Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2017 - IV ZR 11/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:201217UIVZR11.16.0
bei uns veröffentlicht am20.12.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

2

§ 2 der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen lautet auszugsweise:

"1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht."

3

Der Kläger wurde in der Zeit von 1987 bis 1991 zum Landmaschinenmechaniker ausgebildet. Von Juli 1994 bis Ende Dezember 2000 arbeitete er im Bereich Metallbau mit einem Schwerpunkt Hufbeschlag. Danach absolvierte er einen viereinhalb Monate dauernden, ganztägigen Lehrgang zum Hufbeschlagschmied und war von Juni 2003 bis März 2009 in diesem Beruf selbständig tätig. Vom 1. April 2009 bis 30. April 2015 war er in einer Biogasanlage zunächst als Anlagenwart, dann als Maschinenführer tätig. Seit dem 1. Mai 2015 ist er als Lagerist in einem anderen Unternehmen beschäftigt.

4

Der Kläger behauptet, sein im Jahr 2004 beginnendes Leiden - unter anderem chronische Lendenwirbel- und Schultergelenksbeschwerden - habe den Wechsel zur Tätigkeit in der Biogasanlage erforderlich gemacht. Er habe die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied zunächst noch nebenberuflich weitergeführt, sei aber in diesem Beruf jedenfalls seit Juli 2012 zu mindestens 50% berufsunfähig.

5

Die Beklagte verweigert die Leistungen mit der Begründung, der Kläger könne auf die Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen werden.

6

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der für die Frage der Berufsunfähigkeit heranzuziehende Beruf des Klägers der des Hufbeschlagschmieds gewesen ist und ob er diesen Beruf aus gesundheitlichen und nicht aus allein wirtschaftlichen Gründen gewechselt hat. Selbst wenn man unterstelle, dass er im Beruf des Hufbeschlagschmieds zu mindestens 50% berufsunfähig geworden sei, habe die Beklagte ihn jedenfalls in zulässiger Weise auf seine Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen. Nach den Versicherungsbedingungen müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die ihm nach seiner Ausbildung und Berufserfahrung möglich sei und seiner Lebensstellung entspreche. Die erstere Voraussetzung sei aufgrund seiner Ausbildung als Landmaschinenmechaniker und einer früheren Tätigkeit als Maschinenführer im Garten- und Landschaftsbau unzweifelhaft erfüllt. Die Tätigkeit entspreche auch seiner bisherigen Lebensstellung, zu der die Verdienstmöglichkeiten, aber auch das Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit gehörten. Zwar habe der Kläger als selbständiger Hufbeschlagschmied im ländlichen Bereich möglicherweise ein etwas höheres Sozialprestige gehabt als ein angestellter Maschinenführer. Dies werde aber durch das höhere und überhaupt erst jetzt einigermaßen auskömmliche Einkommen des Klägers als Maschinenführer mehr als ausgeglichen. Von seinem früheren Einkommen als Hufbeschlagschmied sei ihm dagegen praktisch nichts zum Leben verblieben.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Maschinenführer seiner bisherigen Lebensstellung entsprach, ohne die Qualifikation des Klägers, die er für seinen nach der Unterstellung des Berufungsgerichts in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Beruf erworben hatte, mit der für die Tätigkeit als Maschinenführer erforderlichen zu vergleichen.

10

1. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach § 2 Abs. 1 der Bedingungen der Beklagten nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Die bisherige Lebensstellung wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf (Senatsurteile vom 21. April 2010 - IV ZR 8/08, VersR 2010, 1023 Rn. 11; vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 302/01, NJW-RR 2003, 383 unter II 1 [juris Rn. 13]; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95, VersR 1997, 436 unter II 3 b [juris Rn. 29]). Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (aaO).

11

2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts nicht.

12

a) Der Umstand, dass das Einkommen des Klägers als Hufbeschlagschmied nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichte und sein Berufswechsel zu einer erheblichen Einkommenssteigerung geführt hat, ändert nichts daran, dass die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und die hierfür notwendige Erfahrung seine berufliche Qualifikation, die durch die neue Tätigkeit nicht deutlich unterschritten werden darf, bestimmen. Der Versicherte darf in dem von ihm ausgeübten Verweisungsberuf unabhängig von einem unter Umständen auch höheren Einkommen nicht "unterwertig", also seine frühere Qualifikation und seinen beruflichen oder sozialen Status unterschreitend, beschäftigt sein (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 172 Rn. 46).

13

b) Selbst wenn der Kläger - worauf sich die Revisionserwiderung beruft - seiner Darlegungslast insoweit noch nicht genügt hätte, führte dies nicht zur Abweisung der Klage. Denn er hatte mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit forderte, keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen hinsichtlich des mit beiden Berufen verbundenen Anforderungsprofils vorgetragen. Einen der Sache nach gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungsgericht nicht erteilt.

14

III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat bereits deswegen gehindert, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Anforderungsprofilen für die Tätigkeit als Hufbeschlagschmied einerseits und als Maschinenführer andererseits getroffen hat. Hierzu - und gegebenenfalls zu den bisher vom Berufungsgericht offengelassenen Fragen zum zuletzt ausgeübten Beruf des Klägers, den Gründen für seinen Berufswechsel und der behaupteten Berufsunfähigkeit - wird das Berufungsgericht noch entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Mayen     

      

Dr. Karczewski     

      

Lehmann

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann     

      

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Eine 1. Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach den Bedingungen der Beklagten (§§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 B-BUZ) nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 302/01 - NJW-RR 2003, 383 unter II 1; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 3 b m.w.N.). Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 aaO). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 - IV ZR 48/06 - VersR 2008, 521 Tz. 3; Senatsurteile BGHZ 121, 284, 295; vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98 - VersR 1999, 958 unter II 1 a m.w.N.). Wenn es um die Leistungseinstellung wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten geht, kommt es auf einen Vergleich der vor dem Anerkenntnis zuletzt ausgeübten mit der anderen Tätigkeit an, auf die der Versicherungsnehmer verwiesen werden soll (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 aaO m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 302/01 Verkündet am:
11. Dezember 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius
und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2002

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 20. November 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der beklagten Versicherungsgesellschaft seit dem 1. Juni 1993 eine Kapitallebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Parteien streiten darüber , ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die mit der Zusatzversicherung versprochenen Leistungen - die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente und die Befreiung von der Beitragspflicht - über den 30. Juni 2000 hinaus zu erbringen.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Nr. 421; im folgenden B-BUZ) zugrunde, deren §§ 2 (1) und 7 (1) den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus den Jahre 1990 (VerBAV 1990, 347) entsprechen. § 2 (1) der Bedingungen der Beklagten lautet auszugsweise: "Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte... außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht." In § 7 wird u.a. bestimmt: "(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegestufe nachzuprüfen ... . Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ausüben kann, wobei neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. ... (5) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. ..." Der 1964 geborene Kläger war von Beruf Gärtnergeselle und hatte sich nach mehrjähriger Angestelltentätigkeit im Mai 1993 selbständig gemacht. Am 24. Januar 1994 erlitt er durch einen Unfall eine Querschnittslähmung. Die Beklagte erbrachte daraufhin die vertraglich versprochenen Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Kläger ließ sich zum Verwaltungsfachangestellten umschulen und wurde zum 16. Juni 2000 bei einem Einwohnermeldeamt eingestellt, wo

er seitdem für das Ausstellen von Ausweisen und für Wohnortveränderungen zuständig ist. Sein Einkommen ist höher als dasjenige, welches er vor dem Unfall aus seiner Tätigkeit als selbständiger Gärtner erzielte. Die Anstellung beim Einwohnermeldeamt ist bis zum 31. März 2003 befristet. Die Beklagte stellte wegen dieser Anstellung ihre Leistungen zum 1. Juli 2000 ein.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Nachzahlung der Rentenbeträge für die Monate Juli bis November 2000 sowie die Feststellung, daß die Beklagte die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente vom 1. Dezember 2000 bis zum 1. September 2019 fortzahlen muß und daß er von der Beitragszahlungspflicht aus dem Versicherungsvertrag befreit ist. Er meint, seine jetzige befristete Tätigkeit im öffentlichen Dienst sei seiner früheren Lebensstellung als selbständiger Gärtner nicht vergleichbar.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen hat die Beklagte Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht meint, die Freiheit des selbständigen Handwerkers, einen Auftrag überhaupt anzunehmen und zu entscheiden,

wie er die ihm übertragene Aufgabe im einzelnen lösen wolle, sei mit der Weisungsgebundenheit eines Verwaltungsangestellten nicht vergleichbar. Außerdem sei der Kläger mit dem Ausstellen von Ausweisen und der Bearbeitung von Wohnortveränderungen kenntnis- und erfahrungsmäßig vergleichsweise wenig gefordert. An der Vergleichbarkeit fehle es auch deshalb, weil er vor dem Unfall die Einstellung von Mitarbeitern geplant habe, die vom Betriebsinhaber besondere Fähigkeiten der Personalführung verlange. Ferner könnten keine realistischen Beförderungschancen des Klägers im neuen Beruf festgestellt werden. Die fehlende Vergleichbarkeit der Tätigkeit eines Verwaltungsangestellten mit der eines selbständigen Gärtners gelte insbesondere dann, wenn der Angestellte vergleichsweise einfache Aufgaben zu erfüllen habe und nicht aufgrund eines dauerhaften Anstellungsverhältnisses tätig sei.
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts beruhen auf unzureichenden Feststellungen insbesondere zur beruflichen Tätigkeit des Klägers vor Eintritt der Berufsunfähigkeit.
1. Nach den Bedingungen der Beklagten kommt eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit - auch unter Berücksichtigung neu erworbener beruflicher Fähigkeiten - nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht (§§ 7 (1), 2 (1) B-BUZ). Die bisherige Lebensstellung wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung eines Erwerbstätigen wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, und

diese orientiert sich - ebenso wie die Vergütung der Tätigkeit - wiederum daran, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist mithin dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes absinkt (st. Rspr. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II, 3 b).
Liefert demgemäß die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muß bekannt sein, wie diese konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten.
2. Das Berufungsgericht beschränkt sich insoweit darauf festzustellen , der Kläger habe sich im Mai 1993 in seinem erlernten Beruf als Gärtner (Gärtnergehilfenbrief) selbständig gemacht und diese Tätigkeit bis zu dem Unfall am 24. Januar 1994 - also für etwa neun Monate - ausgeübt. Sein Auftragsbuch sei für Monate gefüllt gewesen, so daß er deshalb die Anstellung von Mitarbeitern geplant habe.
Daß mit diesen Feststellungen die frühere Tätigkeit des Klägers nicht in der erforderlichen Weise beschrieben worden ist, liegt auf der Hand. Ihnen ist nicht ansatzweise zu entnehmen, welche Tätigkeiten der Kläger konkret ausgeübt hat, welche Anforderungen sich daraus für ihn

ergaben, inwieweit die Tätigkeit organisatorische und kaufmännische Aufgaben mit sich brachte. Demgemäß entbehren die Einschätzungen des Berufungsgerichts (die Tätigkeit des Selbständigen bestehe in der Führung des Unternehmens, sie erfordere unternehmerisches Umgehen mit Geld- und Sachmitteln, der übliche Einsatz von Mitarbeitern verlange besondere Fähigkeiten in der Personalführung) mit Blick auf den Kläger - wie die Revision mit Recht rügt - einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage.
Soweit das Berufungsgericht eine Vergleichbarkeit der Lebensstellung schon deshalb verneint, weil der Kläger seine Selbständigkeit eingebüßt habe, hat es nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt, daß auch einem früher Selbständigen die Aufnahme einer Tätigkeit in sozial abhängiger Stellung nicht generell unzumutbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 19. November 1985 - IVa ZR 23/84 - VersR 1986, 278 unter 4; vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86 - VersR 1988, 234 unter 2 b).
3. Allerdings verhält sich das Vorbringen der für den Wegfall der Berufsunfähigkeit im Rahmen des § 7 B-BUZ beweispflichtigen Beklagten (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996 aaO unter II 1 a) zur Ausgestaltung der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Gärtner nicht. Die Beklagte trifft jedoch insoweit auch nicht die Darlegungslast. Will der Versicherte geltend machen, die von ihm neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung, ist es an ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus der sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll (BGH, Urteil vom 3. November 1999 - IV ZR 155/99 - VersR 2000, 171 unter III); das gilt auch und gerade, wenn er sich auf solche

Umstände stützen will, die sich aus Art und Ausgestaltung seiner früheren Tätigkeit ergeben. Sache der Beklagten ist es dann, diesen Vortrag zu widerlegen.
Dieser Darlegungslast hat der Kläger bislang nicht genügt. Das führt indessen nicht zur Abweisung der Klage. Denn der Kläger hatte nach der Entscheidung des Landgerichts, das der Klage stattgegeben hatte, keinen Anlaß davon auszugehen, er habe bislang seiner Darlegungslast nicht genügt. Das Berufungsgericht hat einen der Sache nach gebotenen Hinweis (§ 139 ZPO) nicht erteilt. Das Verfahren war deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit der Kläger Gelegenheit erhält, seinen Vortrag zu ergänzen.
Terno Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.