und/oder Betriebskosten aufwendungsersatzfähige Hilfsmittel darstellten.
- 13
-
Jedenfalls erschließe sich im Übrigen auch nicht, weshalb die in Rede stehenden Kosten nicht der Dreijahresregelung unterfallen sollten. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2015 (IV ZR 181/14) ausgeführt, diese Beschränkung führe zu einer Begrenzung der Leistung bei Zweitversorgung oder Ersatzbeschaffung. Sie liefe nach Auffassung des Berufungsgerichts leer "und wäre Makulatur", wenn Reparatur-, Neben- und/oder Betriebskosten erfasst wären, die quasi zu einer Ersatzbeschaffung führten. Ein verständiger Versicherungsnehmer erwarte nicht, dass eine solche Umgehungsmöglichkeit zulässig sein könne.
- 14
-
Wirksamkeitsbedenken gegen abschließende Hilfsmittelkataloge bestünden nicht, und für Billigkeitserwägungen nach § 242 BGB fehle es an Klägervortrag.
- 15
-
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen dürfen.
- 16
-
1. Ihm kann nicht darin gefolgt werden, dass den hier in Anspruch genommenen Leistungen kein Versicherungsfall zugrunde liegt. Das offenbart vielmehr ein grundlegendes Missverständnis des Leistungsversprechens aus § 1 MB/KK 2009.
- 17
-
a) Nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht.
- 18
-
Das Berufungsgericht verkennt, dass hierbei nicht auf das Erfordernis, eine Beinprothese in gewissen Zeitintervallen zu warten, abzustellen ist, sondern darauf, dass das linke Bein des Klägers am Oberschenkel amputiert ist. Darin liegt die behandlungsbedürftige körperliche Beeinträchtigung. Dieser Versicherungsfall ist auch nicht nach der Erstversorgung des Versicherungsnehmers mit einer Beinprothese abgeschlossen, sondern dauert infolge des irreparablen Beinverlustes nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 lebenslänglich fort.
- 19
-
b) Die aufgrund ärztlicher Verordnung erfolgte Versorgung eines beinamputierten Versicherungsnehmers mit einer Beinprothese ist - wie der Senat bereits in seinem ebenfalls den Fall des Klägers betreffenden Urteil vom 24. Juni 2015 (IV ZR 181/14, r+s 2015, 405 Rn. 13) ausgesprochen hat - medizinisch notwendig im Sinne von § 1 Abs. 2 der hier vereinbarten Krankheitskostenversicherungsbedingungen. Die dafür erforderlichen Kosten sind nach B Nr. 2.4 des vereinbarten Tarifs zu erstatten, soweit das eingesetzte Hilfsmittel in der dortigen Hilfsmittelliste benannt ist.
- 20
-
2. Das ist hier der Fall.
- 21
-
a) B Nr. 2.4 des Tarifs bezeichnet Beinprothesen als technische Mittel, deren Kosten erstattungsfähig sind. Da sich die knapp gefasste Hilfsmittelliste des Tarifs auf wenige Gattungsbezeichnungen ("Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen, Einlagen oder maßgefertigte orthopädische Schuhe, Gummistrümpfe, Hörgerät, Sprechhilfe, Kunstaugen, Schienenapparate, handbetriebener Krankenfahrstuhl, Umstandsleibbinden") beschränkt und anders als etwa das in der gesetzlichen Krankenversicherung gebräuchliche Hilfsmittelverzeichnis (vgl. § 139 SGB V) keine weitergehende Aufschlüsselung dieser Hilfsmittel enthält, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung der Tarifbedingung ankommt, den Begriff der Beinprothese so verstehen, dass damit alle Teile gemeint sind, die in ihrer Gesamtheit die Beinprothese bilden und deren bestimmungsgemäße Nutzung als Körperersatzstück ermöglichen. Hierzu zählt auch der ausgetauschte Gel-Liner, der die Verbindung der Prothese mit dem verbliebenen Oberschenkelstumpf gewährleisten soll und daher nach dem Verständnis des juristisch nicht vorgebildeten durchschnittlichen Versicherungsnehmers einen Teil der Beinprothese bildet.
- 22
-
b) Anders als der Beklagte meint, beschränkt sich sein in § 1 Abs. 3 MB/KK 2009 i.V.m. B Nr. 2.4 des Tarifs gegebenes Leistungsversprechen nicht auf die reinen Anschaffungskosten einer Beinprothese, sondern erfasst auch Kosten, die für die Aufrechterhaltung der bestimmungsgemäßen Funktion und den sicheren Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind, mithin Wartungs- und Reparaturkosten sowie Kosten für den Austausch von Verschleißteilen. Die Leistungszusage "erstattungsfähig sind die Kosten für technische Mittel, …" schließt nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch alle Kosten ein, die er aufwenden muss, um das Hilfsmittel in einem technisch sicheren und gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Der knappe Bedingungswortlaut gibt ihm keinen Anhalt dafür, dass es sich insoweit nicht um Kosten "für" sein technisches Mittel handeln soll. Von daher kann dem Berufungsgericht auch nicht darin gefolgt werden, dass die erkennbar abschließende Hilfsmittelaufzählung in B Nr. 2.4 des Tarifs es "verbiete", in Reparatur-, Neben- oder Betriebskosten aufwendungsersatzfähige Hilfsmittel zu sehen. Vielmehr ist das maßgebliche bedingungsgemäße technische Mittel allein die Beinprothese, während die Wartungs- und Reparaturkosten weder eigenständige Hilfsmittel noch andersartige Kosten sondern Kosten "für" das technische Mittel "Beinprothese" sind. Dieses soll als Körperersatzstück das Fehlen des Beines "unmittelbar" im Sinne von B Nr. 2.4 des Tarifs ausgleichen. Das verkennen das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung, wenn sie darauf verweisen, dass der Distalanschluss als bloßes Ergänzungsteil oder auch anderweitige Aufwendungen für die Beinprothese die Behinderung des Klägers nicht unmittelbar ausglichen.
- 23
-
Soweit andere Tarifbedingungen, die der Kläger als Versicherungsnehmer nicht kennt und auch nicht kennen muss, zwischen Anschaffungs- und sonstigen Kosten (etwa Reparaturkosten) differenzieren, lässt sich daraus für die Auslegung der hier allein in Rede stehenden Tarifbedingung nichts ableiten.
- 24
-
c) Im Hinweisbeschluss vom 13. Mai 2009 (IV ZR 217/08, VersR 2009, 1106 Rn. 11) hat der Senat zwar, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, die Erstattungsfähigkeit von Batteriekosten für ein Cochlea-Implantat verneint. Dem lag aber eine Tarifbedingung (Nr. 2 Buchst. d TB/KK) zugrunde, die neben Kosten für medizinische Hilfsmittel auch ausdrücklich deren Reparaturen als erstattungsfähig bezeichnete. Aus dieser Differenzierung unterschiedlicher Kostenarten für Hilfsmittel hat der Senat seinerzeit gefolgert, dass die nicht gesondert genannten Energiekosten als reine Betriebskosten für das Gerät nicht erfasst seien. So ist es im Streitfall, dem andere Bedingungen zugrunde liegen, jedoch nicht.
- 25
-
d) Entscheidend im Streitfall ist, dass der Kläger nicht die Erstattung von Kosten für den Betrieb des computergesteuerten Kniegelenks, sondern die Erstattung von Kosten für den Erhalt der Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit seiner Beinprothese verlangt. In welchem Umfang und innerhalb welcher zeitlichen Intervalle das verordnete Hilfsmittel zum Erhalt seiner Betriebssicherheit einer Wartung und gegebenenfalls einer Erneuerung von Verschleißteilen bedarf, ist - anders als das Berufungsgericht anzunehmen scheint - keine Frage der bereits durch die ärztliche Verordnung des Hilfsmittels als solchem bejahten medizinischen Notwendigkeit des Hilfsmitteleinsatzes, sondern eine Frage nach dem technisch für den sicheren Betrieb der Prothese objektiv Gebotenen, zu deren Beantwortung es keiner gesonderten ärztlichen Wartungs- oder Reparaturverordnung mehr bedarf, sondern die im Bestreitensfalle mit sachverständiger Hilfe zu klären ist. Entscheidend ist im Streitfall letztlich, in welcher Häufigkeit und Weise die Funktion des computergesteuerten Kniegelenks überprüft werden muss, um eine betriebssichere Verwendung des Geräts zu gewährleisten.
- 26
-
Das Berufungsgericht hat - unter Zugrundelegung seiner abweichenden Rechtsauffassung konsequent - hierzu bislang keine Feststellungen getroffen.
- 27
-
Erweist sich eine Wartung als technisch geboten, spielt es im Weiteren - anders als das Berufungsgericht meint - für die Erstattungsfähigkeit der Wartungskosten keine Rolle, ob der Hersteller an diese Wartung eine Verlängerung der Garantie knüpft.
- 28
-
3. Die Kostenerstattung scheitert auch nicht daran, dass gemäß B Nr. 2.4. des Tarifs Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig sind (sog. Dreijahresregelung).
- 29
-
a) Die Kosten, deren Erstattung der Kläger hier begehrt, wurden für die von ihm im Jahre 2013 erworbene Beinprothese, d.h. dasselbe Hilfsmittel und nicht für ein (anderes) Hilfsmittel "gleicher Art" aufgewendet. Wie bereits oben dargelegt, versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer den von der Hilfsmittelliste verwendeten Gattungsbegriff einer Beinprothese so, dass damit alle Teile gemeint sind, die in ihrer Gesamtheit die Beinprothese bilden und deren bestimmungsgemäße Nutzung als Körperersatzstück ermöglichen. Mithin ist auch der von der orthopädischen Werkstatt ausgewechselte Gel-Liner insoweit Teil der Beinprothese.
- 30
-
b) Der Senat hat bereits im Urteil vom 24. Juni 2015 (IV ZR 181/14, r+s 2015, 405 Rn. 20) dargelegt, der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe die Formulierung "Hilfsmittel gleicher Art" dahin, dass sie lediglich auf eine Begrenzung einer Zweitversorgung oder Ersatzbeschaffung ziele. Die Klausel griffe mithin ein, wenn für das amputierte linke Bein des Klägers eine Beinprothese gleicher Art, d.h. eine neue oder zusätzliche Beinprothese mit computergesteuertem Kniegelenk innerhalb von drei Jahren beschafft werden sollte. Demgegenüber sind die hier in Rede stehenden Aufwendungen für die bereits vorhandene (d.h. dieselbe) Beinprothese erfolgt und unterfallen damit schon nach dem Klauselwortlaut nicht der Dreijahresregelung.
- 31
-
c) Ein weiter gehendes Verständnis der Dreijahresregelung verbietet sich, weil bei Risikoausschlussklauseln das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin geht, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsurteile vom 17. Dezember 2008 - IV ZR 9/08, VersR 2009, 1147 Rn. 17; vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98, VersR 1999, 748 unter 2 a [juris Rn. 10]).
- 32
-
Für die zeitliche Beschränkung der Erstattung von Hilfsmittelkosten wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennen, dass es dem Versicherer im Interesse der Versichertengemeinschaft und angesichts der schwer kalkulierbaren Kostenentwicklung für Hilfsmittel ähnlich wie bei der sachlichen Begrenzung der Hilfsmittelliste darum geht, einer sonst nicht mehr steuer- und kalkulierbaren Ausuferung der Kosten des Hilfsmittelersatzes entgegenzuwirken (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - IV ZR 176/03, juris Rn. 23). Die Kostenerstattung soll deshalb an zeitliche Mindestintervalle für die Beschaffung gleicher Hilfsmittel gebunden werden. Dem Versicherungsnehmer wird durch die Dreijahresregelung aber nicht ausreichend verdeutlicht, dass sich daraus auch weitere Einschränkungen mit Blick auf Wartungs- und Reparaturkosten für ein Hilfsmittel ergeben sollen, mit dem er bereits versorgt ist.
- 33
-
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erwägung des Berufungsgerichts, die Erstattung von Reparatur-, Neben- und/oder Betriebskosten innerhalb der Dreijahresfrist führe quasi zu einer Ersatzbeschaffung und ließe die Dreijahresregelung leerlaufen oder zur Makulatur werden. Davon kann bei einer Beinprothese im Werte von über 40.000 €, einer prognostizierten Lebensdauer des Geräts von ca. fünf Jahren und Wartungskosten von lediglich 1.688,43 € nach deren zweijährigen Gebrauch nicht ernsthaft die Rede sein.
- 34
-
III. Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache entscheiden, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zur für den sicheren Betrieb der Prothese technischen Notwendigkeit der Wartung des Kniegelenks und der Auswechslung des Gel-Liners getroffen hat. Insofern wird es den Parteien zunächst Gelegenheit geben müssen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats ergänzend zur Sache vorzutragen.
-
Mayen
Felsch
Harsdorf-Gebhardt
Prof. Dr. Karczewski
Dr. Götz
Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.
(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.
(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.
(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.
(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.
(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.
(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.
(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.
(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.
(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.
(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.