Bundesgerichtshof Entscheidung, 20. Juli 2009 - 1 StR 344/08
published on 20/07/2009 00:00
Bundesgerichtshof Entscheidung, 20. Juli 2009 - 1 StR 344/08
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Gericht
Richter
Bundesgerichtshof
1. Strafsenat
1 StR 344/08
Verfügung des Vorsitzenden
vom
20. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
hier nur: Antrag auf nachträgliche Bestellung eines Verteidigers für die
Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008
Der Antrag der Rechtsanwältin S. vom 15. Juli 2009, ihre Beiordnung
zur Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008
zu beschließen, wird zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass Rechtsanwältin S. zur Verteidigerin
bestellt war.
Gründe:
- 1
- Die Angeklagte war vom Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 19. Dezember 2007 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft; ausweislich ihres Antrags richtete sich die Revision ausschließlich gegen den Strafausspruch. In der Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008 trat für die Angeklagte die im Verfahren erster Instanz als Verteidigerin bestellte Rechtsanwältin S. aus G. auf. Während der Generalbundesanwalt die teilweise Abänderung und teilweise Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und insoweit die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragte , beantragte Rechtsanwältin S. Verwerfung der Revision.
- 2
- Der Senat hat durch Urteil vom gleichen Tag das Urteil teilweise auch im Schuldspruch aufgehoben, da er ihn insoweit trotz des Revisionsantrags wegen der Begründung der Revision als angefochten ansah, sowie im gesamten Strafausspruch (vgl. wistra 2009, 189, 190 m. Anm. Schützeberg aaO 278 f.).
- 3
- Nunmehr beantragt Rechtsanwältin S. mit Schreiben vom 15. Juli 2009, sie nachträglich für die Revisionshauptverhandlung als Verteidigerin beizuordnen.
- 4
- 1. Der Antrag kann in dieser Form keinen Erfolg haben, weil eine nachträgliche Bestellung eines Verteidigers nicht möglich ist. Die Beiordnung erfolgt im Strafprozess nicht im Kosteninteresse des Angeklagten, sondern dient allein dem Zweck, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten.
- 5
- 2. Die für das Verfahren erster Instanz erfolgte Beiordnung erstreckte sich nicht auf die Mitwirkung in der Revisionshauptverhandlung. Vielmehr ist im Revisionsverfahren aufgrund des jeweiligen Verfahrensstandes neu zu prüfen, ob bei Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Rechtsmittels auch in der Revisionshauptverhandlung noch ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.
- 6
- 3. Rechtsanwältin S. ist jedoch durch den Vorsitzenden des Strafsenats in der Revisionshauptverhandlung vom 2. Dezember 2008 stillschweigend zur Verteidigerin des Angeklagten bestellt worden. Sie hatte - obwohl nicht als gewählte Verteidigerin ausgewiesen - nicht nur eine Terminsnachricht zugestellt bekommen, sondern war in der Revisionshauptverhandlung auch als Verteidigerin der Angeklagten aufgetreten.
- 7
- Hierin kann eine stillschweigende Bestellung liegen, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers in der Revisionshauptverhandlung rechtlich geboten erscheint (vgl. zu alledem näher BGH NStZ 1997, 299 f. m.w.N.).
- 8
- 4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Verteidigers waren schon wegen der Schwierigkeit der Rechtslage, wie sie sich bereits aus der notwendigen Prüfung des Umfangs der Revision ergibt, gegeben (vgl. § 140 Abs. 2 StPO).
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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR586/12 vom 4. November 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. hier: Antrag auf Feststellung der Beiordnung als Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung vom 9. April 2013 Der 1. St
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Annotations
(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn
- 1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet; - 2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird; - 3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann; - 4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist; - 5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt; - 7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird; - 8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist; - 9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist; - 10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint; - 11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.
(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
(3) (weggefallen)